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Die letzte Mission des Doh Dbar
Überarbeitete Version
Ein Ruf hallt durch das Universum, es ist der Ruf nach Frieden.
Eines Tages wird er erhört - wenn die Rufe nach Vernichtung verklungen
und alle Sterne Asche sind.
Y'ar, Hauptplanet der Provinz H-174
Der Ozean ... Dichte Wolkenfelder, die das westliche Gebirgsmassiv nicht überwinden können ...
Hinter den leuchtend roten Gipfeln: Die trockene Ebene Umesh. Deren harter Boden ist der ideale Untergrund für den Raumhafen von Y'ar. Alle Frachtraumer drängen sich heute in den Sektoren West und Nord. Im Osten liegt die hastig ausgewiesene Schutzzone, in deren Zentrum das pilzförmige GigaQ des Galaktischen Konvents ruht. In seinem Zerograv-Kissen schwebend überragt es die roten Gipfel. Ruhe herrscht im Inneren kaum. Wer auf der Flucht ist, kennt nur Eile. Vor allem, wenn der Verfolger Udesa heißt. Der Imperator ist bekannt dafür, seine Opfer lebend zu fangen, damit sie Gelegenheit bekommen, seinen Hass zu spüren.
»Alarmstart«, donnert Sternenadmiral Lantomir. Der Bordcomputer hat Mühe, die nötigen Schaltungen in der geforderten Schnelligkeit durchzuführen, fordert zusätzliche Kapazitäten an. Wärmetauscher heulen, als die Fusionsplasmen im Reaktor den Kritischen Punkt erreichen. Reststrahlung schmilzt den Sand der Ebene zu Glas. Ebenso ein paar langsame Wartungsroboter, die die Rote Zone nicht schnell genug verlassen konnten. Der Quantenspaltantrieb schaltet auf Stellar A.
Der Alarmstart schüttelt das GigaQ.
In seiner Schutzkapsel krallt sich Doh Dbar, Vize und Cor des Konvents, in die Polsterung und schließt die Augen.
Es geht los.
»Mein Cor«, sagt der dürre Voino. Seine Gesichtsmaske pulsiert, der hochauflösende Bildschirm des Kommunikators zeigt jede Ader und jedes Furunkel an seinem aufgerollten Rüssel.
Doh Dbar rückt vor den Schirm, die Biometrik identifiziert ihn und schaltet den verschlüsselten Kanal frei. »Was gibt es?«, fragt der Vize. Er schwitzt, weil er den Grund des Anrufes kennt.
Der Voino senkt das gelbe Gesicht. »Ihr seht eine Aufzeichnung, mein Cor. Sie wird automatisch gesendet, wenn unser Posten gefallen ist. Udesas Schergen haben die Basis des Konvents vernichtet.«
Dbar spürt, dass sein Atem sich beschleunigt. Antworten sind sinnlos, der Voino ist längst tot. Oder schlimmer. Diktator Udesa hat die letzte planetare Instanz föderaler Demokratie ausgelöscht. Das GigaQ, bewegliches Leuchtfeuer der Hoffnung in der Galaxis, ist das letzte Überbleibsel. Und es ist auf der Flucht. Seine Existenz zeitlich begrenzt. Die Konfrontation mit Udesas Schlachtraumschiffen - nur eine Frage der Zeit.
»Ihr seid die letzte Hoff ...« Die Aufzeichnung endet, der Bildschirm wird schwarz.
Doh Dbar schnaubt. Jetzt bleibt nur noch der Omega-Plan. Seine letzte Mission. Der Vize verzieht das Gesicht, sieht seine eigenen, faltigen Züge im dunklen, reflektierenden Bildschirm. In diesem Moment der Stille, in dem die unausweichliche Entscheidung fällt, ist er ganz allein. Er kennt diesen Zustand. Es ist derselbe, in dem sich jedes Wesen im Universum befindet, wenn es an einer Abzweigung einen Weg einschlägt, dem niemand folgen kann.
