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Die Pfanddiebin

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15.08.2017
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Die Pfanddiebin

Sie schiebt das eingefrorene Spinatgericht vom Discounter in die Mikrowelle. Das geht schnell, zum Kochen für sich alleine hat sie keine Lust. Ihr Mann ist vor sechs Wochen ganz plötzlich gestorben. Nur für den Hund, einen Dackel mit loyalem Blick, bereitet sie liebevoll das Essen. Täglich wäscht sie seinen Napf gründlich aus. Ihr Wellensittichpärchen plappert vor sich hin. Es bekommt Hirse aus dem Bioladen nebenan.
Sie setzt sich an den Küchentisch und isst schnell und mechanisch. Am Abend würde sie sich fragen, was sie zum Mittag gegessen hat. Das Geschirr stellt sie zu den Tassen und Tellern vom Vortag in die Spüle. Sie wischt sich die grauen Strähnen aus dem Gesicht. „Wo ist das Haargummi?“ In der Schale mit den vergilbten Schwarzweiß-Fotos von ihren Eltern sucht sie danach. Die Eltern sind schon lange tot. Nur noch einzelne Erinnerungskrümel kommen an die Oberfläche.
Ihre Mutter bewegte sich mit Trippelschritten in schmalen Pumps vorwärts, immer in Begleitung von einem Regenschirm, auch im Hochsommer, wenn keine Wolke am Himmel war.
Der Vater, ein Lehrer, stellte ihr bei jeder Gelegenheit Rechenaufgaben, für deren richtige Antwort er zähneknirschend fünf Mark zahlen wollte. Sie ging meistens leer aus. Er thronte im Sessel wie ein Patriarch und strich sich über die grauen Stoppelhaare, schaute griesgrämig, wie hin geschnupft. Manchmal hatte er sich die Weste mit Eigelb bekleckert. Das wurde, einem Ritual ähnlich, mit verkrampftem Zeige- und Mittelfinger abgekratzt, auch wenn schon längst kein Fleck mehr zu sehen war.
Sie hat keine Kinder, ihre beste Freundin hat Knochenmarkkrebs und sitzt im Rollstuhl. Die Nachbarin sieht sie nur selten, die ist Auslandsjournalistin und erzählt ihr manchmal, wenn sie sich durch Zufall im Hausflur begegnen, von Burkina Faso und Sierra Leone. So weit ist sie nie gekommen.
Die sommerliche Hitze Berlins tropft durch das geöffnete Dachfenster. Gegenüber ist der schmuddelige Park, der einmal ein Eisenbahngelände war. Nun gehen Dealer, Backpacker und spielende Kinder eine groteske Symbiose ein. Gelegentlich schallen der Weckruf eines Hahns und die Beschwerden eines Esels vom Kinderbauernhof herüber.
Ihre Wohnung im fünften Stock ohne Fahrstuhl erreicht sie oft stöhnend und außer Atem. Doch eine neue in Berlin zu finden und bezahlen zu können, ist noch viel schwieriger. Die Rente reicht gerade für das Nötigste.
Ihre Beine sind schwer. Oft plagen sie Schmerzen im Knie und Ellenbogen. Auch die Narbe von dem Zwischenfall vor einigen Jahren zieht und beißt gelegentlich.
Sie rückt sich die verschlissene Hose zurecht, zupft am zu weiten T-Shirt, das über ihrem mageren Oberkörper schlottert, und sucht ihren Hackenporsche und mehrere Tüten. Sie hat noch etwas vor. Der Hund wedelt freudig mit dem Schwanz. Er kennt ihre Gewohnheiten genau. Sie steigt von ihrer Zugspitze herunter. Den Hund trägt sie, die Stufen schafft er sonst nicht. Sie krault ihn zwischen den Ohren, dann ist er entspannt.
Im ersten Stock streichelt sie der Hauskatze, die sich im Flur langweilt, über den Kopf.
Vor der Haustür bahnt sie sich ihren Weg durch den jugendlichen Touristenstrom. Vollbärtige Männer bevölkern die zahlreichen Cafés, dünne Mädchen starren wie paralysiert in ihr neuestes iPhone. Ihr Lächeln hat keine Substanz. Die Rollkoffer rattern im Takt mit dem Autoverkehr. Auch gedankenlos über die „Stolpersteine“.
Es ist Hochsommer und sie atmet den Fäulnisgestank der Spree. Englisches und spanisches Stimmengewirr weht durch ihren Kiez, der sich vom Szeneviertel zum Ballermann verwandelt hat. Sie hat den Wechsel miterlebt und mitgemacht. Nur wenige Überreste erinnern noch an die Ruhe und Wildnis vor dem Mauerfall.
