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Die Legende des Attersee-Johnny
Johannes Fischer war ein einfacher Mann, glücklich verheiratet, welcher seinen Lebensunterhalt als Flößer bestritt. Er war bei seinen Freunden nie in Ungnade gefallen und auch seine Abeitskollegen und Nachbarn sprachen nur Gutes über ihn.
Er kaufte sich noch vor seiner Vermählung mit seiner Frau Alexandra Fischer, geborene Alexandra Hofer, ein kleines Grundstück ganz in der Nähe des Attersees, auf einem Hügel, dort wo der See in den Fluß, die Ager übergeht. Von Alexandras Eltern bekamen die beiden als Mitgift die Finanzen, welche den beiden ein eigenes Haus auf dem kürzlich erstandenen Grundstück ermöglichen sollte.
Während der Bauarbeiten an dem Haus freundeten sich Johannes Fischer und seine Frau mit ihren neuen Nachbarn an, welche ihnen von Zeit zu Zeit tatkräfig beim Bau des Anwesens halfen. Fast jedes Wochenende veranstalteten Johannes und Alexandra ein bescheidenes Grillfest auf dem Grundstück um sich bei den Nachbarn für die Hilfe zu bedanken.
Es waren zwar immer nur kleine Feste, aber an Spaß und Unterhaltung fehlte es ihnen niemals. Unter den Nachbarn befanden sich ein älterer Schauspieler, welcher bei den Festen mit selbstverfassten, komödiantischen Auftritten, welche auf den Bierbänken abgehalten wurden, der Nachbarschaft ein Lachen ins Gesicht zauberte. Wieder andere Nachbarn, welche in der Lage waren ein Musikinstrument zu beherrschen, steuerten stimmungsvolle Musik zu den Feiern bei, welche die Gäste ein jedes Mal zum ausgelassenen Tanzen und Feiern anregte.
Um mehr Lohn bei der Flößerei zu bekommen, übernahm Johannes den abendlichen Dienst, welcher meistens aus nächtlichen Lebensmittellieferung für Gasthäuser und Hotels rund um den Attersee bestand, und dank der schlechten, abendlichen Sicht auf dem See, nicht gern von den Flößern angetreten wurde und dadurch etwas besser entlohnt wurde.
Eines Abends musste Johannes bei einer seiner Abendfahrten einen Lehrling namens Thomas Dachs mitnehmen. Für den auszubildenden Flößer sollte dies als eine Art Jungfernfahrt und Aufnahmeprüfung dienen. Johannes verstand sich während dieser Fuhr prächtig mit seinem jungen Kollegen. Thomas erzählte seinem Vorgesetzten von seinen kürzlichen Festbesuchen, seinen Hobbys und seiner Freundin, welche er noch in den nächsten Jahren zur Frau nehmen würde. Johannes erzählte Thomas vom Hausbau, von der Flößerei im Allgemeinen und teilte ihm einige seiner Lebensweisheiten mit, in der Absicht den jungen Mann bei einigen seiner Lebensziele helfen zu können. Als die beiden so miteinander plauderten und ein heimlich an Bord geschmuggeltes Bier miteinander tranken, bemerkte Johannes plötzlich ein seltsam anmutendes Leuchten, welches aus der Tiefe des Attersees zu glühen schien.
Sowohl Johannes wie auch Thomas wollten wissen, worum es sich bei dieser seltsamen Lichterscheinung handelte. Also änderten sie den eingeschlagenen Kurs um der Sache auf den Grund zu gehen. Als die beiden Flößer sich jedoch dem grellen Licht immer weiter näherten, wurde das Leuchten immer schwächer, und verschwand schlussendlich.
In den folgenden Abenden fuhr Johannes wieder alleine die abendlichen Fuhren über den Attersee. Das unheimliche Leuchten aus dem Wasser sah Johannes jedoch nicht mehr.
Inden folgenden Nächten wurde Alexandra Fischer immer wieder aus dem Schlaf gerissen. Als sie neben sich das Bett auf der Suche nach ihrem Mann abtaste, stellte sie immer öfters fest, dass Johannes nich darin lag. Sie bemerkte, dass Johannes zu Schlafwandeln begann, und sich dabei immer wieder vor das Fenster stellte und mit geöffneten Augen auf den See vor ihm blickte.
