So, damit Ihr auch was von meiner Übermüdung habt, bevor ich jetzt wirklich schlafen geh...
Die Hexe von Schloss Kritenstein
Es war einmal …
… eine zarte, junge Frau, in die sich jeder Mann verliebte, sobald er sie sah. Sieben an der Zahl hielten um ihre Hand an. Luise aber war nicht dumm und wusste, dass sie dieses Handycap hatte. Sie klagte der alten Hexe von Kritenstein ihr Leid, da ihr Vater für sie einen auswählen würde, wenn sie sich nicht entscheiden könne. Die Hexe überlegte nicht lange und sagte zu ihr:
»Beim nächsten Vollmond sollst du sie zum Essen auf Schloss Kritenstein laden. Dann wirst du sehen, wer die ehrlichsten unter ihnen sind und welcher charakterlich am besten zu dir passt.« Mehr wollte sie nicht verraten, sie würde alles Nötige bereitstellen.
Vierzehn Tage vergingen, bis der Mond endlich als runde Kugel am Himmel stand. Luise war schon sehr aufgeregt.
Die Männer waren zu unterschiedlichen Zeiten bestellt und wurden von der Hexe empfangen, die sie in einen Raum mit einem großen schweren Tisch und ebensolchen Stühlen führte. Dort servierte Luise jedem einen Teller Suppe. Die Hexe hatte ihr verboten, vorher selbst zu kosten.
Der erste der Männer sah die ganze Zeit nur auf Luise, nahm ohne zu schauen einen Löffel, sah dann erschrocken drein und fing an zu stottern: »Di-die ist gut, die Supp-uppe« Ohne den Blick von Luise zu nehmen, aß er, innerlich angewidert, nach außen mit einem Lächeln, den ganzen Teller leer.
Luise bemerkte nichts. Sie fragte die Hexe: »Und was soll mir das jetzt an Erfahrung gebracht haben? Die Suppe hat ihm offenbar geschmeckt, er hat sie gegessen, das ist alles.«
»Warte noch die anderen ab, dann wirst du es schon merken«, konterte die Hexe und ließ den zweiten Verehrer herein.
Der machte beim Anblick der Suppe »Mhm«, verzog das Gesicht, als er die Suppe kostete, sagte knapp: »Da ist kein Salz drin«, und grinste. Luise fuhr es durch alle Knochen, als ihr bewußt wurde, dass sie ihren Verehrern eine ungesalzene Suppe auf den Tisch stellt… Schließlich fand sie aber doch Gefallen an dem Gedanken, und servierte schon bald dem nächsten Kandidaten einen Teller davon.
Der sah die Suppe im Teller, meinte: »Die sieht aber sehr gut aus«, und nahm einen Löffel voll in den Mund. Dann schaute er sie mit seinen treuherzigen Augen an und sagte: »Ich hab dich bestimmt ganz schön durcheinander gebracht«, dazu lächelte er sie an wie einen Engel . »Aber das Gute ist: Du hast vor lauter Verliebtheit nicht zu viel Salz in die Suppe gegeben, sondern zu wenig. Da könnte ich noch nachsalzen, wenn du bitte etwas Salz für mich hättest?«
Die Hexe hörte mit, und brachte das Salz bereits, als Luise sich umdrehen und losgehen wollte. Danach schmeckte es dem jungen Mann und er aß zufrieden alles auf.
Der vierte stellte ebenfalls fest, dass die Suppe gut aussehen würde und lächelte Luise an. Als er den Löffel in den Mund nahm, machte er »Mmmh«, schluckte hinunter und sprach: »Hast du bitte noch etwas Salz, das könnte die Suppe noch vertragen. Sonst schmeckt sie nicht so gut, wie sie aussieht.«
Luise machte das Spiel mittlerweile schon richtig Spaß. Voller Elan stellte sie dem nächsten seinen Teller hin und bemerkte sofort seine Blicke, die sich in ihrem Dekolletté verfingen. Auch, als sie den Teller füllte, konnte er sich nur schwer lösen, und ebenso, während er den Löffel zum Mund führte. Er verschluckte sich beim Versuch, künstlich zu husten, und platzte die Frage heraus: »Päh, was setzt du mir denn da vor, eine Suppe soll das sein? Ohne Salz?!«
Er stand auf und ging.
Luise hatte nicht lange Zeit, sich von dem Schreck zu erholen, zum Glück war der sechste Brautwerber ein sehr sachlicher Typ. Geistig war er erst damit beschäftigt, die Gemüsestücke zu zählen und zu berechnen, wie viele durchschnittlich auf einen Löffel müssen, damit es überall gleich viele sind, bevor er im Anschluß an den Kostvorgang sein Fazit offenbarte: »Gemüse: 1-A; zu wenig gesalzen.«
Der siebente und letzte war der reichste unter allen. Er saß bei Tisch, einem artigen Kind gleich, blies den ersten Löffel, ohne darauf zu achten, ob er überhaupt noch heiß war, und empörte sich dann: »Was soll das denn sein? Eine Suppe? Frechheit, mir sowas vorzusetzen!« Luise stand vor ihm, starrte ihn an, dann setzte er fort: »Wahrscheinlich willst du mich auch noch vergiften!« Die Hexe kam herein und wies ihn zur Tür hinaus.
Dann nahm sie das Salz, schüttete ordentlich davon in den Suppenkessel, füllte zwei Teller und setzte sich mit Luise zu Tisch. »Und, welchen wirst du wählen?«
»Es kommen ja nur wenige davon in Frage – ach, ich hätt gern den Publikums-Joker...«