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Die Schatulle

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27.02.2014
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Die Schatulle

Es war am frühen Abend in einem Büro in einem der Gebäude an der Sorbonne.
Sie saß an ihrem Schreibtisch über einem Buch. Sie war so in dieses vertieft, dass sie nicht bemerkte, wie jemand in das Zimmer trat. Erst als die Person an ihrem Schreibtisch stand und sie die Umrisse des Schattens auf der Tischplatte sah, hob sie den Kopf.
„Was wollen Sie?“, fragte sie. „Ich brauche Ihre Hilfe.“, antwortete die fremde Person. „Wobei brauchen Sie meine Hilfe?“, erwiderte sie. „Sie sind Professorin für Alte Geschichte, richtig?“, entgegnete der Unbekannte. „Oui, das ist richitg.“, war ihre Reaktion darauf. „Ich habe dies hier gefunden. Können Sie vielleicht etwas damit anfangen?“, wollte der Fremde wissen und reichte ihr das Blatt Papier. „Es sind auf jeden Fall schon einmal Hieroglyphen. Wo sagten Sie, haben Sie dieses Papyrus gefunden?“, fragte sie neugierig. „Ich habe nichts von dem Fundort erwähnt. Also Ägyptisch. Und was besagen die Hieroglyphen?“, war nun die Reaktion des Fremden. „Hier steht etwas von einer Schatulle.“; gab sie der anderen Person zu verstehen, während sie von dem Stuhl aufstand und zu einem der Regale hinüberging. „“Eine Schatulle?! Und bei dieser Übersetzung sind Sie sich ganz sicher?“, war die eindringliche Frage des Unbekannten. „Oui, da bin ich mir sicher.“; antwortete die Professorin und gab ihrem Gegenüber das Papyrus zurück. „Und was es mit der Schatulle auf sich hat, steht nicht in dem Text?“, wollte der Fremde weiter wissen. „Non, das steht da nicht.“, sagte sie und sah sich dabei die Figuren im Regal an. besonders lange starrte sie auf eine kleine Truhe. Die andere Person bemerkte dies; und nun wurde deren Auftreten aggressiver. „Also eine Schatulle, ja?“ – „Oui.“ – „Ich glaube, Sie wissen mehr darüber, als Sie zugeben wollen.“ – „Non. Ganz und gar nicht. Ich habe Ihnen alles gesagt, was auf dem Papyrus steht.“ – „Sicher?! Dann macht es Ihnen bestimmt nichts aus, mir die Truhe aus dem Regal zu reichen.“ – „Wieso? Diese Truhe ist nichts Besonderes.“ – „Wirklich?! Wenn das so ist, dann können Sie mir ja die Schatulle ohne Bedenken geben.“ – „Non! Sie werden diese nicht bekommen. Diese war ein Geschenk meines früheren Professors.“ – „Das sehe ich ganz anders.“ Plötzlich hielt der Fremde eine Waffe in der Hand und richtete diese auf sie. „Geben Sie mir die Truhe.“ – „Non!“ – „Dann habe ich keine andere Wahl, als…“ Ein Schuss wurde abgefeuert. Sie spürte einen Schmerz und stützte sich an einer der Statuen, die neben dem Regal standen, ab. Sie sah das Blut an ihrer linken Hand. Sie fiel zu Boden. Dann… sie sah im flackernden Licht nur noch den Schatte den Unbekannten.

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Es war am frühen Montagmorgen, als Teresé Lenoir zur Arbeit kam.
Wie jeden Tag setzte sie Kaffee auf, nachdem sie ihre Tasche neben ihren Schreibtisch gestellt hatte. Erst dann betrat sie das Büro ihrer Chefin und legte das, von ihr vorbereitete Skript der heutigen Vorlesung auf den Schreibtisch. Danach zog sie die Vorhänge auf und ließ das Sonnenlicht hinein. Als sie erneut zur Tür ging, sprang ihr die umgefallene Statue ins Auge. Diese stellte sie wieder auf und erblickte dabei ihre Chefin. Sie fing laut an zu schreien und rannte aus dem Zimmer. Ein junger Mann kam sofort in ihr Büro gestürmt und wollte nachsehen, was los sei. „Madame Lenoir, was ist denn passiert?“ – „Sie ist tot.“ – „Wer?“ – „Madame Dequemne.“ – „Sind Sie sicher?“ – „Oui. Sie liegt leblos auf dem Fußboden in ihrem Büro.“ – „Dann rufen wir jetzt die Polizei. Und Sie setzen sich auf Ihren Stuhl und beruhigen sich langsam wieder.“
Es dauerte nicht lange und am späten Vormittag war die Polizei vor Ort. Auch Jean Lacroix erschien am Tatort. Er ging auf Teresé Lenoir zu und stellte ihr ein paar Fragen. „Die Tote war Ihre Chefin?“ – „Oui. Madame Dequemne.“ – „Aha. Wann haben Sie sie zuletzt lebend gesehen?“ – „Am Freitagnachmittag.“ – „Was hat sie gemacht?“ – „Sie saß an ihrem Schreibtisch und las in einem Buch.“ – „Ich verstehe. Besaß sie eine Professur?“ – „Oui.“ – „Für welches Gebiet?“ – „Sie war Professorin für Alte Geschichte.“ All diese Informationen notierte sich der Kriminalist – ganz wie es seine Art war – in seinem Notizbuch. Danach sah er sich das Büro der Toten genau an. auf dem Schreibtisch fand er das Buch, in dem das Opfer vor dessen Tod gelesen hatte. Es handelte von Pharaonen der 18. Dynastie. Er blätterte ein bisschen in diesem, ehe er sich dem Terminkalender der Toten widmete. Dabei fiel ihm auf, dass der Mittwoch rot angestrichen war und dort ein Name stand. Nämlich: Samuel. Zurück im Büro der Assistentin stellte er dieser erneut ein paar Fragen. „Wissen Sie, wer dieser Samuel ist?“ – „Samuel?!“ – „Oui. Der unter Mittwoch im Terminkalender Ihrer Chefin steht.“ – „Oh. Samuel!“ – „Und…?“ – „Dies ist er Gatte der Professorin.“ – „Aha. Samuel Dequemne, richtig?“ – „Oui.“ Er verabschiedete sich.