Die alte, freundlich grüßende Frau in der Kittelschürze, die stundenlang nebenan im Fenster der Parterrewohnung lümmelt. Eine graue Katze schnurrt neben ihr und erschreckt die Spatzen. Nur noch einzelne unterernährte Lauchstangen recken ihre Köpfe in den Hinterhöfen den wenigen Sonnenstrahlen entgegen, auf dürrer Erde von Ahmet und Aylin gezüchtet. Der Mann mit den Papageien auf dem Lenkrad seines Fahrrades, auch er ist zur Sehenswürdigkeit geworden. Schnell wird das Smartphone gezückt. Er setzt sich gern in Pose.
Sie wandert durch die Straßen. Sie sucht und sammelt Flaschen. Pfandflaschen. Das Geld braucht sie für das teure Tierfutter und sie spendet für „Pfotenhilfe ohne Grenzen“. Es stehen viele Bierflaschen herum. Manche Menschen stellen die ausgetrunkenen Flaschen neben den Mülleimer. Dann muss sie nicht in den Behälter greifen und im Dreck wühlen.
Sie winkt dem türkischen Gemüsehändler zu, der rauchend vor seinem Laden steht. In zwei Monaten wird er das Geschäft schließen. Die Miete ist zu teuer geworden. Er will zurück in seine Heimat gehen.
Der Hund springt fröhlich um sie herum. Sie macht täglich dieselbe Runde. Sie lächelt und geht schneller, als sie drei Flaschen nebeneinander stehen sieht, direkt unter dem orangefarbenem BSR-Behälter mit dem Aufdruck “Ich bin Reiner“. Hastig verstaut sie den Fund in ihrem Einkaufstrolley. Verstohlen schaut sie nach rechts und links.
Sie hält sich die Ohren zu. Eine Hochbahn legt sich in die Kurve und quietscht.
Nach zwei Stunden hat sie elf Bierflaschen gesammelt. Das ist nicht viel, sie bringt sie noch schnell zum „Nahkauf“. Dort ist sie bekannt. Sie nimmt sich vor, am kommenden Sonntagmorgen ganz früh durch den Park zu gehen, dann ist die Party zu Ende und das Flaschensammeln lohnt sich.
Müde schleppt sie sich wieder in ihre Wohnung. Der Dackel liegt wie ein nasser Sack in ihren Armen. Dreimal verriegeln in lichter Höhe, es wurde eingebrochen im Haus. Die Münzen legt sie in eine Blechdose. Viel hat sie diese Woche noch nicht zusammen bekommen.
Als sie die Dose zurück in den Schrank stellt, fällt ihr Blick auf das Blutdrucksenkmittel ihres Mannes. Als er anfing vor einem Jahr dieses Mittel zu nehmen, wendete sich das Blatt. Sie probierte jeden Tag eine neue Dosis aus. Vor sechs Wochen war es dann soweit. Er stand nicht mehr auf, Herzstillstand. Der Arzt tätschelte ihre Schulter und bemerkte: „Er hat sich nicht gequält, seien Sie nicht traurig“ und stellte den Totenschein aus.
Ihr Mann hatte sie gequält. Er hasste Tiere. Ihre Tiere. Den Goldhamster hatte er immer wieder versucht zu treten, wenn sie ihn aus dem Käfig herausnahm und ihr Mann glaubte, sie schaue weg. Sie eilte dann schnell herbei und brachte das zitternde Tier wieder in seinen Schutzraum.
Mit den Tritten ihres Mannes kannte sie sich aus. Den Druck des schweren Stiefels spürte sie noch lange am Rücken, damals, als er jeden Tag seine Unzufriedenheit und schlechte Laune an ihr ausließ. Die Wunde hatte nur wenig geblutet, eine längliche Narbe blieb.
Eines Nachts, als sie schon schlief, im tiefsten Winter, sperrte er den Hamster auf den Balkon. Am nächsten Morgen fand sie ihn steif und kalt. Hämisch hatte ihr Mann gelacht.
Am selben Abend sah sie sich lange das Blutdruckmittel an und drehte es zwischen ihren Fingern. So hatte es angefangen.
Sie nimmt die braune Flasche aus dem Schrank. Zärtlich streichelt sie über die glatte Oberfläche und poliert sie mit einem Stück Haushaltspapier. „Ich sollte die Flasche entsorgen, morgen wenn ich auf Tour bin, es wäre besser, wenn keiner sie findet bei mir“. Unentschlossen stellt sie das Medikament zurück in den Schrank. „Eigentlich möchte ich es behalten als Erinnerung an meinen Mann“.
Sie legt sich auf das Sofa, der Hund springt neben sie und sie schläft sofort ein.

