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Die Station

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21.01.2004
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Die Station

Kapitel 1

Er blickte zurück, gehetzt und angespannt. Die zu ertragenden Entbehrungen bis zu diesem Punkt waren beinahe endlos. Zu viele Opfer mussten dargebracht werden. Und trotzdem stand er hier. Stärker als je zuvor.
Sein geübter Blick schweifte über die Konsolen und Anzeigen der Steuereinheit und blieb an dem einen Bildschirm hängen, der den aktuellen Zustand der Energieversorgung zeigte. Sämtliche hier schematisch dargestellten Systeme leuchteten in einem hellen Grün und stellten damit ihren tadellosen Zustand zur Schau. Das würde sich bald grundlegend ändern.
Seine flinken Hände huschten durch die verschiedenen Einstellungen, veränderten Werte und überbrückten Sicherheitsmechanismen. Nach einigen Minuten drückte er mit einer theatralischen Geste zum letzten Mal auf die Eingabetaste.
Nur Sekundenbruchteile später begann eine Kakophonie verschiedenster Alarme loszubrüllen. Das Grün auf den Anzeigen war bestenfalls eine vage Erinnerung in irgendwelchen Schaltkreisen und wurde durch ein aggressives Rot ersetzt. Auf sämtlichen Bildschirmen blinkte nun eindringlich das Wort "Warnung". Eine blecherne Computerstimme vermeldete einen „Sicherheitsalarm in Sektion C1“.
Den Unbekannten kümmerte das aber nicht mehr. Er befand sich bereits auf dem Weg nach draussen. Er wollte sehr weit weg sein, wenn es zum Äussersten kam. Rasch aber behutsam stieg er über die beiden Leichen der Sicherheitsleute, die er mit je einem Kopfschuss ausgeschaltet hatte. Äusserst bedacht darauf, nicht mit seinem Stiefel in die Blutlache zu treten und entsprechende Spuren zu hinterlassen. Er würde noch einige Zeit in dieser Station verbringen müssen und konnte es sich nicht leisten, entdeckt zu werden.
Er ging hinaus, wie er gekommen war - über einen Wartungseingang auf dem Dach. Ein kurzer Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er noch gute zwei Minuten Zeit hatte. Er lief einige Meter weiter zu einem kleinen Schuppen, der wohl die notwendigen Werkzeuge und Maschinen zur Wartung der Belüftungsanlagen im Komplex diente. Dort hatte er bei seiner Ankunft vor einer Stunde seine Lebensversicherung deponiert.
Er nahm seinen Wingsuit und legte ihn an. Als alles da sass wo es musste und die Gurte entsprechend verzurrt waren, rannte er auf den Rand des Daches zu und sprang.
Er war bereits einige hundert Meter entfernt, als die gleissende Explosion folgte. Hören konnte er sie nicht mehr, aber er sah wie nun sämtliche Lichter im Distrikt ausgingen. Der erste Part war geschafft.

Kapitel 2

Er landete mitten auf einem Dach in der Nähe des Hauptquartiers der roten Brigade. Eigentlich hatte er geplant, hier still und leise zu landen. Nun konnte er aber der Satellitenschüssel vor ihm nicht mehr ausweichen und krachte mit lautem Getöse direkt hinein. Er riss die Schüssel aus der Verankerung, worauf sie hinter ihm über das Dach schleifte und mit einem lauten, kreischenden Geräusch erst einige Zentimeter vor dem Rand zum Stillstand kam. Leise ging irgendwie anders. Der Lärm musste weit herum gehört worden sein.
Der Attentäter musste sich beeilen, von diesem Dach runterzukommen und den zweiten Teil seiner Mission in Angriff zu nehmen. Der Sprengstoff war in der Nähe des Hauptquartiers in einer Seitengasse mit dem passenden Namen „Revolution Boulevard“ versteckt und wartete in einer Mülltonne darauf, abgeholt zu werden.
Dass man genau diese Strasse für das Versteck des Sprengstoffs ausgewählt hatte, war dem ausgesprochen ausgeprägten Sinn für Ironie ihres Kommandanten Jed Blake anzurechnen. Er hatte eine persönliche Rechnung mit der roten Brigade offen und wollte diese so stilvoll wie möglich begleichen. Dazu gehörten insbesondere auch Details wie dieses.
Jasa, so war der Name des Attentäters, war seit gut fünf Jahren Mitglied bei der revolutionären Garde. Er trat der Organisation bei, als die Brigaden damit anfingen, andere Distrikte der Raumstation anzugreifen und Zivilisten zu töten. Jasa verlor bei einem dieser Angriffe seinen Bruder und schwor an diesem Tag im Herbst 2167 blutige Rache.
Und nun stand er hier, tief im Herzen des Territoriums der roten Brigaden und hatte soeben deren Hauptenergieversorgung ausser Kraft gesetzt. Sein Auftrag war klar. Er musste den Energieschild deaktivieren, welches den Eingang zum Hauptquartier der Brigaden sicherte und für Unbefugte unpassierbar war. Um das zu schaffen, musste man – wie er eben gerade getan hatte – den Strom ausschalten. Aber auch dann hatte man nur Minuten, bis entweder die Hauptversorgung wieder da war oder das System auf die volle Notstromleistung umgeschaltet hatte und alle relevanten Generatoren hochgefahren waren.
Er sah auf seine Uhr. Das Zeitfenster begann sich bereits wieder rasant zu schliessen. Es blieben ihm noch gute fünfzehn, maximal zwanzig Minuten Zeit. Bis dahin musste er durch die angepeilte Seitentür ins Hauptquartier eindringen.
Hastig packte er seinen Wingsuit zusammen und schmiss ihn in eine dunkle Ecke. Das Ding würde er hier nicht mehr benötigen und bis man es finden und auf ihn zurückverfolgen konnte, war er längst über alle Berge.
Jasa rannte auf den Rand des Daches zu und sprang. Elegant und behände landete er vom niedrigen Dach aus direkt auf einen Kies Feld und rollte sich geübt ab. Rasch war er wieder auf den Beinen und konnte nun zum ersten Mal Kontakt mit seiner Heimatbasis aufnehmen.
„Rock’n’Roll Baby, der Adler ist gelandet!“
„Basis hier, verstanden. Fahren Sie fort mit Ihrer Mission“
„Da könnt ihr Gift drauf nehmen“, entgegnete Jasa kühl und ohne Gefühlsregung.
Gerade als er seine Pistole aus dem Halfter gezogen hatte und die Energiezelle zur Kontrolle aus dem Schaft rauslöste, zischte direkt vor seinem Gesicht eine Kugel vorbei. Unwillkürlich sprang er zurück und kauerte sich hinter die Mauer.

Das hatte er so jetzt nicht erwartet.