Zurück im Präsidium setzte sich der Inspector an seinen Schreibtisch. Er gab den Namen Samuel Dequemne in den Computer ein. Dieser spuckte kurze Zeit später die Adresse des besagten Mannes aus: Rue Galvani, Nummer 8. Dies notierte er sich und wollte sich gerade auf den Weg machen, als ein Kollege von ihm ins Zimmer kam. „Oh, Inspector. Ich dachte, Sie seien noch unterwegs.“ – „Non. Wie Sie sehen können, bin ich hier.“ – „Bon. Ich habe mit der Assistentin des Opfers eine Liste der Gegenstände, die sich im Büro der Toten befinden müssten, erstellt.“ – „Und?! Gibt es eine Auffälligkeit?“ – „Oui. Es fehlt etwas.“ – „Und was?“ – „Eine kleine Truhe.“ – „Aha. Was hat es mit dieser Truhe auf sich?“ – „Keine Ahnung. Aber ich gehe der Sache nach.“ – „Machen Sie das, Merzac.“ Die beiden verließen gleichzeitig das Präsidium.
Lacroix begab sich in die Rue Galvani. Als er vor dem Hauseingang stand, suchte er nach dem Klingelschild mit dem Namen Dequemne. Er drückte auf den Knopf und wartete darauf, ins Haus gelassen zu werden. Nach ein paar Minuten vernahm er eine Stimme von der Gegensprechanlage. „Monsieur Dequemne?“ – „Oui.“ – „Mein Name ist Jean Lacroix. Ich bin von der Polizei.“ – „Von der Polizei?! Ist etwas passiert?“ – „Kann ich hereinkommen? Dann kann ich Ihnen das In Ruhe erklären.“ – „Natürlich.“ Der Mann ließ ihn ins Haus. Er musste bis in den vierten Stock. An der Wohnungstür erwartete ihn schon der sehr nervöse Mann. In der Wohnung nahmen beide im Wohnzimmer Platz. „Nun sagen Sie schon, Inspector, warum Sie hier sind.“ – „Ich muss Ihnen eine traurige Nachricht überbringen.“ – Und welche?“ – „Ihre Gattin ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen.“ – „Non, da irren Sie sich. Da irren Sie sich aber gewaltig.“ – „Leider nicht.“ Samuel Dequemne war fassungslos. Er stand vom Sofa auf und ging hinüber zur Vitrine. Er holte ein Glas heraus, nahm die Flasche vom Bartisch und goss sich einen Schnaps ein. Nachdem er sich beruhigt hatte, setzte er sich erneut dem Inspector gegenüber. „Wie ist Odette gestorben?“ – „Man hat sie erschossen.“ – „Warum musste sie sterben?“ – „Dieser Frage will ich nachgehen.“ – „Wo hat man sie gefunden?“ – „Sie wurde in ihrem Büro in der Universität gefunden. Von ihrer Assistentin.“ – „Von Madame Lenoir?“ – „Oui. Und Sie fanden es nicht merkwürdig, dass Ihre Gattin am Freitagabend nicht nach Hause kam?“ – „Non!“ – „Warum nicht?“ – „Für das Wochenende hatte sie zu einem Kongress zugesagt, an dem sie als Rednerin teilnehmen wollte.“ – „Aha. Und dieser Kongress war jetzt an diesem Wochenende?“ – „Oui. Deswegen dachte ich mir nichts dabei.“ – „Können Sie mir vielleicht Informationen zu dem Kongress geben?“ – „Aber natürlich. Ich habe hier den Flyer zum Kongress. Auf diesem stehen alle wichtigen Informationen drauf.“ – „Merci. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, melden Sie sich bitte.“ Der Polizist verabschiedete sich und machte sich auf den Heimweg.

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Am frühen Dienstagmorgen herrschte in der Gerichtsmedizin schon ein reges Treiben.
Dr. Bertrand war gerade dabei, sich ein Bild von der Toten zu machen. Die Tote lag vor ihm auf dem Obduktionstisch. Er wusch den Körper, er schoss Fotos. Danach fing er mit der eigentlichen Obduktion an. In sein Diktiergerät sagte er: „Das Opfer ist eine Frau mittleren Alters.“ Während dieser Eingabe sah er sich die Schusswunde der Toten genauer an. „Jemand hat dem Opfer in die Brust geschossen. Nur eine Eintrittswunde ist zu sehen. Demnach wurde nur ein Schuss abgefeuert.“ Er drehte die Leiche auf den Rücken und stellte weiter fest: „Es gibt keine Austrittswunde. Also war es ein Steckschuss.“ Somit führte er eine kleine Kamera in die Schusswunde ein. Dann sah er auf einen Monitor und versuchte die Patrone zu entdecken. Es dauerte eine Weile. Als er die Patrone auf dem Monitor erblickte, sagte er: „Da hast du dich versteckt.“ Mit einer Pinzette holte er diese aus dem Körper und legte sie in eine Metallschale. „Die Einschusswunde ist verhältnismäßig klein. Somit wurde sie aus kurzer Entfernung erschossen. Die Patrone verfehlte das Herz um Millimeter.“ Nach der Obduktion wusch er die Leiche noch einmal, legte ein weißes, langes Tuch über den ganzen Körper und schob diesen in die Kühlkammer.

Zur selben Zeit war Jean Lacroix auf den Weg zur Sorbonne, um erneut mit der Assistentin des Opfers zu sprechen. Er betrat deren Büro und schloss die Tür hinter sich. „Ah, Inspector, gibt es schon Neuigkeiten?“ – „Non.“ – „Was möchten Sie dann von mir?“ – „Ich habe diesen Flyer vom Ehemann Ihrer Chefin bekommen.“ – „Und?“ – „Ich wollte Sie fragen, ob Sie wussten, dass Madame Dequemne vorhatte an diesem Kongress teilzunehmen?“ Lacroix reichte Madame Lenoir den Flyer. Die Dame sah sich diesen an und schaute dann in ihren Terminkalender auf ihrem Schreibtisch. „Oui. Madame Dequemne hatte eine Einladung zu diesem Kongress bekommen. Sie entschied sich daran teilzunehmen.“ – „Aha. Also hätte sie an dem vorigen Wochenende in Lyon sein müssen?“ – „Oui.“ – „Was hat sie dann noch am frühen Freitagabend in ihrem Büro gemacht?“ – „Vielleicht wollte sie noch Materialen für ihren Vortrag zusammensuchen und sich von hier aus auf den Weg nach Lyon machen.“ – „Das könnte eine Erklärung sein. Worüber wollte sie denn referieren?“ – „Ist dies für Ihre Ermittlungen von Belang?“ – „Könnte es werden.“ – „Ich verstehe. Ihr Vortrag sollte von den Pharaonen der 18. Dynastie handeln.“ – „Das klingt ziemlich interessant.“ – „War es auch.“ – „Wissen Sie, wer den Kongress organisiert hat?“ – „Oui. Das war Professor Alain Marneffe.“ – „Er ist ebenfalls Dozent hier an der Sorbonne, richtig?“ – „Non. Er ist Dozent an der Universität Lyon.“ – „Können Sie mir eine Liste mit den Materialen, die Ihre Chefin für den Vortrag benutzen wollte, zusammenstellen?“ – „Aber natürlich. Glauben Sie, ihr Tod hat etwas damit zu tun?“ – „Vielleicht. Man kann es nicht ausschließen.“ Teresé Lenoir gab ihm die Liste.

