Was ist neu

Die Mechanismen des Geschäfts

Seniors
Beitritt
28.12.2009
Beiträge
2.377
Zuletzt bearbeitet:

Die Mechanismen des Geschäfts

Ludger Baginski lag in der Dunkelheit und hörte dem Regen zu. Er machte das oft. Still daliegen. Den Kopf leer werden lassen. Manchmal fuhr ein Auto schneller als sonst durch die Pfützen draußen auf der Straße. Das Geräusch der Reifenprofile, wie sie das Regenwasser verdrängten. Auch das mochte er. Schritte in der Einfahrt. Das Klappern der Briefkästen. Er bekam nie Post. Vor Jahren hatte seine Tochter ihm einen letzten Brief geschickt. Seitdem hatte er nichts mehr von ihr gehört. Den Brief besaß er noch. Gutes Papier. Von Hand geschrieben. Er hatte ihn zwischen die Seiten von ARGENTINIEN `78 gesteckt, das einzige Buch, das er noch besaß. Er sah auf den Wecker. Acht Uhr.

Im ALDI war noch nichts los. Eine junge Frau wartete vor ihm an der Kasse. Auf dem Warenband ein Netz Orangen und Naturjoghurt. Sie gab der Kassiererin das Geld passend in die Hand. Die Kassiererin war eine Frau im mittleren Alter. Große Brüste. Das Haar lila gefärbt. Sie zog die Flaschen über den Scanner und sah ihn erst an, als er ihr den Zehner hinhielt.
„Fehlen vierzig Cent.“
„Mehr hab ich nicht.“
Sie verdrehte die Augen. „Was jetzt? Die Flasche oder die.“
„Ich bring den Rest nachher rein.“
Sie schüttelte den Kopf. „Könnte ja jeder kommen.“
„Sind nur vierzig Cent.“
„Vierzig Cent sind vierzig Cent.“
„Ja“, sagte Ludger. „Stimmt.“

Den ersten Schluck trank er auf dem Parkplatz. Er blickte durch die Scheibe auf die Kassiererin. Vierzig Cent sind vierzig Cent. Auf dem Rückweg kam er an einer Baustelle vorbei. Zwei Männer schippten Erde aus einer Grube. Ludger blieb stehen und sah ihnen zu. „Braucht ihr Hilfe?“
„Was redest du da“, sagte einer der Männer und stützte sich auf dem Stiel seiner Schippe ab.
„Ich such Arbeit.“
„Arbeit? Bist du eine Deutsche?“
Ludger nickte.
„Seit wann wollen die Deutsche arbeiten?“ Die beiden Männer lachten. „Knochen kaputt machen fünf Euro Stunde.“
„Fünf Euro die Stunde“, wiederholte Ludger.
„Gehst du lieber Schnaps trinken.“
„Fünf Euro die Stunde hast du gesagt.“
Der Mann stellte die Schippe ab. „Geh weiter, sonst hau ich dir in die Schnauze!“
Ludger wollte gerade antworten, als sich die Tür des Bauwagens neben der Grube öffnete. Ein Mann trat aus der Tür. Er trug ein Polohemd, Arbeitshosen.
„Redet nicht so, ihr habt keine Ahnung, wer das is'.“
„Schnapsleiche ist das.“
„Kann so viel Schnaps saufen, wie er will. Und ihr haltet euch besser mal nicht am Werkzeug fest, ja?“
Die Männer begannen schweigend zu schippen.
„Ich weiß, wer Sie sind“, sagte der Mann im Polohemd. „Sie brauchen nich schippen. Aber holen se sich auch was zu essen. Was Vernünftiges.“
Ludger nahm den Fünfziger entgegen. „Mach ich.“
Der Mann strich sich über den Unterarm. „Kann mich noch genau dran erinnern, wie Sie den Ball reingemacht haben damals im Finale, wie dumm der Horn geguckt hat. War einer der besten Tage meines Lebens.“
Ludger sah auf die beiden Männer in der Baugrube. „Ja, schon was länger her.“
„Mein Vatter, der hat immer gesagt, das war die späte Rache für '83. Da waren wir auch schon besser als die Scheiß-Geißböcke, aber da hatten wir keinen, der das Ding reinmacht.“
„Irgendeiner muss'n ja reinmachen.“

Ludger ging weiter. Vor ein paar Jahren hatte ein Lokalreporter ihn ausfindig gemacht und interviewt. Den Artikel hatte er aus der Zeitung ausgeschnitten und mit Reißzwecken über das Bett im Männerheim gehängt. Dort hing er ein paar Wochen, bis er die Überreste schließlich im Aschenbecher des Aufenthaltsraums fand.

Er hatte sie lange nicht mehr gesehen. Babette. Das war nicht ihr richtiger Name. Sie hieß Monika, aber er konnte verstehen, warum sie sich so nannte. Es war eine kleine Stadt. Er klopfte an die Tür. Sie wohnte in einem feuchten Apartment unter einer Metzgerei. Sie beschwerte sich nie. Schritte. Das Einrasten des Türschlosses.
„Ach, Ludger“, sagte sie leise und ohne Lächeln. Sie öffnete die Tür ein wenig mehr. „Lange kannst du aber nicht bleiben.“

