Die Traumfrau
Die Traumfrau
Eindeutig saß ich einem Engel gegenüber.
Sie war da, die ich so lange suchte. Durch den Tisch von mir getrennt, im halbdunklen Restaurant. Mein Engel.
Ein Gefühl von angekommen sein, Zuhause, unendlicher, überirdischer Liebe.
Keine Fragen; keine Spiele nur Verstehen: Die Zukunft lag vor uns. Alles so klar, füreinander bestimmt, fragloses Miteinander ab der ersten Sekunde.
Unfassbar. Grenzenloses Vertrauen. Ihre Stimme drang in meinen Körper, überall hin, erfüllte mich. Ihre Anwesenheit nahm mich mit all dem unausgesprochenen blinden Verstehen komplett gefangen. Es war das Paradies zweier Menschen. Unerschöpflich glückbringend. So wundervoll, unglaublich und wahr.
Ich liebte alles an ihr, suche jetzt noch nach Worten und scheitere am Mangel treffender Ausdrücke. Wie sollte ich etwas so Großes, Wahres, Reines annähernd ausdrücken können?
Vielleicht damit, daß wir nicht zu reden brauchten, es dennoch taten, aber es dem Grunde nach sinnlose und zeitraubende Arbeit war, denn ich wußte was Sie sagen wird und umgekehrt. Viel schneller ging das, sich in den anderen fallen zu lassen und einfach die Gedanken wie ein Feuerwerk in hundert Explosionen und allen Farben zu vereinen. Die Seele des Einen lag nackt vor dem Anderen. Ohne Scheu. Ohne Angst. Es war ein Wiederfinden.
Noch heute sage ich, wir verbrachten die Nacht zusammen, machten uns vertraut, obwohl wir das doch sofort waren.
Als ich aufwachte, sah ich hinüber zu meiner schlafenden Freundin. Ich war orientierungslos und verunsichert. Die unendlich liebevolle Athmosphäre hatte ich hinübergerettet in den Wachzustand und dort verblasste Sie jetzt unaufhaltsam. Durch die Langsamkeit, mit der es geschah, wurde es nur noch grausamer. Ich wollte Sie zurückholen, größer werden lassen, mich weiter in ihr baden, bis Sie schließlich flüchtig und leise ganz still starb. Ich konnte Sie nicht halten.
Da war nur noch das Jetzt. Groß, kalt, nüchtern und farblos stieg es auf, übernahm wieder die Herrschaft der Sinne. Die Eine wohlbekannte und mächtige Realität.
Wie ein großes schwarzes Tuch legte sich die Trauer über mich. Da war nur noch Schmerz.
Ich mußte dieses Gefühl, diese Liebe finden. Es gab Sie irgendwo auf der Welt. Ganz sicher. Ich ging ans Fenster. Irgendwo dort draußen ist gerade eine Frau aufgewacht und unendlich traurig.
Eine Woche später trennte ich mich. Falls es doch bloß ein Traum war, ist er Weg und Ziel. Das ist jetzt 10 Jahre her.