Am Nachmittag suchte Lacroix seine Stammbuchhandlung auf dem Boulevard Saint-Germain auf. „Oh, Inspector. Brauchen Sie mal wieder neuen Lesestoff?“, fragte die Buchhändlerin. „Salût. Oui. Ich suche etwas bestimmtes.“, antwortete der Polizist. „Und was?“, entgegnete sie. „Hier ist eine Liste. Haben Sie irgendeines der Bücher da?“, erwiderte er und gab ihr den Zettel. „Ich sehe mal im Computer nach.“, sagte sie. Die Dame schaute nach und meinte nach einem kurzen Augenblick: „Wir haben zwei der Bücher von Ihrer Liste da. Wollen Sie diese mitnehmen?“ „Oui.“, war seine Antwort. „Ich packe die Bücher in eine Tüte. Interessantes Thema haben Sie sich ausgesucht.“, gab sie von sich. „Mag sein. Ist nur eine Recherche für einen Fall.“, erklärte er ihr. „Oh. Na dann. Dies macht zusammen 38,95 Franc.“ Der Inspector bezahlte und ging mit den Büchern aus dem Laden.
Nachdem Lacroix in der Rue Lacordaire seine Wohnung betreten hatte, zog er seinen braunen Mantel und seine Schuhe aus und setzte sich ins Wohnzimmer auf das blaue Sofa. Er bemerkte nicht, dass seine Gattin Clarisse ins Zimmer trat. „Na, heute mal schon früher Feierabend?“ – „Comment? Oh! Oui.“ – „Bon. Dann können wir ja gemeinsam zu Abend essen.“ – „Oui.“ – „Super. Ich gehe jetzt in die Küche und bereite das Essen vor.“ Clarisse verschwand in die Küche und rumorte dort ausgiebig herum. Nach einer guten Stunde war das Essen fertig. Sie deckte schnell den Tisch im Wohnzimmer und dann setzten sich beide. „Wie war dein Tag?“ – „Er war anstrengend.“ – „Aha. Musst du das Buch auch noch beim Essen lesen? Du kannst es doch nachher weiterlesen.“ – „Das ist aber wichtig.“ – „Wichtig?! Natürlich, was sonst. Alles, was der werte Herr tut, ist wichtig. Ich würde mir wünschen, dass du auch mal Rücksicht auf mich nimmst. Was liest du da überhaupt?“ – „Ich lese >Die Pharaonen<.“ – Thutmosis und so.“ – „Exactement.“ – „Warum liest du etwas über Pharaonen? Hat dies etwa mit einem deiner Fälle zu tun?“ – „Vielleicht.“ – „Ich verstehe. Aber jetzt hast du Feierabend. Ich würde einmal gern einen schönen Abend mit dir verbringen.“ – „Bon. Ich lege das Buch schon beiseite.“ – „Merci.“ Nach dem Abendessen saßen die beiden mit einem Glas Cognac bei einer gepflegten Runde Schach beieinander.

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Es war ein herrlicher Mittwochmorgen, als sich der Kriminalist von der Rue Lacordaire auf den Weg ins Präsidium machte.
Dort angekommen teilte ihm der Streifenpolizist Merzac – auf dem Gang vor seinem Büro – mit, dass in dessen Büro ein Mann auf ihn warte. als er den Raum betrat, erkannte er den Gatten des Opfers. „Monsieur Dequemne, was kann ich für Sie tun?“ – „Sie haben doch gesagt, wenn mir noch etwas einfällt, sollte ich mich melden.“ – „Oui.. Und was ist Ihnen noch eingefallen?“ – „Am Freitagnachmittag hat jemand bei uns zu Hause angerufen, um mit meiner Frau zu sprechen.“ – „Wissen Sie, was diese Person wollte?“ – „Es hatte etwas mit der Arbeit zu tun.“ – „Wie hieß die Person?“ – „Pierre Hulôt.“ – „Bon. Hatte er irgendetwas Genaueres gesagt?“ – „Er meinte, es hätte etwas mit einer Inschrift zu tun.“ – „Aha. Wollte er sich noch einmal bei Ihnen melden?“ – „Ich sagte ihm, wo sich Odette aufhalten würde. Darauf meinte er nur, dass er nun Bescheid wisse.“ – „Und das war alles?“ – „Oui. Glauben Sie, Inspector, dass Ihnen dies weiterhelfen könnte?“ – „Mal sehen.“ Samuel Dequemne verabschiedete sich und ging.
Lacroix setzte sich an seinen Schreibtisch und nahm den Flyer von dem Kongress in die Hand. „Wenn sie dorthin wollte, muss sie doch einen Koffer im Büro stehen haben sowie auch Unterlagen vom Hotel und vielleicht ein Bahnticket oder ähnliches?“, sagte er laut vor sich hin. Er rief Merzac zu sich. „Merzac, können Sie mir die Liste – die mit den Gegenständen aus dem Büro des Opfers – geben?“ – „Oui. Wieso?“ – „Ich möchte etwas überprüfen.“ – „Ich verstehe.“ Merzac gab ihm die Liste. Der Inspector sah sich die Liste an und fand an siebter Stelle den Koffer sowie an achter Position die Handtasche. Während er die Liste an die Pinnwand – neben dem Foto des Opfers – mit einem Magneten befestigte, wies er Merzac an, den Koffer und die Handtasche aufs Präsidium zu bringen. Dann schrieb er mit einem roten Stift den Namen Pierre Hulôt auf die Pinnwand und zeichnete einen Pfeil zum Foto des Opfers. Er dachte über die vermeintliche Verbindung zwischen der Toten und diesem besagten Mann nach. Doch bis jetzt konnte er sich noch keinen Reim darauf machen. So stand er noch eine Weile vor der Pinnwand, ohne sich zu rühren. Erst als jemand den Raum betrat, zeigte er eine Reaktion. „Na, worüber grübelst du?“ – „Oh. Salût, Maximé. Ach, welche Verbindung zwischen unserem Opfer und dieser Person bestehen könnte.“ Mit dem Finger deutete Lacroix auf den männlichen Namen an der Pinnwand. „Aha. Du findest es noch heraus. Pierre Hulôt ist die andere Person?“ – „Oui. Sagt dir der Name etwas?“ – „Ich glaube schon.“ – „Und?! Wer soll das sein?“ – „Wenn ich mich recht erinnere, dann ist dieser Hulôt ein sehr reicher Mann.“ – „Aha. Und weiter?“ – „Er ist ein Liebhaber von alter Kunst.“ – „Ein Liebhaber von alter Kunst?! Und das bedeutet?“ – „Er sammelt antike Gegenstände.“ – „Sieh mal an. Dieser Hulôt hat ein Faible für die Antike.“ – „Das sieht so aus. Und jetzt mal etwas anderes. Ich habe hier den Obduktionsbericht.“ – „Und was hat die Untersuchung ergeben?“ – „Die Obduktion ergab, dass unser Opfer aus kurzer Entfernung erschossen worden ist.“ – „Und dies war die Todesursache?“ – „Oui. Die Patrone ist in ihr steckengeblieben und hat nur knapp das Herz verfehlt. Sie ist verblutet. Der Tod ist zwischen 18.00 und 20.00 Uhr eingetreten.“ Dr. Bertrand gab dem Kriminalisten den Bericht und die Patrone, welche er in einem Plastiktütchen sichergestellt hatte.