Als Alexandra ihren Ehemann in den darauf folgenden Tagen deswegen ansprach, erzählte er ihr von dem seltsamen Leuchten und von seiner Vermutung, dass sein kürzlich aufgetretenes Schlafwandeln wahrscheinlich damit zusammenhänge.
Eines Abends, es war ein arbeitsfreier Samstag für Johannes, beschloss er die Stelle am See, wo er die Lichterscheinung wahrgenommen hatte, erneut aufzusuchen. Er fuhr abends zur Rederei, benutzte seinen Firmenschlüssel und entwendete ein kleines, motorbetriebenes Boot mit welchen er auf den See hinausfuhr. Er fuhr fast drei Stunden über das stockfinstere Wasser, nur mit einer kleinen elektrischen Lampe ausgerüstet und suchte nach dem Leuchten.
Als sich Johannes entnervt und müde schon wieder auf den Rückweg machen wollte, begann das Wasser auf der Steuerbordseite leicht zu schimmern, als würde die Sonne persönlich langsam vom Grund des Attersees herauf tauchen. Der Flößer musterte das immer heller werdende Wasser mit einem Gefühl das irgendwo zwischen Anspannung, Neugierde und Angst lag. Als er sich wegen der stechenden Helligkeit des Lichtes kurz die Augen reiben musste, verschwand das Licht wieder fast bis zur Gänze. Als er wieder auf das abgedunkelte Wasser sah, erblickte er in der pechschwarzen Oberfläche des Sees einen massiven Gegenstand treiben.
Ohne großartig darüber nachzudenken griff er den Gegenstand und packte ihn ins Boot. Johannes stellte den grob von ihm geschätzten Kurs zurück zur Rederei ein, und betrachtete danach seinen Fund.
Es war eine aus grünem Stein geschlagene Statue von einer Größe von etwa dreißig Zentimeter, welche von ausgesprochenem Detailreichtum strotzte. Sie stellte ein Ungeheuer von entfernt menschenähnlichen Umrissen dar, hatte aber einen tintenfischähnlichen Kopf, dessen Gesicht aus einem Wirrwarr von Tentakeln bestand; darunter ein schuppiger molluskenhaft aussehender Körper, eklige Klauen an Hinter- und Vorderfüßen und lange schmale Flügel auf dem Rücken.
Dieses Ding, in dem Naturtrieb mit fürchterlicher widernatürlicher Bösartigkeit gemischt zu sein schien, war von aufgedunsener Beleibtheit und hockte, eckelerregend, auf einem rechteckigen Block oder Podest, das mit unleserlichen Zeichen bedeckt war. Die Flügelspitzen berührten den hinteren Rand des Blocks, das Ding selbst nahm die Mitte ein, während die langen säbelartigen Klauen der gekrümmten Hinterpfoten die Vorderkante in den Griff genommen hatten und bis über ein Viertel des Sockels hinab hingen. Der kephalopode Kopf war nach vorne gebeugt, so dass die Fühlarme des Gesichts die Rückseite der gewaltigen Vorderpranken streiften, die dessen ungeheures Knie umklammert hielten.
Als Johannes nach seinem nächtlichen Ausflug wieder zuhause angekommen war, beschloss er, die Statue vorerst vor seiner Frau zu verstecken. Er entschloss sich, die Statue auf einen provisorisch errichteten Regal auf dem Dachboden zu stellen.
Nach einigen wenigen Tagen zeigte er seiner Angetrauten letztendlich die gefundene Statue, und stellte es schließlich vom Dachboden in das Wohnzimmer. Trotz des anfänglichen Ekels Alexandras gegenüber diesem Zeitzeugnis aus längst vergangenen Tagen, befasste sie sich zunehmend damit und versuchte sogar, während ihr Mann auf dem See neben seiner Arbeit nach weiteren Artefakten Ausschau hielt, mehr über dieses, in Stein gehauene Scheusal zu erfahren.
Den Nachbarn entging natürlich nicht, dass sich Johannes Fischer und seine Frau seit dem Auffinden dieser Statue seltsam benahmen.
Immer deutlicher wurde die Tatsache, dass Johannes nicht nur während seiner Arbeitstätigkeit auf dem See, sondern vermehrt auch in seiner Freizeit, die umliegenden Gewässer nach Seltsamkeiten und Kuriositäten absuchte, während seine Frau scheinbar nur noch über die naheliegende Buchhandlung Bücher über alte Kulturen, schwarze Kulte und Sagenwesen bestellte und kaufte.