Kapitel 3

Jemand hatte ihn entweder bei seinem Anflug gesehen oder bei seiner Landung gehört, wohl eher das zweite.
Die zweite Kugel zischte vorbei. Der Schütze war definitiv vor ihm. Jasa feuerte blind einige Energieimpulse in Richtung der Schüsse ab und hoffte auf einen Glückstreffer. Leider vergeblich.
Weitere Schüsse auf ihn, die Mauer vor ihm zerbarst als ein Schuss direkt darauf traf. Er war ganz klar im Nachteil. Ihm war das Gebiet vollkommen unbekannt und er wusste nicht, wo sich sein Gegner befand. Also war vorerst jede weitere überstürzte Bewegung im Prinzip reiner Selbstmord. Er brauchte mehr Informationen.
Jasa kramte sein Smartphone aus der Tasche und nahm einen kleinen Mini-Copter heraus. Er schaltete ihn ein und konnte sofort ein Bild auf dem Schirm des Smartphones erkennen. Der Mini-Copter schwebte zuerst an Ort und Stelle und hob dann langsam ab. Er flog ohne jedes Geräusch hoch über das Dach und verharrte dann in einer Position etwa 20 Meter über ihm.
Jasa aktivierte den Infrarotscanner und konnte einige Sekunden später erkennen, wo sich der Gegner versteckte. Er war tatsächlich keine fünf Meter entfernt. Der Mann sass hinter einer Absperrung zum nächsten Gebäude und kauerte sich dahinter. Von seiner Position aus konnte er ihn nicht sehen, der Mini-Copter verriet ihm aber seinen Standort. Er rief das Fluggerät zurück und steckte es wieder in seine Ausrüstungstasche, die ihm lose um die Hüften hing.
Langsam schlich er um die Ecke, konzentriert und darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen. Er versuchte, sich direkt hinter dem Feind zu positionieren und dann überraschend zuzuschlagen. Doch gerade als Jasa den letzten Schritt machen wollte, drehte sich der Angreifer um und sah ihn. Sekundenbruchteile später flogen bereits Kugeln und Energieimpulse in beide Richtungen und beide versuchten dem Inferno mit einem Hechtsprung zu entkommen.
Jasa gelang das ziemlich gut, er landete erneut hinter einer Deckung. Der andere hatte nicht so viel Glück und einer von Jasa‘s Schüssen traf ihn im Flug. Als er hart auf dem Boden aufschlug, war er bereits tot. Jasa hatte direkt ins Herz getroffen.
Er atmete tief durch. Töten war er sich zwar gewohnt, hielt es allerdings trotzdem für einen eher unnötigen und mühseligen Teil seines Jobs. So seltsam es klingen mag, aber Jasa war ein Attentäter mit einem Gewissen. Oder einer, der Wert darauf legte, seine Kollateralschäden so gering wie möglich zu halten.
Ein kurzer Blick auf die Energiezelle der Pistole verriet ihm, dass noch genügend Saft da war für mindestens zwei weitere Feuergefechte. Er war also einigermassen ausgerüstet, falls sich ihm noch weitere Leute in den Weg stellten. Jasa ging auf die Strasse hinaus und blickte zum schwerbewachten Hauptquartier hinüber, das sich in etwa 500 Meter von seinem aktuellen Standpunkt befand. Die grossen Scheinwerfer waren immer noch aus.
Der einstige Prunkbau der roten Brigade war unbeleuchtet um einiges unspektakulärer, als wenn die 23 Scheinwerfer gleissend weisses Licht an die Fassade warfen und auf den imposanten Säulen beeindruckende Schattenspiele vollführten. Seitdem die Brigaden Krieg gegen alle anderen Parteien der Station ER-1 führten und die Situation immer unkontrollierbarer wurde, sind die meisten der alten Regierungsgebäude aufgrund fehlender Mittel verfallen. Die Führungsriege der roten Brigaden hatte sich in den Tumulten der ersten Kriegstage das alte Regierungsviertel unter den Nagel gerissen und war seither von da nicht mehr zu vertreiben.
Für den bevorstehenden Angriff von Jasa war das aber durchaus von Vorteil. Es wimmelte zwar von Wachen, dafür war das Gebäude aufgrund seiner Baufälligkeit einfach zugänglich. Wenn er es denn mal durch den Energieschild und in die Nähe des Gebäudes schaffte, war er ruckzuck drin und konnte seine Fracht abliefern.
Aber jetzt galt es erst mal die vorbereitete Bombe zu holen. Ein kurzer Blick auf sein Smartphone verriet ihm den Weg zu seinem Ziel. Er steckte es wieder ein und lief in nordöstlicher Richtung los.
Ein paar Meter weiter stürzte er, von einem Taser in den Rücken getroffen, zuckend zu Boden und verlor das Bewusstsein.

Kapitel 4

Jasa kam langsam wieder zu Bewusstsein und bereute es im gleichen Moment wieder. Sein Kopf fühlte sich an, als ob ihm jemand ein glühendes Eisen hinter die Augen hielt. Die Muskeln um den Brustkorb und die Schulter herum schmerzten von den starken Kontraktionen durch den Stromschlag. Sehen konnte er nichts, da er eine Art Kapuze auf hatte.
Er versuchte, sich zu bewegen, konnte aber nicht. Seine Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt. Die Stellen, an denen das dünne Plastikband in die Handgelenke einschnitt, brannten bei jeder Bewegung wie Feuer. Er wollte schreien und der aufkeimenden Panik Luft machen, erinnerte sich aber an sein Training und seine Ausbildung und hatte sich rasch wieder unter Kontrolle. Er atmete langsam ein und aus, bis sich die Panik gelegt hatte.
Der darauffolgende Faustschlag kam trotzdem überraschend und brachte neuen Schmerz mit sich. Er spuckte Blut und hustete. Sein Kiefer pulsierte.
„Ich möchte mich kurz vorstellen“, sagte eine Stimme, die wohl seinem Peiniger gehörte.
„Mein Name ist Horton Remmock, meines Zeichens Gross-Inquisitor der roten Brigade. Ich bin sicher, Sie haben meinen Namen schon mal gehört.“
Und ob er das hatte. Remmock war berüchtigt für seine Brutalität und sein gnadenloses Vorgehen gegen jegliche Formen von Rebellion. Er war einer der gesuchtesten Männer der roten Brigaden und ihn zu töten, hätte eine unglaubliche Symbolwirkung.
Das Ganze hier ging in eine furchtbar falsche Richtung. Wiederum stieg Panik in ihm auf. Dann der nächste Schlag. Diese Mal brach seine Nase mit einem krachenden Geräusch.
„Schauen Sie, es läuft so ab: Sie sagen uns, was wir wissen wollen und wir bringen es schnell zu Ende. Die andere Möglichkeit ist, sie schweigen weiterhin.“
Er legte eine Pause ein, wohl um seinen nächsten Satz dramatischer wirken zu lassen.
"Das allerdings wäre äusserst bedauerlich, da wir sie dann langsam zu Tode foltern müssten.“
Sein ganzer Kopf schmerzte und mit jedem Pulsschlag blitzte neuerlicher Schmerz durch sein Nervensystem. Er konnte kaum noch klar denken. Dabei brauchte er für das, was als nächstes kam, unbedingt einen klaren Kopf. Und er musste endlich diese verfluchte Kapuze loswerden.
„Ich rede, aber erst nehmen Sie mir die Kapuze ab.“
Mit einem Ruck war sie weg und er starrte verdutzt in Remmock‘s Gesicht. Er hatte nicht wirklich erwartet, tatsächlich den Gross-Inquisitor vor sich zu sehen. Aber Remmock stand hier, direkt einige Meter vor ihm. Mit im Raum waren ebenfalls noch zwei seiner Schläger, die ihn wohl vorher bearbeitet hatten. Remmock würde solcherlei Drecksarbeit kaum selber erledigen.
„Sehr schön, warum fangen wir nicht mit Ihrem Namen an“, fragte Remmock beinahe im Plauderton.
„Mein Name ist Jasa Perrington, Jäger des fünften Zugs, zweite Kompanie der revolutionären Garde.“
Remmock sah ihn interessiert an. Der fünfte Zug war berüchtigt und für viele Attentate und Sabotageakte auf dem Gebiet der roten Brigaden verantwortlich. Man sagte sich, dass die Revolution dort ihre besten Männer zusammenbrachte.
„Fünfter Zug, was? Da haben wir ja einen tollen Fang gemacht. Was war ihr Auftrag?“
Jasa schwieg. Er hatte nicht vor, irgendjemandem in diesem Raum etwas über seinen Auftrag zu verraten. Sie würden ihn foltern, keine Frage, allerdings würden sie aufgrund seines Trainings wirklich sehr harte Methoden benötigen, um etwas aus ihm herauszupressen. Meistens war der Tod jeweils schneller. Die Jäger des fünften Zuges wurden exakt auf diese Situationen eingestellt.
Zusätzlich erhielten sie ein ausgiebiges Training darin, aus den unmöglichsten Situationen zu entkommen. Entfesselungskünste gehörten dabei ebenso dazu wie suggestive Gesprächstechniken und Hypnose. Alles Möglichkeiten, die Jasa beherrschte, um nach einer Gefangennahme wieder so rasch wie möglich in Freiheit zu gelangen. Er musste irgendwie Zeit gewinnen.
„Remmock, ich hätte da eine Frage.“
„Beantworten Sie zuerst meine“, erinnerte ihn Remmock ziemlich nachdrücklich, doch Jasa dachte gar nicht daran.
„Eine Idee: Warum gehen Sie und Ihre Freunde hier jetzt nicht einfach raus und ficken sich einmal ganz gepflegt gegenseitig in den Arsch?“
Remmock seufzte und bedeutete einem seiner Schläger mit einer Handbewegung, näher zu kommen. Als Jasa sein Gesicht aus der Nähe sah, gab er ihm in Gedanken den Namen „Fleischberg“. Es folgten einige sehr harte Schläge in Bauch und Nierengegend, die er ohne jegliche Gegenwehr ertragen musste.
Zwischen den Schlägen konnte er ein Messer am Gürtel von „Fleischberg“ erkennen. Das war sein Ausweg.
Der Gross-Inquisitor bedeutete „Fleischberg“, dass er aufhören sollte und baute sich wieder vor Jasa auf.
„Nun gut, ich denke Sie haben nun begriffen, dass wir keine Beleidigungen dulden. Wir lassen Sie jetzt kurz alleine, damit Sie nachdenken können. Ich würde ihnen dringend zur Kooperation mit uns raten. Beim nächsten Mal belassen wir es nicht bei Schlägen.“
Er drehte sich um und ging aus dem Raum. Fleischberg und sein Kumpel folgten ihm. Mit einem Krachen fiel die schwere Metalltüre in die Angeln. Er war jetzt allein und hatte Zeit gewonnen.
Jasa hatte bereits während der Schläge begonnen, eines der Handgelenke aus der Fessel zu befreien. Er war in der Lage, ohne Verwendung der zweiten Hand seinen Daumen auszurenken und damit durch die meisten, schlecht angebrachten Fesseln schlüpfen zu können. Und genau das tat er jetzt hier.
Bei der ersten Fessel war er raus und renkte den Finger mit einem lauten Knacken wieder ein. Ein knirschendes Geräusch zeigte an, dass er nun den Daumen der anderen Hand ausgerenkt hatte. Da diese Fessel allerdings etwas enger war, dauerte das etwas länger. Schliesslich waren seine Hände frei. Da er sich aber sicher war, beobachtet zu werden, musste er die Täuschung aufrechterhalten. Das Überraschungsmoment musste auf seiner Seite sein. Er liess seine Hände überkreuzt hinter seinem Rücken stehen, schloss seine Augen und stellte sich schlafend.
Einige Minuten später betrat Remmock den Raum erneut. Seine Schläger blieben, wie vorhin, direkt bei der Türe stehen.
„Konnten Sie sich bereits dazu durchringen, uns nun Ihren Auftrag mitzuteilen?“
Jasa röchelte etwas, stellte sich weiter schlafend.
„Na dann wecken wir sie doch mal auf.“
Der Gorilla mit dem Messer am Gürtel machte sich auf, Jasa eine weitere Tracht Prügel zu verpassen. Als er zum Schlag ausholte und plötzlich blutend und mit offener Kehle nach hinten stürzte, realisierte Remmock, dass er die Fesseln dieses Mal wohl besser selber angebracht hätte.