Der Inspector stand vor der Pinnwand. Unter dem Foto des Opfers schrieb er die Todesursache: Verblutet infolge einer Schussverletzung. Unter den männlichen Namen notierte er: Kunstsammler. Darüber hinaus vermerkte er auf der Pinnwand, dass die Patrone aus einem 38-ger Revolver stammte. Während er dabei war, dies alles festzuhalten, kam Merzac in das Zimmer. „Inspector Lacroix, ich bringe Ihnen die Handtasche und den Koffer des Opfers.“ – „Bon. Merci, Merzac.“ – „Über die verschwundene Schatulle habe ich noch nichts herausfinden können.“ – „Das macht nix.“ – „Aber ich habe ein Foto von der Truhe.“ – „Das ist doch schon mal etwas. Kommen wir zu etwas anderem.“ – „Oui?“ – „Können Sie diesen Pierre Hulôt befragen, bitte.“ – „Natürlich. Was hat er mit dem Fall zu tun?“ – „Diese besagte Person rief bei unserem Opfer zu Hause an.“ – „Ich verstehe. Ich klemme mich gleich dahinter.“ Nachdem Merzac das Büro verlassen hatte, nahm sich der Kriminalist die Handtasche und den Koffer vor. In der braunen Handtasche fand er das Portemonnaie, die Schlüssel und das Ticket für den Zug. Auf der Pinnwand befestigte er mit einem Magneten das Ticket. Im Koffer befand sich die Kleidung – für ein bis zwei Tage. Auch fand er dort in der kleinen Seitentasche die Reservierungsbestätigung für ein Hotelzimmer in Lyon. Auf dem Schreiben stand: Hôtel Du Dauphin, Lyon. Dieses Schreiben heftete er auch an die Pinnwand.

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Am Donnerstagvormittag saß Lacroix schon im Zug nach Lyon.
Am Bahnhof in Lyon angekommen nahm er sich ein Taxi und ließ zu dem Hotel Du Dauphin kutschieren. An der Rezeption fragte er den Consierge nach der Reservierung des Opfers. „Oui. Die Reservierung haben wir bestätigt. Doch die Dame ist nie hier angekommen.“ – „Das liegt daran, dass die Dame einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.“ – „Oh. Das ist ja furchtbar.“ – „Für wie lange wollte sie das Zimmer haben?“ – „Nur für das Wochenende.“ – „Aha. Hat sie Ihnen auch den Grund dafür genannt?“ – „Lassen Sie mich mal überlegen. Sie sagte etwas von einer Tagung.“ – „Aha.“ – „Wollen Sie noch etwas wissen?“ – „Non. Merci.“ Der Kriminalist verabschiedete sich.

Nun machte sich der Inspector auf den Weg zur Universität. Dort fragte er nach Alain Marneffe. Eine Studentin geleitete ihn zum Büro des Professors. Er klopfte an die Tür und trat dann ein. „Inspector, Sie sind aber hier in Lyon falsch. Ihr Revier ist doch Paris?!“ – „Das stimmt.“ – „Und was hat Sie dann nach Lyon verschlagen?“ – „In Paris kläre ich gerade einen Mord auf.“ – „Oho. Und wie kann ich Ihnen bei der Aufklärung dann nützlich sein?“ – „Sie haben am letzten Wochenende einen Kongress abgehalten?“ – „Oui. Wieso fragen Sie?“ – „Kennen Sie eine Odette Dequemne?“ – „Oui. Sie ist eine renommierte Professorin für Alte Geschichte an der Sorbonne.“ – „Und sie sollte auf dem Kongress als Rednerin teilnehmen, richtig?“ – „Oui. Ich habe sie dazu eingeladen. Sie hat bereitwillig zugesagt. Aber leider ist sie nie erschienen. Wieso wollen Sie dies alles wissen?“ – „Nun – den Mord, den ich aufzuklären habe – ist der Mord an Odette Dequemne.“ – „Oh, das ist ja schrecklich. Deswegen ist sie nicht erschienen. Und haben Sie schon irgendwelche Hinweise?“ – „Naja, wie man es nimmt.“ Der Kriminalist zog aus seinem Notizbuch ein Foto und reichte dieses dem Professor. „Können Sie etwas mit dem Gegenstand auf der Fotografie anfangen?“ – „Dies ist eine Schatulle. Sie stammt aus der Zeit der Alten Ägypter. Wahrscheinlich so um 1510 v. Chr. Aber eine genauere Datierung kann ich Ihnen geben, wenn ich die Schatulle leibhaftig vor mir habe.“ – „Oui. Dies wird ein bisschen schwierig. Denn diese Truhe wurde aus dem Büro der Toten entwendet.“ – „Aha. Das ist wirklich schade.“ – „Wissen Sie vielleicht, was es mit der Schatulle auf sich hat?“ – „Ich gehe mal davon aus, dass irgendetwas in ihr aufbewahrt wird oder wurde.“ – „Doch was könnte das sein?“ – „Tja, da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen.“ Der Professor gab ihm das Foto zurück und ging zur Tür. „Inspector, wenn Sie keine Fragen mehr haben, würde ich gerne das Gespräch beenden. Ich muss nämlich zur nächsten Vorlesung.“ – „Bon. Ich habe keine Fragen mehr. Sie haben mir sehr geholfen.“ Damit verabschiedeten sich beide voneinander.