Mit sicherer Hand öffnet Dbar den Magnetverschluss seines Anzuges. Er spürt das Metall der Omega-Kette, die um seinen Hals liegt, seit der Konvent das Krisenprogramm beschlossen hat.
Doh Dbar legt zärtlich die Kuppe seines Zeigefingers auf den gläsernen Sensor.
Scheppernd zerspringen Spulen. Der Raum scheint sich zu verdrillen. Die Welt vibriert, verharrt, vibriert erneut, intensiver, ultimativ.
Das Schutzfeld erlischt, das GigaQ ist gestrandet. Gestrandet im Quantenraum. Sirenen warnen vor einer Katastrophe, die längst geschehen ist.
Der Quantenraum. Irgendwo, vielleicht überall
»Mein Cor, wir sind schutzlos«, zischt die Stimme hell in Doh Dbars Ohr. Verzweiflung eines vernichteten Volkes schwingt darin. Mavinn, Schutzsekretär des Konvents, hat mit seiner Mutter überlebt, als Udesa ein Exempel statuierte.
»Wo ... sind wir?«, fragt Doh Dbar, obwohl er es weiß.
»Mein Cor, das Feld ist zerbrochen. Wir schweben frei im Quantenraum. Verloren und ohne Anker«, vibriert die Stimme.
»Dann werden wir unsere Heimat nie wiedersehen«, sagt Doh Dbar ruhig. Er macht leise Eingaben an seinem Nanorechner. Sein Adoptivsohn ist zu schwach, um die Wahrheit zu erfahren. Er schluchzt jetzt schon, obwohl er denkt, dass es nur sein Leben ist, das zuende geht.
»Bleib, wo du bist«, sagt der Cor zu seinem Sohn, »ich gehe in die Zentrale.«
Er schaltet ab und macht sich auf den Weg.
Sternenadmiral Lantomir schreit seine Untergebenen an: »Ihr Mistviecher, man sollte euch aus der Galaxis schmeißen! Ich will einen vernünftigen Bericht, und stehen Sie gefälligst gerade!«
Er winkt ab und tritt zu Dbar. »Ich nehme die Schuld auf mich. Lassen Sie mich nur diese unwürdigen Fliegen an der Scheibe zerquetschen, bevor ich mich in meine Klinge stürze.«
»Weder das eine noch das andere hilft uns weiter«, sagt Dbar mit fester Stimme, »wir sind offensichtlich Opfer eines Anschlags geworden und schweben deshalb hilflos im Quantenraum.«
»Der Schaden ist nicht zu reparieren«, lamentiert der Sternenadmiral. Er schwitzt grüne Tropfen; klares Anzeichen dafür, dass er Mentadyn genommen hat.
»Wir müssen es versuchen.«
»Versuchen«, ächzt Lantomir.
»Ja«, bestätigt Dbar, »immerhin haben wir unter anderem fähige Wissenschaftler in diesem Flaggschiff des Konvents. Wir müssen sie bei allen Maßnahmen unterstützen, die sie für sinnvoll halten.«
»Selbst wenn das Quantenfeld restabilisiert wird, gibt es keinen Weg zurück – jedenfalls zu keinen Raumzeitkoordinaten, die für uns von Interesse sind«, knirscht der Sternenadmiral.
Jemand schluchzt.
»Egal«, sagt Dbar, »solange wir leben, versuchen wir alles.«
Die Kiefer des Sternenadmirals mahlen. »Ja, mein Cor.«
Der Quantenraum. Irgendwo im Irgendwo. Undefiniert
Ohne Hast steuert Dbar die Sonde weg vom GigaQ. Drin sind sie immer noch auf der Suche nach einer Lösung.
Diese Narren!
Ich bin hier draußen im Irgendwo, im Überall, und mein Ziel ist nah.
Im Quantenraum gibt es kein Licht, und doch ist es da. Man muss nur in die richtige Richtung schauen, aus einem geeigneten Materie-Zwischenraum heraus. Dann dringt man durch die Sphäre der Feinstruktur und erreicht den Raum der Vereinigung. Wo alles seine Wurzeln hat.
Ich müsste jetzt weit genug sein. Dbar wendet die Sonde. Schaut hinaus.
Die Struktur-Sphären.
Endlich sieht er sie. Mit eigenen Augen.
Die Fackeln der Schöpfer. Die Pole im Quantenraum. Hier sind sie alle. Keiner weiß, warum es einhundertsiebenunddreißig sind, auch nicht die urhistorischen, extragalaktischen Quellen, die Dbar an der Hohen Schule von Y'ar studiert hat. Der Glanz blendet ihn. Er schaltet die Sonde auf Warten. Genießt den Anblick. Leichte Übelkeit überkommt ihn.
Als er sich daran erinnert, endlich wieder Luft zu holen, ertönt eine Stimme.
»Ich weiß, was du getan hast«, sagt sie. Es ist nicht die Stimme eines Schöpfers, eines quantenarchaischen Wesens, einer kosmischen Kreatur. Es ist die Stimme seines Sohnes. Und sie kommt aus seinem Anzug.
Irritiert greift Dbar in die Innentasche. Findet ein kleines Gadget, aus dem die Stimme kommt.
»Mavinn«, sagt Dbar tonlos, »mein Sohn.«
»Ich habe einen Teil meines Bewusstseins in diesen Nanorechner kopiert«, tönt die dünne Stimme aus dem Gadget. »Ich habe es geahnt. Du willst uns alle töten. Alles vernichten. Das ist der Omega-Plan.«
»Nein. Das ist nicht mein Plan, sondern der von Udesa. Und ich werde ihn stoppen.« Dbar sieht seine zitternden Finger fragend an. Entschlossen drückt er mehrere Tasten, justiert die Parameter. Der Miniaturreaktor soll mehr als eine der Sphären zerreißen, wenn er explodiert.
»Du wirst es nicht schaffen«, sagt die Stimme seines Adoptivsohnes.
»Du wirst mich nicht aufhalten. Udesa wird alles Leben in der Galaxo ... Galaxis zu Tode quälen. Wenn ich das Umi ... Universum vor ihm zerstöre, bleibt das allen erspart, und das Leben hat eine neue ... Chance! Neuer ...« Seine Stimme bricht. Schweiß auf der Stirn. »Urknall.«
»Ich weiß, was du vor hast.« Mavinn klingt amüsiert. »Du willst ein oder mehrere der 137 Struktursphären zerstören. Dadurch ändert sich die Feinstrukturkonstante unseres Universums, und alles bricht zusammen. Ich kenne den Omega-Plan.«
»Wie ...« Dbar keucht. Etwas stimmt nicht mit ihm.
»Du bist verrückt«, sagt Mavinn, »und in ein paar Sekunden tot. Du spürst die Neuronenspalter nicht, die aus meinem kleinen Spielzeug in deinen Kopf gewandert sind und dein Gehirn zerlegen.«
»Nnnn ...« Sabbern. Sabbern wie ein Greis, dessen Zeit gekommen ist. Dbar erbricht sich auf seinen Schoß.
Mavinn wartet scheinbar höflich, bis er damit fertig ist. Dann: »Ich hasse dich, Vater. Nicht, weil du alle Leute in unserem GigaQ auf dem Gewissen hast, den Konvent, die Besatzung. Mich. Auch nicht, weil du das ganze Universum vernichten willst, um Udesas sogenannte Schreckensherrschaft zu verhindern.« Mavinn kichert.
Der Vize des Konvents atmet nicht mehr. Seine Augenlider zucken.
Muss ... denken.
Der Reaktor.
Der Omega-Plan.
Die Sphären. Einhundert ... sieben ... und ... drei ...
Das Ende ist nah. Es kostet ihn seine letzte Kraft, die Hand um wenige Millimeter zu bewegen.
Er hört noch Mavinns letzten Satz. »Nein. Ich hasse dich, weil du mich als Kind unter der Bettdecke angefasst hast.«
Wenn er könnte, würde Dbar jetzt lachen. Stattdessen sinkt sein zitternder Finger auf die Taste.
... ßig.