In der Wohnung roch es nach kaltem Rauch und Weichspüler. Er setzte sich auf die Bettkante.
„Hast du was da?“, fragte sie.
Er reagierte nicht.
„Jetzt lass dich nicht so bitten!“
Er holte den Doppelweizen aus der Manteltasche und schraubte den Verschluss ab. „Erst sagste mir, wem der Koffer da is.“
Sie seufzte und setzte sich neben ihn. „Manfred is wieder da.“
„Manfred“, wiederholte Ludger. „Einfach so eingeflogen?“
„Du weißt doch, wie das is.“
„Ich? Nee, woher denn?“
„Ach, Ludger.“
„Ach, Monika.“
„Du sollst mich nich so nennen.“
„Ich kann dich nennen, wie ich will. Wir sind ja geschiedene Leute, seitdem Manfred seinen Koffer hier abgestellt hat.“
„Aber so isses doch gar nich.“
„Wie isses denn dann?“
„Der bleibt nur noch für ein paar Tage.“
„Wie lang isser denn schon hier?“
„Jetzt fang nich so an. Wo warst du denn die ganze Zeit? Hast dich nicht einmal blicken lassen.“
„Du weißt ganz genau, wie's bei mir manchmal ist.“
„Der Manfred“, sagte sie und legte eine Hand auf sein Knie. „Vergiss den mal. Das ist nix.“
„Hat dich grün und blau geschlagen. Jetzt isser wieder da. Soll ich 'n davon halten?“
„Das war doch ganz anders.“
„Jetzt biste auf einmal vor'n Schrank gelaufen, oder wie?“
„Nee, aber du kennst Manni doch, der hat das nich so gemeint.“
„Nicht so gemeint …“
„Ihr seid alle gleich“, sagte sie. „'ne Frau wie ich, die braucht was anderes.“
„'ne Frau wie du“, wiederholte Ludger.
„Was?“, sagte sie. „Glaubst du etwa, ich hab das nicht verdient? Hab ich nicht verdient, ordentlich behandelt zu werden?“
„Ist ja jut.“
„Nichts ist gut.“
„Ich hab's verstanden.“
Er ließ sie den Doppelweizen nehmen, und sie trank, bis er ihr die Flasche von den Lippen riss.
„Sau!“, schrie sie. „Du Drecksau!“
„Haste denn Kohle für 'ne neue?“
„Lass mich, lass mich bloß.“
„Ich lass dich schon.“
„Nein, geh' nicht, du darfst nicht gehen.“
Als sie nach seiner Hand griff, ging alles sehr schnell. Danach fasste sie sich an die Wange und sank zurück aufs Bett. „Das glaub' ich nich'.“
„Wenner dich schlägt, dann liebt er dich. Sagt man doch so.“
„Das glaub ich ja jetzt nich.“
„Komm“, sagte er. „Stell dich mal nich so an.“ Er streichelte ihr über die dünnen Haare. „Wollt ich nicht. Mir is die Hand ausgerutscht. Wegen Manni. Ich hab das nur gemacht, weil du mir was bedeutest.“
„Was bedeute ich dir denn?“

Auf der Straße knöpfte er sich den Mantel zu und verstaute den Korn in der Innentasche. Er ging an Dönerbuden, Stehcafès und leerstehenden Ladenlokalen vorbei zum Hauptbahnhof. In der Wartehalle setzte er sich auf eine Bank und drehte aus den letzten Krümeln Tabak eine Zigarette. Er wartete, bis der Regen nachgelassen hatte. Vor dem Zeitungsstand blieb er stehen. Manchmal las er noch die Ergebnisse oder warf einen Blick auf die Tabelle. Er nahm ein Exemplar des Stadt Anzeigers aus dem Ständer und faltete den Sportteil auf. Fortuna Köln hatte gegen den Karlsruher SC mit 3:1 gewonnen. In der Tabelle belegte der Verein den zweiten Platz. Eine Fotografie im unteren Drittel der Seite zeigte den Trainer im intensiven Austausch mit der Mannschaft. Baginski erkannte das Gesicht auf den ersten Blick. In der Kabine hatten sie ihn damals immer nur Wade genannt.
„Wollen Sie die Zeitung da kaufen?“ Der Mann klopfte mit den Fingern auf den Tresen. „Ja, genau, Sie, Sie meine ich.“
„Der Wade“, sagte Baginski und schüttelte den Kopf. „Der war doch froh, dasser den Ball geradeaus treten konnte …“
„Also, wollen Sie die Zeitung jetzt kaufen?“
„Vierzig Cent sind vierzig Cent.“
„Was?“
Baginski steckte die Zeitung zusammen und schob sie zurück in das Fach. „Ich Kapitän, Wade Vorstopper, so war das, ich feine Klinge, der Rambo. So, und nich anders, ja?“

Auf dem Vorplatz nahm er einen Schluck aus der Flasche und zündete sich die Zigarette an. Es war seine letzte. Er nahm ein paar tiefe Züge, stellte sich unter das Dach der COMMERZBANK und hielt die Glut in der hohlen Hand. Wade. Er wiederholte den Namen in Gedanken. Wade. Wade. Wade. Dann dachte er an Monika und Manfred. An den Koffer. Er ging über den Marktplatz und setzte sich auf die Treppen vor dem Stadtmuseum. Als der Himmel aufklarte, schloss er die Augen, ließ den Sonnenschein sein Gesicht wärmen.

Der Ball liegt auf einer Grasnarbe. Zweiundzwanzig Meter vor dem gegnerischen Tor. Rechte Strafraumgrenze. Minute 88. Pokalfinale. Es steht 1:1. Ludger Baginski bückt sich, dreht den Ball so, dass das Ventil unten liegt. Im Training hat er aus ähnlichen Positionen oft Tore erzielt. Er weiß, er benötigt nicht viel Kraft, sondern einen platzierten Schuss. Er sieht in die Gesichter seiner Mannschaftskollegen, die sich im Strafraum bereit machen. Noch zwei Minuten regulär. Fünf Minuten inklusive Nachspielzeit. Verlängerung. Elfmeterschießen. Das dritte Spiel in Folge. Alle sind erschöpft und müde. Krämpfe. Zweifel. Vier Spieler in der Mauer. Baginski sieht die perfekte Flugkurve des Balls. Angeschnitten über die Mauer. Am kurzen Pfosten ins Netz. Er atmet durch. Wird ruhig. Um ihn herum tobt das Müngersdorfer Stadion. Come on FC, Come on FC, schallt es durch das Rund. Niemand hat mit dem kleinen Verein aus der Südstadt gerechnet. Endlich gibt der Schiedsrichter das Spiel wieder frei. Drei Schritte Anlauf. Baginski spürt, wie der Ball ihm über den Spann gleitet, den nötigen Spin bekommt. Die Spieler in der Mauer springen hoch. Timo Horn bleibt mit ausgestreckten Armen auf der Linie stehen und sieht dem Ball hinterher.