Kapitel 5

Jasa war schon auf den Beinen als der zweite Schläger zum Angriff ansetzte. Er wich ihm mit einer geschickten und raschen Bewegung aus, drehte sich einmal um die eigene Achse und schlitzte dem verdutzten Angreifer seitlich stehend die Halsschlagader auf. Sofort spritzte Blut und der Mann fiel wie ein nasser Sack zu Boden.
Immer noch in Angriffspose wandte sich Jasa dem Gross-Inquisitor zu. Remmock versuchte, sich langsam in Richtung der Türe zu bewegen.
„Es ist vorbei, Remmock. Dieses Mal haben Sie sich den Falschen ausgesucht.“
Nervös sah Remmock auf das blutverschmierte Messer in Jasa’s Hand. Dann fiel sein Blick auf seine beiden toten Leibwächter, denen noch immer Blut aus dem Hals lief und sich langsam in einer grossen Lache sammelte.
„Bleiben Sie weg von mir!“
Remmock drehte sich um und rannte zur Tür. Verzweifelt und in Todesangst schlug er gegen die Metalltüre. Jasa schritt auf ihn zu, immer noch angespannt und bereit zu jeglicher Reaktion. Er wusste, dass Remmock ein gewiefter Bastard war und würde der Situation erst dann trauen, wenn der Gross-Inquisitor mit offener Kehle vor ihm lag. Möglicherweise nicht mal dann.
Jasa war vielleicht noch zwei Schritte von ihm entfernt, als er sich plötzlich umdrehte und eine kleine Pistole in der Hand hielt.
„Fahr zur Hölle!“
Zwei schnelle und ungezielte Schüsse lösten sich. Jasa reagierte sofort, sprang zur Seite und warf sich nach vorne direkt auf Remmock zu. Gleichzeitig versuchte er, ihm mit dem Messer eine möglichst tödliche Wunde zuzufügen. Vorerst scheiterte er damit und es kam zum Handgemenge.
Remmock war zwar gross, aber nicht sehr muskulös. Und vor allem war er sich nicht gewöhnt, zu kämpfen. Der Gross-Inquisitor liess das gerne von anderen Leuten erledigen.
Jasa wusste aber, dass eine Bedrohung des eigenen Lebens auch kampfunerfahrenen Menschen beinahe übermenschliche Kräfte bescherte und sie grundsätzlich unberechenbar machte.
Er wich den ersten unkoordinierten Schlägen aus. Wenn er ihn lange genug hinhalten konnte, hatte er irgendwann keine Kraft mehr und dann würde er zuschlagen. Doch Remmock dachte gar nicht daran, müde zu werden. In blinder Wut nahm er nun den Stuhl in der Zelle zur Hilfe und schlug damit nach Jasa.
„Komm her, Du Bastard. Ich zermalme Dich!“
Weitere Schläge mit dem Stuhl folgten. Remmock atmete bereits etwas schwerer. Lange würde es nicht mehr dauern.
Als Remmock dann aber den Stuhl plötzlich und ohne Vorwarnung nach ihm warf, war er für den Bruchteil einer Sekunde unachtsam. Der Stuhl traf ihn an der Hand und schlug ihm sein Messer aus der Hand. Es schlitterte in die Mitte des Raumes und war nun von beiden Protagonisten gleichweit entfernt.
Mit einem lauten Schrei rannte Remmock auf das Messer zu und im gleichen Moment sprang auch Jasa auf. Die beiden waren beide gleichzeitig am Messer, konnten es beide aber wegen dem Handgemenge nicht richtig greifen. Jasa versuchte, Remmock in die Nieren zu treten und so einen Sekundenbruchteil an Zeit herauszuschlagen. Dieser blockte aber den Versuch ab und traf im Gegenzug Jasa mit seiner Faust im Gesicht. Er drehte sich weg und versuchte, Abstand zu gewinnen. Das Messer war in der Zwischenzeit wieder einige Meter weiter weggerutscht.
Remmock stand auf und versuchte Jasa zu rammen. Doch dieser wich aus, trat nach ihm und traf ihn dieses Mal direkt an die Schläfe. Benommen sackte Remmock zusammen.
Jasa putzte sich den Staub von der Kleidung und ging zum Messer. Er hob es auf und putzte die Klinge langsam und sorgfältig an seiner Kleidung ab.
„Tausende von Menschen haben durch Ihre Befehle ihr Leben verloren.“
Er schritt auf Remmock zu, der sich robbend in Sicherheit zu bringen versuchte.
„…Väter und Mütter. Söhne und Töchter. Helden…“
Als er direkt hinter ihm stand, sprang er ihm auf den Rücken und kniete sich rittlings auf ihn drauf. Mit der freien Hand griff er den Kopf des Gross-Inquisitors.
„Schmor in der Hölle, Du verfluchtes Arschloch.“
Mit diesen Worten riss er den Kopf von Remmock nach hinten und zog das Messer einmal quer über die Kehle. Jasa schlitzte dem Gross-Inquisitor den Hals von einem Ohr zum anderen auf. Ein Schwall von Blut ergoss sich in alle Richtungen und spritzte die Wände vor ihm voll. Er zuckte, röchelte und wand sich unter Jasa. Aber der hielt seinen Kopf weiterhin fest im Griff. Sekunden später war es vorbei und Remmock war endgültig tot.
Jasa schlug den Kopf nach hinten und breitete die Arme aus. Er schrie seinen Schmerz heraus, so laut er konnte. Die Toten waren gerächt. Mit Tränen in den Augen stand er auf und ging zur Türe. Es war schliesslich noch nicht vorüber, seine eigentliche Mission war eine ganz andere.
Er rüttelte am Griff und versuchte sie von innen zu öffnen, war aber erfolglos. Die Türe war verschlossen und ohne den entsprechenden Schlüssel würde er hier nicht rauskommen.
Rasch ging er zum Gross-Inquisitor und durchsuchte dessen Taschen, fand aber nichts. Er hastete hinüber zu den beiden Leibwächtern von Remmock und durchsuchte sie nacheinander, einer von ihnen hatte tatsächlich einen Schlüsselbund dabei. Jasa ging zur Tür steckte einen Schlüssel nach dem anderen ins Loch. Der dritte liess sich umdrehten und nach einem leisen Klicken war die Türe entriegelt.

Er öffnete sie und trat vorsichtig hinaus.

