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Die kleine Inspektion, oder: Wo können wir Sie erreichen?

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14.01.2003
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Die kleine Inspektion, oder: Wo können wir Sie erreichen?

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, wenn Sie Ihr Auto in die Werkstatt bringen. Mich beschleicht jedes Mal ein Gefühl der Leere und zwar der zu erwartenden Leere auf meinem Bankkonto. Vor meinem letzten Besuch zum Beispiel habe ich schon mal vorsorglich mein Kreditlimit erhöhen lassen.

Normal läuft es wie folgt ab: Man meldet sein erst 1 1/2 Jahre altes Auto, sagen wir mal, zur kleinen Inspektion an.
Nicht, dass einem irgend etwas aufgefallen wäre, im Gegenteil: der Motor schnurrt wie ein Angorakätzchen, das Getriebe lässt sich butterweich schalten, aber es steht halt im Scheckheft, dass der Wagen gerade jetzt in die Werkstatt muss. Reine Routine natürlich. Obwohl wirklich alles in bester Ordnung ist, habe ich diese komische Ahnung, als ich am Morgen den Autoschlüssel der Marketing geschulten Dame vom Empfang aushändige.

Sie lächelt mich eine Spur zu freundlich an. Ist es die Erwartung einer fetten Auftragsprovision, der sie lächeln lässt? Oder ist es mein Hinweis, es sei nichts Besonderes, den sie als Blankoscheck interpretiert?
„Wenn doch was sein sollte, wo können wir sie erreichen?“ Ich hab’s gewusst. Dieser Anruf kommt so sicher wie das Amen in der Kirche!

Kaum im Büro angekommen, zischelt meine Sekretärin mit der Hand auf der Muschel „Die Werkstatt“ und: „Soll ich?“. Wortlos nickend lasse ich mich verbinden und nehme tapfer den Hörer ab. So ähnlich müssen sich Delinquenten in Texas fühlen, wenn der Gouverneur das Gnadengesuch abgelehnt hat! Die Farbe weicht mir aus dem Gesicht, meine Stimme klingt brüchig: Aha, die Bremsbeläge. Soso, total runter nach 48 Tausend Kilometern. Läge wohl an meinem sportlichen Fahrstil. Auch noch Rumschleimen – jedes Mittel ist diesen Halsabschneidern recht!
„Wenn Sie meinen“, höre ich mich wie durch einen Schleier sagen, „ich werde mich dem Unvermeidlichen wohl beugen müssen“.

Meine sehr blonde Sekretärin, die den unheilvollen Dialog mitgehört hat, erkennt die Situation und spendet Trost. „Stellen Sie sich vor, bei mir haben die beim letzten Mal die Lichtmaschine gewechselt, obwohl ich so gut wie nie bei Dunkelheit fahre.“
Auf einmal fühle ich mich so unsagbar müde und wo kommen plötzlich diese schrecklichen Kopfschmerzen her??

Am Abend lasse ich mich apathisch von Blondie zur Werkstatt fahren. Sicherheitshalber gebe ich ihr meinen Stadtplan und ein Snickers für den Rückweg mit, schließlich dämmert es schon.

Ab jetzt bin ich ganz allein. Todesmutig wie Robert de Niro beim Russisch Roulette in "Die durch die Hölle gehen" stapfe ich auf das Hauptquartier der Bande zu. Finster entschlossen, von meinen Feinden mein Allerliebstes zurück zu holen.

Die schmucke Eingangshalle erinnert mehr an eine Bank als an eine Werkstatt, aber genau genommen ist es ja auch das gleiche Geschäftsprinzip. Nur, dass bei Bankern die Finger sauber bleiben, wenn sie sich die Hände schmutzig machen.

Die freundliche Dame vom Morgen nestelt auffällig umständlich die Rechnung aus einem Stapel hervor, als hätte sie nach langen Jahren Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nun endlich doch den Anflug eines schlechten Gewissens.
„Oh, hier steht, der Meister müsste Ihnen noch `was dazu sagen.“ Bingo, der Meister persönlich. Das wird sicher neuer Rechnungsrekord!
„Ho-ho-ho,“ höre ich diesen schon von weitem, „wo ist denn unser Möchtegern-Schumi?“ Was meint dieser blau bemäntelte Knilch damit? Ich fahr´ schließlich ein 200 PS Auto und keinen Elektro-Rollstuhl!