Als er aufwachte, war es Nacht und regnete. Der Stoff seines Mantels schwer von der Nässe. Er tastete nach dem Korn und schraubte den Verschluss ab. Die Flasche war leer. Er leckte mit der Zunge die letzten Tropfen vom Gewinde und ließ sie auf der obersten Stufe stehen. Die große Leuchtuhr an der Außenfassade des Juweliers zeigte Viertel vor Zwölf. An den Geschäften gingen nacheinander die Reklamen aus. Bis zu Monikas Wohnung waren es fünfzehn Minuten. Es war ein Versehen gewesen. So einer war er nicht.

Im Fenster der Metzgerei hing ein mit der Hand beschriftetes Schild aus Pappe: HALVE HAHN & FLÖNZ … die Preise konnte er nicht mehr lesen, sie waren verblichen. Gedämpftes Licht hinter den Vorhängen.
„Monika“, sagte er. „Babette.“
Nichts.
„Monika, hier, verdammt … hör mal, tut mir leid, tut mir leid, echt, wirklich, wollt ich nich, ehrlich, kennst mich doch, das wollt ich nich, nie und nimmer.“ Er kniete sich hin und klopfte gegen die Scheibe. „Monika … Babette, hier, weißt du doch, so bin ich nich, so einer … ich war … komm, weißte ganz genau, is keine einfache Zeit.“ Er klopfte noch einmal gegen die Scheibe. „Ich bin nich den ganzen Scheißweg gelaufen, um … hier, zu deiner Bude, durch die halbe Stadt, Scheißregen, und ich weiß … Manni, bist du da? Bist du da drin? Hörst du mich, ja? Hörst du mich? Manni, wir, wir beide sehen uns noch, du Drecksau, man sieht sich immer zweimal, ja? Man sieht sich immer zweimal im Leben, und dann … ich sag dir.“ Er kam hoch, stützte sich an der Hauswand ab. Kalter Schweiß in seinem Nacken. „Drecksau!“, schrie er. „Manni, du, hier, ich war immer … und du? Und du, ja? Was warst du?“
Ein Fenster im oberen Stockwerk wurde geöffnet. „Hau ab ey! Hau jetzt endlich ab, ja? Sonst ruf ich die Schmier!“
„Schnauze da oben!“
„In fünf Minuten sin die hier, die Grünen, und die sacken dich ein, das kannste glaube, dass ich das den Sheriffs stecke, dass die dich einsacken.“
„Du bist nix, gar nix bist du, guck dich mal an, du bist doch froh, dasse geradeaus laufen kannst.“
„Jetzt reicht’s!“
„Jetzt reicht’s, jetzt reicht’s! Zu doof zum Scheißen bist du, hörste? Zu doof zum Scheißen!“
Das Fenster wurde zugeschlagen.
„Zu doof zum Scheißen biste“, schrie Baginski. „Hörste, Wade, hörste?“

Kinderlachen weckte ihn. Zwei junge Mütter saßen auf der Bank gegenüber. Sie sprachen mit gedämpften Stimmen, rauchten Filterzigaretten und tranken dampfenden Kaffee aus Pappbechern. Er blieb noch einen Moment auf dem harten Holz liegen, hörte den Stimmen zu, ihrem Lachen. Wind strich über sein Gesicht. Als er aufstand, verstummte das Gespräch der beiden Frauen. Sie sahen ihn an, dann auf die Kinder, die an einem Spielgerüst kletterten. Baginski lächelte.

Er ging an den Bänken vorbei, ohne sich noch einmal umzusehen. Die Stimmen, das Lachen verhallte. Er urinierte hinter einem Strauch in ein Blumenbeet und fand dabei den Fünfziger in seiner Hosentasche. Der Schein war zerknittert und feucht geworden. Er strich ihn sorgfältig glatt, faltete ihn zusammen und schob ihn in die Manteltasche. Fünfzig Euro. Das Geld hatte er ganz vergessen.

Das Kreishaus lag am Ende der Fußgängerzone gegenüber vom Bahnhof. Er nahm den Weg durch den Rosengarten der Abtei, vorbei an den noch leeren Parkplätzen. Die Kantine befand sich im Untergeschoss des Gebäudes. Baginski benutzte das Treppenhaus. Die Kantine war ein großer Raum mit breiter Fensterfront. Ganz am Ende die Essenausgabe und die Kassen, abgetrennt durch niedrige Metallgitter. Weiße Plastiktische standen in langen Reihen hintereinander, darauf hellgrüne Decken und künstliche Blumengedecke. Zwei Männer in Anzügen saßen sich an einem der Tische gegenüber und tranken Kaffee. Zwischen ihnen lag ein aufgeschlagener Aktenordner. Baginski las die Tagesgerichte, die auf kleinen Tafeln mit weißer Kreide geschrieben standen. Schweineschnitzel mit Rösti, Apfelkompott und Dessert. Putenmedaillons Natur mit Beilage, Salat und Dessert. Chili sin carne, mit veganem Brot, Salat und Obst. Er erinnerte sich an die Worte: Holen se sich auch was Vernünftiges. Er sah den Mann genau vor sich, wie er ihn ansah, versunken in seiner Erinnerung.

