Die Waschmaschine
Ein Teller fegte durch die Küche und zerbrach lautstark an den nackten Fliesen über dem Waschbecken. „Wieso hast du mir das angetan?“ schrie Michaela „Schwein!“ Eine Tasse folgte dem Beispiel des Tellers. „Es tut mir Leid! Aber ich liebe dich nicht mehr! Ich werde zu Janine ziehen und daran kannst du mich nicht hindern.“ Ein Hauch von Panik schwang in Noahs Stimme mit; während der Teller einen guten Meter neben ihm gegen die Wand geprallt war, hatte die Tasse ihn nur um Zentimeter verfehlt. „Und was ist mit unserem Sohn? Was wird aus ihm? Soll er ohne Vater aufwachsen?“ Sie begann hysterisch zu schluchzen. Dabei fielen ihr die braunen Locken ins Gesicht, beinahe wie ein Vorhang, der das Schauspiel auf ihrem Gesicht verbergen sollte. „Dennis ist erst sieben Monate alt! Er wird es noch gar nicht begreifen. Und natürlich werde ich für euch bezahlen und ihn besuchen!“ rief Noah verzweifelt. „Du wirst ihn nie mehr wieder sehen! Dafür sorge ich!“ Damit stürmte Michaela aus der Küche. Noah folgte ihr so schnell er konnte auf den Flur, doch er hörte nur den Badezimmerschlüssel klicken und wusste, dass sie an diesem Abend den Raum nicht mehr verlassen würde. Wutentbrannt lief er ins Schlafzimmer, packte notdürftig seine Sachen in den alten Lederkoffer und verließ die Wohnung und mit ihr seine Frau, doch nicht ohne vorher die Tür so laut zuzuschmeißen, dass eine der Milchglasscheiben aus dieser heraus fiel und laut klirrend zu Bruch ging.
Michaela saß auf dem geschlossenen Klodeckel und schluchzte in ihre Hände. Schwarzer Mascara lief über ihre Wangen und tropfte durch ihre Hände auf ihr weißes T-Shirt, fast wie schwarzes Blut. Lange hatte sie versucht ihren Mann zu halten, sogar ein Kind hatte sie sich von ihm machen lassen. Dennoch hatte sie immer gespürt, dass er ihr langsam entglitt.
Nun saß sie hier, zwar mit Kind, doch ohne Mann und auch ohne Arbeit. Bald würde sie die Wohnung räumen müssen, sie konnte sie unmöglich bezahlen.
Dennis, dachte sie. Wie in Trance erhob sie sich langsam von der Toilette. Sie blieb einen Moment vor dem Spiegel stehen und strich sich den Vorhang aus dem Gesicht. Unsicher lächelte sie ihr Gegenüber an. Schließlich wollte sie ihren kleinen Sohn ja nicht erschrecken. Sie öffnete die Badtür und trat in den Flur. Glas knirschte unter ihren Schritten. Sie hörte Dennis in seinem Zimmer quengeln. Dieses verdammte Kind. Immer hatte sie nur Ärger mit ihm – Dreck, schlaflose Nächte und Geldprobleme. Und wofür? Noah war weg, das einzige was ihr nach wie vor blieb, war Dennis. Vielleicht war er überhaupt der Grund, dass Noah gegangen war. Der Streit war noch mehr geworden, seitdem das verfluchte Balg auf der Welt war.
Mit festem, entschlossenem Gesicht öffnete sie die Tür zu dem Kinderzimmer. Dennis quengelte lauter. Dass kleine Bettchen stand mitten im Zimmer. Als sie ihn auf die Arme nahm, fing er an zu schreien. Wie unerträglich dieses Geräusch war, war ihr vorher nie aufgefallen. Mit dem kleinen Jungen auf dem Arm ging sie langsam, aber sicheren Schrittes zurück in das Badezimmer. Die metallene Tür der Waschmaschine schnappte mechanisch als sie auf den gelben Knopf drückte. Dennis brüllte noch lauter und begann zu strampeln, als wüsste er, was seine Mutter vorhatte. Mit einem Ausdruck eiserner Entschlossenheit legte sie das Kind in die Waschtrommel und schloss die Tür. „Koch- und Buntwäsche, vierzig Grad und Schleudern am Ende…“ sagte sie und drückte die entsprechenden Tasten. Das blecherne Geschrei in der Trommel wich langsam einem erstickten Gluckern, während die Waschmaschine mit Wasser volllief.
Michaela ging in die Hocke und beobachtete durch die Tür der Maschine das Schauspiel, so als würde sie durch das Bullauge eines Schiffes mit mäßigem Interesse die Wellen des Meeres betrachten. Erst als die Trommel begann sich zu drehen, verließ sie mit wohlwollendem Gesicht und einem warmen Gefühl im Bauch den Raum. Ja, dachte sie. Jetzt wird alles besser.