„Also, nachdem wir die Bremsbeläge abmontiert hatten, haben wir die Scheiben auch gleich ausgewechselt, die hatten nur noch sooo wenig drauf“, dabei presst er Daumen und Zeigefinger gegeneinander, bis die Fingerkuppen weiss werden. Und, als würde ihm das Quälen Freude machen: „Die Reifen wären eigentlich auch fällig.“
Mir fällt der Sketch von Didi Hallervorden ein: „Pech für die Kuh Elsa!“ - wahrscheinlich muss ich jetzt noch froh sein, dass sie den Wagen nicht gleich still gelegt haben.

Seine Rechnung geht auf. „Und was kostet der Spaß jetzt?“ frage ich resignierend. Eilig tritt der Meister, Ungemach spürend, nach links von der Bühne ab.
Wirklich perfekt inszeniert: Die gute Seele des Syndikats präsentiert auf Stichwort die Rechnung und augenblicklich weiß ich, warum sie hinter einem einsfünzig breiten Tresen steht. So kann ich meinem spontanen Impuls, ihr an die Gurgel zu gehen, leider nicht folgen. Aber, ich bin auch gar nicht mehr fähig dazu, weil mir in einem akuten Schwächeanfall die Beine wegknicken und ich wie vom Schraubenschlüssel getroffen zu Boden fahre.

Als ich wieder zu mir komme, fächelt mir jemand mit meiner Rechnung frische Luft ins Gesicht. Mühsam folge ich den tanzenden Ziffern, kann aber schließlich erkennen, dass ich die Summe vorher richtig gelesen habe: 1.346 Euro und 82 Cent!!!

„Wie wollen Sie bezahlen“ höre ich die Fächelnde säuseln. „Bar?“

Was denkt diese rechte Hand des Raubritters eigentlich? Dass ich gerade noch schnell einen Supermarkt überfallen habe?

Erst will ich antworten: `Nehmen Sie Wandelschuldverschreibungen, oder akzeptieren Sie auch Hypotheken?´, röchle aber dann doch: „Mit Karte“ und denke, dass ich am nächsten Morgen gleich meiner Bank erklären muss, dass ich kein neues Auto gekauft habe, sondern mal wieder nur bei der kleinen Inspektion war.

 

Hallo Novolus,

also dann auf ein Neues, nachdem die Kritik mitsamt der Technik in den Orkus gestürzt ist: ;)

deine Geschichte hat mir super gefallen, zumal es sich exakt um die Art von Humor handelt, bei der ich sehr lachen muß. Es gibt ehrlich nicht sehr viele Texte, die es schaffen, mich zum lauten Lachen zu bringen, aber deine Beschreibung hat es geschafft.
Großes Lob deshalb!
Sprachlich hab ich ebenfalls gar nichts auszusetzen, naja und inhaltlich schon gar nicht, denn dein Text spricht aus der Seele eines jeden, der sich dem Diktat der turnusmäßigen Inspektionen unterzieht, was geschickterweise von den Autofirmen damit geködert wird, dass das Fahrzeug ja dann einen höheren Verkaufspreis erzielt, wenn es sozusagen scheckheftgepflegt ist.

Worüber ich mir zum Leidwesen manches Autoren gerne und stets den Kopf zerbreche ist die Frage, ob der von mir kritisierte Text eine Satire ist.
Im Prinzip ja, würde ich bei deinem Text sagen, wobei ich die für meine Begriffe heißumstrittene Frage, ob eine Realsatire überhaupt eine Satire sein kann, mal außer Acht lasse und weder dir noch mir beantworte.
Ich glaube so recht interessiert es eh keinen, ob oder ob nicht. :D
Also Fazit: eine supergelungene Realsatire, der es an nichts und schon gar nicht an Humor fehlt.

