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Die Kommune

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02.09.2015
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Die Kommune

Janine klappte ihr Notebook zu. Für ihren letzten Artikel hatte sie hundert Bonuspunkte erhalten. Auch, wenn sie diese Woche davon leben konnte, verdiente sie zu wenig, um etwas anlegen zu können. Seufzend strich Janine sich über den Bauch. Sie war deutlich zu spüren, die kleine Wölbung. Eine Träne lief ihr über die Wangen. Sie hätte so gerne einen Jungen gehabt. Doch die Geschlechtsauswahl musste ganz am Anfang der Schwangerschaft erfolgen und war zudem sehr teuer. Sie konnte, so sehr sie sich auch bemühte, nicht mit den Optimierten mithalten. Die meisten Bonuspunkte gab es einfach für gute und effiziente Arbeit.

Janine griff wieder nach ihrem Notebook und rief die »Babystyle« auf. Sie las die Titel durch. »Catwoman returns« oder »Pippi geht an Bord«. Auf den Bildern waren Eltern mit ihren Babys zu sehen und Animationen von dem älteren »Ich« der Kinder. Bei den jungen Familien standen eindeutig die optischen Trends im Vordergrund, nachdem besondere Begabungen in MINT, Sprachen, Musik und Sport längst Routineeingriffe waren.
»Keck wie Pippi Langstrumpf« oder »Tough wie Catwoman«. Diese Entscheidung müsste sie für ihre Tochter fällen, doch ihre Bonuspunkte würden gerade für eine MINT-Begabung reichen. Es musste etwas geschehen. Sie brauchte einfach mehr Jobs. Janine suchte nach der letzten Message von »Future-Pic«, einem bekannten eJournal, für welches sie gelegentlich Artikel im Sommerloch veröffentlicht hatte. Freie Mitarbeiter wie sie wurden häufig für sogenannte »Außenreportagen« engagiert. Der Auftrag war mit bis zu dreihundert Bonuspunkten ausgeschrieben. Das war richtig viel und dieses Mal war es ein Artikel, mit dem sie Aufmerksamkeit bekommen könnte – und Folgeaufträge!

***​

Es war ein sonniger Morgen. Die Nebelschwaden zogen über die Felder, als Janine mit dem geliehenen eCar zu der abgelegenen Siedlung von Toni Huber fuhr. Es hatte zwei Wochen gedauert, bis der Sektenführer einem Interview zugestimmt hatte. Nach ihren Recherchen würde das Treffen auf dem Hof der Höhepunkt für ihren Artikel werden. Janine wollte mit diesem Projekt etwas bewegen. Für die Zukunft ihrer Tochter und für alle Familien, die in der gleichen Situation waren wie sie.

Von den Einwohnern des nahegelegenen Ortes hatte sie erfahren, dass der »Huber-Hof« seit zwei Jahrhunderten existierte. Zunächst wurde Milchwirtschaft betrieben und dann hatte der Großvater Kevin auf ökologische Landwirtschaft gesetzt. In den letzten Jahren hatten sich hier unter der Schirmherrschaft des Toni Huber immer mehr Optimierungsgegner angesiedelt. Sie lebten abgeschottet auf Selbstversorgerbasis. Die Kinder wurden nicht einmal gegen Erbkrankheiten optimiert und nahmen nicht am eUnterricht teil. Die meisten der jungen Dorfbewohner, mit denen sie in den letzten Tagen gesprochen hatte, schüttelten den Kopf über die Kommune. Unverantwortlich sei dieses Modell, die sollten bloß unter sich bleiben und ihre Irrlehren nicht weiterverbreiten. Lediglich ein paar ältere Leute hatten Verständnis für die altertümliche Lebensweise auf dem Hof gezeigt. Würde ihre Mutter noch leben, dachte Janine, sie hätte sich ebenfalls solidarisch verhalten.

»Bitte langsamer«, sagte Janine. Der Huber-Hof war in keiner Navigationsdatei hinterlegt, aber es konnte nicht mehr weit sein. Janine ließ ihren Blick suchend über Straße und Felder gleiten und dann sah sie das Holzschild an dem Feldweg rechter Hand. »Kommune Huber« stand dort mit Kinderschrift rot aufgepinselt. Der Weg sah schlammig aus. Janine entschied, ihr eCar am Straßenrand zu parken und die letzen Meter zu Fuß zu gehen. Sie hatte keine Lust, die Reinigung mit wertvollen Bonuspunkten bezahlen zu müssen. Sie war ohnehin schon wieder im Minus.

Das letzte Stück des Feldwegs führte durch einen Wald. Schließlich tauchten die Häuser des Hofes auf. Sie waren allesamt aus Holz und in bunten Farben gestrichen. Es herrschte großer Trubel auf dem Hofgelände. Vor dem Eingangstor rannten vier Kinder in Zickzackkurven, blieben aber abrupt stehen, als Janine sich näherte. Ein Junge mit dunkler Haut und krausem Haar tuschelte einem kleinen blonden Mädchen mit abstehenden Zöpfen etwas ins Ohr. So ungefähr würde Janine sich ihre Pippi vorstellen, nur mit roten Haaren und den typischen Sommersprossen. Dieses Mädchen könnte so viel hübscher sein, hätte man sie nur ein wenig optimiert. Janine passierte nachdenklich das Tor. Was sollte sie von diesem Hof halten? Es war unruhig hier. Überall sah sie Menschen bei der Arbeit, beim Schwatzen oder sonstigem Zeitvertreib. Ein paar Kinder spielten Fangen oder hingen auf Holzbänken ab. So sah also die Bildung des Nachwuchses aus.

»Sie müssen die Reporterin sein, nicht wahr? Frau Drechsler?«
Janine zuckte kurz zusammen. Vor ihr stand ein Hüne mit schulterlangen Locken, einem manierlich gestutzten Vollbart und großen, dunklen Augen.
»Huber, mein Name!« Die Stimme des Bauern war ein tiefer Bassbariton.
Janine erstarrte kurz, bevor sie nach der entgegenstreckten Hand griff. Der Händedruck war kräftig, ein bisschen zu kräftig für Janines Geschmack. Ihr begegneten selten Männer, die größer waren als sie selbst. Die ganzen Luke Skywalkers, Sherlock Holmes und Freddy Krügers ihrer Generation waren nicht gerade Riesen. Janine schauderte es ein wenig bei dem Gedanken, dieser Bauer könnte ihr nachts im Wald begegnen.