Kapitel 6

Er kam in einen kleinen Vorraum mit einer weiteren Türe und einem schmutzigen und verdreckten Fenster. In der einen Ecke stand ein kleiner metallener Spind und in der anderen Ecke ein Wasserbecken mit einem tropfenden Wasserhahn. Ein kleiner Tisch mit einigen Dokumenten darauf befand sich in der Mitte des Raumes.
Jasa ging zum Spind, riss ihn auf und fand seine Ausrüstung darin. Sein Kampfanzug, seine Waffengürtel, alles da. Er zog seinen Kampfanzug an und hängte sich die beiden Gürtel um. Er überprüfte die Waffen und ein kurzer Test seines Smartphones zeigte ihm, das noch alles so funktionierte, wie es sollte.
Er ging nochmal zurück in den Verhörraum und kniete vor der Leiche von Remmock nieder. Er griff nach der Hand des Gross-Inquisitors und schnitt ihm mit seinem Messer den Ringfinger der rechten Hand ab. Das war der Finger, auf der sich die Tätowierung des roten Adlers befand. Dieses Zeichen trugen nur die obersten Führungsmitglieder der roten Brigade und bei Remmock war sogar noch eine kleine Spezialität miteingearbeitet. Der Schnabel des Adlers war nicht rot, wie bei allen anderen, sondern schwarz - sein ganz persönliches Erkennungszeichen. Jasa wusste, dass das als Beweis genügen würde bei seinen Vorgesetzten.
Er stand auf und schritt aus dem Verhörraum. Beim Vorbeigehen nahm einen kurzen Augenschein der Dokumente, die sich auf dem kleinen Tisch befanden. Auf den ersten Blick sah das nach einer Akte über ihn aus. Er entschied, dass er sich diese Dokumente später genauer anschauen wollte und steckte sie ein.
Nach einer weiteren Überprüfung seiner Waffe bewegte er sich zur zweiten Türe und öffnete sie. Langsam trat er auf die Strasse hinaus. Er befand sich offenbar noch immer mitten in der Stadt. Er hatte erwartet, dass er in einer abgelegenen Gegend festgehalten wurde oder sogar in einem Gefängniskomplex. Dem war aber nicht so.
Jasa hatte von diesen Räumen gehört. Sie dienten zur „Befragung“ von Rebellen oder politischen Gefangenen und waren so über die ganze Stadt verteilt, dass man allfällige Verhörkandidaten nach ihrer Festnahme nicht lange durch die Strassen transportieren musste. Wenn seine Informationen also stimmten, müsste er sich ganz in der Nähe des Revolution Boulevards befinden. Ein kurzer Blick auf sein Smartphone zeigte ihm, dass dem tatsächlich so war. Er war jetzt sogar noch näher dran als zuvor.
Es lagen nun nur noch zwei Seitengassen zwischen ihm und der Bombe. Er sah sich um und wägte seine Möglichkeiten ab. Am einfachsten und sichersten wäre wohl der Gang über die Dächer. Doch die umliegenden Gebäude waren relativ hoch und es gab keine guten Klettermöglichkeiten. Er war zwar ein guter Kletterer aber nach dem Tumult im Verhörraum waren zusätzliche Risiken momentan nicht seine primäre Wahl.
Er rief den Plan der umliegenden Umgebung auf seinem Smartphone auf. Es war eine Hauptstrasse zu überqueren und dann konnte er über zwei weitere Gassen den Revolution Boulevard erreichen. Hastig ging er zum Ende der Gasse und kauerte sich hinter einen Mülleimer. Die Strasse sah bis auf zwei wartende Gleiter relativ ruhig aus. Die Strassenlaternen waren immer noch ausgeschaltet und ohne Strom. Er hatte wohl doch mehr Schaden angerichtet, als er dachte.
Die Dunkelheit kam ihm jetzt natürlich mehr als gelegen. Er wartete kurz ab, bis die Gleiter verschwunden waren und rannte dann leicht geduckt los, direkt in die nächste Gasse hinein. Rasch versteckte er sich hinter einem herumstehenden Container und wartete ab. Keine Geräusche, keine Schritte. Offensichtlich hatte ihn niemand bemerkt. Schnell stand er auf und ging weiter. Er musste in Bewegung bleiben.
Einige dutzend Meter weiter fand er dann den angezeigten Durchgang und bog links ab. Er befand sich nun am Revolution Boulevard.
Die Patrouille, die genau vor dem Versteck mit der Bombe stand, hätte er beinahe übersehen.

Kapitel 7

Er konnte seinen eigenen Körper gerade noch rechtzeitig zurück in die Seitengasse wuchten, bevor einer der Polizisten den Kopf in seine Richtung drehte und ihn definitiv entdeckt hätte.
Nun stand er angespannt und mit Schweisstropfen auf der Stirn mit dem Rücken an der Wand der Gasse und traute kaum, sich zu bewegen oder überhaupt nur zu atmen. Er lauschte und hörte die Polizisten miteinander sprechen.
Sie sprachen über ein Football-Spiel gestern und unterhielten sich darüber, wo sie ihre nächste Pause verbringen wollten. Jasa schloss daraus, dass sie definitiv nicht wegen der Bombe in der Gasse waren. Möglicherweise gönnten sie sich einfach eine kurze Auszeit.
Jasa war das aber egal, er musste irgendwie zur Bombe. Das Zeitfenster konnte sich jede Sekunde schliessen. Wenn die Energie und somit die Kraftfeldabschirmungen des Hauptquartiers wieder aktiviert wurden, war seine Mission gelaufen.
Er ging leise auf die Knie und spähte zwischen zwei Abfalleimern hindurch auf die Stelle, wo die Polizisten standen. Es waren fünf und alle von ihnen trugen automatische Waffen und eine Kampfmontur. Unmöglich, sie alle zu beseitigen. Er wäre tot, bevor er den ersten erreicht hätte.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu warten oder darauf zu hoffen, dass ihm auch dieses Mal das Schicksal wohlgesonnen war.
Plötzlich fasste sich einer der Polizisten ans Ohr und senkte leicht den Kopf. Offenbar erhielt er gerade einen Funkspruch. Na bitte, das dürfte dann wohl das Ende ihrer Pause gewesen sein. Denjenigen, den Jasa als Führungsoffizier identifiziert hatte, gab nach Ende des Funkspruchs und einer kurzen Bestätigung seinerseits den Befehl zum Abrücken. Die Polizisten packten ihre Sachen zusammen und entfernten sich rasch.
Jasa blieb noch einen Moment in seinem Versteck sitzen und lauschte auf weitere Geräusche, konnte aber nichts Verdächtiges mehr feststellen. Nun war er definitiv alleine. Trotzdem zog er seine Pistole aus dem Halfter und checkte die Ladung.
Äusserst vorsichtig bewegte er sich aus der Gasse hinaus, stets darauf bedacht auf jede kleinste Unregelmässigkeit zu achten und reagieren zu können, falls es nötig wurde. Schritt für Schritt näherte er sich dem Versteck der Bombe. Plötzlich ein schepperndes Geräusch rechts vor ihm.
Er hätte beinahe abgedrückt, als plötzlich die kleine Katze vor ihm auftauchte und ihn vollkommen entgeistert anstarrte. Eine Sekunde später entschied sie sich dann doch für die Flucht und rannte miauend davon. Jasa atmete auf. Er spürte, wie sein Herz raste. So langsam hatte er genug von der ganzen Aufregung an diesem Tag.
Der Container, in welchem sich die Bombe befinden sollte, war nun direkt vor ihm. Er sah sich noch mal um bevor er den schweren Deckel öffnete. Der Rucksack mit der Bombe lag im Innern und war bedeckt von etwas Müll. Er griff nach einem der Träger und zog ihn aus dem Container heraus. Vorsichtig legte er den Rucksack auf den Boden und öffnete den Reissverschluss und da war sie.
Die Bombe war zwar klein, aber hochwirksam. Der Sprengstoff war mit das Neueste, was man auf dem hiesigen Schwarzmarkt kaufen konnte und stärker, als die meisten militärischen Sprengstoffe. Er hatte dieses Zeug schon bei mehreren Anschlägen auf Anlagen der roten Brigade verwendet und kannte die Wirkung sehr genau. Die Zerstörungskraft war gigantisch.
Jasa nahm schliesslich den Zünder von seinem Gürtel und schloss ihn an die Bombe an. Er aktivierte den Zünder aber vorerst noch nicht. Das würde er erst direkt an seinem eigentlichen Ziel tun, um dummen Unfällen vorzubeugen. Hastig verstaute er die Bombe wieder im Rucksack und zog den Reissverschluss wieder zu.
Er aktivierte sein Funkgerät und begann zu sprechen.
„Basis, hier Eagle. Ich hab die Post empfangen. Danke für das nette Paket.“
Rauschen. Keine Antwort.
„Basis, hier Eagle. Könnt ihr mich verstehen?“
Ein Knacken in der Leitung. Dann wieder Rauschen.
„Basis, hier Eagle. Ich bring‘s jetzt zu Ende. Mir doch egal, ob ihr mich hören könnt.“
Für diesen Teil benötigte er jetzt keinen Stadtplan mehr. Das mit Abstand höchste Gebäude der Stadt war ohne Probleme auch von hier aus sichtbar. Jasa setzte sich in Bewegung. Der finale Teil seiner Mission hatte begonnen.