Ich freue mich, um eine Bemerkung von Ernst Clemens aufzugreifen, dessen Kritik hier leider auch veschwunden ist, auf deine nächsten Geschichten, wo auch immer du sie posten wirst.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Iakita,
Deine "Kritik" an meinem Erstling hat mich richtig rot werden lassen. Vielen Dank dafür. Es spornt mich tatsächlich an, mein nächstes Werk demnächst in der Satire-Rubrik zu veröffentlichen.

Zu Deiner Frage, ob es denn wirklich Satire sei, erlaube ich mir kein abschließendes Urteil, sondern lasse mal die Fachleute von der Duden-Redaktion zu Wort kommen:

"Satire: ein literarisches Werk, das aus einer subjektiven Sicht zeitgenössische Missstände oder Anschauungen lächerlich machen will, in literarischer Form gefasste Zeitkritik. Stilmittel sind u. a. Übertreibung und Verzerrung ins Lächerliche, Überbetonung negativer Aspekte."

Bis bald.
Novolus

 

Hallo Novolus,
ich kann mich lakita eigentlich nur anschließen.
Die Geschichte war witzig und leicht zu lesen. Und ich denke Satire trifft schon zu.
Mach weiter so,

Leo

 

Hi Novolus

Mir hat die Satire nicht zugesagt. Ehrlich gesagt, fande ich sie langweilig.

Der Titel lautet "Kleine Inspektion". Schon die Anspielung in den ersten Zeilen gibt die Richtung vor.

Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, wenn Sie Ihr Auto in die Werkstatt bringen. Mich beschleicht jedes Mal ein Gefühl der Leere und zwar der zu erwartenden Leere auf meinem Bankkonto
Ich erwarte also eine Satire über einen Werkstattaufenthalt, der teuer wird. Was passiert nun? Er muss 1300 € latzen. Das ist ... nun ja, nicht sehr überraschend.

Der Stil sieht relativ routiniert aus. Ein paar Übertreibungen werden mechanisch eingestreut, ist ja schließlich Satire.

Vor meinem letzten Besuch zum Beispiel habe ich schon mal vorsorglich mein Kreditlimit erhöhen lassen.
Sehr nahe liegend, nicht originell.

Dazu noch ein seichter Blondinenwitz:

Am Abend lasse ich mich apathisch von Blondie zur Werkstatt fahren. Sicherheitshalber gebe ich ihr meinen Stadtplan und ein Snickers für den Rückweg mit, schließlich dämmert es schon.

Den Inhalt verstehe ich nicht. Erneuert werden nur Verschleißteile - Bremsen und Reifen. Die muss jeder neu machen, egal ob er zur Inspektion geht oder nicht; alles Kosten, die man vorher einplant, so ein Reifen fährt sich ja nicht von heute auf morgen ab, das sieht ja selbst ein Laie.

Also wo soll die Satire sein - sind Inspektionen zu teuer? Das passt nicht, siehe oben. Reifen und Bremsen muss jeder machen lassen, das ist keine Abzocke der Werkstatt.

Die Schlusspointe ist eine große Fehlkonstruktion, da sie vorhersehbar ist. Jede Zeile handelt davon, dass der Werkstattbesuch teuer werden wird, man sagt es ihm ja schon am Telefon, wo ist da die Überraschung?


mfg


Stefan

 

Hi Quasimodo,

wie häufig mußtest du in deinem Leben schon deinen Wagen aus einer Werkstatt abholen, nachdem diese an ihm eine Inspektion durchgeführt hatte?
Ich leider schon einige Male und das Gefühl, das einen dabei immer wieder beschleicht, ist exakt dasjenige, welches Novolus rüberbringt, obwohl ich nun schon extra einen begnadeten Oberschrauber vorm Herrn geheiratet habe.