»Na, dann kommen Sie einmal mit und schauen Sie, wie krank und gebrechlich hier alle sind.« Der Hüne ging mit großen Schritten in die Richtung eines gelb gestrichenen Hauses.
Verdutzt brachte Janine nur ein leises »In Ordnung.« über die Lippen und folgte ihrem Gastgeber verwirrt, während sie erst im Gehen die Ironie seiner Anmerkung begriff. Die Menschen hier sahen keineswegs gebrechlich aus. Das musste sie zugeben.
Auf einem Baum kletterten Kinder herum, zwei Frauen tratschten in einer Ecke, einige Männer begutachteten einen Traktor und ein paar Jugendliche kicherten auf einer Bank herum, während sie ihr verstohlene Blicke zuwarfen. Janine war aber trotzdem verstört von den vielen Gesichtern, von denen kaum eines dem anderen glich. Nur gelegentlich sah sie, dass wie aus einer Laune der Natur heraus, ein Kind der Mutter oder zwei Kinder einander ähnlich sahen. Was taten diese Menschen ihren Kindern an? Dagegen müsste man doch einschreiten! Wie sollten diese Kinder sich denn einmal fühlen? Sie wurden doch benachteiligt. Eigentlich war es längst an der Zeit, dass nicht nur die Optimierungen gegen Erbkrankheiten finanziert würden, sondern es auch irgendeine Form der Unterstützung für alle weiteren Behandlungen geben sollte.
»Wir gehen ins Haus«, sagte der Huber.
Janine nickte wortlos, während sie das alte Hofgebäude betraten und schließlich durch einen langen Flur gingen. Der Bauer öffnete die Tür zu einer gemütlichen Stube mit einer Eckbank und einem grünen Kachelofen. Janine setzte sich mit ihrer Tasche auf die gepolsterte Bank.
Toni Huber ging derweilen vor dem Ofen leicht in die Hocke und schob ein Holzscheit nach. »Ganz schön kalt heute«, grummelte er in seinen Bart.
»Es wird Herbst.« Janine grinste verlegen. Das war jetzt nicht gerade der beste Einstieg für ein Interview. »Sie haben es nett hier«, sagte sie schließlich, um überhaupt etwas zu sagen.
Toni Huber schlug die Klappe des Kachelofens zu und setzte sich auf einen Stuhl zu Janine an den Tisch. Für einen Moment herrschte eine peinliche Stille, wie sie sich so gegenüber saßen.
»So, Sie wollten etwas fragen«, sagte der Bauer und kratzte sich am Bart.
»Ähm, ja.« Janine suchte in ihrer Tasche nach ihrem Notebook. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Sie leben hier?«, fragte sie während sie ihren Rechner aufklappte und auf die Sprachaufnahme drückte.
Toni Huber grinste. »Ja!« Mit verschränkten Armen lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und sah sie aufmerksam, aber auch belustigt an.
»Jaaa«, wiederholte Janine und tat so, als wolle sie etwas Wichtiges notieren, obwohl sie nichts anderes tat, als ein paar Programme zu schließen. »Ihre, Ihre Kinder. Sie optimieren sie nicht?« Janine blickte von ihrem Notebook auf und sah ihr Gegenüber flüchtig an. »Warum?«
»Warum sollten wir?«
»Ähm, nun ja. Wegen der Krankheiten und sie sollen ja einmal am Wirtschaftsleben teilnehmen, erfolgreich sein. Und nicht krank werden, ich meine, zu früh krank werden.«
»Und als Optimierte werden sie nicht krank?«
»Ähm, ja doch. Aber nicht so oft und nicht an Erbkrankheiten und den Rest kann man ja impfen und äh, so eine kleine Erkältung …«
»Wissen Sie, wir leben hier seit Generationen auf diesem Hof. Mein Bruder ist mit fünfzehn gestorben. Vom Scheunendach gefallen. Ein Ziegel war locker. Da hätte keine Optimierung der Welt geholfen. Mein Großvater ist Hundertfünf geworden. Die letzten zwei Jahre lag er im Bett, war aber noch völlig bei Verstand. Ein helles Köpfchen war er. Bis zuletzt.« Bei diesen Worten tippte sich Toni Huber an den Kopf.
Janine nickte eifrig. »Ja, da haben Sie natürlich recht. Von einem Dach fallen kann jeder. Aber man kann durch die Optimierungen ja so viel vermeiden. Herz-Kreislauferkrankungen, bestimmte Krebsarten und Farbenblindheit. Ich bin keine Fachfrau, aber laut diverser Gutachten würde eine lückenlose Gesundheitsoptimierung dafür sorgen, dass solche genetisch bedingten Krankheiten in spätestens hundert Jahren ausgerottet sein würden.«
Janine rutschte etwas nervös auf der Eckbank hin und her. Dieser Hüne verunsicherte sie.
»Unsere Kinder wachsen gesund auf. Sind kaum krank. Spielen draußen auf den Feldern. Ihre Gutachten! Das ist alles nur das Geschreibsel irgendwelcher Optimierer, die damit ihr Geld … Verzeihung, ihre Bonuspunkte verdienen.«
»Das mag natürlich sein, dass mit den Optimierungen auch Bonuspunkte verdient werden, aber es geht ja trotzdem um die Gesundheit der Bevölkerung und überhaupt. Kinder bekommen Talente …«
»Unsere Kinder finden ihre Talente von ganz alleine. Die Pina zum Beispiel! Fünf ist das Mädel und malt wie Picasso!«
»Picasso.« Janine zog die Augenbraue hoch. Malte nicht jedes Kind wie Picasso?
»Verstehen Sie was von Kunst?«
»Nein«, räumte Janine ein.
»Haben Ihnen Ihre Eltern das Talent nicht mitgegeben? Werfen Sie Ihnen das vor?«
»Meine Eltern haben mir gar kein Talent mitgegeben. Sie waren der Ansicht, dass die von der Krankenkasse bezahlte Optimierung gegen Erbkrankheiten völlig reichen würde. Das werfe ich ihnen tatsächlich vor.«
»Und Sie haben keine eigenen Talente?« Der Bauer rückte mit seinem Stuhl näher an den Tisch heran.
Automatisch drückte sich Janine weiter in die Ecke rein. »Ähm, ich, ich weiß nicht. Da ist nichts, in dem ich besonders gut bin.« Musste dieser Huber solche Fragen stellen? Janine erinnerte sich an ihre Schulzeit vor Einführung des eUnterrichts und das Gelächter ihrer Mitschüler, wenn sie wieder einmal etwas nicht verstanden hatte.
»Wirklich nicht? Nichts was Sie gerne machen und Ihnen fast immer gelingt?« Der Bauer sah Janine nun mit großen Augen an.
»Florentiner«, rutschte es Janine heraus, bevor sie wirklich über die Frage nachgedacht hatte.
»Ah, Florentiner. Das ist ein sehr schönes Talent. Eines, das satt macht.«
»Nun, ja. Aber damit kann ich ja nichts anfangen. Ich bin ja keine Konditorin. Und die anderen Sachen werden auch nicht so gut. Mir fehlen zudem die Bonuspunkte ...« Janine fühlte sich zunehmend unwohl bei dem Gespräch. Wer stellte hier eigentlich die Fragen?
Es herrschte auf einmal wieder eine unangenehme Stille im Raum. Dabei hatte sie sich sehr gut vorbereitet, doch dieser Huber-Bauer mit seiner Art war einfach unmöglich. So ganz anders, als ein normaler Mann ihrer Generation. Beängstigend. Auf einmal fragte sich Janine, ob sie auf ihre Mitschüler auch so unheimlich gewirkt hatte mit ihren blonden Haaren und ihrer Körpergröße.
»Und, wann ist es bei Ihnen so weit?«, fragte der Bauer.
Janine zuckte zusammen. »Wann, wann, was so weit?«, stotterte sie und zog ihren Pullover weiter runter.
»Na, ja. Man sieht es ja schon.« Toni Huber grinste breit.
Er machte sich einen Spaß daraus, sie in eine peinliche Situation zu bringen.
»Es ist noch sechs Monate hin bis zur Geburt meiner Tochter.« Janine versuchte, ihre Professionalität wiederzugewinnen und nahm eine gerade Haltung vor dem Notebook ein.
»Aha, und?« Hubers Blick war eindringlich.
»Und?«
»Und werden Sie Ihr Kind optimieren?« Die Stimme des Bauern wurde ungeduldig. In seinen Augen stand deutlich ein »Der-muss-man-alles-aus-der-Nase-ziehen« geschrieben.
»Ja, ich denke schon. Auf jeden Fall werde ich die Leistungen annehmen, die die Krankenkasse zahlt. Und vielleicht kann ich mir eine Begabung leisten. Ich dachte an MINT, das wird immer gebraucht und ist auch nicht so teuer.«
»Aha, und glauben Sie nicht, dass Ihr Kind keine eigenen Talente entwickeln würde?«
»Eigene Talente? Welche sollen das denn sein?« Janine rückte ihren blonden Zopf zurecht. Rote Haare, sie sollte rote Haare haben.
»Na ja, z.B. Florentiner backen.« Der Huber Bauer zeigte weiße Pferdezähne.
»Florentiner backen?« Dieses Gespräch nahm eine Wendung, die Janine nicht gefiel.
»Ja, Florentiner backen. Das könnten Sie ihr beibringen. Und, wenn es mit den Florentinern nicht so klappt, dann vielleicht mit Pfannkuchen oder Linzer Torte. Na, irgendetwas halt. Vielleicht ist sie auch eine gute Reiterin oder möglicherweise eine gute Mathematikerin. Ganz von selbst.«
Janine schwieg für einen Moment. Schließlich fasste sie sich wieder. Sie müsste wieder die Herrin über das Gespräch werden. »Nun gut, dann sagen wir einmal, sie wäre eine gute Mathematikerin. Was würde das ihr bringen, wenn sie keinen Arbeitstag durchstehen könnte? In den Büros heutzutage sind vierzehn Stunden ohne jede Pause die Norm und wenn es geht, dann vielleicht sogar ein bisschen mehr.«
»Und warum möchten Sie, dass Ihre Tochter eines Tages vierzehn Stunden am Stück arbeitet? Sie möchte vielleicht auch noch andere Dinge tun. Möglicherweise hat sie zwei Talente. Vielleicht ist sie eine tolle Mathematikerin und trotzdem eine gute Reiterin und sie will vielleicht am Nachmittag mit ihrem Pferd ausreiten.«
Janine wurde langsam wütend von dieser hemdsärmeligen Argumentation. »Wenn sie keine Festanstellung kriegt, wird sie sich so ein Pferd überhaupt nicht leisten können!«
»Hmmm.« Der Huber-Bauer kratzte sich am Kopf. »Hätten Sie gerne ein Pferd?«
»Nein«, sagte Janine. »Ich bin noch nie geritten. Mir liegt nichts an Pferden.«
»Und deshalb soll Ihrer Tochter auch nichts an Pferden liegen?«
»Nein.« Janine wurde ein wenig lauter.
»Und arbeiten Sie vierzehn Stunden am Tag?«
»Das geht Sie eigentlich gar nichts an. Aber, nein. Meine Eltern haben darauf verzichtet, die notwendigen Optimierungen auch in dieser Hinsicht vorzunehmen.«
»Und jetzt sind Sie unglücklich?«
»Es könnte mir besser gehen. Ich verdiene keine Bonuspunkte, weil ich dem Arbeitsalltag nicht standhalte und die Verlage schicken mich deswegen auf solche Außenreportagen. Am Ende weiß ich nicht einmal, ob sie mir einen Artikel abkaufen oder nicht.«
»Und deswegen macht Ihnen die Arbeit keinen Spaß?!« Der Huber stand auf, um noch einen weiteren Holzscheit in den Kachelofen zu werfen.
Spaß! Als ob es darauf ankäme! Dieser Bauer lebte vollkommen an der Realität vorbei. »Ich möchte, dass meine Tochter glücklich wird«, sagte sie.
»Meinen Sie denn, dass die Kinder hier auf meinem Hof so unglücklich aussehen?«
Janine dachte an die Jungen und Mädchen, die ihr begegnet waren. Sie hatten ausgelassen gewirkt. Aber sie verschwendeten wertvolle Zeit! Und zudem erschien ihr das hier alles fast zu idyllisch. Wer sagte denn, dass dieser Bauer nicht etwas vor ihr versteckte? Schließlich hatte sie bislang kaum etwas von dem Hof gesehen. Möglicherweise waren das dort draußen seine »Vorzeigekinder«. »Ich denke, dass die Optimierung gut ist«, sagte Janine, »und zwar nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht. Mit gezielt ausgesuchten Talenten, einem großen Durchhaltevermögen verbessern sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich. Die Stellen im höheren Bonusbereich sind jetzt schon faktisch Optis vorbehalten. Wie wird das erst in zehn oder zwanzig Jahren sein?«
»Sie meinen also, dass Ihre Tochter glücklicher wird, wenn sie vierzehn Stunden bis zum 85. Lebensjahr arbeiten kann?« Der Bauer grummelte sich noch etwas in den Bart, das Janine nicht verstand.
»Sie wäre keine Außenseiterin und …« Janine suchte nach den Worten. »Meinen Sie denn nicht, dass es nicht wenigstens gut wäre, Kinder gegen Krankheiten zu optimieren? Ich meine, Sie wissen doch gar nicht, woran die sterben werden.« Vielleicht wäre es sinnvoller, mit dem Bauern über die wirklich essentiellen Themen zu sprechen. Denn auch Janine musste zugeben, dass das Aussuchen des Geschlechts und des Aussehens schöne Möglichkeiten waren, aber für das Überleben nicht dringend notwendig.
Der Bauer räusperte sich. »Wir werden alle alt, krank und sterben. Das passiert so, wie es die Natur eingerichtet hat. Da muss man nicht rumoptimieren. Die meisten ach so bedrohlichen Krankheiten, überstehen die Leute hier ganz gut.«
»Aber, aber …«
»Wie sieht denn euer optimierte Alltag aus? Ihr arbeitet, arbeitet und arbeitet bis ihr 85 seid. Wenn ihr das überhaupt durchhaltet. Sehen Sie sich doch an! Sie wissen, dass Sie das nicht schaffen werden und sind deswegen verbittert. So verbittert, dass Sie Ihrer Tochter das antun wollen, was Ihre Eltern glücklicherweise unterlassen haben! Was bringen denn den Optis die fünf von den Krankenkassen geschenkten Jahre bis zum eingestellten Tod? Das hört sich so viel an, aber die Menschen sind alt. Sie haben fünf freie Jahre und sind dann alt. Da hilft keine Optimierung, gegen das Altern.«
»Aber …«
»So soll die Menschheit der Zukunft aussehen. Perfekt, effektiv und optimiert. Und den Sozialkassen möglichst nicht zur Last fallen. Wir in der Kommune! Bei uns gibt es noch Mitmenschlichkeit, wir helfen einander, hier geht es nicht um Bonuspunkte!« Der Huber Bauer schlug mit seiner Faust so laut auf den Tisch, dass Janine erschrocken zusammenzuckte.
»Aber krank werden …« Janine merkte, wie ihr heiß wurde. Der Huber-Bauer hatte einen puterroten Kopf.
»Wir versuchen, diejenigen, die krank sind, zu heilen. Mit natürlichen Mitteln und vielleicht auch manchmal mit altmodischen Methoden. Wir haben hier ein paar Leute, die Wissen haben, das längst in Vergessenheit geraten ist, sogar einen kleinen Operationsraum haben wir. Ich frage mich, was soll denn einmal passieren, wenn es nicht mehr möglich ist, Menschen zu optimieren? Durch eine Naturkatastrophe oder einen Krieg! Wenn die Optitale zerstört werden, wenn es keinen Arzt mehr gibt, der weiß, wie man zum Beispiel einen Herzkatheter legt? Wie soll es den Menschen dann gehen? Wir wissen überhaupt gar nicht, welche Langzeitwirkungen dieses Optimieren hat! Was es aus unserer Menschheit macht!« Toni Huber schüttelte den Kopf.

Janine sah den Mann mit großen Augen an. Solch einen Wutausbruch hatte sie zuletzt bei ihrem Vater erlebt. »Und was wollen Sie?«, fragte sie. »Dass das Optimieren abgeschafft wird?«
Der Bauer lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Nein, nein, nein.« Er schüttelte den Kopf. »Man kann es eh nicht aufhalten, dass die Menschheit in ihr Verderben läuft. Sich selbst auslöscht. Sie sind doch das beste Beispiel! So wie Sie ticken doch mittlerweile die meisten. Selbst die Leute aus dem Dorf. Das Einzige, was ich will, ist, dass man uns in Ruhe lässt. Dass wir so leben können, wie wir leben wollen. Es muss nämlich jedem seine Entscheidung bleiben, ob er sich und seine Kinder optimieren will. Schreiben Sie das! Schreiben Sie ruhig, wir wären harmlose Verrückte, die man in Ruhe lassen soll!«
Janine schwieg. Dieser Bauer war völlig irre und vielleicht sogar gefährlich.
»Das Leben hier draußen lohnt sich!« Toni Huber war wieder ruhiger. »Haben Sie es nicht gemerkt? Die Luft? Die Sonne, wie sie herbstlich auf die Felder scheint? Ich frage Sie noch einmal, was wünschen Sie sich für Ihr Kind?«

Janine packte ihr Notebook zurück in die Tasche. »Ich wünsche mir, dass meine Tochter ein gutes Leben hat. Ein Leben, das mir verwehrt geblieben ist.«
»Sie möchten also Ihr Kind optimieren, um wiedergutzumachen, was Ihre Eltern Ihrer Meinung nach bei Ihnen falsch gemacht haben?«
Janine zog den Reißverschluss ihrer Tasche zu, während sie aufstand. »Ich möchte nur das Beste für mein Kind. Da können Sie sich sicher sein!«
»Und, wenn alle Menschen optimiert sind? Nach den Maßstäben, die gerade dem allgemeinen Gutdünken entsprechen? Wenn alle Menschen ohne zu murren, ihrer Aufgabe folgen, vierzehn Stunden am Tag, vielleicht sogar fünfzehn? Was ist dann mit dem freien Willen? Haben Sie darüber schon nachgedacht? Wenn es keine Entscheidungsfreiheit mehr gibt? Wenn unsere Demokratie zur Diktatur der Mehrheit über die Minderheit wird? Was dann?«

Janine schwieg und streckte dem Bauern wortlos die Hand entgegen. Dieser rührte sich nicht. Schließlich drehte Janine sich um. »Bemühen Sie sich nicht«, sagte sie. »Ich finde schon alleine zurück.« Eilig verließ sie den Hof.

