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Die rote Tür

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20.07.2015
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Die rote Tür

Einst hatte ich einen Traum:
Ich lief einen Weg entlang, er war breit, frisch gekehrt und führte mich zu einem Haus. Das Haus war groß und stand zwischen hohen Bäumen am Rand einer Großstadt. Aus der Entfernung hörte ich Motorenbrummen und eine Polizeisirene. Doch insgesamt war es sehr ruhig, und diese Stimmung gab mir eine Art von Sicherheit, Geborgenheit und Heimat. Neugierig war ich, stapfte deshalb langsam auf das Haus zu. Umso näher ich heran trat, desto weiter drehte sich die Sonne Richtung Horizont und lies den Himmel in Rottönen schimmern. Es dämmerte schnell, und als ich vor der morschen Haustür stand, war es stockfinstere Nacht. Ich hörte keine Motoren mehr und auch keine Sirenen. Nur das Funkeln der Sterne und das Schnurren des Mondes waren zu hören. Groß war die Tür, alt und verlassen sah sie aus. Doch in meiner Reichweite befand sich ein kleiner, roter Knopf mit der Anschrift: „Realität“.
Ich drückte ihn und hörte das dumpfe Klingeln im Bauch des Hauses. Nach kürzester Zeit bewegte sich die Klinke nach unten, und mit einem leisen „Klack“, öffnete sich die Tür. Licht kam aus dem Haus, grüßte mich höflich aber verschwand schnell in der Dunkelheit. In der Tür stand eine Frau, groß war sie, wie die Tür. Und ihre rosafarbene Schürze, sowie ihre grünglänzenden Augen.
„Mein Kind, was führt dich zu diesem Ort, in einer so finsteren Nacht?“, fragte sie mich und schaute mich mit ihren großen, grünglänzenden Augen besorgt an.
„Gerade war es noch hell!“, antwortete ich hastig. „Umso näher ich an das Haus kam, desto dunkler wurde der Tag, und der Tag wurde zur Nacht und ich fing an die Sterne funkeln zu hören ...“
„Langsam, Kleines“, unterbrach sie mein hilfloses Japsen, kniete sich auf meine Augenhöhe und legte mir ihre Hand auf meine Schulter.
„Willkommen in der Realität. Darf ich dich ein wenig rumführen?“
Weder wusste ich, was ich ihr antworten sollte, noch wusste ich, was die Realität für ein Ort ist und ob ich mich fürchten sollte. Doch die Frau kniete immer noch vor mir, mit ihrer Hand auf meiner Schulter und strahlte so eine Liebe und Weisheit aus, wie ich es davor noch nie erlebt hatte. Also bejahte ich, aufgrund ihrer Sympathie. Kurz darauf stand ich schon im Bauch des Hauses, einem Raum mit unzähligen, bunten Türen an den Wänden.
„Was ist das für ein seltsamer Ort?“, fragte ich.
„Hier musst du dich entscheiden, mein Kind“, antwortete sie mit ihrer ruhigen, warmen, doch etwas rauen Stimme. „Du kannst nur einen Weg wählen, durch diesen Weg kann ich dich dann durch das Haus führen und dir deine Zukunft zeigen. Es soll dir eine Hilfe sein, um dich in der Realität später zurecht zu finden. Vielleicht weißt du dann auch, welche Tür du nicht nehmen wirst, weil du sie schon durchlaufen durftest.“
Ich verstand nur die Hälfte, denn die Türen waren so unterschiedlich in ihrer Art, dass mich das faszinierte und somit ablenkte. Klein, groß, schmal, breit, rund, eckig. Ich entschied mich für das winzige, rote Türchen am Eck.
Das Türchen öffnete sich und als ich herein trat, stand die große Frau mit der Schürze schon vor mir und lächelte mich an. Verwirrt versuchte ich, einzelne Silben zu Wörtern zu binden, scheiterte aber daran. „Komm mit!“, sagte sie, legte wieder ihre Hand auf meine Schulter und führte mich stumm durch diese merkwürdigen Gänge. Mal ging es nach rechts, mal nach links oder ein paar Treppenstufen herab. Die Wände, Decke und auch der Boden waren rot, wie die Tür es war.