Wenn du bemängelst, dass dir der Überraschungseffekt fehlt, dann möchte ich darauf hinweisen, dass diese Geschichte nicht in der Abteilung Spannung gepostet wurde. ;)
Einmal abgesehen davon, wie ich eine Realsatire in den Bereich der Satire einordne, handelt es sich hier bei dieser Geschichte schlicht um eine! :teach:

Eine Realsatire schildert exakt das, was in der Realität passiert, also das, was einer beliebigen Anzahl von Menschen passieren könnte. Also ist das Thema einer Realsatire unweigerlich etwas, was keinen Überraschungseffekt hat, eher einen Erwartungseffekt, weil man ja schon infolge der Informationen, die man hat, etwas erwartet.
Du wirfst Novolus im Grunde genommen vor, dass ein Apfel wie ein Apfel schmeckt und nicht wie eine Birne. :susp:

Wenn du allerdings mit deiner Kritik zum Ausdruck bringen wolltest, dass dir der Humor in dieser Geschichte nicht so gut oder gar garnicht gefällt, dann hab ich nichts gesagt. Humor ist schließlich individuelle Geschmackssache.:D

Lieben Gruß
lakita

 

Hi Novolus,

mir gefällt deine kleine Inspektion. Anders als Lakita empfinde ich sie nicht so stark als Satire, sondern würde sie in die Kategorie Humor einsortieren. Wobei mir dein Humor sehr zusagt.

Normalerweise ist Lakita recht sicher in der Bewertung was eine Satire ist oder nicht. Aber hier wird sie als Frau (obendrein Juristin) gänzlich überfordert -> Zusammenhang mit Kfz, Nennung technischer Begriffe, Vorstellung realistischer Rechnungsbeträge (spezielle berufstypisch Fehlbildung):D.
Quasimodo666 hingegen ist sicherlich ein blonder Kfz-Mechaniker und fühlt sich durch dein Werk in seiner Berufsehre gekränkt. Die Höhe der Rechnung am Schluss ist für ihn dann auch keine Überraschung (er kennt es nicht anders). :D

Fazit: Dein Erstlingswerk auf Kg.de ist dir gelungen.
Gruß vom querkopp

 

Hehe querkopp, *vorsschienbeintret*

"Anders als Lakita empfinde ich ..." :susp:

Seit wann ist die Frage, ob eine Geschichte eine Satire ist eine Frage der Empfindung? :D

Aber das du Quasimodo für blond hältst, das entschädigt mich fast ein wenig. :lol:

 

*auaschienbeinreib*
wollte mich in meiner Kritik der weiblichen Argumentationsebene anpassen - deswegen dachte ich, dass sachliche Argumente eher nicht verstanden werden. :D

 

Hallo Iakita, Querkopp, Quasimodo,

@ Iakita, Danke für die Argumente. Es trifft exakt das, was ich mir - mich gekränkt im Bett wälzend :crying: - als treffende Antwort an Quasimodo zurechtgelegt hatte.
Ich hätte Quasimodo noch zusätzlich die Lektüre vom jüdischen Großmeister der Satire empfohlen (mit dem mich zu vergleichen, ich selbstverständlich nie wagen würde), der fast ausschließlich Alltagsgeschichten mit Übertreibungen garniert und trotzdem als Paradebeispiel für gelungene Satire gilt.

Aber, @ Querkopp, vielleicht ist Quasimodo tatsächlich einer von denen, die eine kleine Inspektion mit einer Totalsanierung gleichsetzen. Oder er fährt einen Maybach, bei dem wahrscheinlich schon ein Ölwechsel 1300 € ausmacht :cool:.

Und nun zu Dir, @ Quasimodo. Selbstverständlich akzeptiere ich Deine Kritik, dazu ist dieses Forum wohl auch gedacht, ABER: Die bisher gute Resonanz auf meine Geschichte legt bei mir die Vermutung nahe, dass Du den Sinn tatsächlich nicht begriffen hast :idee: (siehe Beiträge von Iakita und Querkopp) und Dir wohl auch die Art von Humor abgeht, die hier zum Mitschmunzeln gefragt ist. Wäre andererseits aber auch schlimm, wenn allen alles gefiele. Deswegen "nothing for ungood".:heilig:

Grüße an alle

Novolus

 

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