Natürlich dachte sie darüber nach, was dieser Huber gesagt hatte. Aber hatten Eltern überhaupt das Recht, zu entscheiden, ihre Kinder nicht zu optimieren? Müsste der Staat nicht dafür sorgen, dass alle Kinder optimiert werden? Wie sollten kränkelnde Menschen, die nicht auf einen üblichen Arbeitstag optimiert waren, in dieser Gesellschaft überleben? Konnte sich diese Gesellschaft überhaupt noch solche Optimierungsgegner leisten? Und plötzlich wusste Janine, was sie tun müsste, um die Bonuspunkte für ihre Pippi zu verdienen.

Zurück in der Stadt, begann Janine ihren Artikel zu schreiben:


»Die Todessekte von Rottal-Inn«

***​

Pippilotta saß hinter ihrem Notebook und beobachtete die Lage. Sie war als Tochter von Janine Drechsler zur strategischen Einsatzleiterin ernannt worden. Ihre Mutter, die viel zu früh verstorben war, hatte über Jahre hinweg auf die Missstände bei Optimierungsgegnern aufmerksam gemacht. Mit ihren Artikeln setzte sie sich für eine flächendeckende Behandlung von Ungeborenen ein und wurde schließlich Vorsitzende der ProOpti-Partei, die mittlerweile die stärkste Kraft in der Regierungskoalition war. Seitdem waren Gesundheitsoptimierungen bis zum dritten Lebensjahr verpflichtend durchzuführen, zudem wurden Begabungsoptimierungen bezuschusst und zinsgünstige Kredite für kosmetische Eingriffe gewährt. Die ProOptis hatten in der Politik viel Gutes bewegt. Aber immer noch gab es wenige Menschen, die aus Unwissen oder falscher Nostalgie nicht verstanden, wie wichtig die Optimierung ihrer Kinder war.

An diesem Tag würde der Huber-Hof gestürmt werden, um diese letzten Optimierungsgegner festzunehmen und die Kinder und Jugendlichen einer Zwangsoptimierung zuzuführen. Die Einsatzkräfte waren bereits vor Ort und warteten nur auf ihr »Go«! Pippilottas Finger kreiste über der roten Taste.

Es würde alles plangemäß verlaufen. Das tat es dank ihrer Begabungen immer, wenn sie etwas in die Hand nahm. Die neuen Technologien der letzten Jahre hatten es endlich ermöglicht, Menschen noch bis zum 20. Lebensjahr nachzuoptimieren. Es lebten derzeit etwa fünfzehn Kinder und Jugendliche auf dem Hof. So genau wusste das keiner. Pippilotta hatte schon einen Plan erstellt. Es wurden gerade eTeachers benötigt und ein paar IT-Experten wären gut. Damit die neu Optimierten sich voll und ganz ihrer neuen Bestimmung widmen könnten, würden alle anderen Talente und Neigungen unterdrückt. Die Erwachsenen sollten einem Gericht vorgeführt werden. Ihnen drohten Strafverfahren wegen Körperverletzung durch Unterlassen und vielleicht sogar dem einen oder anderen wegen versuchter Tötung vor dem 90. Lebensjahr. Pippilotta lehnte sich zufrieden zurück. Sie würde beenden, was ihre Mutter angefangen hatte und mit dem Huber-Hof auch die letzten Optimierungsgegner eliminieren. Dann endlich würden diese armen Geschöpfe nützliche Glieder dieser Gesellschaft werden. Sie drückte die rote Taste. Go!

 
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Hi, @Maedy

Großer Science-Fiction-Fan ich bin. Wirklich! Und diese Geschichte hat einiges, was in meinen Augen eine gute SF-Geschichte braucht. Sie ist politisch, aktuell, gesellschaftskritisch, fatalistisch. Toll! Ein tolles Setting. Gerade gestern habe ich etwas über pränatale Diagnostik in der Zeitung gelesen.

Aber der Anfang. Boah. Ich habe mich so gequält. Habe gescrollt, den winzig kleinen, ganz oben hängenden Scrollbalken angeschaut, dachte: Uff. Mann! Wann passiert endlich was? Wie lange soll das noch dauern?

Was den Anfang angeht, habe ich eine schlechte und zwei gute Nachrichten. Zunächst habe ich mir mal die erste Szene geschnappt und einen rabiaten Eingriff vorgenommen:

Janine klappte ihr eNotebook zu. Für ihren letzten Artikel hatte sie hundert Bonuspunkte erhalten. Davon könnte sie diese Woche leben. Janine strich sich über den Bauch und seufzte. Sie war nun deutlich zu spüren, die kleine Wölbung. Die Zeit lief unaufhaltsam. Dabei wünschte sie sich für ihre kleine Tochter mehr als das.

Janine blätterte auf ihrem eNotebook in der »Babystyle«. Sie las die Titel durch. »Catwoman returns« oder »Pippi geht an Bord«. Auf den Bildern waren die Eltern mit ihren Babys zu sehen und Animationen von dem älteren »Ich« der Kinder. Bei den jungen Eltern standen eindeutig die optischen Trends im Vordergrund, nachdem besondere Begabungen in MINT, Sprachen, Musik und Sport längst Routineeingriffe waren.
»Keck wie Pippi Langstrumpf« oder »Tough wie Catwoman«. Diese Entscheidung müsste sie eigentlich für ihre kleine Tochter fällen, doch ihr Geld würde vielleicht gerade für eine MINT-Begabung reichen. Janine seufzte und warf die Zeitschrift in die Ecke.
Sie suchte in ihrem eNotebook nach der letzten eMessage von »Future-Pic«, einem bekannten, meinungsbildenden eJournal, für welches sie schon öfters Artikel im Sommerloch veröffentlicht hatte.

Janine laß sich die eMessage durch. Der Auftrag war mit dreihundert Bonuspunkten ausgeschrieben. Es ging um ein Interview mit einer Art Sektenführer, der mit seinen Anhängern auf einem Bauernhof in Niederbayern lebte. Die Mitglieder verweigerten mit allen Mitteln jede Optimierung ihrer Kinder. Nicht einmal gegen Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebs ließen sie ihren Nachwuchs optimieren. Janine konnte es gar nicht glauben. Unverantwortlich, dachte sie. Diese Leute verurteilten ihre Kinder doch dazu, für ewig auf einen solchen Bauernhof zu leben. Wer würde denn später ein solches Kind überhaupt einstellen wollen?
Janine schluckte bei dem Gedanken. Das Alter machte ihr eine unbeschreibliche Angst. Was würde werden, wenn sie Altersgebrechen erleiden würde, die völlig ausgestorben waren? Janine schüttelte wieder den Kopf. Auf keinen Fall wollte sie, dass ihre Tochter so enden würde.

Aber sie müsste ja nicht mit diesem Toni Huber, das war der Name von diesem Typen mit seinem Hof, einer Meinung sein, sondern ihn nur interviewen. Janine schrieb dem Verlag schnell, dass sie den Auftrag annehmen würde.


Oh Gott!, wirst Du denken. Was ist passiert? Nun, ich habe alles gestrichen, was in meinen Augen reiner Infodump ist.

Die schlechte Nachricht: Das war ziemlich viel Infodump. Und ich war sogar gar nicht SO rabiat, sondern noch recht großzügig (finde ich persönlich, denn ich habe überlegt, die letzten beiden Absätze auch noch einzudampfen, es dann aber gelassen). Das erklärt auch, warum ich mich so fürchterlich durch die erste Szene quälen musste, bis auf, dass Janine sich über den Bauch streicht, seufzt, in einer Zeitschrift blättert und einen Auftrag annimmt, passiert nichts! Und das wiederum mit ultravielen Wörtern.

Ich finde ja, es gibt zwei typische Fehler beim Schreiben von SF und Fantasy: 1) Man infodumpt, weil man befürchtet, dass die Leser/innen sonst nichts checken. 2) Man infodumpt, weil man so begeistert ist von der Welt, die man erschaffen hat und das den Leser/inne/n auf keinen Fall vorenthalten will. Hier bin ich mir nicht ganz sicher, aber ich vermute, Du bist voll auf die 1 gegangen.

Nun die guten Nachrichten:

Erste gute Nachricht: Der Anfang liest sich gar nicht schlecht ohne den ganzen Infodump.

Zweite gute Nachricht: An dieser Stelle würde ich eigentlich erklären, dass Du den Welterklärungskram am besten in Handlung verpackst, und dann ins Schleudern geraten, weil ich mir unsicher bin, wie man das richtig erklärt. Das ist ja gar nicht so einfach. Aber die gute Nachricht ist, Du kannst das schon und machst das schon.

ALLES, ich behaupte wirklich ALLES, außer vielleicht das mit den eCars (was jetzt nicht so furchtbar wichtig ist) wird im Gespräch mit Toni Huber nochmal innerhalb der Handlung gezeigt: Janines verzweifelte Lage, die Haltung ihrer Eltern, der ganze Opti-Kram, das alles zeigst Du dort, hast es hübsch in Handlung verpackt.

Die Welterklärung ist schon da! Sie ist sogar schon innerhalb der Handlung verpackt. Das ist gut! Und deshalb ist das Einzige, was ich noch sagen möchte: Hab keine Angst davor, den Leser/inne/n die Welt ausschließlich in Handlung zu erklären. Vertraue darauf, dass Du das kannst, dass Du das vorangestellte Infodump-Kapitel nicht brauchst.

Denn, jetzt kommt eine wirklich einfache Lösung: Hau die erste Szene raus. Komplett. Alles, was da drin ist, ist auch im Gespräch mit Huber drin. Es ist nur lang, zäh, es passiert kaum was. Und im Zusammenhang mit der restlichen Geschichte ist es einfach redundant.

Ich weiß, das klingt furchtbar rabiat. Dafür denke ich, das löst das wesentliche Problem, das ich mit dieser Geschichte habe, auf die einfachste Art. Wenn mir irgendeine Funktion des ersten Kapitels entgangen ist, sag mir ruhig Bescheid, dann schaue ich es mir nochmal an. Aber momentan denke ich: verzweifelte Lage, Optimierungserklärungen, Opti-Gegner/innen, Janines Eltern, all das kommt im Gespräch mit Huber besser raus als in der ersten Szene.

»Die Todessekte von Rottal-Inn«

Und deshalb zum Abschluss noch eine (hoffentlich motivierende) Schippe Lob: Nachdem ich durch die erste Szene durch war, hat das Lesen Spaß gemacht. Besonders das Ende! Wow! Das Ende. Obwohl das eigentlich konsequent gedacht ist, habe ich das nicht kommen sehen. Und es ist so gut. Very good job! :thumbsup:

Na ja, ne? Nimm Dir davon, was Du brauchst und möchtest. Make it work!

Gedumpte Grüße,
Maria

 

Hi @Maedy,

ich sehe das Ganze wie @TeddyMaria. Eigentlich wollte ich gestern Abend noch schnell was schreiben, aber leider hat mich der Anfang einfach überfordert. Es fühlte sich so aufgeblasen an, einfach nicht rund, wenn du verstehst. Jetzt weiß ich auch, wie man das nennt: Infodump :D

Aber davon lassen wir uns nicht entmutigen, also rein in die Handlung.

Die ersten vier Zeilen finde ich völlig in Ordnung. Aber das:

Es war ein Teufelskreis. Hatten die eigenen Eltern nicht genug in die Optimierung investiert, bekam man keine Festanstellung und musste sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Von diesen war es aber schier unmöglich, genug Geld für die Optimierung der eigenen Kinder anzulegen. Dabei hätten ihre Eltern wahrscheinlich sogar genug Geld gehabt. Janine spürte den Kloß in ihrem Hals, der sich jedes Mal bei dem Gedanken an ihre Eltern bildete. Damals in den Dreißigern gehörten sie der Bewegung der Opti-Kritiker an und hatten die Bedeutung dieser Investition für Janines Zukunft völlig unterschätzt. So war es dazu gekommen, dass die Eltern nur die Opti-Vorsorge der Krankenkasse wahrgenommen hatten. Jedenfalls an dem Herzfehler, den sie von ihrem Vater geerbt hätte, würde Janine nicht sterben, auch wenn sie die 90 Lebensjahre der Optikinder wohl nicht erreichen könnte und frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müsste. Was dann wäre, daran wollte Janine gar nicht erst denken

verpackst du mMn am besten in der Handlung. Das ist so ein Batzen, der versucht förmlich, mich zu erschlagen.