„Ja?“
Er hörte die Stimme weit entfernt. Die Frau senkte den Kopf, tippte mit den Fingern auf die Theke.
„Die Putenmedaillons“, sagte Baginski dann und lächelte.
„Sechsfuffzich.“
Er legte den Schein auf die Ablage.
„Dessert können se sich selber raus nehmen. Pudding oder Kuchen.“
„Kuchen.“
„Hamses was kleiner?“
„Nee, tut mir leid.“
„Is‘ noch früh, wissen Se?“
Baginski nickte, nahm das Wechselgeld entgegen und steckte es sich in die Hosentasche. Auf dem braunen PVC-Boden war ein hellgelber Pfeil abgebildet, der die Richtung anzeigte, in die man weitergehen sollte. Er folgte dem Pfeil und blieb an der Ausgabe stehen.
„Hab’n Sie kein Tablett?“
Er sah die Frau an. Sie war klein, die braunen Haare zu einer Dauerwelle frisiert. Sie trug eine goldene Kette mit einer Herzhälfte als Anhänger um ihren Hals.
„Tablett?“
„Ja, hier, so eins.“ Sie zeigte auf den Stapel benutzter Tablette aus Plastik, der hinter ihr auf einem Tisch stand.
„Ach ja.“
„Dann holen Se sich noch eins.“
Baginski sah auf den Pfeil am Boden. Die Reihe vor der Essensausgabe war leer. Er ging ein paar Meter zurück und hob ein Tablett aus dem Spender.

Das Fleisch war zart, das Messer glitt mühelos durch die Fasern. Er tunkte die Stücke mit der Gabel in die rote Sauce und kaute sorgfältig. Er aß die Medaillons, danach Buschbohnen und Kartoffeln, zum Schluss teilte er das Stück Kuchen in zwei gleichgroße Stücke. Haselnüsse, Schokolade, Glasur aus Zuckerguss. Als er fertig war, stellte er das Tablett auf den Sammelbehälter in der Mitte des Raumes und nickte der Frau hinter der Theke zu.

Zinn 40 ist auch was Vernünftiges, dachte er und nahm einen Schluck. Er spürte den Alkohol, und wie er langsam begann, sein Bewusstsein zu verändern. Wie sich die Ränder auflösten, alles leicht wurde. Er hatte noch genug Geld für zwei volle Flaschen. Er würde zu Babette gehen, sich bei ihr entschuldigen, die Sache klären, sich erklären. Noch ein Schluck. Die Sonne schien, blauer Himmel, fast wolkenlos. Schönwetterfußballer hatten sie ihn in der Presse immer genannt. Bei dem Gedanken musste er lachen. Es stimmte. Er hatte es geliebt, bei schönem Wetter Fußball zu spielen. Sich nicht schmutzig machen zu müssen. Dafür waren andere Spieler dagewesen.

Die Grube war seit gestern tiefer und breiter geworden. Es waren die gleichen Männer, die auf dem Grund standen und Erde schippten. Ein Schweißfilm lag auf ihren Nacken. Baginski blieb stehen. Er fühlte die Scheine in der Hosentasche. Einen Zwanziger. Einen Zehner. Vor ihm auf dem Boden lag ein kleiner, weißer Stein. Er traf den Schutzhelm mit einem lauten Klick. Der Mann hielt kurz inne, hob den Kopf und stach die Schippe wieder in die dunkle Erde. Erst beim zweiten Stein drehte er sich um.
„Bist du bekloppt?“
„Nee, Schönwetterfußballer.“
„Bist du der von gestern, Schnapsleiche.“
„Feine Klinge.“
„Was redest du da?“
Baginski holte aus und trat mit dem Innenrist gegen einen faustgroßen Stein, der am Rand der Grube lag. Sand stieb auseinander. Der Stein flog knapp über die Köpfe der Männer hinweg und prallte an der Baggerschaufel ab.
„Ey!“, brüllte der Mann. „Hör auf damit, du Arschloch!“
Baginski kicherte.
„Chef nich da heute, ich nehm Schippe und schlag dir Schädel ein!“
Der zweite Mann hatte sich aufgerichtet und stützte sich mit einer Hand auf dem Knie ab. Er nahm den Helm vom Kopf, sah zu Baginski hoch und sagte: „Verpiss dich bloß.“

Er hörte, wie die Männer ihm noch etwas hinterherriefen, griff nach der Flasche Zinn 40, ließ sie aber in der Manteltasche. An der Straßenkreuzung schaltete die Ampel auf Rot. Er blieb stehen, atmete ein und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, war die Ampel auf Grün gesprungen. „Feine Klinge“, sagte er leise zu sich selbst. Dann drehte er sich um.

 

Lieber @jimmysalaryman,

ich bin deinem Baginski gerne durch seinen Tag gefolgt, bin ihm dabei ganz nah gekommen, habe seine Gegenwart und seine Vergangenheit erlebt und mich an den gut beobachteten Details, mit denen du mich seine Welt erfahren lässt, erfreut.

Wie meist bei deinen Texten spüre ich auch hier, dass der Autor seine Person mag, obwohl sein Blick auf sie fast sezierend ist und ihr Heruntergekommen-Sein ungeschminkt in all seinen Facetten zeigt.

Am Ende schließt sich der Kreis und das beinahe jungenhafte Verhalten deines Schönwetter-Baginskis gibt deinem heruntergekommenen Protagonisten seine Würde zurück:

Baginski sieht die perfekte Flugkurve des Balls.

Baginski holte aus und trat mit dem Innenrist gegen einen faustgroßen Stein, der am Rand der Grube lag. Sand stieb auseinander. Der Stein flog knapp über die Köpfe der Männer hinweg und prallte an der Baggerschaufel ab.
Die alten Mechanismen funktionieren noch.