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Am Freitagmorgen saß Jean Lacroix im Zug nach Paris.
Er hatte sich einen Tag zuvor dafür entschieden, im Hotel in Lyon zu übernachten. Nun befand er sich auf dem Heimweg. Die ganze Fahrt über dachte er über den Fall nach. Dabei schossen ihm einige Fragen durch den Kopf. „Was ist so besonders an der Truhe? Warum muss man jemanden für eine kleine Truhe umbringen?“ Für ihn ergab dies keinen Sinn. In sein Notizbuch schrieb er daher: Unbedingt mehr über diese Truhe herausbekommen! Noch einmal mit dem Ehemann sprechen!
Als er in Paris angekommen war, begab er sich auf dem schnellsten Weg ins Präsidium. Dort setzte er sich an seinen Schreibtisch und versuchte per Computer etwas mehr über die Truhe herauszufinden. Ohne Ergebnis. „Irgendwie muss man doch an Informationen kommen können.“, sagte er laut vor sich hin. In diesem Moment betrat Dr. Bertrand das Büro. „Na, wie geht´s?“ – „Oh, Maximé. Ganz gut. Was möchtest du?“ – „Nur mal wissen, wie weit du mit dem Fall vorangekommen bist. Habe von Clarisse gehört, du hast gestern Nacht in Lyon in einem Hotel geschlafen?“ – „Das ist richtig. Ich habe gestern einen Kollegen der Toten befragt.“ – „Aha. Interessant.“ – „Das war es auch. Doch hat mich dies nicht wirklich weitergebracht.“ – „Und jetzt?“ – „Nun versuche ich mehr über eine Truhe herauszufinden, die aus dem Büro des Opfers entwendet worden ist.“ – „Klingt nicht gerade begeistert?“ – „Bin ich auch nicht. Ich weiß mir absolut nicht zu helfen.“ – „Versuche es doch mit einem Spezialisten.“ – „Spezialisten?!“ – „Oui. Ich nehme an, die Truhe ist antik?“ – „Das stimmt. Und welcher Spezialist soll dafür in Frage kommen?“ – „Wie wäre es mit einem Kunsthistoriker. Dieser kennt sich mit alten Gegenständen bestens aus sowie mit deren Verwendung und ähnlichem.“ – „Das ist eine gute Idee. Merci.“ – „Kein Problem. Ich muss mal wieder zurück an die Arbeit.“ – „Wir sehen uns dann bestimmt noch.“

Um die Mittagszeit hatte sich der Kriminalist gerade etwas zu essen geholt, als Merzac bei ihm erschien. „Inspector, ich habe diesen Kunstsammler befragt.“ – „Und?“ – „Naja, er meinte, dass es sich bei dem Anruf um nichts Wichtiges gehandelt habe.“ – „Nichts Wichtiges?! Hat er dies noch irgendwie weiter ausgeführt?“ – „Non. Ich hatte aber das Gefühl ….“ – „“Sie hatten was für ein Gefühl, Merzac?“ – „Na, ich hatte das Gefühl, dass er nicht ganz damit rausrücken wollte, worum es wirklich ging.“ – „Dieses Gefühl hatten Sie?!“ – „Oui.“ – „Ich verstehe. Dann werde ich mal wohl diesem Kunstsammler einen Besuch abstatten.“ – Tun Sie das.“ Nachdem er zu Mittag gegessen hatte, machte er sich auf den Weg zur Universität. Dort begab er sich in das kunsthistorische Institut. Er klopfte an die Bürotür einer gewissen Professorin Stephanie Plantard. „Kommen Sie nur herein.“ Nach dieser Aufforderung betrat der Kriminalist den Raum. „Wer sind Sie? Und was wollen Sie?“ – „Mein Name ist Jean Lacroix und bin von der Polizei.“ Er zeigte der Dame seinen Ausweis. Sie nickte mit dem Kopf und kramte ungeniert weiter in ihren Unterlagen. „Ja, und?! Was wollen Sie?“ – „Ich bräuchte Ihre Hilfe bei einer heiklen Angelegenheit.“ – „Aha! Meine Hilfe?! Bei welcher Angelegenheit? Doch nicht etwa bei der Identifizierung einer Leiche?! Denn dann sind Sie bei mir an der falschen Adresse.“ – „Non, nicht für sowas.“ – „Und bei was dann! Lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ – „Dieser Gegenstand – auf diesem Foto hier – ist für mich ein absolutes Rätsel. Können Sie da zur Aufklärung vielleicht beitragen?“ – „Das werden wir sehen, ob ich Ihnen die Erleuchtung bringe oder nicht.“ Er gab ihr die Fotografie. Sie sah sich das Bild an und meinte dann nach einer Weile: „Es handelt sich um eine antike Truhe. Haben Sie diese auch im Original vorliegen?“ – „Non. Denn das Problem ist, dass die Truhe gestohlen wurde.“ – „Aha.“ – „Können Sie mir trotzdem irgendwie helfen?“ – „Wenn das natürlich so ist. Würden Sie mir das Bild für ein paar Tage überlassen?“ – „Sicher, wenn es der Aufklärung dient.“ – „Das wäre gut.“ Ehe sie sich verabschiedeten, einigten sie sich darauf, dass sich Madame Plantard beim Inspector meldet.

6

Nach dem Wochenende – an diesem Montag – hatte sich Jean Lacroix vorgenommen, noch einmal den Ehemann der Toten aufzusuchen.
In der Wohnung der Dequemnes saßen die beiden Männer sich im Wohnzimmer gegenüber. „Inspector, ich nehme an, Sie haben noch ein paar Fragen an mich.“ – „Oui.“ – „Dann stellen Sie Ihre Fragen.“ – „Wie war das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Frau?“ – „Um ehrlich zu sein, lief es in letzter Zeit bei uns nicht mehr so rund wie früher.“ – „Aha. Das bedeutet?“ – „Wir lebten bis zu ihrem Tod zeitweilig getrennt voneinander.“ – „Und wer durfte in dieser Zeit in der gemeinsamen Wohnung bleiben?“ – „Sie!“ – „Also hätten Sie, Monsieur Dequemne, gar nicht am Montag sowie Freitagabend in der Wohnung sein dürfen?“ – „Richtig.“ – „Aber warum waren Sie dann hier?“ – „Ich wollte mit Odette reden.“ – „Über?“ – „Über die momentane Situation zwischen uns.“ – „Und am Freitag haben Sie sie nicht angetroffen?“ – „Doch, bevor sie zur Universität gegangen ist.“ – „Ja, und wie ist das Gespräch ausgegangen?“ – „Wir haben uns gestritten.“ – „Wieso?“ – „Ich wollte unsere Ehe weiter fortsetzen.“ – „Und Sie wollte nicht?“ – „Oui. Sie hat gesagt, sie habe einen Anwalt schon konsultiert.“ – „Sie wollte also die Scheidung.“ – „Oui.“ – „Ihre Frau ist gegangen und Sie sind ihr nicht gefolgt bis zur Universität?“ – „Non! Wieso hätte ich dies tun sollen?“ – „Ganz einfach. Sie waren über die Entscheidung Ihrer Gattin nicht sehr erfreut. Sie wollten sie daher versuchen umzustimmen. Doch…“ – „Doch was, Inspector? Meinen Sie etwa, ich hätte meine Frau getötet?“ – „Oui, das meine ich. Der Versuch, sie umzustimmen, hat nicht geklappt. Deshalb eskalierte die Situation. Sie haben sie erschossen und sind dann schnell wieder verschwunden.“ – „Non! Ich habe nichts dergleichen getan. Geschweige denn, dass ich ihr gefolgt bin und sie erschossen habe. Ich war hier. Schließlich habe ich den Anruf für sie entgegengenommen.“ – „Der Anruf. Richtig. Um wieviel Uhr war dieser ungefähr?“ – „Der Anruf war so gegen halb fünf Uhr am Freitagnachmittag.“ – „Oho. Dann hätten Sie noch genügend Zeit gehabt, zur Universität zu gehen und Ihre Gattin zu töten. Denn der Tod trat zwischen 18.00 und 20.00 Uhr ein. Doch ich verstehe nicht, warum Sie dann eine kleine Holzschatulle mitgehen ließen?!“ – „Aber ich war ja überhaupt nicht dort und habe Odette gar nichts angetan. Somit kann ich auch keine Schatulle entwendet haben. Und von welcher Schatulle sprechen Sie?“ – „Ich meine eine kleine Holztruhe, die in einem der Regale im Büro Ihrer Gattin stand.“ – „Ich weiß nicht, welche Sie meinen.“ – „Bon. Also Sie bleiben bei Ihrer Aussage, dass Sie Ihrer Gattin kein Haar gekrümmt haben?“ – „Oui.“