Schnell verbreiteten sich am gesamten Attersee und den umliegenden Dörfern die Gerüchte, dass die Familie Fischer sich der Hexerei und der Teufelsanbetung schuldig machen würde.
In den folgenden Monaten redete man von Johannes Fischer nur noch als „Attersee-Johnny“, da er fast die ganze Zeit nur auf dem See verbrachte, und von seiner Hexe, welche sich mit Zauberei und dunklen Künsten beschäftigte.
Einige der Nachbarn, welche sich von diesen Gerüchten nicht abschrecken ließen, besuchten das Ehepaar noch weiterhin, einige bekamen sogar die scheußlich anzusehende Statue zu Gesicht, und verließen daraufhin nur der Höflichkeit wegen nicht fluchtartig das Haus der Fischers.
Nach einigen Monaten bekamen die Nachbarn die Statue jedoch nicht mehr zu Gesicht, da sie angeblich von Johannes im Keller versteckt wurde, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf die, ohnehin schon mehr als reichlich vorhandenen Gerüchte über das Ehepaar, zu lenken.
Mit der Zeit wurden Alexandra und ihr Mann immer mehr von der Bevölkerung des Attersees gemieden. Weder wurden sie zu Nachbarschaftsfesten noch zu anderen Veranstaltungen eingeladen, um nicht die Missgunst der Leute auf sich zu ziehen.
Als eines regnerischen Sommertages sieben Kinder in den anliegenden Seegründen in der Nähe der Familie Fischer vermisst wurden, brauchten die Leute nicht lange um einen Sündenbock zu finden, Schnell wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die Gerüchte, dass die Kinder von Alexandra Fischer für ihre Hexenrituale entführt wurden.
Man vermutete, dass sie die Kinder auf bestialische Weise tötete um ihre Hexenkräfte zu nähren.
Die aufgebrachten Dorfbewohner bildeten sich zu einem wütenden Pöbel, drangen in das angeblich verfluchte Haus ein, und nahmen Alexandra gefangen.
Gerade als Johannes von seiner Arbeit nach hause kam, wurde seine Frau ohne ein zuständiges Gericht zur Hexe erklärt, dem Mord an den sieben Kindern für schuldig gesprochen und bereit gemacht, um von der Brücke, welche über die Mündung des Attersees in die Ager führte, ertränkt zu werden.
Als Johannes dieses rege Treiben von seinem Grundstück aus beobachtete, lief er so schnell es nur ging zu der Brücke, um dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Die wütenden Schaulustigen versuchten ihn nacheinander zurückzuhalten, aber der Flößer stieß einen nach dem anderen zur Seite. Als er endlich den selbsternannten Henker erreichte, welcher das Seil nach unten ließ, an welches Alexandra kopfüber an den Füßen gebunden hing, zog der wütende Ehemann ein Fischermesser und stieß es dem Henker in das rechte Auge.
Jedoch zu spät, denn Alexandra fand während dieser aussichtslosen Rettungsaktion in der Nässe des Attersees ihren Tod.
Noch am nächsten Tag wurde Johannes Fischer von der selben wütenden Meute, welche am Tag zuvor seine Frau ertränkten, gefesselt und geknebelt mittels eines Bootes auf den Attersee hinaus gebraucht und ohne Mitleid und Sündenvergebung in sein ebenfalls nasses Grab geworfen.
Noch während sich seine Lungen mit dem Wasser des Sees füllten, welchen er einst so geliebt hatte, brannten einige der Nachbarn das Haus der Dahingeschiedenen nieder. Sie hofften, damit die bösen Geister und schrecklichen Geheimnisse, welche sich darin befanden auf ewig vernichtet zu haben.
Nachdem man die verbrannten Überreste des Hauses entfernen ließ, fand man weder irgendwelche Spuren welche auf die sieben vermissten Kinder hindeuteten, noch irgendwelche Überreste der scheußlichen Statue, welche die Nachbarn in Ekel versetzte.
Nach diesem Vorfall aber verschwanden immer wieder Kinder in der Gegend, wo einst das Haus des Ehepaars Fischers stand.
Einige Leute berichteten abends und nachts am See die Figur des „Attersee-Johnny“ gesehen zu haben, wie er versuche Kinder in den See zu ziehen, um so seinen Tod und den Tod seiner Frau zu rächen.