Kapitel 8

Er lief los und bewegte sich in der immer noch herrschenden Dunkelheit der grösstenteils stromlosen Stadt beinahe geräuschlos durch die Gassen. Stets hatte er das grosse Gebäude vor ihm im Blickfeld und hoffte inständig, dass die Scheinwerfer nicht plötzlich wieder angingen. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass der Strom zurück war und mit ihm auch die Kraftfelder, die das Gebäude gegen jegliche ungewollten Eindringlinge abschotteten.
Er kam nun an eine breite Strasse, auf der aber wohl aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit keinerlei Verkehr zu beobachten war. Alles war vollkommen ruhig. Auf der anderen Seite der Strasse waren hinter einer Mauer die Ausläufer des grossen Parks zu sehen, an dessen Ende sich der linke Flügel des Hauptquartiers befand.
Jasa kannte das Gebäude noch aus der Zeit, als die roten Brigaden nicht mehr als eine unbedeutende Splittergruppe im Machtgefüge der Station waren. In diesen Tagen befand sich in diesem Komplex die Regierung von ER-1 und führte die politischen Geschicke der Station.
Als dann Jahre später ein Kandidat der roten Brigaden überraschend und knapp die Wahl zum Präsidenten der Station gewann, änderte sich alles und die einstige Splittergruppe übernahm die Macht. Man ging von massivem Wahlbetrug und Manipulation aus und daraufhin begab sich die ehemalige Führungspartei der revolutionären Garde in die offene Opposition.
Der Krieg der folgte, wogte bis zum heutigen Tag und hatte mittlerweile beinahe die Hälfte der Bevölkerung von ER-1 dahingerafft. Inzwischen hatten sich auch weitere Gruppen von den beiden Hauptparteien abgespalten und kämpften jeweils für ihre eigenen Ziele.
Das Gebäude selbst war früher einmal ein eindrucksvoller und vollkommen in mattem schwarz gehaltener Bau mit einem grossen, quadratischen Mittelteil, der aus 15 Stockwerken und unzähligen Fenstern bestand. Mittlerweile waren die Fenster verdreckt und einige wiesen sogar eingeschlagene Scheiben auf.
Nach links und rechts ging jeweils ein Flügel ab, der gut 10 Stockwerke aufwies und eine längliche Form aufwies im Gegensatz zur quadratischen Form des Mittelteils. Die Fassade des einstigen Prunkbaus bröckelte an vielen Stellen ab und liess nackten Beton zum Vorschein kommen.
Um den riesigen Komplex befand sich ein ausladender Park mit dreckigen Teichen, halb verdorrten Bäumen und vertrockneten Wiesen. Und trotzdem strahlte dieser Ort noch immer absolute Macht aus.
Am Tag befanden sich um den Park herum eine ganze Menge Wachen. Nachts war normalerweise jeweils nur die reduzierte Schicht anwesend. Hauptsächlich verliessen sich die Sicherheitskräfte dann auf das aktivierte Kraftfeld und die restlichen Wachen waren alle innerhalb des Perimeters zu finden.
Da das Gebäude momentan durch den Stromausfall aber komplett ungeschützt war, sah das Ganze etwas anders aus. Es wimmelte nur so vor Wachpersonal.
Er war zwar noch immer ausser Sichtweite, ging aber trotzdem hinter einem stehenden Gleiter in Deckung und versuchte, sich einen Überblick über die Situation zu schaffen.
Das verkomplizierte jetzt alles.

Es war so schon genug schwierig, ungesehen ins Gebäude zu kommen. Mit all den Aufpassern da draussen wurde das beinahe zur Selbstmordmission. Die einzige realistische Chance bestand wohl darin, an eine Uniform ranzukommen und sich unter die Soldaten zu schleichen.
Der Plan sah danach vor, dass Jasa durch einen kleinen Nebeneingang ins Gebäude gelangte, den normalerweise nur die Mitglieder der Regierung kannten. Durch die Entführung und Befragung eines hochrangigen Mitglieds der roten Brigaden konnte dieser zweite Eingang allerdings enthüllt werden. Dieser alternative Eingang befand sich am äusseren linken Flügel des grossen Gebäudes und war durch ein Tarnfeld vor allzu neugierigen Blicken geschützt.
Angespannt beobachtete er den Platz und erkannte in ein paar hundert Metern Entfernung ein Wachhaus mit einem breiten Torbogen neben dran. Dort konnten vor allem grössere Transportgleiter ein und aus fahren aber es hatte auch einen kleineren Weg für Fussgänger.
Im Wachhaus drin sass ein Soldat.

Da hatte er seine Uniform.