Janine laß sich die eMessage durch. Der Auftrag war mit dreihundert Bonuspunkten ausgeschrieben. Das war richtig viel und dieses Mal war es ein Artikel, mit welchem sie Aufmerksamkeit bekommen könnte und das bedeutete Folgeaufträge! Es ging um ein Interview mit einer Art Sektenführer, der mit seinen Anhängern auf einem Bauernhof in Niederbayern lebte. Die Mitglieder verweigerten mit allen Mitteln jede Optimierung ihrer Kinder. Nicht einmal gegen Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebs ließen sie ihren Nachwuchs optimieren. Janine konnte es gar nicht glauben. Unverantwortlich, dachte sie. Diese Leute verurteilten ihre Kinder doch dazu, für ewig auf einen solchen Bauernhof zu leben. Wer würde denn später ein solches Kind überhaupt einstellen wollen? Es könnte doch jeder Zeit krank werden oder vielleicht vor dem kürzlich eingeführten Rentenalter von 85 versterben.

Ich fände es cool, wenn du diesen Abschnitt einfach durch den Artikel ersetzt. Dann muss der Leser diesen nicht durch die Augen deines Prots. erfahren, sondern kann sich seine eigene Meinung bilden.

und starben an ihrem 90. Geburtstag automatisch nach einem langen, effizienten Leben für die Gesellschaft

LOL. Totalitäre Krankenkassen. Sind bei dir die Kommis an der Macht?

Großvater Kevin auf ökologische Landwirtschaft gesetzt.

Kevin? Ernsthaft? :lol::lol:

Um den eigentlichen Hof herum, waren offensichtlich neue Häuser gebaut worden.

Das offensichtlich stört mich.

»Ähm, ja doch. Aber nicht so oft und nicht an Erbkrankheiten und den Rest kann man ja impfen und äh, so eine kleine Erkältung …

Man merkt, dass sie nicht gerade ne Weltklassereporterin ist. Macht sie sympathisch, weniger klischeehaft.

»Das geht Sie eigentlich gar nichts an. Aber, nein. Meine Eltern haben darauf verzichtet, die notwendigen Optimierungen vorzunehmen. Sie fanden es verwerflich, Kinder mehr als nötig zu optimieren. Den Herzfehler väterlicherseits, den haben sie entfernen lassen und so ein paar gesundheitliche Kleinigkeiten.«

Ich finde es gut, dass er sie so sehr in die Ecke drängt. MMn könntes du auf viele der Infos am Anfang verzichten, direkt auf dem Weg zum Bauernhof in die Geschichte einspringen und alles andere den Dialogen überlassen. Die funktionieren wirklich großartig, wenn auch stellenweise etwas hölzern. Hier fande ich, gibt dein Prot. ihre Privatinfos geradezu zu freiwillig heraus.

Das Ende, pfffffffff....

Harter Tobak. Aber mir hats gefallen!

Viele Grüße
Michel

 

Hi @Maedy,

die Geschichte hat es in sich und ist gelungen wie ich finde. Was @TeddyMaria s Kritik zum Infodump angeht, kann ich Dir nur ans Herz legen, darauf zu hören.
Alles was sie sagt untersteiche ich. Infodump als Wort war mir bisher nicht geläufig, aber TeddyMaria verdeutlicht schön ein Grundprinzip, mit dem wir uns alle herumschlagen: Show, don’t tell! (Handlung ist besser als Beschreibung. Bildsprache ist besser als Information.)

Zum Glück hast Du das Wichtigste schon geschafft, Du hast eine funktionierende Geschichte, jetzt musst Du sie nur noch ein bisschen zurechtschleifen, um das Lesevergnügen zu erhöhen.

Mir gefällt gut, wie sich aus der Motivation der Figur alles Weitere wie von selbst ergibt und trotzdem überrascht. Das ganze Thema und wie du es angegangen bist, haben mir sehr gefallen.

Hier noch ein paar Anmerkungen zu Sätzen die mir beim Lesen aufgefallen sind:

Die meiste Zeit ging ohnehin in den Verkehrsstaus verloren. An dieser Tatsache hatten auch die schicken, neuen eCars mit Autopilot nichts geändert.

Verkehrsstaus sind in meinen Augen nicht realistisch, wenn alle Autos mit Autopilot fahren. Sie sind ja dann vernetzt, wenn es irgendwo stockt, wird eine Ausweichroute berechnet, Geschwindigkeiten angepasst, Verkehrsströme umgeleitet etc.

Janine schüttelte den Kopf. Solch ein Kamikaze! Ein Wunder, dass die Menschheit den Straßenverkehr des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts überlebt hat!

Solch ein Kamikaze? Das passt für mich nicht ins Satzgefüge und wirft mich beim Lesen raus.

Es könnte doch jeder Zeit krank werden oder vielleicht vor dem kürzlich eingeführten Rentenalter von 85 versterben.
Janine schluckte bei dem Gedanken. Das Alter machte ihr eine unbeschreibliche Angst.

Die optimierte Gesellschaft, weg von der Individualität, hin zur langlebigen Ameisenstaat – schön zynisch, diese fünf geschenkten Jahre hintendran.

Schließlich bräuchte sie die Bonuspunkte für den Babyoptimierer im Optital.

Optital – schöne Wortneuschöpfung

Vor dem Eingangstor rannten vier Kinder in Zickzackkuren, blieben aber abrupt stehen, als Janine sich näherte.

Zickzackkuren – das Wort kenne ich nicht, vielleicht meinst du „im Zickzackkurs“?

Die ganzen Luke Skywalkers, Sherlock Holmes und Freddy Krügers ihrer Generation waren nicht gerade Riesen.

Kreisch! Freddy Krügers - jetzt ist klar, die Leute in dieser Zukunft haben einen gewaltigen Sockenschuß.

»Ja, Florentiner backen. Das könnten Sie ihr beibringen.

Plötzlich weiß der Huber-Bauer das Geschlecht des Kindes, obwohl die Protagonistin es vorher nicht erwähnt hat. Da musst Du nochmal ran.

Sie müsste wieder Herrin über das Gespräch werden.

Vielleicht besser: Sie musste wieder die Herrin über das Gespräch werden.


Danke für Deine tolle Geschichte, ein bisschen Überarbeitung und der Lesespaß erhöht sich nochmal richtig. Das kannst Du glauben =)

Schöne Grüße
Lem Pala

 

Hallo Mädy,

zum Thema überbordender Erläuterungen von Hintergründen wurde schon einiges gesagt. Sehe ich auch so. Es ist natürlich schwierig oder gar unmöglich, komplexe Sachverhalte nur durch Handlungen oder Dialoge darzustellen. Deshalb empfehle ich, Erläuterungen stets minimal zu dosieren. Manchmal kann man nicht darauf verzichten, aber solche Umfänge wie zu Beginn Deines Textes sind selten gut.

Die Sache hat aber noch eine zweite Dimension. Du hast nicht nur den Hang, komplexe Sachverhalte (wie gesellschaftliche Entwicklungen und Zusammenhänge) zu erläutern. Du erläuterst auch die Empfindungen und Gedanken Deiner Protagonistin.

Zum Beispiel hier:

»Nun, ja. Aber damit kann ich ja nichts anfangen. Ich bin ja keine Konditorin. Und, und die anderen Sachen werden auch nicht so gut. Und mir fehlt die Bonuspunkte ...« Janine fühlte sich zunehmend unwohl bei dem Gespräch.

oder hier

Janine gab einen verbitterten Ton von sich. Spaß! Als ob es darauf ankäme! Dieser Bauer lebte vollkommen an der Realität vorbei. »Ich möchte, dass meine Tochter glücklich wird«, sagte sie.

Aus den verbalen und nonverbalen Reaktionen, den Gesten, Handlungen usw. sollte das meiste der Empfindungen, Emotionen und Gedanken Deiner Figur deutlich werden. Aus mehreren Gründen, aber hier nur einer: Entweder Du zeigst die Emotion durch eine Geste (was sie deutlich, intuitiv verständlich macht), dann braucht es keine nachgeschobene Erklärung. Oder Du erklärst nur, was dann lediglich eine Behauptung ist. Man sieht es der Figur aber nicht an. Oder (und das machst Du häufig) Du zeigst die Geste und erklärst sie außerdem. Das macht den Text lahm, die Dopplungen unterfordern den Leser, der denkt: Ist ja gut, ich hab verstanden, dass sie jetzt sauer ist.

Meine Empfehlung: Lass die Figuren fühlen, urteilen, einschätzen – aber zeige diese Gefühle, Urteile und Einschätzungen direkt durch verbale oder gestische Reaktionen. Vermeide/ reduziere Erläuterungen.

Soziologischer Diskurs: Die Debatte Optimierung vs. Natürlichkeit ist ein bisschen angestaubt. Das Thema schwirrt im Zusammenhang mit Genmanipulation, pränataler Diagnostik, Stammzellenforschung, Klonieren, plastischer Chirurgie und Bio-Hacking seit Jahren (wenn nicht Jahrzehnten) durch die Medien. Es ist schwierig, da etwas Substanzielles beizusteuern, einfach, weil die Problematik so intensiv beackert wird.

Und vor diesem Hintergrund ist die Variante, die Dein Text anbietet recht schlicht. Auf der einen Seite stehen die Vernünftigen, die Naturmenschen, auf der anderen Seite stehen die Irregeleiteten, die Technologiehörigen, die Optimierer. Das ist recht einfach gedacht und wird der Komplexität des Themas nicht ganz gerecht. Tatsächlich hat Optimierung (wie z.B. Impfen, Prothetik) eine ganze Menge gebracht, menschliches Leid und Elend reduziert. Die medizinischen Fortschritte seit dem Mittelalter sind bemerkenswert und häufig ist überhaupt nicht klar, wo man eine Grenze ziehen sollte. Natürlichkeit ist kein Wert an sich. Auch Kannibalen leben natürlich.

Es wäre viel spannender, wenn Du die Problematik nicht so schwarz-weiß zeichnen würdest. Wie ist eine Lebensweise einzuschätzen, in der die Menschen physisch gesund und natürlich leben, sich aber grausam verhalten, wie es beispielsweise häufig in Stammeskulturen der Fall ist. Wie ist eine Gesellschaft einzuschätzen, in der Menschen ein Maximum an Wohlstand, Freiheit und Sicherheit genießen, dafür aber umfangreiche Veränderungen an ihren Körpern und ihrer Neurochemie vornehmen müssen?

So, wie Du es darstellst, entsteht kein ernsthafter Konflikt: Gesunder Bauernhof, lachende Kinder versus Drohnenkapitalismus mit 14 Stunden Arbeitstag – da ist wohl klar, welche Seite der Leser bevorzugt. Du solltest es aber umgekehrt machen. Bring den Leser in Schwierigkeiten, stelle ihn vor ein ethisches Dilemma. Zeige das Gute im Schlechten und umgekehrt. Dann wird es spannend.

Ich finde es toll, wie viele Gedanken Du Dir gemacht hast und wie gründlich Du den Plot aufgebaut hast. Ich mag Geschichten, die nicht einfach nur Skizzen sein wollen, sondern eben „richtige Geschichten“ erzählen. Deshalb gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Liebe @Maedy,

ich freue mich, deine Geschichte für die Challenge zu lesen und steige mal direkt ein: Den Anfang würde ich rabiat kürzen. Da ist viel zu viel Information auf einem Haufen. Du kannst das in wenigen Absätzen viel knackiger erzählen. Zum Beispiel den ganzen Vorlauf mit ihren Eltern und der Optimierung / die Erklärung des Frauenbilds, das gerade "IN" ist oder mal war / die Beschreibung des Opti-Systems - kann alles weg meiner Meinung nach. @TeddyMaria hat dir da ja einen radikalen Vorschlag gemacht, den ich aber sehr gut finde. So als Ansatz für dich, um den ganzen Text zu entschlacken.
Indem du beispielsweise eher nebenbei erzählst, was da in dieser Gesellschaft so los ist, weckst du mein Interesse viel mehr. Wie zum Beispiel hier:

Janine war schon im dritten Monat und die meisten Optimierungen mussten bis zum fünften abgeschlossen sein. Weil sie die Schwangerschaft so spät bemerkt hatte, war die Entscheidung für ein Geschlecht schon in den Brunnen gefallen. Es würde nun eine Tochter werden, auch wenn Janine lieber einen kleinen Jungen gehabt hätte. Am liebsten so einen »Tom Sawyer« oder »Kleinen Lord«, wie er letztens in der »Babystyle« beworben worden war. Aber davon konnte Janine nur träumen. Sie konnte froh sein, dass sie überhaupt einen Vater gefunden hatte. Mit Beziehungen hatte Janine so ihre Probleme. Sie entsprach einfach nicht dem Schönheitsidealen dieser Zeit. Vor zwei Monaten hatte der Vater dann auch Janine verlassen wegen so einer sommersprossigen Hexe mit Grübchen.
Das gefällt mir gut und ich fühle mich nicht so, als würde ich mit der Nase auf Informationen gestoßen, die du mir unbedingt an Hintergrundwissen geben möchtest. Auf die Art und Weise kommt das geschmeidiger daher, finde ich.