 
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Hallo Federmaus, willkommen bei uns. :)

Deine Geschichte gefällt mir. Ein Charakterbild einer einsamen alten Frau, die mit und für ihre Tiere lebt. Es gefällt mir, wie du die atmosphärische Schilderung ihres Stadtteiles mit ihrem Gang durch ihren Kiez und dem Aufblättern ihrer Wahrnehmungen, ihrer Gewohnheiten - eben ihres speziellen Blicks - kombinierst.

Der sachlich-berichtende Stil passt in meinen Augen zu diesem Charakterbild sehr gut.
Allerdings ist mir bei den Beschreibungen aufgefallen, dass du stellenweise sehr springst. Da richtest du den Leserblick auf dieses Detail, wechselst zum nächsten und kehrst zurück. Das wirkt wirr und ermüdend, da würde ich unbedingt noch mal nachschauen, vielleicht finde ich ja ein Beispiel, um dir zu illustrieren, was ich genau meine. Ja, da ist eines:

Ihr Wellensittichpärchen bekommt Hirse aus dem Bioladen nebenan. Die Rente reicht gerade für das Nötigste. Ihre Wohnung im 5. Stock ohne Fahrstuhl erreicht sie oft stöhnend und außer Atem. Doch eine neue in Berlin zu finden und bezahlen zu können, ist noch viel schwieriger. Ihre Beine sind schwer. Oft plagen sie Schmerzen im Knie und Ellenbogen.
Da reißt du meinen Blick (finde ich) so richtig durch die Gegend. Wellensittiche-Rente/Armut-Wohnung weit oben-Armut-körperliche Behinderung. Das würde ich passender sortieren. Ein Anfang wäre schon mal, wenn man den Satz mit der Rente umschichtet, hinter "Doch eine neue ... " Aber wahrscheinlich findest du bessere Möglichkeiten als ich auf die Schnelle.

Die Wendung am Schluss gefiel mir. Sie hat nichts Vordergründiges, sie passt zu dieser einsamen, tragischen Figur, Opfer und Täterin in einem.


Und noch ein paar Überlegungen:

Was ich bei Texten, die nicht mit Namen operieren, sondern immer nur in der 3. Person Singular geschrieben sind, also immer nur er oder sie benutzen, immer sehr schwierig finde, ist, dass man nicht abwechseln kann zwischen Namen und PP. Das nämlich würde die Bezüge eindeutiger und klarer machen können. Statt dessen ist alles "er" oder "sie". Und man holpert kurz und fragt sich, wer jetzt grad gemeint ist, der Arzt oder der Gatte. Zum Beispiel in dem nachfolgenden Zitat:

Der Arzt tätschelte ihre Schulter und sagte: „er hat sich nicht gequält, seien Sie nicht traurig“ und stellte den Totenschein aus. Er hatte sie gequält. Er hasste Tiere. Ihre Tiere. Den Goldhamster hatte er immer wieder getreten, wenn sie wegschaute. Im tiefsten Winter hatte er ihn auf den Balkon gesperrt, eines Nachts, als sie schon schlief. Am nächsten Morgen fand sie ihn steif und kalt. Hämisch hatte er gelacht. Am selben Abend sah sie sich lange das Blutdruckmittel an und drehte es zwischen ihren Fingern. So hatte es angefangen.
-Falsche Schreibung: Er