Kapitel 9

Als er auf Höhe des Wachhauses war konnte er erkennen, dass der Mann darin nicht besonders aufmerksam zu sein schien. Er war durch irgendetwas abgelenkt und achtete sich nicht gross auf die Umgebung.
Warum sollte er auch, es waren ja genügend Wachen anwesend. Was er allerdings aus seiner Perspektive nicht sehen konnte war, dass sich weit und breit keiner seiner Kollegen befand.
Jasa rannte im Schutz der Dunkelheit auf die andere Strassenseite und presste sich an die Mauer. Wenn just in diesem Moment ein Wächter um die Ecke gebogen wäre, er hätte ihn problemlos entdeckt.
Jasa schlich seitwärts in Richtung Wachhaus und als er noch zwei oder drei Meter entfernt war, zückte er sein Messer und machte sich bereit.
Er ging vorsichtig in die Knie und schlich sich direkt unter das Fenster beim Wachhaus. Zur Ablenkung pfiff er kurz und konnte hören, wie sich der Wachmann erhob und nach vorne beugte.
Mit einer einzigen flüssigen Bewegung schnellte Jasa nach oben, packte den Mann und rammte ihm sein Messer quer in den Hals. Er war sofort tot und fiel in sich zusammen. Reaktionsschnell griff Jasa seine Schultern, bevor er den Boden berührte und wuchtete ihn zurück ins Wachhaus. Durch das offene Fenster sprang er ebenfalls hinein.
Zuerst vergewisserte er sich, dass ihn niemand gesehen hatte. Als er sich dessen sicher war, begann er, dem Wachmann die Uniform auszuziehen. Die Tarnung musste echt aussehen, ansonsten würde er schneller auffliegen, als ihm lieb war. Und das würde hier definitiv sehr tödlich enden.
Die Uniform passte ihm wie angegossen. Wohl mitunter auch deswegen, weil er darunter noch seinen Kampfanzug trug. Trotzdem war das wieder einer dieser Zufälle, wie sie ständig auf seinen Missionen passierten. Jasa wusste aber nur zu gut, dass sich das plötzlich und ohne Vorwarnung auch in die andere Richtung wenden konnte.
Er steckte die Pistole aus dem Halfter des toten Wachmannes ein und nahm das portable Funkgerät vom Tresen an sich. Ein kurzer Blick auf den Brustbereich seiner neuen Uniform verriet ihm, dass sein Name H. Brown war. Wofür das H stand, wusste er zwar nicht, aber der Nachname würde auch so vollends genügen.
Zu guter Letzt zog er sich noch die schwarze Wollmaske übers Gesicht und schnallte sich den Helm mit dem Band um sein Kinn fest.
Vorsichtig trat er aus dem Wachhaus, den Rucksack mit der Bombe hielt er am Träger in der rechten Hand, und lief in normalem Tempo in Richtung Seiteneingang los.
Die Tarnung funktionierte wirklich gut. Keiner der anderen Soldaten verschwendete auch nur eine Sekunde darauf, ihn sich näher anzusehen oder seine Identität anzuzweifeln. Jasa nickte allen zu und sie nickten zurück. Mehr passierte nicht.
Ohne weitere Probleme erreichte er den Seiteneingang. Mit einigem Unbehagen stellte er dort allerdings fest, dass eine Eingangskontrolle stattfand und die zwei Soldaten hier von jedem den Zutrittsausweis sehen wollten.
Er hätte es wissen müssen. Natürlich kontrollierten sie jeden, der das Gebäude betrat. Womöglich kontrollierten sie sogar diejenigen, die es wieder verliessen. Es gab einen kompletten Stromausfall und das bedeutete bei einem solchen Gebäude normalerweise immer, dass diverse zusätzliche Sicherheitsprotokolle in Kraft traten.
Jasa überlegte kurz, konnte sich aber nicht daran erinnern, einen Zutrittsausweis beim Wachmann gefunden zu haben. Langsam und als wäre es das Normalste der Welt durchsuchte er seine Taschen, konnte aber keinen Ausweis finden. Entweder hatte der Wachmann ihn irgendwo im Tresen verstaut oder Jasa hatte ihn schlichtweg übersehen. Was für ein dummer Fehler.
Nun brauchte er eine glaubwürdige Geschichte, mit der er den wachhabenden Offizier überzeugen konnte. Da er sich bereits in der Schlange befand, konnte er nicht einfach umdrehen und wieder rausgehen, ohne Verdacht zu erregen.
Der Mann vor ihm wurde durchsucht, sein Ausweis wurde gescannt und dann wurde er reingelassen. Jetzt war Jasa an der Reihe.
„Ausweis bitte“, raunte ihm der eine Soldat launisch zu. Seine Schicht dauerte wohl schon etwas zu lange.
Jasa trat rasch einen Schritt auf ihn zu und begann sofort, heftig gestikulierend mit ihm zu sprechen. „Den hab ich in der Eile wohl liegen gelassen. Der kommandierende Offizier will mich dringend sprechen.“
Der Soldat musterte ihn von oben bis unten. Jetzt konnte Jasa nur noch hoffen, dass er Brown nicht persönlich kannte. Ansonsten wäre das hier jetzt sofort gelaufen.
„In was für einer Angelegenheit will der Commander Sie sprechen?“
„Sie können Ihn ja liebend gerne anrufen und Ihn fragen. Und ihm bei der Gelegenheit auch noch klarmachen, warum Sie mich hier aufgehalten haben. Er wird sicher Verständnis dafür haben.“
Das hatte gesessen. Er ging zur Seite und liess ihn durch. Jasa hastete weiter und ging durch die grosse Schwingtür, die ins Innere des Komplexes führte. Er war tatsächlich drin.
Für einen kurzen Moment fragte er sich, warum das so reibungslos ablief, verdrängte den Gedanken aber sofort wieder und konzentrierte sich auf seine Aufgabe.
Er musste nun in den dritten Stock gelangen und dort die Bombe im „Sitzungsraum Drei“ platzieren, wo am nächsten Morgen das Tribunal mit allen hohen Führungskadern der roten Brigaden tagte.
Er suchte nach einem Fahrstuhl und fand ihn auch. Der Lastenaufzug befand sich ganz am Ende des Ganges.
Jasa ging rüber, drückte den Knopf und rief den Aufzug. Der wechselte die Farbe von Rot auf Grün. Die Aufzüge waren also aktiv, trotz des Stromausfalls. Scheinbar liefen sie – genauso wie die Beleuchtung – über die internen Notstromaggregate.
Laut der Anzeige befand der Aufzug sich gerade im 10. Stock, also ganz oben. Das würde ein paar Sekunden dauern, bis er hier war.
Um die Situation zu verkomplizieren bogen genau in diesem Moment zwei Wachen um die Ecke und kamen auf ihn zu. Er drückte abermals nervös auf den Knopf. Der Fahrstuhl befand sich jetzt im sechsten Stock.
Die Wachen sahen ihn von weitem kurz an, vertieften sich dann aber wieder in ihr Gespräch. Die Tarnung schien noch immer zu funktionieren. Jedenfalls aus der Ferne.
Fünfter Stock. Jasa hatte irgendwie das Gefühl, dass der Aufzug angehalten hatte. Womöglich stieg jemand ein oder aus. Die beiden Wachen kamen langsam aber stetig weiter näher. Sie hatten es nicht eilig, sahen Sie doch bereits von weitem auf der Anzeige, dass sich der Aufzug noch in den oberen Stockwerken befand.
Dritter Stock, Jasa’s eigentliches Ziel. Dann sofort der zweite. Die Wachen waren nun noch etwa 15 Meter vom Aufzug entfernt, der eine hob seine Hand und meinte, dass er auf sie warten sollte. Was er selbstverständlich nicht im Geringsten vorhatte.
Dann war der Aufzug da und die Türen öffneten sich. Die beiden Wachen trabten los, um ihn noch zu erwischen. Jasa huschte in den Aufzug, gab den dritten Stock als Ziel an und drückte mehrmals den Tür-Schliess-Knopf. Nur langsam schloss sich die Türe.
Die Männer waren nur noch einige Meter entfernt, als sie sich fast komplett zugezogen hatte. Im letzten Moment hielt aber noch einer der Beiden seine Hand zwischen die Türen, zog sie aber rasch wieder raus, als er merkte, dass das keinerlei stoppende Wirkung hatte. Die Sicherheitsschaltung war entweder nicht vorhanden oder inaktiv aufgrund des Stromausfalls. Die Türe schloss sich nun ganz und der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Im dritten Stock hielt er an und die Türen öffneten sich zischend. Jasa trat hinaus in den Gang und sah sich um. Sowohl nach links als auch nach rechts ging je ein Flur ab mit unzähligen Türen auf beiden Seiten. Er begann auf der linken Seite und fand auf ungefähr halber Strecke einen kleinen Evakuationsplan an der Wand.
Er studierte ihn, leider waren aber keine Raumnamen darauf vermerkt. Bei genauerem Hinsehen bemerkte er aber einen grossen Raum etwas weiter zurück den Flur runter. Das musste das Sitzungszimmer sein.
Er drehte sich um und lief zurück. Als er nur noch einige Meter vom Aufzug entfernt war, öffneten sich die Türen erneut und die zwei Wachen von vorhin standen vor ihm.

Das waren die Jungs, denen er im Aufzug davongefahren war.