Und das lässt mich zum Schluss lächeln und weder Mitleid noch Herablassung für diese Person empfinden.

Ein paar Kleinigkeiten:

Der Klang der Reifenprofile, wie sie das Regenwasser verdrängt
Hier fände ich ‚das Geräusch‘ besser.

In der Wartehalle setzte er sich auf ein Bank und

„Der war doch froh, dasser den Ball geradeaus treten konnte …“

Er leckte mit der Zunge die letzten Tropfen vom Gewinde und ließ sie auf der oberste Stufe stehen.

Er blieb noch einen Moment auf dem harten Holz liegen, hörten den Stimmen zu, ihrem Lachen.

Das Kreishaus lag am Ende der Fußgängerzone gegenüber des Bahnhofs.
‚gegenüber‘ zieht den Dativ nach sich. Wenn man den nicht möchte, geht es auch einfacher: gegenüber vom Bahnhof

Schönwetterfußballer hatten sie ihn der Presse immer genannt

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hey @barnhelm ,

danke dir für deinen Kommentar.

Ja, ich mag meine Figuren. Ich finde nichts schlimmer, als wenn ein Autor versucht, diese Figuren vorzuführen. Strunk hatte damit ja tollen Erfolg, aber ich habe beim Lesen auch gemerkt, der hat damit nichts zu tun, der will diesen Effekt, einen Schock, der kichert wie ein Lausbub, wenn er Fotze schreibt oder andere Ausdrücke.

Die Mechanismen des Geschäfts, das ist ja so ein beliebige Floskel geworden im modernen Fussball.
Keine Erfolge, ist der Trainer weg. Dann sagt man: So sind die Mechanismen des Geschäfts. Das zieht sich ja so ein wenig durch den Text, mit der Frau, mit dem Trainerjob, den der Typ übernommen hat, der nur halb so gut gespielt hat wie er als Aktiver.

Hab die orthografischen Fehler ausgemerzt. Danke dir auch dafür.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @jimmysalaryman,

meine ganze Familie ist tief im Fußball verankert und Freunde von mir spielen Handball Bundesliga.
Das Profisport auch Schattenseiten hat ist nichts neues, aber deine Geschichte beleuchtet auf sehr einfühlsame und liebevolle Art, wie tief man fallen kann, wenn man hoch geflogen ist. Da du mich zudem noch durch die Kölner Innenstadt, den Kölschen Dialekt und die Stadien schickst, bin ich zugleich blitzverliebt und traurig.
Am liebsten würde ich Baginski aufnehmen, ihm einen Zwangsentzug auferlegen und ihn dann als Ehrenmitglied bei Fortuna und in der Jugendarbeit einsetzen...

Vielen Dank für diesen Lesespaß!

 

Am liebsten würde ich Baginski aufnehmen, ihm einen Zwangsentzug auferlegen und ihn dann als Ehrenmitglied bei Victoria und in der Jugendarbeit einsetzen.

Meinst du Viktoria Köln? Lieber würde Baginski der Fuß ABFAULEN!

Danke für deinen Kommentar. Ja, es gibt ja diese bekannten Fälle, wo Ex-Spieler vollkommen abtauchen und hart landen, echte Tragödien. Oft auch selbstverschuldet, man darf das auch nicht romantisieren. Ich gehe gern zur Fortuna in die Südstadt, bin auch schon seit Ewigkeiten Mitglied, und mir geht es auch nicht um den sportlichen Erfolg, sondern einfach um die Treue und den Verein. Ja! Blitzverliebt - kannete ich noch nicht. Man lernt nie aus.

Gruss, Jimmy

 

Meinst du Viktoria Köln? Lieber würde Baginski der Fuß ABFAULEN!
Blondienenfehler (noch so ein neues Wort)
Natürlich meinte ich FORTUNA!

Oft auch selbstverschuldet, man darf das auch nicht romantisieren.
Hätte ich mit achtzehn Jahren auf einmal eine Million Euro pro Jahr verdient, ( von mir aus auch nur 300 000) dann wäre das Risiko abzudriften doch relativ hoch gewesen. Wenn dann noch 50000 Fans im Stadion deinen Namen schreien und die zu Füßen liegen. Schwierig. Daher durchaus sehr realistisch.

 

Hallo @jimmysalaryman ,

hmm, dein Bakinski ist schon ein sonderbarer Vogel. Ich mag "verwahrloste" Charktere total. Menschen, die durch die eigene Schuld oder Umstände, die sie verursacht haben, so sehr an den Rand getrieben wurden, dass ihnen langsam alles egal ist. Ein bisschen nach "Entweder man stirbt als Held oder lebt lange genug, um Schurke zu werden."

Der Titel klingt, als würdest du aber nicht ihn kritisieren, sondern die Faktoren, die Bakinski beeinflusst haben. Das mag zwar wahr sein und ist sicher ein Bild im realen Fußball, aber wenn es das ist, worauf du hinauswillst, bin ich noch nicht überzeugt. Jetzt gerade empfinde ich Bakinski als einen Menschen, der sich vorallem selbst in seine Situation gebracht hat. Ich empfinde kein Mitleid für ihn, aber das ist nicht nötig, weil er mir trotzdem in seiner verrohten Art sympathisch ist.
Mit dem Titel bin ich aber einfach nicht zufrieden, weil er mir das nimmt. Er stellt ihn sonderbar frei, wie ein Unschuldslamm. Vielleicht interpretiere ich das einfach nur falsch, aber so ist mein Eindruck.

Er hatte ihn zwischen die Seiten von ARGENTINIEN `78 gesteckt, das einzige Buch, das er noch besaß.

Muss ich das Buch kennen? Klingt nach Fußball.

Sie gab der Kassiererin das Geld passend in die Hand.

Ist das von Bedeutung?

Die Männer begannen schweigend zu schippen.