Sie erinnerte sich an ihre Jugend. Sie war in der Schule mehr schlecht als recht mitgekommen. Gegen die Optis in der Klasse hatte sie einfach keine Chance gehabt. Wie eine Giraffe hatte sie mit ihren 1,80 zwischen den rothaarigen Mädchen herausgeschaut.
Auch hier wiederholst du dich. Das ist aus dem Anfang bereits klar geworden. Damit aber auch genug der Beispiele für die Entschlackung, ich denke, du weißt, was ich meine.

Vor dem Eingangstor rannten vier Kinder in Zickzackkuren
Meinst du "Zickzackkurven"?

»Das Leben hier draußen lohnt sich!« Toni Huber war wieder ruhiger. » Haben Sie es nicht gemerkt? Die Luft? Die Sonne, wie sie herbstlich auf die Felder scheint? Ich frage Sie noch einmal, was wünschen Sie sich für Ihr Kind?«

Janine packte ihr eNotebook zurück in die Tasche. »Ich wünsche mir, dass meine Tochter ein gutes Leben hat. Ein Leben, das mir verwehrt geblieben ist.«

Warum ist hier ein Absatz mitten im Dialog?

Generell habe ich das Gefühl, du könntest viel schneller zu dem Ausflug zum Bauernhof kommen, zu dem Gespräch mit dem Huber. Das habe ich nämlich wirklich gerne gelesen. Auch da wiederholst du dich an manchen Stellen, aber in diesem Dialog gibt es auch sehr schöne Momente (ich mochte das mit den Florentinern sehr!). Lange Rede, kurzer Sinn: Schau dir noch mal ganz genau an, wo du straffen kannst und trau dich! Das wird deinem Text gut tun, denke ich.

Das Thema an sich wird immer wieder diskutiert. Optimierung gegen Natürlichkeit. Das Ganze wird in deiner Geschichte recht schwarz-weiß erzählt, du bringt deine Protagonistin zwar in Erklärungsnot, aber am Schluss entscheidet sie sich für den einfachen/sicheren Weg und verbreitet Lügen über die Kommune, um selbst in dem Opti-System aufzusteigen. Ich hätte es fast interessanter gefunden, wenn du das nicht so konsequent zu Ende erzählst. Sondern sie vielleicht vor dem PC sitzen lässt, sie tippt die verlogene Überschrift »Die Todessekte von Rottal-Inn« und kommt dann ins Grübeln. Oder schreibt den Artikel zu Ende und zögert dann, ihn abzuschicken. Handelt entgegen der Erwartung. Oder aber der Huber zeigt auf einmal eine Seite, die seine Theorie der Natürlichkeit, die man als Leser ja fast automatisch als besser empfindet, als die Opti-Gesellschaft, in Frage stellt. Keine Ahnung, es passiert etwas auf dem Hof, es muss ein Preis gezahlt werden für diese Lebensweise, vielleicht etwas Grausames, ob nun physisch oder psychologisch. Etwas, das dem "Happy Life" plötzlich die Maske runterreißt und den Leser vor die Frage stellt: Für was würde ich mich entscheiden? Aussteiger-Bauernhof oder Opti-Gesellschaft?

Da steckt noch viel Potential drin in deinem Text, wie gesagt, gerade der Dialog hat mir sehr gefallen!

Viel Erfolg und Spaß beim weiteren Schleifen und Feilen :)
Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo @TeddyMaria , @Meuvind , @Lem Pala , @Achillus , @RinaWu ,

ich fasse Euch jetzt einmal pragmatisch zusammen, da Eure Kritik letztlich auf das Gleiche hinausläuft. Erst einmal vielen Dank für die Kommentare und das kritische Lesen!

Es ist echt interessant, wie sich die eigene Einschätzung von der fremden unterscheiden kann. Ich habe bereits vor Wochen den Anfang der Kurzgeschichte geschrieben und dann fiel mir kein Ende ein. Ich weiß gar nicht mehr so genau, was der Anlass war. Ich glaube, es war ein Artikel über Crispr Cas. Nachdem die Challenge ausgeschrieben war, habe ich wieder an diese Geschichte gedacht, die bei mir den simplen Arbeitstitel "Janine" hatte. Ich habe mich dann am Wochenende - da mir immer noch ein Ende fehlte - echt abgemüht und den Dialog gefühlte hundert Mal umgeschrieben. Dagegen war ich mit dem Anfang recht zufrieden und habe den gar nicht mehr großartig reflektiert.
Da Ihr den Anfang einheitlich als Infodump bewertet, muss ich natürlich darüber nachdenken. Ich möchte meine Leser ja nicht nach zwei Absätzen verlieren. Im Moment vertrete ich die Theorie (@TeddyMaria), dass ich diesen Anfang wohl selbst brauchte, um mir diese Welt vorstellen zu können und wahrscheinlich habe ich dann am Wochenende unbewusst, viel freier darauf aufgebaut. Mein Ansatz wäre es jetzt deshalb zum Ende, einen neuen Anfang zu bauen. Ich überlege dann einmal, welche Infos ich vorne brauche und wie ich sie "verkleiden" kann, so dass es mehr ein "show" wird.
Mehr oder weniger analog ist der weitere Kritikpunkt von @Achillus. Ich neige unbewusst tatsächlich dazu, eine Geste noch zusätzlich zu erläutern (damit es auch noch der letzte :read: versteht :confused:). Ich versuche, das abzustellen und meinen Lesern mehr zuzutrauen. Danke für den Hinweis!

Das Thema ist natürlich nicht ganz neu. Meine Geschichte also nur eine weitere Variante von 1984. Trotzdem wollte ich sie in dieser Form erzählen. Ob es tatsächlich noch einen weiteren Konflikt geben muss, indem z.B. eines der Hofkinder erkrankt und stirbt, da bin ich mir nicht sicher. Eigentlich seid Ihr Leser ja selbst darauf gekommen, dass man das alles auch differenzierter sehen kann und es eine Lösung wäre, nur bestimmte Formen der Optimierung zu etablieren, nachdem Ihr die erste Distanz zum romantischen Hofleben gewonnen habt. Für mich war eigentlich die Frage viel zentraler, ob die allgemeine Mehrheit in einer Gesellschaft so tief in das Recht des Einzelnen eingreifen darf (hier geht es ja nicht nur um eine Steuererhöhung, sondern um einen klaren Eingriff in den Körper) und in das Recht der Eltern, über die Erziehung ihrer Kinder selbst zu entscheiden (sie misshandeln sie ja nicht). Diese Frage gibt es schon lange, z.B. bei der aktuellen Impfdiskussion oder bei von religiös intendierten, verweigerten Bluttransfusionen. Ich habe hier natürlich ein krasses Ende gewählt und habe dem Leser (im Gegensatz zu oben) zugetraut, sich selbst die Frage zu stellen, wo für ihn die persönliche Grenzziehung ist.
Ich weiß nicht, ob das funktioniert hat. Aber den Kommentaren, vor allem von @Achillus und @RinaWu kann ich entnehmen, dass diese Gedankengänge ausgelöst wurden.

Die Fehler besser ich natürlich aus. Es sollte übrigens Zickzackkurve heißen, aber die Autokorrektur mag das Wort nachhaltig nicht.

Ich füge mir Eure Kommentare noch einmal im Detail zu Gemüte und werde nach zwei, drei Tagen Abstand mit der Überarbeitung starten.

Lieben Gruß
Mädy

 
Zuletzt bearbeitet:

Da du ohnehin noch in der Überarbeitungsphase bist, Maedy, möchte ich dir vorerst nur ein paar grundlegende Bedenken mitgeben, die mir beim Lesen deiner Geschichte durch den Kopf gegangen sind:
Es fehlt zwar ein expliziter Hinweis darauf, wann die Geschichte nun genau spielt, aber ein paar Details lassen mich darauf schließen, dass du von einer nicht allzu fernen Zukunft schreibst. Und weil du obendrein noch das Stichwort Sience Fiction (also nicht z.B. Fantasy) oben drüber hast, erwarte ich mir natürlich ein einigermaßen realistisches bzw. ein zumindest real mögliches Szenario. (In dem Sinne real möglich, dass du eine glaubwürdige Weiterentwicklung unserer momentanen Lebensrealität entwirfst.)
Na ja, und da stellen sich mir natürlich schon ein paar Fragen.
Natürlich gab es schon immer und permanent einen Strukturwandel in der Arbeitswelt, aber letztlich lief er immer darauf hinaus, dass immer weniger Arbeitszeit benötigt wird, um die gleiche Menge an Gütern, Waren, Dienstleistungen usw. zu produzieren. Was nichts anderes heißt, als dass es immer weniger Arbeit für immer mehr Menschen gibt. (Je nach Quelle werden im Laufe der vierten industriellen Revolution - deren Geburtsstunde wir gerade erleben - zwischen zwanzig und fünfzig Prozent aller Arbeitsplätze verloren gehen.) So gesehen halte ich dein Gesellschaftsmodell, in dem möglichst viele Menschen möglichst lange (14 Stunden am Tag und das über beinahe ihre gesamte Lebenszeit hinweg) und möglichst ununterbrochen und noch dazu hochbezahlt (Bonuspunkte!) arbeiten sollen, für bizarr unrealistisch. (Weil allen Dogmen unseres momentanen absurden Wirtschaftssystems - wie Profitmaximierung zugunsten weniger und auf Kosten aller anderen usw. - widersprechend) Und dementsprechend steht für mich die ganze Plotidee halt schon auf einigermaßen wackeligen Füßen. Zumindest wenn wir von unserer Welt reden. Und das tun wir ja offenbar, also sofern wir Bayern als zu unserer Welt gehörig betrachten.
Okay, du magst jetzt sagen, das sei halt eine fiktive Dystopie. Aber wenn du so augenscheinlich an der Realität vorbeischreibst, bleibt für mein Gefühl halt auch jeder ernstzunehmende gesellschaftskritische Aspekt auf der Strecke.
Keine Ahnung, wie du das Dilemma lösen könntest, aber zumindest wollte ich dir von meinen Bedenken erzählen.
Morgen vielleicht mehr.

offshore

 

Hallo @ernst offshore ,

hmmm ... darüber denke ich auch einmal nach. Allerdings meine ich gelesen zu haben, dass Arbeitsplätze durch die Industrialisierung zwar wegfallen, aber neue Berufsfelder entstehen und sich das so langfristig ausgleicht. Und ehrlich gesagt, in meiner (bayerischen :confused:) Realität, kenne ich eine Menge Leute, die schon heute so einen Arbeitstag absolvieren und einige, die Burn-Out oder vergleichbare Erkrankungen oder zumindest Symptome haben. Von einem Trend zu allgemein weniger Arbeit, sehe ich gerade in meinem Umfeld nicht viel und es ist auch nicht gerade so, dass das Renteneintrittsalters in den letzten Jahren gesunken wäre. Darauf habe ich aufgebaut, ohne näher zu recherchieren. Vielleicht gibt es auch eine Regulierung der Bevölkerung, ich weiß aber nicht, ob ich mich in diese Details verlieren sollte.

Viele Grüße
Mädy

 

Kennstu Huntingtons Clash of Civilisations,

liebe Maedy?