Nun sah ich weitere Türen, doch die waren alle gleich, außer die Schilder, denn diese waren unterschiedlich beschriftet.
Die erste Tür des folgenden Ganges hatte die Aufschrift: „Beruf“.
„Ich heiße übrigens Valery“, meinte die Frau, holte einen dicken Schlüsselbund aus ihrer Schürzentasche und schloss geübt die Tür auf. Neugierig schaute ich in das Zimmer. Darin war eine junge Frau zu sehen, die an einer Nähmaschine saß und zwei Stoffteile sorgfältig zusammen steppte.
„Das bist du!“, flüsterte mir Valery leise ins Ohr.
„Wow“, antwortete ich fassungslos. Schon immer hatte ich mir eine solche Maschine gewünscht, doch ich hatte nie das Geld dazu. Es gab mir Kraft, mich selbst zu sehen, wie ich meinen Traum wahr machte.
„Es wird der Tag kommen, Kleines, da wirst du erwachsen. Aber diese Tage bringen nicht nur solche schönen Dinge mit sich“, warnte sie und Schloss schon mit einem anderem Schlüssel die benachbarte Tür auf.
„Sieh!“ Die Aufschrift dieser Tür war: „Abschied“. Der Raum dahinter war düster, Wolken hingen tief und kalter Wind kam uns entgegen, ohne uns zu grüßen. Regentropfen, fein wie Staub, nieselten auf den matschigen Boden. Auf diesem waren drei Grabmäler mit Kerzen und Rosen davor, sodass man nicht lesen konnte, wer in den Särgen unter den Mälern ruhte. Mir kamen die Tränen, ich wurde traurig, denn ich wusste, dass Menschen von mir gehen werden. Valery nahm mich in den Arm und drückte mich an sich. „Ich weiß, es ist hart. Du wirst dich ablenken können und wieder ins Leben zurückfinden, wenn du weiterhin an dich glaubst. Fange an zu akzeptieren, dass die Natur über dem Menschen steht und sich nicht aussucht, wen der Regen trifft.“
Ich schniefte, sagte aber nichts weiter dazu, denn schon klapperten wir nach und nach Tür für Tür ab. Ich fing wieder an zu lächeln, als ich mich sah. Ich stand da mit einem Jungen an der Bushaltestelle. Und wir küssten uns. Ich sah eine Geschichte, meine Geschichte, wie ein Film, nein, fast wie alle Staffeln von „How I met your mother“. Eine Geschichte, mit Höhen und Tiefen, wie ich zu dem Mann kam, von dem später meine Kinder waren. Doch es war eine lange, traurige Reise, die die Unendlichkeit sanft streifte. Ich hatte dabei Fehler gemacht, bin gefallen, war unter Anderem im Zimmer der „Krankheit“, sowie in anderen wie „Wut“, „Liebe“, „Freunde“, „Neid“ und auch „Vergangenheit“. Es machte mich traurig zu sehen, wie ich zwischen den Türen wandelte, litt, und nicht wusste, wo ich hingehörte. Aber auch froh, wie ich lernte, Fortschritte machte und mit Leidenschaft kämpfte. Valery führte mich bis zum Ende des Ganges, erklärte mir, was das hier alles zu bedeuten hat. Die Realität. Der ständige Wandel des Lebens.
Als ich mich nach der Reise von Valery verabschiedet hatte und aus der morschen Haustür trat, wurde mir bewusst, dass alles, was ich gesehen hatte, richtig war. Ich hätte andere Türen wählen können, es wäre anders verlaufen, trotzdem befinden sich hinter jeder Tür gute, sowie auch schlechte Zimmer. Ich entfernte mich immer weiter vom Haus, die Sonne spähte hinterm Horizont hervor, die Dunkelheit der Nacht verschwand. Ich hörte Vögel zwitschern und die Motoren der Stadt. Ich war zufrieden.
Eines hatte mir Valery noch zu geflüstert: „Selbst eine schwere Tür hat nur einen kleinen Schlüssel nötig.“