Um die Mittagszeit saß Lacroix wieder in seinem Büro. Er blätterte in seinem Notizbuch, bis er die Seite aufgeschlagen hatte, auf der der Name dieses besagten Kunstsammlers stand. „Dieser Hulôt! Wie passt er in dieses Puzzle?“ Diese Frage schwirrte in seinem Kopf herum. Er rief Merzac zu sich. „Da sind Sie ja, Merzac.“ – „Wobei kann ich Ihnen behilflich sein, Inspector?“ – „Ich bräuchte von Ihnen die Adresse dieses Kunstsammlers.“ – „Sie meinen Pierre Hulôt?“ – „Oui. Den meine ich.“ – „Die Adresse lautet: Rue Jasmin, Hausnummer 8.“ – „Merci.“ Nachdem der Kriminalist sich diese notiert hatte – in seinem Notizbuch -, zog er seinen braunen Mantel an und verließ das Präsidium. Er begab sich zu der besagten Adresse. Als er dort ankam, stand er vor einer schlichten Hausfassade. Diese machte nicht gerade den Eindruck, als würde in dem Haus ein wohlhabender Mensch wohnen. Er klingelte und wurde anschließend ins Haus gebeten. Drinnen staunte er nicht schlecht. Er befand sich in einer imposanten Halle. Überall an den Wänden hingen riesige Gemälde oder standen antike Statuen. Er fühlte sich wie in einem Museum. Von dem Butler wurde er in einen Salon geführt, in dem ein etwas älterer Herr gerade auf einem der zwei Sofas Platz genommen hatte. „Setzen Sie sich doch. Sie sind der Inspector?“ – „Oui. Und Sie sind Pierre Hulôt?“ – „Oui.“ – „Ich hätte nur ein paar Fragen, wegen eines Anrufs, den Sie an dem Freitag vor knapp zwei Wochen getätigt haben.“ – „Vor zwei Wochen?“ – „Oui. Sie haben bei einer gewissen Odette Dequemne angerufen. Erinnern Sie sich wieder?“ – „Oh, oui. Die Professorin, die zu Tode gekommen ist.“ – „Genau.“ – „Was haben Sie denn für Fragen?“ – „Worum ging es in dem Anruf?“ – „Das habe ich Ihrem Kollegen vor ein paar Tagen auch schon alles gesagt. Um nichts Weltbewegendes.“ – „Aha. Um nichts Weltbewegendes?!“ – „Oui. Außerdem sprach ich sowieso nur mit dem Gatten. Denn Madame Dequemne war nicht zu Hause.“. – „Um wieviel Uhr haben Sie bei den Dequemnes angerufen?“ – „Es war so um halb fünf am Nachmittag.“ – „Und da sind Sie sich ganz sicher?“ – „Absolut.“ – „Ich habe in der Eingangshalle die schönen Bilder sowie die Statuten gesehen. Sie sammeln solche Dinge?“ – „Oui. Alte Dinge interessieren mich sehr.“ – „Sie interessieren sich für Geschichte?“ – „Richtig.“ – „Und für welche Epoche haben Sie einen besonderen Faible, wenn ich fragen darf?“ – Sie dürfen. Ich interessiere mich sehr für das Alte Ägypten.“ – „Aha. Danke für Ihre Zeit.“ – „Keine Ursache.“

Am frühen Abend saß Jean Lacroix immer noch in seinem Büro. Er grübelte über die Verbindung zwischen dem Opfer und dem Kunstsammler. Er konnte sich immer noch keinen Reim darauf machen. Er wurde je aus seinen Gedanken gerissen. „Oh, gut. Sie sind noch da.“ – „Oui, Merzac. Was gibt es?“ – „Jemand möchte Sie sprechen?“ – „Und wer?“ – „Eine gewisse Madame Plantard.“ – „Schicken Sie sie rein.“ Der Kriminalist brachte noch schnell seinen Schreibtisch in Ordnung, ehe die Dame eintrat. „Setzen Sie sich doch, bitte.“ – „Merci.“ – „Haben Sie etwas herausgefunden?“ – „Erst einmal bekommen Sie Ihre Fotografie wieder.“ – „Merci.“ – „Die Truhe stammt aus Ägypten und gehört in die Zeit der Pharaonen aus der 18. Dynastie. Somit aus der Zeit von 1539 – 1292 v.Chr.“ – „Interessant. Und welche Funktion kam der Truhe zuteil?“ – „Die Truhe diente als Aufbewahrungsort für einige wichtige Gegenstände.“ – „Was waren das für Gegenstände?“ – „Die Reichsinsignien der Pharaonen.“ – „Die passten in so eine kleine Truhe?“ – „Oui. Zum Beispiel wurde dort der Reichsring des Pharaos aufbewahrt.“ – „Aha. Demnach würde jemand für so ein Relikt auch einen Mord begehen?“ – „Natürlich. Sie müssen wissen, Inspector, ägyptische Artefakte genießen sehr hohes Ansehen in den Kreisen der Kunstsammler. Außerdem besitzt dieser Gegenstand einen extrem hohen Wert.“ – „Aha. Wie hoch würden Sie den Wert der Truhe schätzen?“ – „Auf jeden Fall mehr als Millionen Franc.“ – „Och. Das ist mal eine Hausnummer. Etwas anderes. Kennen Sie einen gewissen Pierre Hulôt?“ – „Oui. Ein komischer Zeitgenosse. Er sammelt alles, was mit dem Alten Ägypten zu tun hat.“ – „Somit hätte dieser ein großes Interesse an dieser Truhe.“ – „Davon können Sie ausgehen, Inspector.“ – „Würden Sie ihm einen Mord zu trauen?“ – „Um ehrlich zu sein…“ – „Ich bitte drum.“ – „Ich würde Monsieur Hulôt auf jeden Fall alles zu trauen.“ – „Danke für Ihre Offenheit.“ – „Bonsavoir.“