Es erklärt zum Teil die heutige politische/soziale Situation, wie sie von der Levante und dem Maghreb ausgeht: Geburtenüberschuss und keine Arbeit, Arabischer Frühling - Terror - vor allem für die jungen Männer.

Das steht uns auch bevor, denn seit Adam Smith ist bekannt, wie Arbeit effektiv und effizient auszuführen ist, indem die Arbeit in kleinste Einheiten zerlegt wird (Fließband, erstmals KOnsequent bei Ford eingeführt, heute an jeder Supermatktkasse), um hernach die Handgriffe in einen Algorithmus zu verwandeln und den Rest der Maschine zu überlassen. Was Smith – an sich ein Geistlicher – in seiner Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. an der Produktion der Nadel darstellte, findestu heute in den großen Fabriken und dem Notebook verwirklicht und unter "http://www.wortkrieger.de/showthread.php?54897-Arbeit-Konsum-und-Freiheit-–-Schiller-Marcuse-Lanier-„Der-eindimensionale-Mensch“ hierorts ausführlich dargestellt. Und die Optimierung betreibt doch heute jeder selbst, wobei doch klar sein müsste, wer keine Zeit hat, ist eigentlich tot und neben dem Terminkalender die Selbstoptimierung ein erster Schritt dahin ...

Wie dem auch sei: Mir fällt besonders das Kleben an der Schulgrammatik auf. An diesem Absatz

Dabei hätten ihre Eltern wahrscheinlich sogar genug Geld gehabt. Janine spürte den Kloß in ihrem Hals, der sich jedes Mal bei dem Gedanken an ihre Eltern bildete. Damals[,] in den Dreißigern gehörten sie der Bewegung der Opti-Kritiker an und hatten die Bedeutung dieser Investition für Janines Zukunft völlig unterschätzt. So war es dazu gekommen, dass die Eltern nur die Opti-Vorsorge der Krankenkasse wahrgenommen hatten. Jedenfalls an dem Herzfehler, den sie von ihrem Vater geerbt hätte, würde Janine nicht sterben, auch wenn sie die 90 Lebensjahre der Optikinder wohl nicht erreichen könnte und frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müsste. Was dann wäre, daran wollte Janine gar nicht erst denken.
sei‘s dargestellt.

Formal ist er- sehn wir von Kommas ab - keineswegs falsch – nur eben unter der Diktatur von Partizipienreiterei und Hilfsverben, die sich somit selbst als Vollverb hintern Scheffel stellen:

Dabei hätten … gehabt. … Damals[,] in den ... und hatten … So war ... gekommen, … wahrgenommen hatten. … geerbt hätte, würde … ,
Dabei ermöglicht doch schon das Adverb „damals“, verstärkt noch durch die 30-er, Vorzeitigkeit als einstellige Zeitform dazustellen, etwa „Damals, in den Dreißigern, gehörten sie der Bewegung der Opti-Kritiker an und unterschätzten die Bedeutung dieser Investition für Janines Zukunft völlig.

Kurz darauf verwendestu wieder das Adverb … Versuch mal selber. Du schaffst es!

Trivialeres

Janine la sich die eMessage durch.
Für einen Moment herrschte eine peinliche Stille, wie sie sich so gegenüber saßen.
»Jaaa«, wiederholte Janine und tat so, als wolle sie etwas Wichtiges notieren, obwohl sie nichts anderes tat[,] als ein paar Programme zu schließen.
(neben dem nachzutragenden Komma zwomal tat

Und nicht krank werden, ich meine[,] zu früh krank werden.«
Auf keine[n] Fall dürfte das mit ihrer kleinen Tochter geschehen!
Das ist doch ein sehr schönes Talent. Eines[,] das satt macht.«

Und mir fehlt die Bonuspunkte ...«
entweder der Bonuspunkt oder „fehlen“

Er macht sich einen Spaß daraus, sie in eine peinliche Situation zu bringen, dachte Janine verärgert.
Besser Konj. I, er mache ...

»Meinen Sie denn nicht, dass es nicht wenigstens gut wäre, Kinder gegen Krankheiten zu optimieren.
Klingt das nicht nach Frage?

»Wie sieht denn euer optimierte[r] Alltag aus?
»Wir versuchen, diejenigen[,] die krank sind, zu heilen.
Das Einzige, das ich will[,] ist, dass man uns in Ruhe lässt.
Janine zog den Rei[ß]ssverschluss

Wie dem auch sei oder werde mit der schönen neuen Welt (die ja auch schon in Clockwork Orange beschrieben wird), ich muss jetzt was essen!

Tschüss und bis bald

Friedel

 

Gude @Maedy,

mir gefällt die Zwischenrolle deiner Protagonistin, die selbst nicht optimiert aber derart sozialisiert wurde, dass sie diese befürwortet. Und "für" das "Leben" ihrer Tochter liefert sie bereitwillig die Nicht-Optimierten ans Messer (eine Kleinigkeit an dieser Stelle: Pippilotta führt selbst den Angriff an, muss aber erst nochmal geboren und ausgebildet werden, also ca. 20-25 Jahre später. Das ist kein kleiner Sprung, hier wäre zur Stimmigkeit vielleicht ein "über Jahre hinweg" in diesem Satz sinnvoll: "Mit ihren Artikeln hat sie sich für eine flächendeckende Behandlung von Ungeborenen eingesetzt.")

Schade finde ich es da ein wenig, dass sie im "Dialog" mit dem Bauern quasi stumm bleibt. Er redet auf sie ein, hält eine Art Rede und stellt seine Meinung (recht einseitig) dar. Sie sagt dazu wenig bzw. argumentiert schwach. Das nimmt dieser Szene etwas den Reiz, da sich hier nichts entwickelt; nur am Ende steht dann ihr Entschluss, diese für sie und ihre Lebensvorstellung bedrohlichen Menschen auszuschalten.

Der Anfang wurde ja bereits von den anderen Kommentatoren in den Fokus genommen und ich würde mich da einreihen: es ist fast reiner Tell und wenig Show.
Ich finde, du entwickelst viele Ideen, wie sich diese Welt auf Janine auswirkt - zeig sie uns doch am Anfang gleich. Ein paar Beispiele:
- Janine schickte den Artikel ab und beobachtete gespannt, wie sich die Zahl ihrer Bonuspunkte am oberen rechten Bildschirmrand [wahlweise auch auf einem anderen Endgerät angezeigt] von rot in gelb färbte. Zumindest wieder positiv.
- Sie geht einkaufen (kauft dabei nur ein Stück Kuchen und schielt neidisch auf die fülligen Frauen um sie herum) und sieht dabei viele sich sehr ähnelnde Menschen und erntet ihrerseits komische Blicke. An der Kassenschlange überragt sie alle anderen Frauen.
- Auf dem Rückweg sieht sie Werbereklamen zu Optimierungen, die Kosten in Bonuspunkten in einem schillernden Grün.

Das sind einfach nur deine Ideen direkt umgesetzt, dann sparst du dir eine überlange Erklärung und hast mit wenigen Sätzen einen Bezug zur Welt geschaffen. Als Nebeneffekt kommt das Lebensgefühl der Protagonistin deutlicher hervor. :)

Nun noch ein paar kleinere Geschichten:
Du hängst vor viele Begriffe noch ein "e", damit es auch so richtig nach future klingt. :D
Etwas spitz formuliert, aber so wirkt es auf mich. Dazu:

eNotebook
-> ein Notebook ist im üblichen Sprachgebrauch ein Laptop. Der ist per se "elektronisch".

eMessage
-> Ähnlich gilt für Message, das man eigentlich nur im digitalen Bereich verwendet. Wenn ein Brief in deinem Postkasten liegt, würdest du ja nicht sagen, hey Onkel Tom hat mir eine Message gesendet. Daher wirkt auch eMessage gedoppelt.

-> Hier finde ich es passend (soll ja auch mal gesagt sein, wenn ich das sonst kritisiere :lol:)

Die Zeit lief unaufhaltsam. Dabei wünschte sie sich für ihre kleine Tochter mehr als das.
-> Das "dabei" suggeriert hier einen schrägen Bezug, nämlich, dass sie nicht will, dass die Zeit unaufhaltsam bis zur Geburt verläuft. Aber eigentlich ist ja gemeint, dass sie für ihre Tochter mehr wünscht als die lausigen Bonuspunkte, die sie hat.

Sie las die Titel durch.
-> Könnte man streichen; es doppelt sich für mich mit dem Durchblättern :)

und starben an ihrem 90. Geburtstag automatisch nach einem langen, effizienten Leben für die Gesellschaft.
-> Bis 85 Jahre arbeiten sticht heraus - aber die 90 Jahre bis zum Lebensende finde ich etwas kurzgegriffen. Immerhin ist das doch Science Fiction und da wird einiges optimiert. Da könnte man schon auf die 100 gehen, m.E. nach. Mindestens ;)

Zum Fazit: Ich finde, du hast eine interessante Idee mit einer spannenden und ambivalenten Protagonistin. Die Präsentation würde ich mir aber deutlich schlanker und direkter wünschen sowie mehr Anteile von Janine in der Diskussion mit dem Kommunenanführer, die sie ja schließlich zu einem entscheidenden Entschluss ihres Lebens führt.

Hoffentlich hilfreich grüßt
Vulkangestein

 

Hi @Maedy,

Ich melde mich auch mal kurz zu Wort. Bevor ich anfange, musste ich erst mal einige wichtige Papiere unterzeichnen. Siehst du es? Unter all den Kommentaren zum Infodump steht in lila Glitzertinte mein Name.

Die Kommentare zum möglichen Konfliktanbau habe ich auch unterschrieben, aber nur ganz ganz vorsichtig und nur mit Bleistift. Eigentlich hast du nämlich recht, da gibt’s schon genug an Potential in der Geschichte, und wenn die ganzen Infos mal raus sind, kommt das, was du sagen wolltest, wahrscheinlich auch schon ganz gut raus. Ich finds auch so schon gut. Also keine Sorge. Ich mag die Idee und finde, du hast dich da super reingedacht.

So jetzt aber endlich zu dem Teil, wo ich auch was Neues beitragen kann, wenn auch nur ne kurze Überlegung. Hoffe ich zumindest, hab die letzten zwei Kommentare noch nicht gelesen ...:Pfeif:

Du hast gesagt, dass du dich mit dem Dialog schwer getan hast, und das merkt man.
Ich fand den absolut nicht überzeugend. Warum? Wegen der Art, wie Huber die ganze Zeit geredet hat.
Also, der Huber scheint ja einer der wenigen Menschen auf der Welt zu sein, der noch genug Verstand im Kopf hat, um das System nicht zu befürworten. Und das bedeutet: Er ist schlau. Schlaue Menschen in revolutionären Positionen sollten eines Bedenken: Dass sie in revolutionären Positionen sind. Wenn man andere Menschen dazu bringen will, ihre Meinung zu ändern und einzusehen, dass alles, woran sie ihr gesamtes Leben lang geglaubt haben, nicht gut ist, dann muss man da sehr feinfühlig vorgehen. Huber ist in dem Gespräch aber überhaupt nicht feinfühlig. Er rennt alle Wände ein, wird sofort persönlich und sagt mehr oder weniger gerade heraus „Ich habe Recht und du nicht und wenn du das nicht einsiehst dann geht was ziemlich schief bei dir!“
Klar, er will sie überzeugen, aber so wie er das angeht, könnte der Kerl mich nicht einmal davon überzeugen, dass Schokolade toll schmeckt. Und dabei liebe ich doch Schokolade.
Ich weiß, das ist extrem schwierig umzusetzen, schließlich ist es nur ein kurzes Aufeinandertreffen der Personen und nur eine Kurzgeschichte, und natürlich will er sie überzeugen, und natürlich ist es unglaublich schwierig sowas subtil zu verpacken. Ich habe das noch nicht gelernt und kann dir deshalb leider überhaupt nicht sagen, wie du das anstellen sollst. Deswegen könnte ich nie in Hubers Situation sein. Na ja, könnte ich schon, aber es würde keinen je auch nur am Rande interessieren. Sowas muss man einfach gut verpacken können, wenn man völlig gegen das System ist und es am liebsten ändern würde. Und als Autor muss man zeigen, dass sich der Character mit der Frage auseinandergesetzt hat. Dass er schon vorher genau weiß, was er da sagen würde, wenn er irgendwann in diese Situation kommt, dass er darüber gefragt wird. Aber Huber hat beinahe einen Wutausbruch, deshalb wirkt er unvorbereitet auf das ganze Gespäch, und das darf er nicht sein.