Kapitel 10

Sie sahen nicht gerade amüsiert aus und blockierten ihm den Weg. Einer der beiden hatte seine Hand an seinem Taser.
„Das war überhaupt nicht nett vorhin“, meinte der eine.
„Nein, Frank. Das war überhaupt nicht nett“, hängte der andere ein.
Die Beiden kamen langsam auf Jasa zu.
„Ich denke, wir sollten ihn bestrafen. Was meinst Du?“
„Ja, solches Verhalten kann nicht toleriert werden. Strafe muss sein.“
Jasa spannte jeden Muskel im Körper an und machte sich kampfbereit. Der vordere Wachmann hatte nun seinen Taser vom Gürtel genommen und spielte damit herum. Die blauen Blitze vorne am Gerät zuckten bedrohlich.
„Halt ja still!“
Mit diesen Worten schnellte er mit einem grossen Satz nach vorne und versuchte, Jasa mit seinem Taser zu treffen. Aber Jasa erwartete den Angriff und war schneller. Er wich der Attacke aus und hatte bereits den Schlagstock zur Hand, womit er dem Angreifer direkt aufs Handgelenk schlug.
Er konnte es zwar nicht hören, aber vom Gesichtsausdruck und dem darauffolgenden Geschrei musste es wohl gebrochen sein. Der Mann ging zu Boden und Jasa gab ihn mit einem Ellbogenschlag direkt ins Genick den Rest. Einer weniger.
Der zweite Wachmann sah jetzt ziemlich verdutzt aus. Er hatte wohl nicht erwartet, das aus dem Zwei-zu-Eins plötzlich ein Eins-zu-Eins werden würde.
„Was zum Teufel…“ war alles, was er noch rausbrachte.
Jasa war bereits wieder aufgesprungen und rannte auf ihn zu. Der Mann war aber zu überrascht, um zu reagieren. Jasa setzte zum Sprung an und traf ihn mit einem Kick direkt an der Schläfe. Jasa konnte ein leises Knacken hören, als das Genick des Wachmannes brach und er tot zu Boden fiel.
Jetzt hatte er aber ein ganz anderes Problem. Es lagen zwei Leichen mitten im Gang und sobald nun weitere Wachen oder anderes Personal diesen Gang entlang kamen, würden sie entdeckt werden. Rasch sah er sich um und suchte nach einem Raum, wo er die beiden Körper verstecken konnte. Die zweitletzte Türe, die er überprüfte, war eine Art Reinigungsraum. Das musste dann wohl ausreichen.
Er zog die beiden leblosen Körper dort hinein und versteckte sie zumindest so gut hinter den vorhanden Kisten und Materialien, dass man sie nicht direkt beim Betreten des Raumes finden würde.
Dann ging er zurück zu seinem eigentlichen Ziel, dem Sitzungsraum. Als er direkt davor stand, begutachtete er das Türschild. Darauf stand in goldenen Lettern eine römische Drei. Er war also richtig. Dummerweise war die Tür mit einem Codeleser gesichert.
Aus seiner Tasche kramte er ein Gerät und montierte es direkt seitlich auf den Leser. Er drückte einige Knöpfe darauf und liess das Ding seinen Dienst tun. Einige Sekunden später leuchtete es grün auf und er hörte, wie sich die Tür sich entriegelte. Der Weg war frei. Er betrat den Raum.
Dominierendes Element war ganz klar der riesige hölzerne Sitzungstisch, der durch den ganzen Raum ragte. Er war dunkelbraun und hatte eine glänzende Oberfläche mit dem Logo der Brigaden in der Mitte eingeschnitzt. Jasa konnte keinerlei Dreck oder Staub darauf erkennen.
Die Fenster waren von roten Vorhängen verdeckt, die aussahen wie riesige verzierte Wandteppiche. Rund um den Tisch standen schwarze Lederstühle mit hohen Kopfstützen und Seitenlehnen. Alles war perfekt arrangiert und bereit, für das Treffen morgen früh. Jasa ging auf die Knie.
Er wollte die Bombe direkt unter dem Tisch in der Nähe des Platzes des Präsidenten anbringen. Vorsichtig öffnete er den Rucksack und nahm sie heraus. Er entfernte die Schutzfolie um den Sprengstoff herum und klebte ihn sorgfältig von unten an die Tischplatte. Ein wenig Klebeband diente dazu, das Ganze dann etwas besser zu sichern. Es wäre fatal, wenn die Bombe runterfallen und entdeckt werden würde, bevor sie ihren Dienst getan hatte.
Als alles fest montiert war, aktivierte er die Funkverbindung mit seinem Zünder Mechanismus und kroch langsam wieder unter dem Tisch hervor. Dann ging er in eine Ecke des Raums und zog sich einen der Ledersessel heran. Er stand drauf und montierte eine kleine Funkkamera direkt in einen der Lüftungsschlitze.
Dann sprang er auf den Boden zurück und überprüfte den Winkel und das Bild der Kamera. Dann stellte er den Sessel wieder an seinen angestammten Platz und verliess den Raum.
Er hastete zum Aufzug und ging den gleichen Weg wieder aus dem Gebäude hinaus, wie er gekommen war. Er kam wieder an der Eingangskontrolle vorbei und zwinkerte dem wachhabenden Offizier zu.
„Ich habe beim Commander ein gutes Wort für sie eingelegt.“
Er nickte dankend mit dem Kopf und wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu.
Jasa war nun draussen im Park angekommen. Nun fehlte eigentlich nur noch der letzte Schritt. Er musste sich ein gutes Plätzchen finden, wo er das Gebäude im Blick hatte und sich bis morgen früh ungesehen aufhalten konnte. Von da aus würde er dann die Bombe zünden.
Als er am Wachhaus vorbeikam bemerkte er, dass die Leiche noch immer an der gleichen Stelle lag. Niemand hatte ihn bis jetzt entdeckt. Soviel zum Wachdispositiv. Die Brigaden waren sich scheinbar sehr sicher, dass hier niemand reinkommt - selbst im Falle eines Stromausfalls.
Diese Arroganz und Überheblichkeit hatte sich Jasa nun zu Nutze gemacht und sie würde morgen früh ihre fatalen Früchte tragen. Damit der Wachmann aber auch später nicht entdeckt wurde, zog er ihn ein paar Meter weiter über den Gehweg und entledigte sich ihm in einem grossen schwarzen Müllcontainer.
Er hatte das Gelände jetzt verlassen und war auf der Suche nach einem geeigneten Standort für seinen Beobachtungsposten. Die Dächer der umgebenden Gebäude waren eigentlich allesamt recht gut geeignet, nur war ihm das etwas zu nahe am Geschehen dran.
Jasa entschied sich für das etwas höhere Gebäude eine Strasse weiter, von welchem man aber ebenfalls einen exzellenten Blick auf das Hauptquartier haben würde.
Die Feuerleiter zum Gebäude befand sich am hinteren Ende und er war rasch oben auf dem Dach. Und tatsächlich, die Sicht auf das Ziel war sehr gut und er war durch eine niedrige umgebende Mauer auch vor allzu neugierigen Blicken von der Strasse aus geschützt.
Er zog sich die Wach-Uniform aus, die er jetzt nicht mehr benötigte. Dann legte er sich auf den Bauch mit Sicht auf das Hauptquartier und benutzte die Uniform direkt als Auflage für sein Fernglas.
Und dann wartete er.
Das war stets der langweiligste Part seiner Aufgabe, das Warten. Das Warten auf den Knall oder auf diese eine minutiös vorbereitete Aktion.
Hier hatte er nun einige Stunden zu überbrücken, bis das Treffen stattfand und die Bombe hochging. Er checkte einige Male den kleinen Bildschirm neben ihm und konnte stets ein klares Bild empfangen. Der Sender funktionierte hervorragend.
Dann sah er durch das Fernglas und konnte direkt auf das Sitzungszimmer blicken, das sich am vorderen Teil des Gebäudes befand. Die schweren roten Vorhänge waren gut zu sehen.
Die nächsten Stunden verliefen vollkommen ereignislos. Es kamen ein paar Fahrzeuge an und einige gingen. Wachen wurden eingeladen und weggefahren. Keinerlei Anzeichen, dass etwas bemerkt wurde von seinem Eindringen.
Um ungefähr neun Uhr morgens änderte sich das dann schlagartig.
Das Treffen stand offenbar kurz bevor und sie verlagerten die Wachen nach innen beziehungsweise in einen Perimeter direkt um das Gebäude herum. Einige Minuten später kamen die grossen Fahrzeuge an und die Führungskader der Brigaden betraten das Gebäude. Jasa machte sich bereit. Er konnte die Explosion von hier aus auslösen, würde das aber erst tun, nachdem alle im Raum waren. Inklusive dem Präsidenten.
Er sah auf den kleinen Bildschirm neben sich. Erste Mitarbeiter betraten den Raum und begannen, den Tisch mit Getränken und Schreibmaterial zu decken.
Es konnte sich nun nur noch um wenige Augenblicke handeln, bis es losging. Ein paar Minuten später kamen die ersten Vertreter der Brigadenführung herein und setzten sich auf ihre Plätze. Der Raum füllte sich nach und nach, nur der Präsident - die eigentliche Zielperson - wollte nicht auftauchen. Jasa wurde nervös.
Der ganze Anschlag galt eigentlich hauptsächlich ihm. Dass dadurch der Rest der Führung ebenfalls ausgelöscht wurde, war Nebensache. Die konnten und würden ersetzt werden.
Der Präsident allerdings nicht. Er war seit Kriegsbeginn im Amt und hatte grossen Anteil daran, dass es überhaupt zum Krieg kam. Er war definitiv eine Identifikationsfigur der Brigaden im Kampf gegen die anderen Gruppierungen. Sollte er fallen, würde das ein derartiges Durcheinander auslösen, das es im besten Fall zu ihrer völligen Vernichtung führen konnte.
Und plötzlich betrat er den Raum. Der Präsident der roten Brigaden war jetzt im Raum mit der Bombe. Jasa nahm den Auslöser in die rechte Hand und klappte die rote Sicherheitskappe nach hinten. Der Moment war gekommen, seine Mission würde jetzt und hier enden. Er überprüfte nochmal kurz die Verbindung zu der Bombe.
Jasa drückte den Auslöser.

Nichts passierte. Er drückte nochmal.
Wiederum nichts. Er kontrollierte nochmal die Verbindung zur Bombe, die kleine LED leuchtete grün. Eigentlich müsste alles in Ordnung sein.
Er drückte ein drittes Mal. Wieder keine Reaktion. Allerdings gab es plötzlich Bewegung im Saal. Offenbar hatte irgendetwas an der Bombe unter dem Tisch ein Geräusch gemacht und jemand hatte sie unter dem Tisch entdeckt. Die Leute begannen, in Panik aus dem Raum zu rennen. Jasa konnte im Tumult den Präsident nicht mehr sehen. Er hatte ihn aus dem Sichtfeld verloren.
In diesem Augenblick detonierte die Bombe.
Die Explosion war auch von aussen sehr gut zu erkennen. Die schweren roten Vorhänge wurden zerrissen und die Fensterscheiben zerbarsten vom Druck der Explosion.
Sofort gingen diverse Alarme los. Wachen stürmten zum Gebäude.
Jasa wusste nicht, ob er erfolgreich war oder nicht. Er wusste nicht, ob die Explosion den Präsidenten effektiv getroffen hatte oder nicht. Er wusste nicht mal, ob sie irgendwen getroffen hatte oder ob alle bereits aus dem Raum waren, als sie detonierte. Nichtsdestotrotz musste er sofort verschwinden und sich zum Evakuationspunkt begeben. Er packte hastig alles zusammen und kletterte vom Dach.
Seine Mission war beendet und es fühlte sich wie ein verdammter Fehlschlag an. Die nächsten Tage würden zeigen, ob es tatsächlich einer war.
Er rannte los.
Das Evakuierungs-Team würde nicht auf ihn warten.

 

Hey madcybi,

und hier gleich Regel Nr. 2 :)

Wenn Du dem Leser etwas mitteilen willst, dann nicht im Beitrag für die Geschichte, sondern in einem externen Zweiten darunter. Da die Mitteilung aber nur eine handvoll Leute verstehen, nämlich die, die in den letzten 10 Minuten Deine Geschichte angeklickt haben, hab ich das mal gelöscht. Auch aus dem Titel hab ich den Zusatz rausgenommen, lenkt ja alles nur von der Story ab und geht ja darum, nicht um drumrum und nebenbei :).