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Nach dem gemeinsamen Frühstück mit seiner Gattin – an diesem Dienstagmorgen – begab sich Lacroix ins Präsidium.
Dort angekommen stand er in seinem Büro vor der Pinnwand und dachte nach. „Als Täter kommt keiner Ihrer Studenten in Frage. Der Ehemann scheidet ebenfalls als Verdächtiger aus. Diese Tat war nicht von persönlicher Natur.“ Durch das plötzliche Klopfen wurde er ruckartig aus seinen Gedanken gerissen. „Merzac, was gibt es denn?“ – „Die Verwaltung der Universität möchte wissen, wann das Büro von Madame Dequemne wieder normal zugänglich ist?“ – „Wenn der Fall abgeschlossen ist, natürlich.“ – „Aber was soll ich jetzt der Verwaltung sagen?“ – „Sagen Sie ihnen, dass sie sich noch etwas gedulden mögen.“ – „Verstanden. Und dann noch etwas anderes.“ – „Oui?“ – „Die Kollegen haben jemanden festgenommen.“ – „Und?“ – „Dieser könnte vielleicht zur Aufklärung des Falls beitragen.“ – „Wieso glauben Sie das?“ – „Weil er bei sich einen 38-ger Revolver und ein Papyrus hatte.“ – „Das ist ja interessant. Können Sie ihn zum Verhör herbringen?“ – „Mache ich.“ Ein paar Minuten später kam der Streifenpolizist mit dem Verdächtigen wieder zurück und bat diesen, sich zu setzen. Danach begann Lacroix den Mann zu befragen. „Sie heißen?“ – „Mein Name ist Jacques Rivet.“ – „Und nun kommen wir auf diese Sachen hier zu sprechen.“ Der Inspector legte die Waffe und das Papyrus auf den Tisch. „Wozu brauchen sie eine Waffe? Welcher Tätigkeit gehen sie nach?“ – „Ich brauche die Waffe für meine Arbeit. ich bin als Sicherheitsexperte tätig.“ – „Und für wen?“ – „Meine Klienten erwarten von mir strengste Diskretion.“ – „Wirklich?! In diesem Fall werden Sie wohl eine Ausnahme machen müssen.“ – „Wieso sollte ich das tun?“ – „Weil es hier um Mord geht.“ – „Mord?! Sie scherzen?“ – „Non, bei Mord mache ich nie Scherze. Ihre Waffe ist vom selben Kaliber, mit dem eine Frau erschossen wurde.“ – „Und?“ – „Naja. Sollten wir bei der Untersuchung herausbekommen, dass dies tatsächlich die Mordwaffe ist, dann sind Sie, Monsieur Rivet, wegen Mordes dran. Wollen Sie wirklich für diese Tat ins Gefängnis gehen?“ – „Sie müssen erst einmal beweisen, dass ich die angesprochene Tat überhaupt begangen habe.“ – „Das werde ich. Warum haben Sie dieses Papyrus bei sich?“ – „Ich habe für einen Klienten wegen diesem Stück Papier recherchiert.“ – „Aha. Das sieht ägyptisch aus.“ – „Wenn Sie das sagen, muss es wohl so sein.“ – „Nun. Ich rate mal. Sie sind für Monsieur Hulôt tätig. Und in seinem Auftrag sollten Sie Professorin Dequemne aufsuchen und sie wegen diesem Papyrus befragen. Doch dabei lief etwas schied. Denn die Professorin weigerte sich, Ihnen irgendetwas über den weiteren Inhalt des Schriftstückes zu sagen. Diese Weigerung konnten Sie nicht akzeptieren. Am Ende haben Sie sie erschossen.“ Der Befragte blieb stumm auf seinem Stuhl sitzen und schaute dabei dem Inspector in die Augen. Nach einem kurzen Augenblick der Stille brach er sein Schweigen. „Oui. Sie haben richtig geraten. Aber ich hatte den Auftrag von Hulôt, dass bei Widersetzen ihrerseits ich sie ihrem Schöpfer überantworten solle.“ – „Und die Truhe haben Sie entwendet und ihm übergeben?“ – „Oui.“ Der Kriminalist rief zwei Uniformierte zu sich ins Büro. Er gab beiden – jeweils von ihnen – einen Auftrag. Der eine sollte den Verdächtigen zurück in die Zelle bringen. Der andere hatte den Befehl, Monsieur Hulôt aufs Präsidium zu holen.

Am späten Nachmittag wartete im Verhörraum – in der achten Etage – Pierre Hulôt auf den Inspector. Jean Lacroix kam auch alsbald in den Raum. Als er diesen betreten hatte, setzte er sich dem dort bereits Wartenden gegenüber. „Oh, Sie sind der Inspector, der gestern bei mir zu Besuch war.“ – „Richtig.“ – „Können Sie mir den Grund sagen, warum ich hier bin?“ – „Oui. Kennen Sie einen gewissen Jacques Rivet?“ – „Wieso fragen Sie?“ – „Dieser besagte Monsieur hat heute Vormittag einen Mord gestanden.“ – „Und?“ – „Naja. Ihr Name ist dabei gefallen.“ – „Aha. Interessant.“ – „Finde ich auch. Monsieur Rivet sagte, er habe in Ihrem Auftrag Professorin Dequemne aufgesucht.“ – „Professorin Dequemne?“ – „Oui. Die Dame, die Sie zu Hause angerufen haben.“ – „Oh. Professorin Dequemne. Ist das nicht die Dame, die vor ein paar Wochen ermordet worden ist?“ – „Genau, diese Dame meine ich.“ – „Und was hat dies nun mit mir zu tun?“ – „Also, Sie haben Ihren Sicherheitsexperten – Monsieur Rivet – zu ihr geschickt, um sie um ihre Hilfe zu bitten. Doch als sie sich weigerte, wurde sie erschossen.“ – „Ja, und?! Ich habe die Professorin nicht ermordet.“ – „Das mag sein. Aber sie haben Ihrem Sicherheitsexperten die Order erteilt, dass er bei Widerstand der Professorin die Erlaubnis habe, Maßnahmen jeglicher Art zu ergreifen.“ – „Und? Ich hatte aber nicht die Hand am Abzug, sondern Monsieur Rivet.“ – „Das stimmt. Sie haben ihm nur zum Mord angestiftet. Und deswegen sind Sie auch dran.“ – „Das glaube ich eher nicht.“ – „Und ob. Denn Anstiftung zum Mord – Monsieur Hulôt – ist eine Straftat.“ – „Wenn Sie das sagen.“ – „Und dies alles nur wegen einer Holztruhe.“ – „Nicht wegen einer Holztruhe, sondern wegen einem ägyptischen Artefakt.“

Ende

 

Hallo Athene25!

Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich habe gerade gesehen, dass du noch gar keinen Kommentar zu deiner Geschichte bekommen hast. Ich habe gerade nicht viel Zeit, kann mich also nicht inhaltlich deiner Geschichte widmen, aber ich gebe dir einen Tipp: Lockere deinen Text auf, rein vom Anblick her. Soll heißen: Setze Zeilenumbrüche! Reinen Textblöcke schrecken die Leser ab.

Als Beispiel, wie ich es meine:
Dein Absatz:
„Was wollen Sie?“, fragte sie. „Ich brauche Ihre Hilfe.“, antwortete die fremde Person. „Wobei brauchen Sie meine Hilfe?“, erwiderte sie. „Sie sind Professorin für Alte Geschichte, richtig?“, entgegnete der Unbekannte. „Oui, das ist richitg.“, war ihre Reaktion darauf. „Ich habe dies hier gefunden. Können Sie vielleicht etwas damit anfangen?“, wollte der Fremde wissen und reichte ihr das Blatt Papier. „Es sind auf jeden Fall schon einmal Hieroglyphen. Wo sagten Sie, haben Sie dieses Papyrus gefunden?“, fragte sie neugierig. „Ich habe nichts von dem Fundort erwähnt. Also Ägyptisch. Und was besagen die Hieroglyphen?“, war nun die Reaktion des Fremden.

Aufgelockert, Zeilenumbruch, immer wenn der Sprecher im Dialog wechselt:
„Was wollen Sie?“, fragte sie.
„Ich brauche Ihre Hilfe“, antwortete die fremde Person.
„Wobei brauchen Sie meine Hilfe?“, erwiderte sie.
„Sie sind Professorin für Alte Geschichte, richtig?“, entgegnete der Unbekannte.
„Oui, das ist richitg“, war ihre Reaktion darauf.
„Ich habe dies hier gefunden. Können Sie vielleicht etwas damit anfangen?“, wollte der Fremde wissen und reichte ihr das Blatt Papier.
„Es sind auf jeden Fall schon einmal Hieroglyphen. Wo sagten Sie, haben Sie dieses Papyrus gefunden?“, fragte sie neugierig.
„Ich habe nichts von dem Fundort erwähnt. Also Ägyptisch. Und was besagen die Hieroglyphen?“, war nun die Reaktion des Fremden.
=> Sieht doch viel netter aus, nicht? Das solltest du mit dem ganzen Text machen. Zeichensezung habe ich auch verbessert; sie dir die Regeln zur wörtlichen Rede mal an. Oder guck einfach in einen Roman, wie die Profis das machen.

Okay, für den Inhalt habe ich nun keine Zeit, sorry. Aber auch hier noch ein Tipp: Du hast fast nur Dialog. Wie wäre es mit ein bisschen Drumherum? Ein bisschen Atmosphäre, so dass man bildlich in die Situation reinversetzen kann?

Grüße,
Chris

 

Hallo Athene!

Soll ich auch noch auf den Inhalt eingehen? Du müsstest dir dringend Gedanken um die Glaubwürdigkeit machen. Würden reale Personen wirklich so handeln bzw. reagieren, wie du es in deinem Text schreibst? Ich denke nicht. Anhand deiner Anfangs-Szene werde ich dir Beispiele geben.

Okay, erstmal würde ich damit anfangen, die Szene zu "malen". "Sie" sitzt also "in einem Büro in einem der Gebäude an der Sorbonne".
=> Dem Leser fehlen hier bereits entscheidende Infos: Wer ist sie? Was ist das für ein Büro? Sie ist Professorin für alte Geschichte. Warum schreibst du es nicht hier an den Anfang? Und das Büro in einem Gebäude?
Vorschlag: Die Professorin für alte Geschichte, Madame Dequemne, saß in ihrem Büro an der Sorbonne. (Viel mehr Infos für den Leser; man kann sich besser vorstellen, wo deine Geschichte spielt. Außerdem habe ich aus "einem Büro" "ihr Büro" gemacht. Wiederum eine Zusatzinfo, die dem Leser die Situation/die handelnden Personen näherbringt.)

Dann zur Glaubwürdigkeit.

Da kommt also irgendein Typ in das Büro der Professorin.
=> Warum/wie kann der da einfach so reinkommen? Steht die Tür offen? Klopft er nicht mal? Gibt es keine Vorzimmerdame/Sekretärin? Keinen Sicherheitsdienst? Kann jeder Mensch einfach so an der Sorbonne herumspazieren?

Der Typ verlangt Hilfe.
=> Warum fragt die Professorin nicht zumindest: "Wer sind sie überhaupt?" Oder verlangt von ihm, dass er einen Termin ausmacht?

Der Typ reicht ihr ein Papyrus. Sie ist neugierig.
=> Das Teil könnte doch kostbar sein. Warum grabschen die das mit ihren Fingern einfach so an?

Die Professorin sagt, dass sich darauf Hieroglyphen befinden.
=> Also, das hätte ich auch erkannt, und ich habe nichts studiert.

Der Typ schließt von Hieroglyphen auf ägyptisch; die Professorin widerspricht ihm nicht.
=> Hieroglyphen sind Bilderschriften, die gibt es nicht nur in Ägypten.

Die Professorin übersetzt den Papyrus.
=> Einfach so, aus dem Stehgreif, ohne Hilfsmittel? Die Dame muss wirklich eine Spitzenkraft sein.
=> Aber warum tut sie, was der Fremde von ihr verlangt? Würdest du so handeln, wenn irgendeiner vor dir steht und irgendwas von dir verlangt?

Im Papyrus steht etwas von einer Schatulle. Im Regal steht eine Schatulle. Der Typ will die Schatulle, weil im Papyrus, den er mitgebracht hat, und von dem er nicht wusste, was drin steht, etwas von einer Schatulle steht.
=> Es muss doch Milliarden von Schatullen auf der Erde geben. Warum zieht der Typ einen Zusammenhang von der im Papyrus erwähnten Schatulle zu der Schatulle, die im Regal steht?
=> Und warum ruft die (höchst intelligente) Professorin nicht nach Hilfe, oder so? Stattdessen argumentiert sie wie ein Kleinkind, dem man seinen Lutscher abnehmen will!

Der Typ erschießt die Professorin, weil sie ihm die Schatulle nicht geben will.
=> Warum nimmt der Typ nicht einfach die Schatulle? Er macht doch schon die ganze Zeit, was er will.

So, das war es zur Einstiegsszene. Ist ganz schön viel, nicht? Da müsstest du wirklich dran arbeiten, wenn du Leser bei der Stange halten willst.

Grüße
Chris

 

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