Deine Prot darf eigentlich schon unvorbereited wirken. Aber: Dieses und,und,und,und nervt total und ist viel zu viel. Das kann man auch anders zeigen, dass sie dem Gespräch nicht gewappnet ist.

...

Also, ich weiß nicht wirklich weiter. Aber es würde der Geschichte sehr weiterhelfen, wenn der Dialog nicht so angreifend und holzhammermäßig rüberkäme. Geh da noch mal ordentlich ran!

Liebe Grüße aus Texas,
Anna

 

Hallo @Maedy,
ja, Kinder sind Projekte geworden. Und in der Sorge um sie offenbart sich oft mehr das Streben der Eltern, die den Erfolg ihrer Kinder neben Haus, Auto und Urlaubsreise aufs Tablett legen, zur demonstrativen Abrundung eines gelungenen Lebens sozusagen. Da nimmst Du einen Faden auf, der virulent ist, ohne Zweifel. Dass die Gentechnik da Möglichkeiten eröffnet ist Segen, wenn es um Krankheiten geht und Fluch, wenn auf einmal alles zur Disposition steht, von der Zahnlücke bis zur Haarfarbe. Ein spannendes Thema.
Ein paar Sachen gingen mir beim Lesen durch den Kopf. Ich glaube, es waren vier. Ich versuche mal, sie zu sammeln.

Darstellung
Ich kann nachvollziehen, dass es für die Vorstellung einer zukünftigen Gesellschaft mit veränderten Strukturen eine Erklärung geben muss. Da müssen ein paar Pflöcke eingerammt werden. Beim Einstieg hatte ich aber lange das Gefühl, mich durch eine Betriebsanleitung durchzubeißen, bis endlich mal ein wenig Leben in die Geschichte kam. Du hast Dir natürlich viel vorgenommen, wofür andere dystopische Texte gleich einen Roman auffahren und dementsprechend lang disponiert und nebenbei und dadurch auch bei weitem eleganter ein Bild einer zukünftigen Gesellschaftsform entwickeln können. Das ist hier ein wenig eine Haudrauf-Methode und das geht in der Gedrängtheit des Textes fast nicht anders, das ist schon nachvollziehbar. Aber man könnte auch den Anspruch reduzieren, manches im Vagen lassen, das Unbehagen durch Andeutungen reinschleichen lassen, statt neben der Kinderoptimierung auch noch den Straßenverkehr, die ganze Palette von Ausbildungsmöglichkeiten und viel Sience-Fiction-Schnickschnack liefern, der das Ganze für mich ausbremst.

Positionierung der Gegenspieler
Mich erinnert Dein Setting sehr an die rousseausche Anschaung der Welt, die Verwerfung einer überzüchteten, verderbten Gesellschaft, der ein idealisiertes Naturvolk gegenübersteht, was sich in Deiner Geschichte zum Topos des Edlen Wilden aus Niederbayern aus dem Rottal verdichtet. Damit steht der Text in einer langen Tradition, die bis zu Winnetou reicht und damit geht natürlich eine gewisse Gefahr einher: Die Klischees sind so ausgeprägt, dass sie in der Schablonenhaftigkeit ein wenig wie Abziehbilder wirken und so empfinde ich auch Deinen hemdsärmeligen Huberbauern, der das Scheit in den Ofen wirft und gegen die Gesellschaft wettert. Es ist ziemlich spannend, dann die Frage zu stellen, ob der Text die ländliche Idylle verklärt, oder sie als Korrektiv der gesellschaftlichen Entwicklung als Spiegel vor Augen führt. Und damit ist auch die Frage verbunden, wie das Land-Stadt-Gefälle überhaupt zu denken ist. Ist das Land für sich jetzt gut, weil es da natürlich zugeht, oder muss es nur als Motivation für ein besseres Stadtleben herhalten? Aber das geht über den Text hinaus. Jedenfalls ist mir der Kontrast zu stark gezeichnet, obwohl es ihn natürlich braucht, das ist mir auch klar. Sonst gäbe es keine Triebfeder für die Story.

Dialogführung
Ähnlich wie die Einführung empfinde ich das Interview zu berechnet. Die beiden sagen genau die richtigen Sätze auf, die Positionen prallen schön aufeinander mit einer starken Infokomponente. Und auch da ist mir die Polarisierung zu stark geraten. Sie wirkt auf mich wie die Landidyllen in der höfischen Kunst, in denen der Naturbursch zum Gegenbild des Höflings hochgefahren wird, was mehr über den Höfling und seine Sehnsucht, als über die Qualität des Landlebens aussagt.

Zukünftige Arbeitswelt
Zur Arbeitswelt ist mir die schon oft in den Medien dargestellte Zukunftsvision von Precht eingefallen, der meint, dass die Automatisierung eher zu mehr freier Zeit führen wird und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens notwendig macht. Aber wer kann die Zukunft schon voraussagen? Vielleicht wird sie ja doch arbeitsvoll!

Maedy, ich habe jetzt eine Menge angemerkt und muss aber doch sagen, dass ich etliche Ideen, wie die Kindermodelle, die man sich aussuchen kann, sehr gut finde, genauso, wie das grundsätzliche Konzept. Vielleicht kannst Du ja mit den Überlegungen was anfangen, die, wie immer, höchst persönlich sind.
Beste Grüße
rieger

 

Liebe Alle, vielen Dank für die zahlreichen Kommentare! Ich werde mich am Wochenende wieder hinsetzen und sie dann ausführlich würdigen! Viele Grüße Mädy

 

Hallo @Maedy

wahrscheinlich gibt es nicht genügend gesellschaftskritische Utopien, Science-Fiction, weil solche Texte einen Blick auf eine mögliche Zukunft werfen. Ob die Entwicklung so verläuft, wie du es schilderst, exakt so, bleibt ungewiss. Vielleicht übernehmen einfach die Drohnen. Was es für das Sozialsystem bedeuten würde, wenn die Lebenserwartung ausgeweitet wird, deutest du ja an, dann müssten die Menschen deutlich länger erwerbstätig sein. Wie ich finde, bleibst du jedenfalls nahe genug an den Entwicklungen, die der Menschheit bevorstehen könnten.

Zum Text: Du packst eine Menge in das Format Kurzgeschichte, vielleicht sogar zu viel. Das zwingt dich dazu über weite Strecken erklärend einzugreifen, besonders am Anfang. Du löst das Problem mit dem inneren Monolog deiner Erzählerin, der Text verliert dadurch aber ein wenig an Spannung. Im zweiten Teil, die Begegnung, das Gespräch auf dem Bauernhof, wirkt organischer, transparenter, auch wenn es an einigen Stellen sehr belehrend wird.

Sprachlich habe ich wenig Einwände, Stil und Inhalt passen zusammen, obwohl die Dialoge nur teilweise natürlich wirken.

Textstellen:

nachdem jeder große Zeitungsverlag verlangte, dass die Mitarbeiter auf mindestens vierzehn Stunden Arbeitszeit ohne Pause optimiert waren. Das hielten weder Janines Magen noch ihre Blase aus.
vielleicht gibt die Schlafforschung her, dass man auch ohne auskommt.

Janine laß sich die eMessage durch.
las

Jeder sah sie schief an, wenn sie wie eine Giraffe durch die Stadt stakste.
Wie eine Giraffe hatte sie mit ihren 1,80 zwischen den rothaarigen Mädchen herausgeschaut.
zweimal dasselbe Bild wirkt nicht elegant.

Und mir fehlt die Bonuspunkte ...«
fehlen

»So soll die Menschheit der Zukunft aussehen. Perfekt, effektiv und optimiert. Und den Sozialkassen möglichst nicht zur Last liegen. Wir hier in der Kommune! Bei uns gibt es noch Mitmenschlichkeit, wir helfen einander, hier geht es nicht um Bonuspunkte!«
»Aber krank werden …« Janine merkte, wie ihr heiß wurde. Der Huber-Bauer hatte einen puterroten Kopf.
schöne Utopie, das mit der Mitmenschlichkeit:D

Viele Ich-arbeite-mal-wieder-ein-bisschen-um-den-Bonus-zu-verdienen-Grüße
Isegrims

 

HI @Maedy,

wenn ich das richtig sehe, hast du bereits etwas gekürzt. Dann schau ich doch auch mal rein. Denn auch mir fiel der Einstieg vorher etwas schwer.

eNotebook
Irgendjemand hat es schon gesagt. eNotebook finde ich auch albern. Denn das e steht ja für elektronisch und was sollte ein Notebook sonst sein?

@Vulkangestein hat sehr schöne Beispiele für eine szenische Darstellung dieses Bonussystems gebracht. Das fände ich als Einstieg auch nicht schlecht. Das wäre eine Möglichkeit zu zeigen, dass wir uns in der Zukunft befinden, ohne Begriffe wie eNotebook.
Vielleicht könnte neben der Anzeige der Bonuspunkte eine Anzeige für Optimierung auftauchen. Oder ein Kreditangebot?

Die vielen kurzen Sätzen lassen keinen schönen Lesefluss entstehen.
Wie wäre es zum Beispiel mit
Auch wenn sie davon eine Woche leben könnte, verdiente sie immer noch zu, um etwas anzulegen.
anstelle von

Davon könnte sie diese Woche leben. Aber immer noch verdiente sie zu wenig, um etwas anzulegen.

die kleine Wölbung. Die Zeit lief unaufhaltsam. Dabei wünschte sie sich für ihre kleine Tochter mehr als das.
Zweimal kleine. Ich denke, bei der Wölbung kannst du es getrost streichen.

Hatten die eigenen Eltern nicht genug in die Optimierung investiert, bekam man keine Festanstellung und musste sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten.
Das könnte man auch sehr schön szenisch zeigen. Janine in der Diskussion mit einem potentiellen Auftraggeber, der sie aber aus den von dir genannten Gründen nicht engagieren will.
„Und dann soll ich Ihnen noch ihre Pinkelpausen bezahlen?! Wie oft müssen sie in 14 Stunden? Bestimmt drei Mal!“

Zudem fiel sie mit den aschblonden Haaren, den blauen Augen und ihren 1,80 m völlig aus der Reihe.
Auch hier würde ich mir eine Szene wünschen. Wie sie draußen unterwegs ist, im Supermarkt steht. Alle überragt. Seltsam angeschaut wird. Wie sie sehnsüchtig einen Schokoriegel betrachtet.

Janine blätterte auf ihrem eNotebook in der »Babystyle«. Sie las die Titel durch. »Catwoman returns« oder »Pippi geht an Bord«. Auf den Bildern waren die Eltern mit ihren Babys zu sehen und Animationen von dem älteren »Ich« der Kinder. Bei den jungen Eltern standen eindeutig die optischen Trends im Vordergrund, nachdem besondere Begabungen in MINT, Sprachen, Musik und Sport längst Routineeingriffe waren.
Das finde ich cool. Die Optimierung so weiterzudenken, dass es eben um Schnickschnack geht, nachdem die lebenswichtigen Punkte alle Routine geworden sind.

Janine seufzte und warf die Zeitschrift in die Ecke.
In die Ecke des eNotebooks?

Sie suchte in ihrem eNotebook nach der letzten eMessage von »Future-Pic«, einem bekannten, meinungsbildenden eJournal,
Hier kommt das mit dem e sehr gewollt rüber. Würde ich unbedingt etwas eindampfen.

Das Alter machte ihr eine unbeschreibliche Angst. Was würde werden, wenn sie Altersgebrechen erleiden würde, die völlig ausgestorben waren?
Auch ein interessanter Gedanke.

den Babyoptimierer im Optital.
Optital. Tut mir leid, aber ich finde es irgendwie albern. In einem Disneyfilm würde der ort bestimmt so heißen, aber ich finde es passt nicht wirklich zu deiner Geschichte.

Dann ist ein viertel deiner Geschichte um und man hat viel erfahren, aber eigentlich ist nichts passiert. Janine hat bisher nur am Notebook gesessen, etwas gesurft und nachgedacht.
Das würde ich unbedingt ändern. Lass sie diese Gedanken haben, wenn sie zum Beispiel auf Jobsuche ist. Oder einem Freund ihr Leid klagt. Verpacke die Erklärungen in Handlungen.