-Er hatte sie gequält. Ich kann mir vorstellen, wenn man das vorliest, kann man durch Betonung von "sie" die Sache gleich inhaltlich verdeutlichen, sogar Aufmerksamkeit lenken. Hier aber kann man das "Er" zunächst noch dem Arzt zuordnen. Es ist jedenfalls ein Holperer. Und solche Stellen gibt es durchaus mehr in deinem Text. Ich weiß selbst nicht recht, wie man damit umgeht, ich selbst schreib sehr selten (überhaupt nicht) von und über namenlose Protagonisten. Da kann man schön zwischen Name und PP hin und her wechseln.
Aber mir fällt ein, hier könnte man den Arzt sagen lassen: "Ihr Mann ..." dann stimmt der Bezug.

-Und der dritte Punkt, das ist die Verwendung des PQP. Ich finde, man merkt, dass du auf keinen Fall den Leser durch die zu häufige Wiederholung des Hilfsverbs vergrätzen willst. Es gibt auch Stellen, wo du - finde ich - gekonnt mit Wiederholungen oder Ähnlichkeiten spielst.
So zum Beispiel hier: Da rythmisiert die gleiche Satzstruktur der beiden ersten Sätze. Und lenkt dann den Blick auf die Ellipse: Er hatte sie gequält. Er hasste Tiere. Ihre Tiere.
Das gefiel mir, aber in den Sätzen danach "hattet" es mir trotzdem zu sehr.

Den Goldhamster hatte er immer wieder getreten, wenn sie wegschaute. Im tiefsten Winter hatte er ihn auf den Balkon gesperrt, eines Nachts, als sie schon schlief. Am nächsten Morgen fand sie ihn steif und kalt. Hämisch hatte er gelacht.
Eine Möglichkeit ist, den Satzbau zu verändern, zum Beispiel so: Den Goldhamster hatte er immer wieder getreten, wenn sie wegschaute. Im tiefsten Winter das Tier auf den Balkon gesperrt, eines Nachts, als sie schon schlief. Am nächsten Morgen fand sie ihn steif und kalt. Hämisch hatte er gelacht.
Oder noch weiter zu gehen und die Bauart der Sätze außerdem noch zu verändern. Im Moment hast du sie im Prinzip so gebildet: HS, danach Nebensatz. Auch damit könnte man spielen. da weiß ich aber grad keinen Vorschlag.

Und so insgesamt würde ich glaube ich, viel öfter mal einen Absatz machen. Vieles ist ja, wenn man so will, ein Themenwechsel. Auch wenn es nur Nuancen sind. Und da darf man schon mal das Leseverständnis ein bisschen gliedern.

Ich finde das einen schönen Einstand. Eine klassische Kurzgeschichte, neutral geschrieben.
Willkommen.

Viele Grüße von Novak.

Ach, was ich noch sagen wollte, wir kennen uns ja noch nicht. Die anderen hier wissen das natürlich, da schreibt man das nicht mehr dazu. Rumbosseleien am und im Text sind immer als Vorschläge zu verstehen, als Kritik aus einer persönlichen Sicht. Handwerk gemischt mit Geschmacksfragen. Also als Hinweise, die man annehmen kann oder auch nicht.
Bis die Tage
Novak

 
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Hallo Federmaus,

zum ersten Teil haben, was die Lesbarkeit und die Gedankensprünge deiner Prota angeht, Novak und ThomasQu schon einiges geschrieben. Es stimmt natürlich, dass eine alte, einsame Frau assoziativ denkt, sie hat ja niemanden, der sich an der Sprunghaftigkeit ihrer Gedanken stören könnte. Vielleicht lässt sich an einigen Stellen verdeutlichen, warum gerade da ihre Gedanken abschweifen.