Ich bin mir fast sicher, dass ein Komma nach begannen muss. Aber nur fast.

Baginski sieht die perfekte Flugkurve des Balls.

Bis zu dieser Stelle dachte ich, es handelt sich um einen Live-Kommentar von irgendeinem Beobachter und nicht um einen Gedankengang. Das hat mich total rausgeworfen, weil ich den Abschnitt mit einer ganz anderen Perspektive neu lesen musste.

„Zu doof zum Scheißen biste“, schrie Baginski. „Hörste, Wade, hörste?“

Uhh, Wade. Der Wade, ja ja. Welche Wege Freundschaften gehen können.

Liebe Grüße
Meuvind

 

Hallo Jimmy,

Baginski ein Underdog, ein Gefallener, dem es doch ab und zu gelingt, sich an vergangenem Ruhm zu wärmen, zumindest springt nochmal ein gutes Essen und zwei Flaschen Schnaps für ihn raus. Glücklicherweise für den Text finde ich ihn nicht durchgängig sympathisch und das Ende, wo er die Steine so tritt, dass sie den Arbeitern um die Ohren fliegen, das könnte man als so eine kleine fiese Alkoholiker-Aggression gegenüber den Leuten interpretieren.

Vierzig Cent waren vierzig Cent.
Gerade durch die Kursivschrift wirkt das wie ein Zitat, mich wundert, dass du hier nicht beim Präsens bleibst.


„Jetzt biste auf einmal vor'n Schrank gelaufen, oder wie?“
„Nee, aber da hatt' ich ihn gereizt, bis auf's Blut, und du kennst Manni doch, der hat das nich so gemeint.“
Hier hätte ich von ihr mehr was Ausweichendes erwartet, ich kann das nicht genau erklären, deine Dialoge sind so extrem lebensecht, aber das hier nehme ich ihr irgendwie nicht ab. Oder zitiert sie da Manni? Sie wirkt ja schon sehr heruntergekommen, aber das sie allen Ernstens versucht sich und Baginski das einzureden? Vielleicht ist mir das auch zu explizit, dass sie die Schuld auf sich nimmt und das Ganze bagatellisiert. Eher sowas wie: "das war ne spezielle Situation." (in ihren Worten)


„Zu doof zum Scheißen biste“, schrie Baginski. „Hörste, Wade, hörste?“
Ganz blöd gefragt: Das ist aber nicht wirklich Wade, der da wohnt, oder? Das sind fremde Leute, denn die Monika wohnt ja unter der Bäckerei und die schreien von oben. Und Wade ist auch nicht gleich Manfred. Baginski steigert sich da nur in diesen Namen als Feindbild und Konkurrenten hinein, oder? Wade wird auch in einem besseren Viertel wohnen. Aber es hat mich kurz irritiert.

Alles andere finde ich großartig, das ist durchgängig glaubhaft, ich wüßte gar nicht, wo ich jetzt anfangen sollte gute Stellen zu zitieren. Man ist wieder sehr dicht dran an deinem Protagonisten.

Liebe Grüße von Chutney

P.S. Die Könige sind jetzt bei meinem Händler angekommen. Ich bin gespannt!

 

Hallo @jimmysalaryman
und wieder ein – handwerklich – sehr gutes Stück. Die Figurenzeichnung hast Du echt drauf. So glaubwürdig, dass ich mir fast etwas Künstlichkeit wünsche. Das wirkt auf mich, wie ein Road-Movie ohne Road. Sehr gut sind auch die Nebenfiguren getroffen und die kleinen Episoden, das ist schon hyperrealistisch.
So professionell Dir auch die Abbildung der Realität gelingt, fehlt mir etwas. Da ist ein: Und nun? - Gefühl in mir. Die Geschichte begrenzt sich auf die reine Darstellung. Das ist, mit hohem Anspruch betrachtet, zu wenig.
Phrasenkatalog: Ich erfahre nichts Neues. Keine Überraschung. Keine unerwartete philosophische Weisheit. Keine ... na, Du weißt schon.
Ich betrachte den kreiselnden Absturz eines ehemaligen Stars und, abgesehen vom Mitleid, dass ich als menschliches Wesen natürlich verspüre, bleibt kein tiefgehendes Echo zurück.
Vielleicht ist auch irgendetwas an mir vorbei gerauscht und ich stell mich zu doof an.
Danke für die Geschichten, die ich sehr genieße

Grüße!
Kellerkind

 

Hallo @jimmysalaryman ,

An deiner Fußballgeschichte konnte ich unmöglich vorbeigehen. Ich finde sie beeindruckend. Sie zeigt, was Sport für die Würde des Menschen bewirken kann, wenn ja, wenn er - der Sport - nicht im Millionengeschäft untergeht. Ich freue mich immer, wenn z. B. im Pokal ein Underdog gewinnt.

Dein Prota hat also meine Sympathie, zumindest scheint er seinen Gewaltausbruch gegenüber Monika zu reflektieren und zu bereuen. Mich hätte interessiert, wie es zu seinem Absturz vom Fußballheld zum Penner gekommen ist. Hat niemand in seinem Verein sich darum gekümmert?

„Was redest du da“, sagte einer der Männer und stützte sich auf dem Stiel seiner Schippe ab.
„Ich such Arbeit.“
„Arbeit? Bist du eine Deutsche?“
Ludger nickte.
„Seit wann wollen die Deutsche arbeiten?“ Die beiden Männer lachten. „Knochen kaputt machen fünf Euro Stunde.“

Wie immer hast du dem Volk aufs Maul geschaut, allerdings glaube ich, dass du genau prüfst, was du davon zur Charakterisierung deiner Protagonisten brauchst. Penner gegen ausländische Hilfsarbeiter ...