Es war ein sonniger Morgen. Die Nebelschwaden zogen noch über die Felder, als Janine mit dem geliehenen eCar zu der abgelegenen Siedlung dieses Toni Huber fuhr. Sie hatte die letzten Tage über recherchiert, doch kaum brauchbare Informationen bekommen.
Du verwendest meiner Meinung nach viel zu viele Adjektive. Mindestens die Hälfte kannst du streichen, hier zum Beispiel abgelegen und brauchbar.

Janine nickte wortlos, während sie das große, alte Hofgebäude betraten und schließlich durch einen langen Flur gingen. Der Bauer öffnete die Tür zu einer gemütlich aussehenden Stube mit einer Eckbank und einem grün gefliesten Kachelofen. Janine setzte sich mit ihrer Tasche auf die grün gepolsterte Bank.
:Pfeif:

»Warum?«
»Warum nicht?«
Würde er nicht eher sagen: Warum sollten wir? Sonst würde er ja sagen: Warum sollten wir sie nicht nicht optimieren?

So ganz anders, als ein normaler Mensch. Beängstigend.
Da frage ich mich doch wie sich denn ein optimierter Mensch verhalten würde. Noch ein Grund so einen Anfangs vorzustellen. :)

Janine gab einen verbitterten Ton von sich. Spaß! Als ob es darauf ankäme! Dieser Bauer lebte vollkommen an der Realität vorbei. »Ich möchte, dass meine Tochter glücklich wird«, sagte sie.
Auf mich wirkt das Leben eines optimierten Menschens auch nicht wirklich schön. Man bleibt gesund, aber nur um zu arbeiten? Vielleicht kannst du noch etwas mehr auf die schönen Seiten des Optilebens eingehen.

Die Szene mit Huber liest sich sehr viel besser, weil endlich etwas passiert. Allerdings fände ich es schöner, wenn Janine vielleicht auch etwas ins Grübeln käme und auch wenn sie ein paar bessere Argumente hätte. Auch ein Ortswechsel während des Gesprächs wäre nicht schlecht. Vielleicht zeigt ihr Toni irgendetwas, dass sie zweifeln lässt. Und dann passiert etwas, dass sie noch mehr in ihrer Meinung bestärkt.

Pippilottas Finger kreiste über der roten Taste.
Hmm, das mit der roten Taste finde ich überzogen. Wer hat ernsthaft so ne Taste? Vielleicht klickt die irgendwo, oder macht einen Anruf. Aber eine Taste? Und die ist auch noch rot?

Ich finde deine Idee wirklich interessant und du hast in einige gute Richtungen gedacht. Die Verpackung gefällt mir leider noch nicht so richtig, und das ist ziemlich schade.
Meine Empfehlung wäre auf jeden Fall szenischer zu schreiben. Ansonsten hast du ja auch schon einige andere gute Tipps bekommen, z.B. den bzgl. der Schwarz-Weiß-Malerei. Mach es dem Leser schwerer. Bringe ihn zum Grübeln.

Ich bin gespannt, was du draus machst und werde bestimmt noch mal reinschauen.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maedy

Vieles wurde zu deinem Text schon gesagt. In solchen Fällen picke ich gerne mal nur einen oder zwei Einzelaspekte heraus, in deinem Fall habe ich mir die Dialoge genauer angeschaut:

Und, und die anderen Sachen werden auch nicht so gut. Und mir fehlt die Bonuspunkte ...
»Und, wann ist es bei Ihnen so weit?«
»Und
»Und werden Sie Ihr Kind optimieren?«
Und vielleicht kann ich mir eine Begabung leisten.

Als erstes würde ich die unzähligen "und" reduzieren, ich würde die sogar allesamt streichen. Die machen den Dialog monotoner als nötig.

»Haben Ihnen Ihre Eltern das Talent nicht mitgegeben? Werfen Sie Ihnen das vor?«
»Meine Eltern haben mir gar kein Talent mitgegeben. Das werfe ich ihnen vor.«
»Und sie haben keine eigenen Talente

»Aha, und glauben Sie nicht, dass Ihr Kind keine eigenen Talente entwicklen würde?«
»Eigene Talente? Welche sollen das denn sein?« Janine rückte ihren blonden Zopf zurecht. Rote Haare, sie sollte rote Haare haben.

»Na ja, z.B. Florentiner backen.« Der Huber Bauer zeigte weiße Pferdezähne.
»Florentiner backen?« Dieses Gespräch nahm eine Wendung, die Janine nicht gefiel.
»Ja, Florentiner backen.


»Hmmm.« Der Huber-Bauer kratzte sich am Kopf. »Hätten Sie gerne ein Pferd
»Nein«, sagte Janine. »Ich bin noch nie geritten. Mir liegt nichts an Pferden
»Und deshalb soll Ihrer Tochter auch nichts an Pferden liegen

In einem zweiten Schritt würde ich all diese Wiederholungen ausmisten. Das liest sich manchmal so, als hätten die beides was an den Ohren. Mag sein, dass man manchmal so spricht, gerade in einer Interviewsituation. Aber für den Leser ist das unglaublich zäh, dieses Wiederkäuen.

Generell finde ich deine Gesprächspartner zu kooperativ. Du schreibst zwar mal, dass man dem Typen alles aus der Nase ziehen müsse. Aber dennoch: Das Gespräch verläuft sehr linear, du hast nur zwei Muster drin: Frage - Antwort und Frage - Gegenfrage - Antwort, um die Richtung zu wechseln. Ich denke, das ist der Grund, weshalb sich der Dialog wie eine Abhandlung liest, ich hab mir immer wieder gedacht, aha, das ist die Art und Weise, wie uns die Autorin ihre Gedanken zum Thema vermitteln möchte. Bau doch mal eine Ablenkung ein, einen aprupten Themenwechsel. Lass die beiden auch mal den Ort wechseln, er könnte ihr ja auch was zeigen. So am Block liest sich der Dialog wirklich nicht gut.

Zum Inhalt. Spannend. Ich hab mal als eine Art philosophischer Berater bei einem Theaterprojekt mitgearbeitet und hab mich dabei ziemlich ins Thema reingekniet. Die interessanteste Lektüre war: The Politics of Life Iself von Nikolas Rose. Was mir an dessen Ansatz gefällt, ist die Grundthese, dass Biopolitik, Enhancement und all das in Zukunft weniger eine staatliche Angelegenheit sein wird (da haben wir alle immer noch die Rassenhygiene im Hinterkopf) als eine Frage des Marktes. Ich halte es ebenfalls für simpel und naiv, Biopolitik automatisch mit Totalitarismus in Verbindung zu bringen. Das verwässert den Blick auf die eigentlichen Gefahren, die der kapitalistische Zugriff auf den Körper (Daten, Optimierungen etc) mit sich bringt.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hej @Maedy ,

wie schön, dass du dabei bist. Sehr aufmerksam und interessiert habe ich deine Geschichte gelesen. Es ist kein abwegiger Gedanke, den du da weitergesponnen hast. Und ich bin dir gerne gefolgt. Ein bisschen mühsam ist es immer, wenn viel erklärt werden muss, was der Leser sich eben nicht so einfach selbst erdenken kann, handelt es sich doch um eine von dir gänzlich erdachte Welt. Und so ist es dir wohl passiert, mir Vieles um die Ohren zu hauen, damit ich mich zurecht finde. Was blieb dir übrig? Und so hab ich mich gefragt, ob es nicht auch mit weniger funktioniert hätte. Ich bin nicht kompetent, dir die Stellen zu zeigen, die mir zu viel erscheinen. Gemeinsam an einem Tisch im Gespräch ginge das sicher eher. Hier bleibt mir nur zu sagen, dass ich deine Mühe sehr zu schätzen weiß und deine Idee bemerkenswert finde.
Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und mich gefreut, dass du mal für mich weitergedacht hast, bin ich doch auch jetzt bereits ein Optimierungsverweigerer. :shy:

Das hielten weder Janines Magen noch ihre Blase aus.

Das hätte sicher auch optimiert werden können, wenn ich die Eltern das gewünscht hätten, nehme ich an.

Malte nicht jedes Kind wie Picasso?

Der ist gut, zeigt es doch, wie einfältig diese Janine ist und verunsichert durch die Außenseiterposition, die sich leben musste und ihren Eltern vorwarf.

»Na, ja. Man sieht es ja schon.« Toni Huber grinste breit.

Im dritten Monat? Respekt. ;)

So im Ende ist es schwer zu sagen, woran es hapert, dass ich mich so durch die Geschichte geschleift fühle. Möglicherweise liegt es eben daran, dass du viel Zeit verwendet hast, um mit zu erklären, worum es dir geht und nicht viel Raum blieb, mir Janine und dann am Ende gar Pippilotta nahezubringen und so bleibt nicht genug Empathie für mich und die Geschichte an der Oberfläche.

Ein Leseeindruck und lieber Gruß, Kanji

 

Hey Maedy,

viele Kommentare können ein Segen sein oder auch ein Fluch, je nachdem wie sie ausfallen. Und wenn sie alle mit Kritik daher kommen, dann ist schon hart. Zumal sich hier ja eine ganze Menge angesammelt hat: Glaubwürdigkeit, Schwarz-Weiß, Länge, stilistische Dinge, der Dialog, das Ende - da muss man ganz schön schlucken und aufpassen, dass man nicht am liebsten alles in die Ecke werfen will. Ich habe hier dampfenden Kakao für Dich, mit ganz viel Sahnehäubchen ;). Der geht so: Da hier eh schon alles steht, was auch mir so durch den Kopf schoss, tue ich was für die Motivation und nenne Dir nur die Dinge, die ich mochte.
Ich mochte das Gespräch mit dem Huber. Da geht in der Umsetzung zwar noch einiges, aber so im Kern, wie ihr die Argumente ausgehen, sie sich immer wieder klein fühlt, was da zwischen den Zeilen durchschimmert, dieser innere Konflikt den sie erlebt, aber für ihre Gefühle keine Worte findet, sie auch gar nicht haben will, weil es ja gegen ihre Überzeugung ist, dieses Klammern an den gesellschaftlichen Normen, das fand ich schon hübsch. Und es lässt sich ja auch hübsch auf so viel aus dem Heute übertragen. Das ist richtig, dass muss so, so funktioniert die Gesellschaft. Alles andere ist böse. Zur Dialoggestaltung, das ist gar nicht mal so schwer. Der Leser von Heute ist eh bei dem Huber. Alle wollen wir lieber bei ihm auf dem Hof sein, anstatt genmanipuliert 14 Stunden arbeiten. Der braucht keine Worte, um den Leser zu überzeugen. Der kann ein sehr wortkarger Typ sein, paar Worte an den richtigen Stellen. Gib ihm bisschen was Kauziges. Der kann auch der komplette Unsympath sein, wir wollen trotzdem alle zu ihm. Und ja, irgendwas negatives sollte sie zu sehen bekommen. Brillen z.B. :D. Und ich würde sie einen Mundschutztragen lassen. Ich mein, auf so einem Hof mit ungeimpften Menschen, was da an Keimen rumgeistern kann, wo kein Arzt mehr weiß - weshalb auch sie den Auftrag bekommt, da kann man doch keine gutoptimierten Menschen hinschicken. Lebensgefährlich ist das! Da müssen Leute hin, auf die die Gesellschaft gut verzichten kann ;). So müsstest Du auch vorher nicht lang erklären, dass die Gutoptimierten nur Büro und so. Ist zu gefährlich für die und fertig der Lack.

Und das Zweite was mir sehr gefiel, dass sie eben nicht kippt. Das sie eben nicht auf den Hof will, wo da doch ihre Chancen auf Integration viel höher wären. Sondern, dass sich das ins Gegenteil verkehrt. Wir Leser wünschen uns eine solche Wendung zwar (weil wir sie für vernünftig halten und eh Happy Ends lieben), aber in der Realität läuft es eben nicht so. Und das ihre Zweifel zu nur noch mehr Verbissenheit führen, fand ich schon echt gut.

Ich guck hier vor der Abstimmung ganz bestimmt noch mal rein und schau, was sich hier getan hat. Ich bin super gespannt darauf. Und für mein Empfinden lohnt es sich auch, die Geschichte zu beackern.

Beste Grüße,
Fliege

 

Liebe alle,

vielen Dank für die Kommentare. Ich bin schon am Bearbeiten und gleichzeitig dabei, Eure Kommentare im Einzelnen zu würdigen. Mit dem Posten wird es aber sicherlich bis zum Feiertag dauern.

Liebe Grüße und eine schönen Abend!
Mädy

 

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