 

Hi Madcybi,

Das ist wieder eine sehr actionreiche Story. Sie liest sich schnell, aber ich finde auch: zu schnell. Ja, die Story ist so schon recht lang. Aber bei dem Inhalt wäre es besser, wenn sie noch länger wäre. Der Stil gefällt mir hier etwas weniger. Die Sprache ist ziemlich jugendlich, da fehlt mir noch etwas Reife.
Lies dir deinen Text immer wieder laut vor. Da merkst du dann schon selbst, wenn es an einigen Stellen hapert. Ich will jetzt nicht den gesamten Text auseinander schrauben.
Aber eine Kakophonie brüllt meiner Meinung nach nicht.
Und eine gleißende Explosion ist mir auch suspekt.
Wenn man diese dann nicht hören kann - warum eigentlich nicht?- stört mich das auch. Außerdem sollte es wenigstens eine spürbare Druckwelle geben.

(Damit du siehst, dass ich wirklich mehr als nur den Anfang gelesen habe:)

Um die Situation zu verkomplizieren bogen...
Das Wort verkomplizieren gefällt mir gar nicht. Außerdem sollte danach ein Komma hin, glaube ich. Aber wenn du an dem Satz feilst, wird der wohl sowieso völlig anders.

Du hast ein recht gutes Talent, eine Geschichte voranzutreiben. Aber du musst noch am Stil, an deinen Worten und Satzkonstrukten arbeiten. Es muss, was den Lese-Rythmus angeht, runder und weicher werden. So klingt einiges etwas hölzern. Ich mache es bei mir gerne so, dass ich eine Geschichte ein paar Wochen liegen lasse, und dann (wie gesagt) laut lese. Dann habe ich ein wenig Abstand vom eigenen Geschreibsel und mir fallen Fehler im Schreibfluss eher auf.

Da ich hier noch neu bin, weiß ich nicht, wie viel an solchen änderungsvorschlägen angebracht sind. Und ich will dich damit auch nicht überschütten.

Trotz meiner Kritik finde ich, dass du Potential besitzt. Deshalb mach weiter. Nur wenn du schreibst, kannst du dich weiterentwickeln.

Lg

 

Hallo madcybi!

Mir gefällt sofort deine Stilhaltung. Es wird, leicht ironisch gefärbt, mit Distanz zum Geschehen, aber auch mit ungewöhnlichem Detailblick erzählt.

Das Grün auf den Anzeigen war bestenfalls eine vage Erinnerung in irgendwelchen Schaltkreisen und wurde durch ein aggressives Rot ersetzt.
Find ich richtig gut.

Er landete mitten auf einem Dach in der Nähe des Hauptquartiers der roten Brigade. Eigentlich hatte er geplant, hier still und leise zu landen. Nun konnte er aber der Satellitenschüssel vor ihm nicht mehr ausweichen und krachte mit lautem Getöse direkt hinein. Er riss die Schüssel aus der Verankerung, worauf sie hinter ihm über das Dach schleifte und mit einem lauten, kreischenden Geräusch erst einige Zentimeter vor dem Rand zum Stillstand kam. Leise ging irgendwie anders. Der Lärm musste weit herum gehört worden sein.
In dem Absatz kommt das Ironische richtig zur Geltung.
Den letzten Satz würd ich weglassen, der zerstört dieses „Leise ging irgendwie anders“, das müsste unkommentiert hängen bleiben, meine ich.

Der Protagonist wird vom Erzähler stufenweise vorgestellt, beinahe so, als lernte er ihn auch grad in dem Moment kennen.
Erst der Unbekannte, dann der Attentäter, dann Jasa.

„Da könnt ihr Gift drauf nehmen“, entgegnete Jasa kühl und ohne Gefühlsregung.
Die letzte Bemerkung kann raus. Ist eine Dopplung, aber noch mehr: Ich nehme das „ohne Gefühl“ nicht ab. „Kühl“ ordne ich noch unter Außensicht ein, „ohne Gefühlsregung“ nicht mehr.
Um das Gefühllose glaubhaft erscheinen zu lassen, hätte er einen anderen Text sagen müssen. Einfach nur Okay oder ein HmHm hinbrummeln.
Auch ist es problematisch, in einem Satz von der Außen- auf die Innensicht umzuschalten.


Ein kurzer Blick auf sein Smartphone
Die Story entwickelt sich zu einer wahrlich grausamen Dystopie! :D

Das Ganze hier ging in eine furchtbar falsche Richtung.
Ich mag das!
Diese Stilhaltung erinnert mich an den Krimi-Autor Adler Olsen und seinem Sonderermittler Carl Morck.

„Eine Idee: Warum gehen Sie und Ihre Freunde hier jetzt nicht einfach raus und ficken sich einmal ganz gepflegt gegenseitig in den Arsch?“
Da höre ich nun nicht mehr so unbedingt Carl Morck raus, aber saugut!

Sofort spritzte Blut und der Mann fiel wie ein nasser Sack zu Boden.
Statt nasser Sack besser was Eigenes ausdenken.
Na ja, es gibt ein paar Kleinigkeiten. Zuvor hatte ich „realisierte Remmock“ gelesen. Ein umgangssprachlicher Blödsinn, „begriff Remmrock“ wäre möglich.

Die Prügelszenen sind recht gut beschrieben, auch nicht zu lang geraten. Es wird deutlich, das man es hier mit einem unverwüstlichen Helden zu tun hat. Ich vermute, letztendlich wird er jede Hürde mit Lockerheit und Bravur meistern. Alles andere wäre eine Überraschung.

Als er auf Höhe des Wachhauses war konnte er erkennen, dass der Mann darin nicht besonders aufmerksam zu sein schien.
So was bestärkt meine Vermutung. Die Gegner sind einfach zu schwach.

Nun, am Ende versagt die Technik. Ich wusste es, erst muss ich erfahren, dass es in Zukunft immer noch diese blöden Smartphons geben wird, und nun auch noch das! Dystopie!

War ein Vergnügen!

Lieben Gruß

Asterix

 

@Sven
Danke für dein Review. Zu einigen deiner Punkte möchte ich gerne noch Stellung nehmen :D

"Eine Kakophonie brüllt nicht". Meiner Meinung nach schon, vgl. Wikipedia Artikel zu dem Thema.

"Gleissende Explosion" - Richtig, die Explosion ist nicht gleissend, besser wäre wohl gewesen "Gleissend helle Explosion".

Betreffend dem Hören der Explosion oder eben dem "Nicht-Hören" der Explosion. Du hast recht, ich werde die Distanzangabe noch etwas anpassen. In wenigen hundert Metern würde man eine solch grosse Explosion noch immer wahrnehmen. War ein reiner Logikfehler.

Zum Stil an sich, der Text kommt von meiner Kurzgeschichten Seite und ist Kapitel für Kapitel veröffentlicht worden. Ein grosses Review fand hier nicht statt. Alles, was ich gemacht habe ist den Text noch ein zweites Mal durchgelesen und überarbeitet. Die Texte der "Station" sind also in einer eigentlich ziemlich "rohen" Form veröffentlicht worden. Deswegen kann es - besonders zu Beginn - ab und an mal etwas holpern, Wortwiederholungen drin haben und auch Füllwörter sind bei der "Station" sicherlich noch ein Thema.

@Asterix
Danke auch Dir für dein Review und deine äusserst motivierenden Worte :D Freut mich, dass Dir der Text so gut gefallen hat. Den ironischen Stil hab ich mir hier auch so fest vorgenommen und kommt aus dem Lesen von Romanen mit "Odd Thomas" von Dean Koontz und auch aus der ganzen "Sandman Slim" Reihe wenn Dir diese ein begriff sind. Da wird ein recht ähnlicher Schreibstil gepflegt und auch da geht es eigentlich um "Bad-Ass" Helden, die so abgebrüht sind, dass sie eigentlich nichts mehr so richtig ernst nehmen können. Zusätzlich dazu mag ich so vollkommen ernst geschriebene Texte ohne eine gewisse Spur Humor oder Ironie nicht so gerne. Ich schreibe auch ab und an solche Geschichten, tendiere aber definitiv zu Dingen wie der "Station" und Figuren wie Jasa.

Die Sache mit dem "Der Lärm musste weit herum gehört worden sein" ist richtig. Das zerstört effektiv den Abschluss des Abschnitts und wird gestrichen :D

Und dann noch zum Thema Smartphones & Dystopie...bin froh, dass es so rübergekommen ist. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich besonders beim Begriff "Smartphone" mit mir gerungen habe und ich mir noch immer sicher bin, dass es da irgendwie bessere Begriffe dafür gibt. Aber sei's drum :D

Hast übrigens ne PM :)

 

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