„Wollt ich nicht. Mir is die Hand ausgerutscht. Wegen Manni. Ich hab das nur gemacht, weil du mir was bedeutest.“
„Was bedeute ich dir denn?“

Diese Passage kommt mir etwas merkwürdig vor.
Den unterstrichenen Satz habe ich in letzter Zeit sehr häufig und von Protas aus den verschiedensten sozialen Milieus gehört oder gelesen. Für mich ist er bereits zu einem Klischeesatz für Beziehungsgeschichten geworden. Hier klingt er ziemlich fremd. Abgehoben. Kann sein, das ist Absicht des Protas, als Reminiszens an "bessere Zeiten". Und Monikas Antwort ist dann eine ironische, nachäffende Frage.

Ansonsten wie gewohnt stark szenisch, so dass derText fast zur Bildergeschichte changiert mit Tendenzen zum Cartoon.

hat mir gut gefallen.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Ich empfinde kein Mitleid für ihn, aber das ist nicht nötig, weil er mir trotzdem in seiner verrohten Art sympathisch ist.

@Meuvind, danke dir für deinen Kommentar. Stimmt schon, da ist eine gewisse Widersprüchlichkeit im Titel, weil sie anscheinend nur für äußere Faktoren gelten, aber im Grunde stimmt das ja auch nicht, es wird schon inkludiert: der Trainer ist erfolglos, dann wirken die Mechanismen des Geschäfts. Ist ja auch in dem Sinne gemeint, dass Wade, der jetzt Trainer ist und früher eine Art Treter war, das ist ja auch so eine Trope, der ist jetzt eben erfolgreich, und Baginski hat was verpasst. Also als eine Art Metapher, die in beide Richtungen funktioniert.

Ich sehe ihn nicht als Unschuldslamm. Er schlägt eine Frau, riskiert mit dem Steine kicken ernsthafte Verletzungen, also der ist nicht freigestellt oder unschuldig. Ich würde den mal ambivalent nennen. Man hat immer irgendwie Sympathien für die Gefallenen, auch wenn man weiß, sie tragen eine eigene Verantwortung.

@Chutney, danke auch dir für deinen Kommentar. Hat mich sehr gefreut. Mit dem Dialog, da haste mich echt gekriegt, den ändere ich auch, das stimmt, das wirkt zu unterwürfig, ich ändere das, da hast du einen sehr feines Ohr für.

Und Wade ist auch nicht gleich Manfred. Baginski steigert sich da nur in diesen Namen als Feindbild und Konkurrenten hinein, oder?

Ganz genau. Diesen Moment der Irritation, der war schon so gewollt. Er sieht diesen Artikel mit Wade, und das macht was mit ihm, und plötzlich sieht er in in jedem anderen Mann, also zumindest in der Situation. Ich finde diese kleinen Effekte, wenn sich jemand quasi freud'sch verspricht, total interessant. Da kommt noch mal was anderes zum Vorschein, eine andere Art der Echtheit.

Ja, hat mich sehr gefreut, und ich hoffe, du hast viel Freude an den Königen, berichte gerne!

@Kellerkind,

Da ist ein: Und nun? - Gefühl in mir.

Kann ich gut verstehen. Natürlich ist das immens schwierig, eine neue Ordnung in einem Text zu finden, so dass man die einzelnen Mosaikteilchen so anordnet, dass man sagt: Das eröffnet mir etwas Neues. Ich finde das selbst extrem selten. Ganz ehrlich. Auch bei sogenannter Hochliteratur, denke ich oft: Naja, und nu? Dieser Anspruch, permanent von Texten etwas Neues serviert zu bekommen, oder Einsichten, Absichten, Weisheit, das ist so ein Aspekt der Moderne, Ordem e Progresso, immer weiter. Ich denke, mir würde schon eine gut erzählte Geschichte erstmal ausreichen, weil es doch in der Literatur auch ums Ausloten von Wahrheiten geht, um die Beschäftigung und Beobachtung des Menschen - mir jedenfalls, ich möchte nicht auf Teufel komm raus etwas konstruieren, damit es vielleicht eine Erkenntnis gibt, die es so noch nie gab. Ich denke da viel demütiger, eine gute beobachtete Figur, ein kleiner Plot, mir reicht das, auch als Autor. Ich kann den Anspruch aber durchaus verstehen. Ja, vielen Dank für deinen Kommentar, ist eine wichtige Sache, die du da ansprichst, die könnte man eventuell mal in einem externen Strang diskutieren. Danke dir für deine Zeit.

@wieselmaus

Hat niemand in seinem Verein sich darum gekümmert?

Wenn du einmal aus dem Profibereich raus bist, ist es dem Verein in den meisten Fällen scheißegal. Gibt so viele Dokus, wo Ex-Profis am Rand der Existenz leben müssen, und die Vereine keinen Finger krumm machen. In den USA noch krasser als in Deutschland oder Europa. Gibt da viele Beispiele. Was soll der Verein auch machen, wenn du Alkoholiker wirst? Schau dir mal die Vita von Paul Gascoigne an.

Ansonsten wie gewohnt stark szenisch, so dass der Text fast zur Bildergeschichte changiert mit Tendenzen zum Cartoon.

Da steckt so `n bisschen was Abwertendes drin, wie ich finde, "Bildergeschichte", "Tendenzen zum Cartoon", als ob der Text billig wäre und ich die Figuren mit Sprechblasen versehen hätte, sprich: Du sagst mir hier eigentlich, du findest den Text künstlerisch minderwertig, was ja auch okay ist, wenn es deine Meinung ist, und wir leben ja in einem freien Land (noch), nur finde ich das irgendwie mittlerweile saudoof, dass du immer noch in diese Kerbe hauen musst, mir immer noch versuchst, einen mitzugeben. Wahrscheinlich Alterssturheit.