... ihre beste Freundin hat Knochenmarkkrebs und sitzt im Rollstuhl, ihre Eltern sind schon lange tot. Ihre Mutter bewegte sich mit Trippelschritten ...

Die unterstrichenen Wörter sind so ein assoziatives Geflecht. Auch die dreimalige Verwendung des Possessivpronomens deutet ja auf sprunghaftes Denken hin. Falls es so geplant war, würde ich es lassen.

Du hast mit Krimi getagt. Plötzlich ist die arme Alte eine böse Alte, fast in Hitchcockmanier. Nicht nur Opfer, sondern auch Täterin. Diesen Aspekt würde ich verstärken. Ich würde sie das Medikamentenfläschchen sorgfältig aufbewahren lassen als Erinnerung daran, dass es ihr früher noch viel schlechter ging. Jeden Tag nimmt sie es liebevoll in die Hand und poliert es. Wer sollte in einer solch sentimentalen Geste Böses vermuten!

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
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Hallo Novak, vielen Dank für deinen detaillierten Kommentar. So eine genaue Analyse ist sehr hilfreich.
In nächster Zeit werde ich hier viel lesen und an der einen oder anderen Stelle zu einer eigenen Einschätzung kommen, wenn es zeitlich möglich ist.
Schöne Grüße
Federmaus


Hallo ThomasQu, danke, dass du dich mit meiner Geschichte beschäftigt hast. Die Ausdrücke "Hitze tropft" und "hingeschnupft" waren der Versuch, das Bild mit anderen Inhalten zu belegen. Ging ev. daneben.
Schöne Grüße
Federmaus


Hallo Wieselmaus,
danke für deinen Kommentar zu meiner Geschichte. Die Idee, dem Medikamentenfläschchen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, gefällt mir echt gut.
Schöne Grüße
Federmaus

 
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Hallo Federmaus,
Dein Text hat keine große Handlung, sondern ist ein Gang durch die Stadt und eine Vorstellung der Lebensumstände der Hauptfigur. Wenn sich so nichts tut, würde ich ein wenig mehr brauchen, um in eine Atmosphäre der Umstände reinzukommen. Ich hab mich gefragt, warum ich das nicht so recht kann in deinem Text. Und da ist mir die nüchterne Satzstereotypie aufgefallen. Dazu hab ich unten ein paar Beispiele rausgefischt. Vor allem finden sich einige Sequenzen, die immer mit "sie" beginnen. Das könnte ein Stilmittel sein. Aber in der Häufung finde ich es ermüdend.

Das ist die einzige Stelle, die ich im Ausdruck nicht angemessen empfinde angesichts des sonst nüchternen Tons: Hitze tropft, naja.

Die sommerliche Hitze tropft durch das geöffnete Dachfenster.
Hier eine Sie-Häufung:
Sie rückt sich die verschlissene Hose zurecht, zupft am zu weiten T-Shirt, das über ihrem mageren Oberkörper schlottert. Sie sucht ihren Hackenporsche und mehrere Tüten. Sie hat noch etwas vor.
Dann hier eine ganz hübsche Milieustudie, ja. Aber mich lässt das irgendwie unberührt. Vielleicht, weil das ein momentan so dicht besprochenes Phänomen ist. In allen Medien werden die neuen Bärtigen und die Handygucker als Zeitgeistphänomen rezipiert. Das empfinde ich ein etwas ermüdetes Bild. Außerdem entsteht das Bild auch aus keiner sprachlichen Atmosphäre, für meine Empfindung, wohlgemerkt! Irgendwie prasseln die Infos so herein über Schicksalsschläge und historische Veränderungen, geben aber für mich keine Vibration, kein Gesamtbild.
Vollbärtige Männer bevölkern die zahlreichen Cafés, dünne Mädchen starren wie paralysiert in ihr neuestes iPhone.
Wieder so eine Sie-Inflation:
Sie wandert durch die Straßen. Sie sucht und sammelt Flaschen. Pfandflaschen. Sie braucht Geld für das teure Tierfutter und sie spendet für „Pfotenhilfe ohne Grenzen“.
Hier nochmal: Sie!
Sie macht täglich dieselbe Runde. Nach zwei Stunden hat sie elf Bierflaschen gesammelt. Das ist nicht viel, sie bringt sie noch schnell zum „Nahkauf“. Dort ist sie bekannt. Sie nimmt sich vor, am kommenden Sonntagmorgen ganz früh durch den Park zu gehen, dann ist die Party zu Ende und das Flaschensammeln lohnt sich. Sie schleppt sich wieder in ihre Wohnung.
Großschreibung: Er.
„er hat sich nicht gequält,

Also, für mich als Stimmungsbild insofern ganz schön, weil ich als Bayer gerne von Berlin lese. Aber dann in der sprachlichen Gestaltung für mich einfach ein wenig zu wenig variabel, zu gleichförmig im Strom, als dass ich der alten Dame in ihren Gedanken gebannt folgen würde. Ich folge ihr, aber irgendwie indifferent, so, wie es für mich der Sprachduktus vorgibt. Aber, wie gesagt: So gehts mir! Andere empfinden das vielleicht ganz anders.
Servus nach Berlin
rieger

 

Hallo rieger, danke für deine Einschätzung!
Servus nach Bayern
Federmaus

 

Hallo Federmaus!

Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich habe deine Geschichte unter dem Stichwort"Krimi" gelesen. Und nun bin ich schwer enttäuscht. Denn wo ist da ein Krimi? Da kommt am Ende als Pointe: "Ach übrigens, sie hat ihren Mann umgebracht." Nicht mehr. Als Krimi kann man deinen Text also kaum bezeichnen.

Die anderen haben deinen Text als Charakterbild und als Milieustudie bezeichnet, und damit haben sie wohl recht. Ich finde solche Texte allerdings langweilig.

=> Du solltest immer bedenken, dass du mit einem gesetzten Stichwort Erwartungen schaffst. Setze lieber ein Stichwort weniger, als das du die Erwartungen enttäuscht.

Eine Frage habe ich noch: Warum ist der Text "Die Pfanddiebin" betitelt? Hier wird doch nirgends geklaut.

Grüße,
Chris

 

Hallo Chris, danke für deine Einschätzung. Wenn ich kapiere, wo die Tags wieder zu löschen sind, nehme ich "Krimi" raus. Den Leser in seinen Erwartungen zu enttäuschen und zu langweilen geht natürlich nicht. Über den Titel denke ich nach.
Grüße
Federmaus

 

Wenn ich kapiere, wo die Tags wieder zu löschen sind, nehme ich "Krimi" raus. Den Leser in seinen Erwartungen zu enttäuschen und zu langweilen geht natürlich nicht. Über den Titel denke ich nach

Stichworte änden: Einfach hier nach ganz unten scrollen und unten rechts den Button Stichworte bearbeiten drücken.
Titel ändern können nur Moderatoren. Kannst mir gerne eine PN schicken.

Beste Grüße,
GoMusic

 

Grüß dich F(l)edermaus!;)

Eine ziemlich deprimierende Geschichte, die jedoch einen für meinen Geschmack schönen Silberstreifen an den regengrauen berliner Himmel malt - der nicht ganz so natürliche Tod dieses tierquälenden Dreckskerls von Ehemann. Ich hätte es besser gefunden, wenn sie statt Blutdrucksenkern Abflussreiniger genommen hätte und er sich ganz massiv gequält hätte, aber dann wäre sie bestimmt nicht so glimpflich davongekommen.

Inhaltlich und stilistisch schön geschrieben, allerdings trägst du natürlich schon ziemlich dick auf, nicht wahr?! Ist aber vermutlich Absicht.

Schönes Wochenende vom EISENMANN

P.S. Einen nicht text-, sondern forumsbezogenen Rat hab ich aber noch für dich. Wenn du hier über kurz oder lang noch halbwegs brauchbares Feedback haben willst, solltest du dir etwas mehr Mühe mit deinen Antworten geben. Exemplarisch ist dafür z.B. Novak - so ein ausführlicher Kommentar hat wirklich etwas mehr als einen Drei-Zeiler verdient.

P.S.S Eins noch - den Titel verstehe ich nicht. Wem klaut sie denn das Pfand? Dem Mülleimer?

 

Danke GoMusic, der "Krimi" ist weg!

Hallo Eisenmann,
auch Dir danke, dass du meine Geschichte gelesen und kommentiert hast. Der Titel muss überdacht werden, ich bin dran.
Mit dieser älteren Frau bin ich übrigens in einem Park ins Gespräch gekommen, sie war gebildet, einsam, verarmt und spendete das Pfandgeld für den Tierschutz. Ob sie ihren Mann um die Ecke gebracht hat, erzählte sie nicht. Ich denke, wohl kaum.
Deinen forumsbezogenen Rat nehme ich ernst. Als Fünftagemitglied bin ich noch nicht so angekommen. Außerdem mutiert mein Laptop zur Zeit zur Schnecke (schon wieder was mit Tieren), so dass alles über das Smartphone läuft, ist etwas mühselig.
Besonders an Novak deshalb nochmal einen herzlichen Dank für die ausführlichen Hinweise, ich bin dabei, vieles im Text umzusetzen.
Ladet ihr dann die korrigierte Fassung nochmal hoch?

Schönes Wochenende
F(l)edermaus

 

Liebe Federmaus,

herzlich willkommen!


Ladet ihr dann die korrigierte Fassung nochmal hoch?
Eine neue Fassung ersetzt die alte im Geschichtenfenster. Dazu klickst du auf den Button „bearbeiten“, löschst den alten Text und kopierst den neuen hinein, anschließend nur noch „speichern“ anklicken.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Bas, danke, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast.
Der Ausdruck „Backpacker“ könnte ev. durch „Rucksacktouristen“ ersetzt werden, ich bin beim Schreiben auch etwas darüber gestolpert.
Erzählperspektive überprüfe ich nochmal insgesamt.
Das „hingeschnupft“ wurde schon von anderen kritisiert. Irgendwie gefällt es mir, ich kann nicht sagen, warum.
Es stimmt, „manchmal“ und „Ritual“ sind ein Widerspruch. Werde ich überarbeiten.
Der häufige „Sie-Satzanfang“ wurde auch schon von anderen bemängelt. Da ist das „Sie-Pferd“ mit mir durch gegangen. Ich werde auch das verändern.
Nun zu den Punkten, die ich nicht annehmen kann oder nicht verstehe:
Es ist vieles erfunden in der Geschichte, allerdings sind die etwas kruden Eltern-Gestalten der Hauptfigur aus dem echten Leben gegriffen.
Was ich gar nicht verstanden habe, ist, dass der Hauch der AfD durch die Luft wehen soll.
Der Satz mit Aylin und Ahmet steht im Zusammenhang mit der etwas sentimental gefärbten Betrachtung der Flaschensammlerin von der Zeit vor dem Mauerbau in Berlin-Kreuzberg, als noch eine Nachbarin in Kittelschürze den ganzen Tag aus dem Fenster schaute und eben noch Türken in Kreuzberg lebten, die heute durch unbezahlbare Mieten aus dem Kiez gedrängt werden.
Die Flaschensammlerin hat zwar die Veränderungen mitgemacht, aber bedauert doch auch diesen Wandel. Sie ist zwar nicht mehr jung, aber doch eine echte Kreuzbergerin, die mit der AfD bestimmt nichts am Hut hat.
Ich habe jetzt eine weiterentwickelte Fassung hochgeladen und danke nochmal allen, die mir mit konkreten Hinweisen weitergeholfen zu haben. Die neuesten Ergänzungen sind noch nicht dabei.
Der Titel soll auch geändert werden. Im Moment bin ich bei „Tierisch einsam“, aber weiß noch nicht, ob das bleibt.
Schöne Grüße
Federmaus

 

Guten Abend, Federmaus,

ich habe nur deine überarbeitete Version gelesen und werde nun meinen Senf diesbezüglich abgeben.

Also... Die Geschichte hat mir... gefallen? Nein. Sie hat mich "besser gesagt" gepackt. Ich habe sie sogar bis zum Schluß durchgelesen. Aber sie hat mir nicht gefallen.

Warum? Wir haben in deiner Story zwei zentralen Figuren: "die alte Hexe" (diese Bezeichnung finde ich am Besten für "so eine Art" Frauen. In deiner Story fehlte noch der Besen, auf dem die Frau hätte fliegen können. Wenn Du irgendwo in der Story einen "Besen" oder andere Hexen-Gegenstände unterbringen könntest, wäre spannender) und den Erzähler. Die Alte kommt nur einmal zur Sprache, und zwar in den letzten Sätzen und selbst das durch Erzähler zitiert. Ansonsten läuft die Geschichte allein aus dem Blickwinkel des Erzählers. Der ERzähler verfügt über perfekte Intospektion in die innere Welt der alten Hexe: was sie denkt, sieht, spürt, woran sie sich erinnert etc. Der Erzähler ist allgegenwärtig. Und dann frage ich mich, wie steht die Erzählerinstanz eigentlich zu der Alten. Mag der Erzähler sie oder nicht. Also, soll ich als Leser eine gewisse Sympathie zu ihr entwickelt oder nicht. Selbst Dostojewskijs Rasskolnikow aus "Schuld und Sühne" bekommt vom Leser gewisse Zugeständnisse in dieser Hinsicht.

Also? Soll ich die Alte mögen oder nicht? Was sagt der Erzähler dazu? Er verkauft sie als eine Tierliebhaberin, die ihr Leben zurückstellt und allein dem BEdürfnis nachgehen, ihren Tieren ein "schönes Lebens" zu ermöglichen. Andererseits SCHWEIFT der Erzähler aus und verkauft uns, den Lesern, unzählige Details über Berlins Leben, über einen Gemüseladen-Besitzer, der "Schluß" macht, "bartige Männer", "Mädels mit Iphones" etc. Der Erzähler kommt mir so vor, als würde er nach allen Mitteln greifen, um davon wegzukommen, über die Alte erzählen zu müssen. Der Erzähler treibt es für meine Begriffe zu weit, dass ich bald nicht mehr weiß, um was es sich eigentlich geht: um die Alte oder um die Fassade um die Alte herum. Wenn Du meinst, der Erzähler muss den Leser mit all den Informationen versorgen, dann ist es mir nicht ganz klar, wozu? Um was geht es hier? Um die Tragödie einer alten Frau in einer "fortschreitenden" Gesellschaft...

Also, der Erzähler teilt uns ziemlich trocken mit, dass der Alte die Alte oft mißhandelt hätte, auch ihre Tiere, oder vor allem, ihre Tiere, das was sie ihm eingentlich am meisten übelgenommen hätte. Der ERzähler schreibt über die Narben, die sie davon hatte, ob körperlich oder seelisch. Und dann sagt er bzw. sie uns mit großer Bestimmtheit zum Schluß über ein Fläschchen: „Eigentlich möchte ich es behalten als Erinnerung an meinen Mann“. Hat der ERzähler gerade nicht berichtet über die Narben, die sie ihr Leben lang begleiten werden?

Und dann kommt die Frage, als welche Erinnerung: Dass die Frau/deine Protagonistin sich wehren konnte oder immer kann? Eine Erinnerung an die "Macht" in Form dieses Fläschchens? Welche ROlle spielt dieses Bedürftnis nach einer ERinnerung an den brutalen Mann vor dem Hintergrund all den Stadtteildetails, die der Erzähler hier so üppig präsentiert hat?

Für mich ist diese Erinnerung ist aber einfahc eine weitere BEstätigung, dass der Erzähler die Figur, über die er sich im Laufe der Geschichte so erfolgreich zu berichten "weigerte", einfach nicht mag, sie nicht verstehen kann oder einfach sie für eine falsche Person, die sie nicht ist, ausgibt... Und wenn der ERzähler seine zentrale Figur so dermaßen deklassiert und in der "Pfütze" sitzen lässt, dann ich habe als Leser auch seine Zeit für sie, nur über "bärtige Männer in den Cafes und Mädchen mit Iphones".

Oder... vielleicht habe ich etwas verpasst, irgendwelche versteckte Details nicht verstanden?

VIele Grüße
Herr Schuster

 

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