 
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Hallo whayaf!


Das ist eine sehr schöne, poetische und sensible Geschichte. Diese hier habe ich in einem durchgelesen - was ich sehr selten mache.
Sie macht ein wenig traurig, aber auch neugierig zugleich.
Der letzte Satz ist sehr philosophisch und macht nachdenklich.
Du hättest einige der "Räume" ein bisschen besser beschreiben können. Leider kann ich aber mit einer Tür mit der Aufschrift "Vergangenheit" nicht viel anfangen. Die ist ja schon passiert und die kennt der Prot ja schon.

Du hast nur den Fehler gemacht, bei allem, was gesprochen wird, keine neue Zeile anzufangen. Das ist für den Leser leichter zu verstehen und zu lesen.

Person 1: "Fragt"
Person 2: "Antwortet"
Person 1: "Spricht"


Dein Style gefällt mir sehr gut. Mach weiter so. Das leicht melancholische liegt dir sehr.

In dem Sinne!!!


LG

Betze

 
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Hallo whayaf,

ich habe deine Geschichte auch gelesen. Es ist eine kleine philosophische Betrachtung des Lebens, mit ein paar sehr schönen Textpassagen, die spritzig daher kommen.

Nur das Funkeln der Sterne und das Schnurren des Mondes waren zu hören.

...

Licht kam aus dem Haus, grüßte mich höflich aber verschwand schnell in der Dunkelheit.


Ich lese zurzeit in der Tagespresse (Freie Presse) einen Fortsetzungsroman von Kirsten Fuchs „Mädchenmeute“. Sie oder er verwendet auch viele solcher Wendungen. Ist manchmal witzig, manchmal wirkt es aber auch aufgesetzt. Bei dir hatte ich den Eindruck, dass man kurz über das Gelesene nachdenkt, aber nicht, um den Sinn zu erfassen, sondern eher, um den Gefühlen nachzuspüren.
Dein Text ist nicht kompliziert geschrieben, lässt sich aber dennoch nicht ganz flüssig lesen. Manchmal liegt es an Fehlern, fehlenden Wörtern oder ungünstigen Formulierungen. Ich habe es schon gesagt, ich empfinde den Text als philosophische Betrachtung, es fehlt also ein Spannungsbogen. Das ist jetzt kein Indiz für einen schlechten Text, nur meine Feststellung.

Jetzt zum Text im Einzelnen:

Aus Entfernung hörte ich Motoren brummen und eine Polizeisirene.

Den Satz muss ich ein bisschen auseinandernehmen. Meines Erachtens fehlt am Anfang ein Artikel: Aus der Entfernung
Dann stört mich, dass du einmal bei den Motoren ein Verb verwendest, und bei der zweiten Geräuschquelle nur das Substantiv. Es gibt für mich zwei Möglichkeiten:
Aus der Entfernung hörte ich Motorenbrummen und eine Polizeisirene.
Aus der Entfernung hörte ich Motoren brummen und eine Polizeisirene heulen.
Aber, wie gesagt, das sind meine Empfindungen.

Nach kürzester Zeit bewegte sich die Klinke nach unten, und mit einem leisen „klack“, öffnete sich die Tür.

mit einem leisen „Klack“ Durch den unbestimmten Artikel einem muss ein Substantiv folgen.

Und ihre rosafarbene Schürze, sowie ihre grünglänzenden Augen.

Der Satz ist kein Satz. Er bezieht sich noch auf die Frau, ihm fehlt aber die Aussage. Das sind so Sachen, die den Lesefluss bremsen.

„Gerade war es noch hell!“, antwortete ich hastig. „Umso näher ich an das Haus kam, desto dunkler wurde der Tag[,] und der Tag wurde zur Nacht und ich fing an die Sterne funkeln zu hören[Leerzeichen]...“

Hier muss ein Leerzeichen zwischen das letzte Wort und das erste Auslassungszeichen. Du willst anzeigen, dass weitere Worte folgen könnten. So, wie du sie gesetzt hast bedeutet das, es könnten noch Buchstaben zum Wort folgen.

„Langsam, kleines.“, unterbrach sie mein hilfloses Japsen, kniete sich auf meine Augenhöhe und legte mir ihre Hand auf meine Schulter.

„Langsam, Kleines“, unterbrach ... Kleines wird großgeschrieben und der Punkt muss weg, der Satz geht weiter. Das kommt noch mehrmals vor im Text.

Kurz darauf stand ich schon im Bauch des Hauses, einem Raum mit unzähligen, bunten Türen an den Wänden.

Das klingt komisch, wenn die Türen an den Wänden sein sollen. Die Türen sind doch in den Wänden.

„Ich heiße übrigens Valery.“, meinte die Frau, holte einen dicken Schlüsselbund aus ihrer Schürzentasche und schloss geübt die Tür auf.

„Ich heiße übrigens Valery“, meinte die Frau ... Der Punkt muss weg.
Dann stelle ich mir vor, welche Übung jemand braucht, um eine Tür aufzuschließen. Ich denke, das geübt kann entfallen.

Es gab mir Kraft, mich selbst zu sehen, wie ich meinen Traum war machte.

wahr machte

Aber diese Tage bringen nicht nur solche schönen Dinge mit sich.“, warnte sie und Schloss schon mit einem anderem Schlüssel die benachbarte Tür auf.

Punkt weg vor Ausführungszeichen
schloss wird klein geschrieben

„Wow.“, antwortete ich [ich] fassungslos.

Punkt weg vor Ausführungszeichen
Ein ich zu viel

Du wirst dich ablenken können und wieder ins Leben zurück finden, wenn du weiterhin an dich glaubst.

zurückfinden

Ich schniefte, sagte aber nichts weiter dazu, denn schon klapperten wir nach und nach Tür für Tür ab.

Vielleicht nur Ansichtssache, aber klänge Tür um Tür nicht besser?

Ich fing wieder an zu lächeln, als ich mich sah, mit einem Jungen, küssend an einer Bushaltestelle.

Das ist auch nur Gefühlssache. Ich würde hier drei Sätze draus machen. Vielleicht so:
Ich fing wieder an zu lächeln, als ich mich sah. Ich stand da mit einem Jungen an der Bushaltestelle. Und wir küssten uns.

Es machte mich traurig zu sehen, wie ich zwischen den Türen wandelte, litt[,] und nicht wusste, wo ich hin gehörte.

wo ich hingehörte

Ich hätte andere Türen wählen können, es wäre anders verlaufen, trotzdem befinden sich hinter jeder Tür gute, sowie auch schlechte Zimmer.

Auch hier ließe es sich besser lesen, würdest du mehrere kurze Sätze draus machen. Aber mir gefällt die Aussage des Satzes nicht. Dass sich hinter den Türen gute und schlechte Zimmer befinden, ist anzunehmen. Das wäre auch so, wenn deine Protagonistin andere Türen gewählt hätte. Mich stört das trotzdem in deinem Satz. Ich hätte hinter verlaufen einen Punkt gemacht, und gut. Den Rest kannst du weglassen.

@Betztbub hatte es schon versucht, dir klarzumachen, dass dein Text sich noch besser lesen ließe, würdest du bei Sprecherwechsel einen neuen Absatz machen.
Du hast bisher nur sechs Beiträge geschrieben, drei davon sind Themen. Ich habe mal in dein Profil geschaut. Du möchtest gerne Texte veröffentlichen. Bis du so weit bist, hast du noch bisschen Arbeit vor dir. An deiner Stelle würde ich mich stärker in das Forum einbringen, Texte anderer Autoren lesen und auch kommentieren. Auch an Fehlern, die andere machen, kannst du lernen, wenn du dich nämlich damit beschäftigst.

Noch ein Fazit zu diesem Text: Er hat mir gefallen, die Idee mit den Türen und den dahinter liegenden Emotionen, auch Sichten, wie der Vergangenheit, fand ich gut. Betzebubs Einwand, dass sie die Vergangenheit doch kenne, teile ich nicht, denn ein kritischer Blick auf das, was gewesen ist, ist gewiss kein Fehler. Also, an Ideen mangelt es dir keinesfalls. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß am Schreiben.

Schönen Gruß
khnebel

 

Hi Wahyaf,

Ein Text mit Sätzen die sich zum zitieren lohnen! Sehr cool.
Vor allem der letzte Satz. Selten bekomme ich Gänshaut beim Lesen, noch seltener in diesem Genre...
Hier hatte ich sie!

Ich finde an Kurzgeschichten ist der erste und der letzte Satz am wichtigsten.
In dieser Geschichte passt der erste Satz, auch wenn er jetzt nicht mitten in Geschehen stürzt.
Der letzte ist sehr geil!

Grüße

 

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