Penner gegen ausländische Hilfsarbeiter

Auch so was hier, und dann noch mit dem Zusatz, ich würde mir alles genau aussuchen ... Was möchtest du damit bezwecken? Was möchtest du mir damit sagen? Willst du mir hier irgendwie Rassismus unterstellen, weil die Bauarbeiter Ausländer sind? Oder dass ich meine Figuren vorführe und selektiv nur das benutze, um sie so darzustellen, wie ich es eben tue? Ich würde Baginski zum Beispiel nie als "Penner" bezeichnen, das nur mal am Rande.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman , ich fass es nicht. Nicht einen einzigen abwertenden Gedanken habe ich zu deiner Geschichte. Nur Lobendes. Ich weiß nicht, wo du das hernimmst. Bildergeschichten wie Cartoon sind in meinen Augen nichts Minderwertiges, nur andere Formen von Erzählen. Und gerade die Bildvielfalt, die deine Texte erzeugen, ist es doch, was sie beeindruckend macht.
Warum um Himmelswillen kannst du nicht meinen Kommentar zu Kenntnis nehmen und mir auch zu meiner Frage was antworten? Ich verstehe das nicht.

wieselmaus

 

Wir sind schon mal an diesem Punkt gewesen, und ich habe, ehrlich gesagt, auf solche Auseinandersetzungen keine Lust mehr. Mir fehlt da momentan die Muse und auch der brain space zu. Sieh es mir nach, wenn ich da nicht weiter antworte.

 

Hi @jimmysalaryman

Ich denke da viel demütiger, eine gute beobachtete Figur, ein kleiner Plot, mir reicht das, auch als Autor.
ich sehe das genauso. Das war von mir auch nicht als fundamentale Kritik gemeint. Nur so, als Gedanke, dass ja immer noch mehr geht. Ich finde es schon gut, wenn solche Figuren und ihr Leben glaubwürdig beschrieben werden. Wenn ich mich recht entsinne, dann hatten Geschichten von Bukowski auch den Effekt auf mich; krass authentisch geschrieben, aber irgendwie unbefriedigend. Das existenzielle Scheitern eines Menschen zu betrachten, löst vielleicht den Wunsch beim Lesen aus, dass da doch irgendwas gehen muss. Schwer zu erklären ...
Schönen Gruß
Kellerkind

 

Wenn ich mich recht entsinne, dann hatten Geschichten von Bukowski auch den Effekt auf mich; krass authentisch geschrieben, aber irgendwie unbefriedigend.

Ich weiß genau, was du meinst. Bei mir hat sich mittlerweile ein Gefühl eingeschlichen, wenn ich Texte lesen, was deinem fast diametral gegenüber steht. Ich lese überall (oder oft) den Versuch, etwas Neues zu machen. Eine neue Wendung. Ein neuer Twist. Ganz grundsätzlich finde ich auch krasse Plottwists schwierig, weil ich da immer den Autoren mitdenke, ich erkenne die Intention, die Ambition dahinter. Früher, so Anfang 90er, gab es diese Mindfuck-Filme, da hat man das erwartet, ich denke an 7 und Memento und diese Schiene. Bei Büchern oder Geschichten denke ich mir oft, mir wäre etwas Langsames, Elegisches und Organisches lieber als noch kurz einen Twist oder den Versuch einer neuen Erkenntnis. Ich glaube, das kann ich auch gar nicht anbieten, selbst wenn ich das wollte. Das Streben nach etwas Neuem in Texte ist natürlich total nachvollziehbar und auch wichtig. Ich habe nur für mich noch keine schlüssige Antwort gefunden, wie das gehen kann, ohne die Gemachtheit der Sache herauszustellen.

Gruss, Jimmy

 

Ahhh, gutes Teil! Hat mich richtig eingesaugt.

Wollte mal in deinen Geschichten rumschnüffeln (weil ich schön öfter von dir Kommentare unter anderen Stories gelesen hab) und bin an der hier hängen geblieben.
Erinnert mich an 'ne Story von mir vor 'n paar Jahren. Zinn 40, 1. FC Kaiserslautern, Scheidungspapiere vom Anwalt etc. Aber lange nicht so gut geschrieben wie das. Puh, da muss ich mich ja bemühen, wenn ich auf die Idee komme, was reinzustellen. :D

Jahny

 

Erinnert mich an 'ne Story von mir vor 'n paar Jahren. Zinn 40, 1. FC Kaiserslautern,

Danke dir, Eddie, eh Jahn van Halen. Die würde ich sehr gerne lesen, ich war auch schon ein paar Mal auf dem Betzenberg und mag auch die Gegend, gudde Leude da. Ist schon was älter der Text, und Geschichten über Sportler und/oder gescheiterte Existenzen sind ein wenig wie Geschichten übers Saufen - die gehen immer irgendwie, natürlich mit wechselnder Qualität.

Also, hau mal raus, das Teil, wird gerne gelesen.

Herzlich Willkommen hier noch und viel Spaß!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman, hey Jimmy,

Du kannst es einfach! Diese Mischung aus Milieu und spitzer Bemerkung, Hintersinn und Erzählkunst - grandios. Ich hab immer das Gefühl, direkt nebenan zu stehen und den Figuren zuzuschauen, wie sie rudern, kämpfen, krebsen, versagen und doch das Leben nie aus den Augen verlieren. Was soll man da finden, wenn etwas einfach gelungen ist?
Nur den letzten Satz, den verstand ich nicht, aber ich muss nicht alles verstehen ... Feine Klinge, okay ... geht er nochmals zu den beiden in der Grube, um einen erneuten Pass zu spielen? Legt er´s drauf an? Ich weiß, Du willst da was sagen - ich komm nicht drauf ... stupido ... okay, gerne gelesen, richtig gerne! Beste Grüße - Detlev

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom