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Die Weihnachts-Magnum

Monster-WG
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10.09.2014
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Die Weihnachts-Magnum

Der Radetzky-Marsch! Bei den Klingeltönen hat meine Frau einen seltsamen Geschmack. Unser Nachbar ist es - Luca, ein Zugereister aus Italiens Süden. Schöne Weihnachten möchte er uns wünschen, und er hätte eine Kleinigkeit, die er uns zu diesem Anlass schenken möchte. Wir seien doch zu Hause, ob er für einen Moment herüberkommen dürfe?
Ach, Luca, das ist so lieb von Dir, aber selbstverständlich doch, wir freuen uns schon.

„Moni! Luca will kurz rüberkommen“, informiere ich meine Frau.
‚Zugereister’ trifft es nicht genau, immerhin wohnt er schon elf Jahre neben uns. Aber er ist eben nicht von hier. Nach dem Tod seiner Frau wurde aus dem vitalen Mittvierziger ein stiller Mann, und als seine Tochter Rosa – „Meine Bildschöne“ nannte ich sie immer – zurückging nach Italien, der Liebe wegen, wurde Luca ein trauriger Mann. Einmal habe ich ihn gefragt, warum er nicht auch zurückgehe. Das sei nicht so einfach, war seine Antwort.

Die Klingel schrillt. Ich öffne die Tür. Kein Mensch zu sehen. „Luca!?“, rufe ich.
„Kuckuck!“, macht es. Mit verschmitztem Gesicht kommt er aus der dunklen Ecke und freut sich über seinen Einfall.
Hoppla, fast wäre ihm das Geschenk aus der Hand gerutscht, doch er fängt’s im Fluge. „Buon Natale, Frohe Weihnachten, Armin!“
„Ach, Luca! Das wäre doch nicht nötig gewesen. Danke, danke. Und frohe Weihnachten auch Dir, mein Freund. Komm rein“.
Ein Wölkchen Grappa meine ich zu verspüren, aber es ist ja Weihnachten. Beredt erklärt er, dass er in diesem Jahr alleine sei. Seine Tochter könne nicht kommen; durch ein Malheur habe sie den Arm in Gips.

Luca schaut sich in unserem weihnachtlich dekorierten Wohnzimmer um. Sein Blick bleibt an der Magnum hängen, eine Gran Reserva von 2006. Schon heute habe ich sie ‚geköpft’. Morgen kommen unsere Kinder und der Wein soll bis dahin genügend Luft bekommen, um seine ganze Fülle zu entfalten.
Lucas Blick klebt immer noch an der Riesenflasche und ich muss ihm, ob ich will oder nicht, ein Glas anbieten. Um anstoßen zu können, schenke ich auch uns einen Probeschluck ein.
„Auf ein schönes Weihnachten!“, sage ich und es klingt wie Silberglocken, als sich unsere Gläser berühren. Ich koste mit gespannten Sinnen: Hält der Wein, was wir uns von ihm versprochen haben?
Noch bevor ich mir eine Meinung gebildet habe, fragt Luca, ob er noch einen Schluck bekommen könne. Olala, denke ich, der Mann hat einen guten Zug! Aber warum sollte er langsam trinken, wenn doch genug da ist?

Unser Nachbar lässt den Wein in sich hineinfließen. Diesen Wein! Er gibt ihm keine Chance, mit seinen Qualitäten aufzutrumpfen. sondern packt ihn wie seine Maurerkelle. Und er hat, was ich bei seiner Jonglierkunst beim Eintreten übersah, ein Fotoalbum bei sich, das er mit uns gerne einmal durchblättern möchte.

Wir sind auf Seite vierzehn und sehen Luca in Positur vor dem Tyrrhenischen Meer am selbst gemauerten Grill, mit Freunden und Weinkaraffen, Auberginen und Meeresgetier.
„Luca“, sage ich „Du legst den Oktopus auf den Grill? Muss der nicht gekocht werden?“
„Kochen geht auch, come no. Wir haben ihn eben gegrillt. Wo ist das Problem?“
„Na, der wird steinhart. So ist er auch nach fünf Stunden nicht genießbar.“
„Eh bene, ein bisschen al dente war der schon, hat uns aber nichts ausgemacht. Schau mal, was wir Italiener für Zähne haben!“ Sagt’s und fletscht mich strahlendweiß an. Zum Spaß knurrt er dabei wie ein ganzes Löwenrudel.

„Grillen bei euch auch nur die Männer?“, fragt Moni.
„Ja, und die Frauen kochen. Man kann ja als Mann nicht den ganzen Tag arbeiten und abends noch zwei Stunden in der Küche stehen.“
„Na, hör mal!“, mische ich mich ein. „Ich mach dir Pasta in fünfzehn Minuten.“
„Armin“, sagt mein Nachbar beschwichtigend und legt seine Betonpranke auf meine Schulter „in diesen fünfzehn Minuten hab ich schon gegessen. Heute Abend zum Beispiel: Ein Döschen Corned Beef mit Zwiebeln und Pepicini – zack und fertig!“
Luca fasst sich mit beiden Händen an den Bauch: „Aber ich glaub’, das ist mir nicht gut bekommen. Hast du einen Schnaps bei der Hand, irgendwas Scharfes?“
„Einen Weinbrand hätt’ ich. Mit deinen komischen Pepicini wirst du dich noch mal umbringen.“
„Was mich umbringt, muss erst noch erfunden werden“, tönt Luca. Er hebt den Schwenker prüfend gegen das Licht. „Kann man den trinken? Na egal, als Medizin wird er schon helfen.“
Ich versuche, seine Bedenken zu zerstreuen: “Hilft garantiert. Muss man nur langsam trinken“.
„Nur keine Angst – ich trink schon nicht so schnell“, sagt Luca im Tonfall eines ertappten Schülers. „Prost! Auf die Gesundheit.“
Nächstes Jahr im Mai, so erzählt er uns, wäre er in Italien, da würde er wieder mal so richtig einkaufen - alles, was das Herz begehrt. Mit allen Sinnen hineingreifen, alles befummeln und befühlen, beriechen und – ach, das kennt man gar nicht in Deutschland – mit den Verkäufern ratschen und fachsimpeln.
„Du bist aus Kalabrien?“ Das ist mehr eine Feststellung als eine Frage, denn das weiß ich schon.
„Si, certo! Ich bin Kalabrese, und zwar ein echter“, fängt Luca Feuer. „Wir Kalabresen sind die echten Italiener! Wir haben Temperament. Das meinen die Sizilianer auch von sich, doch die leiden an Selbstüberschätzung. Und was ist denn da schon? Nur Armut und Mafia, Ende. Unsere N’drangheta dagegen - die ist wie Robin Hood. Sie nimmt den Reichen und gibt den Armen, und auch die Kirche ist auf ihrer Seite!“
„Und natürlich der Verband der Bestattungsunternehmer“, platzt mir der Kragen.
Doch Luca lässt sich in seinem Vortrag nicht unterbrechen: „Die weiter oben im Norden, die Milanesi, die sind nur am Geldmachen und Geldzählen interessiert – Emotionen kennen die nicht. Das sind eigentlich gar keine Italiener.“
Wieso ist er jetzt in Norditalien? Er hat den roten Faden verloren. Meine Frau hilft ihm auf die Sprünge: Einkaufen in Italien.
„Ah, chiaro!“ Luca nimmt einen kräftigen Schluck. „Die italienischen Sachen sind die besten der Welt. Das weiß jeder. Die Franzosen mit ihren Pâtés und Frikassees – das ist doch alles nur Gematsche!“
Er hat sich in Rage geredet, er sollte noch einen Schnaps haben. „Euer Weinbrand ist gar nicht so übel, aber mit italienischem Grappa kann er nicht mithalten.“
Bis dahin haben sich meine Frau und ich ein Dutzend Mal angeschaut, mit den Augen gerollt, sie zum Himmel gedreht und die Stirn in Falten gelegt.
Tja, unverhofft kommt oft. In Lucas Fall stimmen wir überein, dass uns schon ein einziges Mal ‚unverhofft’ reicht.
Beim Fotoalbum sind wir immer noch auf Seite 14. Unseren beschaulichen Heiligabend haben wir längst abgeschrieben. Wir sind überfallen worden von unserem netten, alleinlebenden Nachbarn und fühlen uns fast wie die Herbergsväter aller Einsamen und Verlassenen.
„Ich werde euch einen Grappa mitbringen, wie ihr noch keinen getrunken habt. Vom besten Brenner des Dorfes – da können die französischen Herren mit ihrem Cognac einpacken!“
„Ja, Luca.“ So langsam geht er uns auf die Nerven.
Sein Gesicht ist gerötet. Es ist eigentlich ganz hübsch mit den fetten Grübchen, den markanten Brauen, die ein weit gespreiztes Dach über seinen Holzkohleaugen darstellen und dem gespaltenen Mobbelkinn, das entweder große Durchsetzungskraft, überdurchschnittliche Einfühlsamkeit oder eine Mischung aus beiden ausdrücken kann.
Luca schenkt sich ein. „Schmeckt dir der Spanier?“, will ich wissen.
„Also, die Weine aus meiner Heimat sind sehr sehr gut. Der hier – ich meine, dafür, dass er aus Spanien kommt, ja, doch – kann man trinken.“ Gleich gehe ich ihm an die Gurgel.

Er muss jetzt ein Weihnachtslied aus Kalabrien vortragen. Es beginnt mit Summen, dann folgen die ersten Vokale und jetzt hören wir das eigentliche Lied – und er singt gar nicht schlecht! Allerdings haben wir uns diesen Heiligabend ohne kalabrische Weihnachtslieder vorgestellt. Moni und ich hätten etwas von der französischen Matschpastete gegessen, ein bisschen Käse dazu und ein erstes Probeglas unseres Nobelweins. Über den hat sich nun der Luca hergemacht - und deshalb kann ich mich nicht über seine, dieserart angeregten Sangeskünste freuen. Besonders jetzt nicht, weil er sich etwas unsicher erhebt und den dazugehörigen Tanz vorführt. Der Boden bebt und dröhnt und wir müssen an die unter uns Wohnenden denken.
Auch ich erhebe mich - muss diesen Wahnsinn stoppen. Doch bevor ich einen Laut herausbringe, ertönen andere Laute und die kommen von Lucas Handy. Er vergisst das Getanze und Gesinge, sagt ‚Pronto’ und setzt sich gespannt aufs Chaiselongue. Seine Tochter! Luca freut sich riesig. Das Italienische geht ihm viel fließender über die Lippen als Deutsch. Ich versuche noch, der Magnum einen letzten Schluck des Festweines zu entlocken, bekomme aber nur einen erbärmlichen Rest - allerdings mit dem gesamten Depot.

Meine Frau sitzt schon, demonstrativ und genervt, vor dem Fernseher. Durch die Kopfhörer gibt sie zu verstehen, dass sie nicht mehr erreichbar ist. Luca ist weit weg von hier, bei seiner Tochter und den anderen, mit denen er alle Feste feierte. Der derbe Kerl verliert Tränen – das kann ich ganz deutlich sehen. Und er wird leiser, hört bald mehr zu, als dass er selber spricht und - ist jetzt gar nicht mehr zu hören. Er ist eingeschlafen.

Ich winke meiner Frau. Wir haben noch nie einen Menschen gesehen mit einem so zufriedenen und friedlichen Gesichtsausdruck. Damit das auch so bleibt, holen wir eine dicke, flauschige Decke und breiten sie über unserem unverhofften Gast aus, denn es ist Weihnachten.

 

Lucas ‚Deutsch’ habe ich den Lesern zuliebe gängig gemacht. Und ich hoffe, auch jobär kommt mit dem Text zurecht, ohne zwei, drei Wörterbücher zu Rate ziehen zu müssen;)
In dieser Geschichte sind einige „Zutaten“ meiner letztjährigen KG „Heiligabend in Zaragoza“ enthalten. Die war viel zu langatmig. Ich habe sie auf die Hälfte gekürzt, umgeschrieben und nachgewürzt. Jetzt erkenne ich sie selbst nicht wieder. Trotzdem darf kräftig gemäkelt werden!
Über ein Jahr Mitgliedschaft bei den Wortkriegern hat mich einiges gelehrt, was mir bis dato unbekannt war.
Dafür danke ich Euch. Allen ein schönes Weihnachtsfest!
José

 

Caro Giuseppe Filippo,

ich kann keine Sprachen, aber Italienisch besser als andere, deshalb

Kochen geht auch, come no
Das hieße: wie nicht, deshalb fände ich perché no - warum nicht - eigentlich richtiger.

Pepicini sind hier auf dem Lande gänzlich unbekannt, selbst Jalapenos sind hier ein Fremdwort.

Nur keine Angst – ich trink schon nicht so schnell
Ich glaub's ihm nicht, aber aufgelöst wird's wohl nicht - wie schnell er trinkt.

Milanesen
da bekomme ich ja Bauchschmerzen. Wenn schon denn schon Mailänder oder milanesi, aber dieses Mischmasch - siehe vorne.

das entweder große Durchsetzungskraft oder auch überdurchschnittliche Einfühlsamkeit oder eine Mischung aus beiden ausdrücken kann.
würde ich - schon wegen des doppelten oder kürzen in: das große Durchsetzungskraft, überdurchschnittliche Einfühlsamkeit oder eine Mischung aus beiden ausdrücken kann.

deshalb kann ich mich nicht über seine, dieserart angeregten Sangeskünste freuen.
Ich denke, das Komma ist hier nicht erforderlich.

Am Ende habe ich mir gedacht: Wäre den beiden eine Familie mit schwangerer Frau lieber gewesen?

Ich weiß nicht, was ich zu Deiner Geschichte sagen soll. Sie ist nach meinen Erfahrungen sehr nahe an der Realität und hat sie mich an manches erinnert, aber gerne habe ich sie aus eben diesem Grund nicht gerade gelesen. Irgendwie ist das Bild auch schief. Mafia, N’drangheta und die Mailänder - das sind Anklänge an italienische Besonderheiten, aber dass Calabresi wahllos herunterschlucken, was ihnen in die Finger kommt? Es gibt solche Menschen - das extremste Beispiel, was ich bisher kennengelernt habe, war ein Däne - aber ich glaube, das sind keine landsmannschaftlich geprägten Eigenheiten.

Du schreibst, Du hättest die Geschichte gekürzt und ... Ich bin jetzt zu müde, um die Ursprungsgeschichte nachzulesen, aber ich frage mich, ob da etwas weggefallen ist, was mir für ein besseres Verständnis fehlt.

Nun ja, da Du mich direkt angesprochen hast, ist Deine Geschichte vor mir gelandet und - wie gesagt - ich schlafe schon halb. Also ich hoffe, nicht zu abwegig gemeckert zu haben.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo josefelipe,

sie ist gut und anschaulich geschrieben, deine kleine Weihnachtsszene.
Aber irgendwie hat sie mich nicht erreicht. Ich glaube, weil keine der auftretenden Persönlichkeiten dazu taugt, sie so richtig zu mögen. Der Gastgeber, der nur an seinen weniger werdenden Wein denkt, die Frau, die sich wortlos abkapselt und der italienische Gast, der nur gut findet, was aus seiner Region kommt. Hm, da werde ich leider mit keinem warm und daher interessiert mich auch nicht wirklich, was weiter passiert. Schade eigentlich, denn wie gesagt, flüssig geschrieben ist es. Vielleicht könntest du noch jemanden einbauen, der einem das Herz ein bisschen wärmt?

Viele Grüße,

Eva

 
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Moin josefelipe,

unter der "Weihnachtsmagnum" hatte ich mir eigentlich eine nette 44'er von Smith&Wesson erhofft, aber der Wein tut's zur Not auch!;)
Allerdings möchte ich Eva dahingehend zustimmen, dass auch ich nicht mit den Personen warm werden konnte. Ich fand ihre Reaktionen nicht richtig schlüssig und insgesamt stellenweise sogar ziemlich unsympathisch. Luca mit seinem engstirnigen Lokalkolorit und seiner aufdringlichen Penetranz - da fiel es mir schwer, mir vor Augen zu halten, dass es sich um einen (südländischen - also klischeehaft temperamentvollen, lebenslustigen und ausgesprochen familiären!) Familienmenschen handelt, der Weihnachten allein verbringen muss. Gerade für familiär orientierte Personen sicher eine sehr schmerzliche Vorstellung.
Der Ehemann war mir wiederum zu wankelmütig - einerseits gastfreundlich, andererseits wollte er ihm "an die Gurgel gehen". Moni war mir ebenfalls etwas zu sprunghaft - auch wenn sie sich vor Luca mit einem Kopfhörer und dem Fernseher rettet - einerseits genervt, andererseits aber wird sein Verhalten hingenommen. Es ist immerhin Heilig Abend - man hätte den lieben Quälgeist Luca ja auch nach einer Stunde hinauskomplimentieren können, nicht wahr?;)
Ich war/bin mir nicht sicher, ob es sich hierbei um eine humorvolle oder traurige Geschichte handeln sollte - wahrscheinlich von allem etwas, nicht wahr?
Handwerklich war sie gut geschrieben, ich fand die Erzählung flüssig und es ist auch sehr nett von dir, lieber josefelipe, dass du "dasse italiano haste leichter gemakt für der Leser, si!"

Mille grazie vom Eisenmann!!;)

 
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Hola Jobär!

Danke für Deinen Kommentar. Ich bin betrübt, dass ich in Deinen Einschlafprozess eingedrungen bin – aber so eilig wäre es mit der Kommentierung nicht gewesen!

Über die italienischen Einsprengsel müssen wir nicht lange debattieren, denke ich. Ich fand sie unvermeidbar, um den Luca zu zeichnen. Du aber widersprichst Dir eklatant, wenn Du sagst:

Ich kann keine Sprachen, aber Italienisch besser als andere ...
Schau mal hier:
Caro Giuseppe Filippo, …
oder gar hier:
Kochen geht auch, come no
Das hieße: wie nicht, deshalb fände ich perché no - warum nicht - eigentlich richtiger.
Richtiger als richtig? Du machst das gut.

Aber diese Nuss war nicht zu kacken:

Pepicini sind hier auf dem Lande gänzlich unbekannt, ...

Ist ein Spezialwort von Luca, Abkürzung von Peperoncini:).

‚Nur keine Angst – ich trink schon nicht so schnell ...’
Ich glaub's ihm nicht, aber aufgelöst wird's wohl nicht - wie schnell er trinkt.

Doch, zum Schluss ist er so besoffen, dass er auf der Couch einpennt.

‚Milanesen’
... da bekomme ich ja Bauchschmerzen. Wenn schon denn schon Mailänder oder milanesi, aber dieses Mischmasch - siehe vorne.

Das hab ich nicht gewollt. Verzeih. Ich hab dem Luca jetzt ‚Mailänder’ in den Mund gelegt.
Nein, doch nicht. Doch lieber Milanesi. Okay?

... würde ich - schon wegen des doppelten oder kürzen in: das große Durchsetzungskraft, überdurchschnittliche Einfühlsamkeit oder eine Mischung aus beiden ausdrücken kann.

Hab ich sofort in Deinem Sinne geändert. Tante grazie.

Am Ende habe ich mir gedacht: Wäre den beiden eine Familie mit schwangerer Frau lieber gewesen?

Ach nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Der Luca reicht ihnen schon, denke ich.

Ich weiß nicht, was ich zu Deiner Geschichte sagen soll. Sie ist nach meinen Erfahrungen sehr nahe an der Realität ...
Ja, das war auch so gedacht.

... aber gerne habe ich sie aus eben diesem Grund nicht gerade gelesen.

Tja, jetzt weiß ich auch nicht weiter.

Irgendwie ist das Bild auch schief. Mafia, N’drangheta und die Mailänder - das sind Anklänge an italienische Besonderheiten ...

... und nicht zu leugnen.
Unterm Strich hat Dir diese Geschichte nicht gefallen und ich finde das sehr schade, aber verständlich. Ich habe einen Berg älterer Geschichten, und die Idee liegt nahe, etwas ‚Fertiges’ zu überarbeiten und ab die Post / der Post! Aber hier an diesem Beispiel sehe ich, dass ich besser beraten bin, neu zu schreiben.
Eine KG zu überarbeiten ist Buchhalterarbeit – nix für mich. Wer schreibt, der muss bewegt sein von seinem Thema, sonst wird’s nichts. Außerdem sagen eva Luise Groh und Eisenmann dasselbe wie Du mit anderen Worten.
Ich werde es mir hinter die Ohren schreiben!

Jobär, Du bist ein guter Bär. Jó (ungarisch) = gut. Eine schöne Weihnachtszeit wünsche ich Dir!
José

 

Hola Eva Luise Groh,

wir sind ja schon alte Bekannte, schade um die lange Pause dazwischen. Um so besser, wieder von Dir zu hören!
Leider:

Aber irgendwie hat sie mich nicht erreicht.
Ja, meine Geschichte hat nicht ‚geschnackelt’. In meiner Antwort auf Jobärs Komm habe ich versucht, es mir und Euch zu erklären.

Ich glaube, weil keine der auftretenden Persönlichkeiten dazu taugt, sie so richtig zu mögen.
An diesem Punkt glaube ich aber, dass sympathischere Figuren keine Voraussetzung für das Gelingen einer KG sind. Sonst hätte es die Spalte ‚Horror’ ziemlich schwer:D.

Ich verzeihe meinen drei Mitwirkenden ihren schwachen Auftritt, aber ich habe Verständnis für sie:

Der Gastgeber, der nur an seinen weniger werdenden Wein denkt, ...
Da meine ich: Perlen vor die Säue zu werfen, ist wirklich ärgerlich; die waren ja für die eigene Brut gedacht (Es war übrigens ein ‚Castillo Ygay’).
... die Frau, die sich wortlos abkapselt ...
Ich halte sie für eine kluge Frau.
... und der italienische Gast, der nur gut findet, was aus seiner Region kommt.
Das Herz eines Patrioten schlägt in seiner Brust! Was reimt sich auf Patriot? Siehste.
Aber diese Gradlinigen gibt es in allen 196 Ländern der Erde. Vielleicht schaffen die es, dass in Europa bald wieder Kleinstaaterei herrscht? Wäre doch schön.

Und zu guter Letzt:

Vielleicht könntest du noch jemanden einbauen, der einem das Herz ein bisschen wärmt?
In dieser Geschichte kommt das Herz am Schluss – in Form einer warmen, flauschigen Decke. Weitere Reparaturen will ich nicht vornehmen, lieber stecke ich mehr Power in meine nächste KG.

Eva Luise, danke für Deinen Komm. Eine schöne Weihnachtszeit wünsche ich Dir!

José

 

Moin, moin, mein Lieber – aber ich will mir nicht untreu werden, deshalb:

Hola Eisenmann!

... unter der "Weihnachtsmagnum" hatte ich mir eigentlich eine nette 44'er von Smith&Wesson erhofft, ...

Yeah, das könnt’ Dir so passen, Cowboy. Aber höre auf mich – nimm den Wein! Absolut guter Deal.

... ich nicht mit den Personen warm werden konnte. Ich fand ihre Reaktionen nicht richtig schlüssig und insgesamt stellenweise sogar ziemlich unsympathisch.

Eisenmann, von dieser Stelle an werde ich meinen Text verteidigen. Dadurch wird er Dir nicht besser gefallen, aber ich liebe Widerworte. Eva Luise Groh habe ich nicht widersprochen, denn sie ist eine Dame; aber da Du ihre Meinung teilst, würde ich schon gerne etwas klären:
Was ist denn eine ‚schlüssige Reaktion’? Eine vorhersehbare? Das wäre doch auch ein Grund zum Kritisieren: Vorhersehbarkeit.
Und ‚ziemlich unsympathisch’?
Muss eine KG (nur) sympathische Leute aufmarschieren lassen? Kann ich nicht einsehen. Dann sind wir doch beim Lore-Roman. Obwohl – da gab’s auch den fiesen Grafen.
Wie würdest Du denn reagieren, wenn Dich Dein angeschickerter Nachbar am Heiligabend besucht und Dir den Festtagswein wegsäuft? Küsschen oder was?

Luca mit seinem engstirnigen Lokalkolorit und seiner aufdringlichen Penetranz ...

Der ist ein kalabresischer Maurer, steht nicht unter Artenschutz. Außerdem hat er schon einen intus.
Lokalkolorit kann nicht engstirnig sein. Du bist doch Student? Lokalkolorit ist die Stimmung, die Färbung eines Ortes.
Logo, dass Du das weißt – nur haste Deinen Komm zu schnell runtergeschrieben, und dann passiert so was. Und mich ärgert so was.

... da fiel es mir schwer, mir vor Augen zu halten, dass es sich um einen (südländischen - also klischeehaft temperamentvollen, lebenslustigen und ausgesprochen familiären!) Familienmenschen handelt, der Weihnachten allein verbringen muss.

Du schiebst das Klischee vor und bedienst es im gleichen Satz. Und einen ‚familiären Familienmenschen’? Hier sag ich noch nichts. Aber:

Gerade für familiär orientierte Personen sicher eine sehr schmerzliche Vorstellung.
Bei diesem Deinen Satz habe ich dann wirklich das Gefühl, dass mir ein Automat schreibt. Ich hasse Phrasen. Lies das mal in aller Ruhe.

Der Ehemann war mir wiederum zu wankelmütig - einerseits gastfreundlich, andererseits wollte er ihm "an die Gurgel gehen".

Du bist sicherlich nicht humorlos, und wir können davon ausgehen, dass der Luca überlebt hätte. Und alle, denen ich schon mal an die Gurgel gehen wollte, leben auch noch.
Was hat denn das Verhalten des Ehemanns mit Wankelmut zu tun? Der Gute ist in die Rolle gepresst worden. Gastfreundlich ist ein Mensch, der freiwillig Gäste aufnimmt und bewirtet. Hättest Du dem Luca gesagt, dass es an diesem Abend nicht passt und er doch bitte zu Hause bleiben möge?

Moni war mir ebenfalls etwas zu sprunghaft ...
Eisenmann, die Moni ist total passiv. Die springt nicht.
Wer springt, ist der Luca – gegen den hätte sie eh keine Chance. Deshalb verbarrikadiert sie sich im Finale.

... andererseits aber wird sein Verhalten hingenommen.
Ja, Herrgott! Sollen Sie ihn an die Kette legen, oder rausschmeißen? Sie nehmen dessen Verhalten doch nicht hin, sie sind nur hilflos, ihnen geschieht etwas. Ich beschreibe den Ablauf des Abends – der Abend muss keinesfalls so verlaufen, dass es dem Leser gefällt.

Es ist immerhin Heilig Abend - man hätte den lieben Quälgeist Luca ja auch nach einer Stunde hinauskomplimentieren können, nicht wahr?

Ja, Du vielleicht. Und ich sowieso. Das sind aber andere Leute. Die dürfen in meiner Geschichte so sein, wie sie nun einmal sind.

Ich war/bin mir nicht sicher, ob es sich hierbei um eine humorvolle oder traurige Geschichte handeln sollte - wahrscheinlich von allem etwas, nicht wahr?

Da kannst Du ganz sicher sein – Volltreffer!

... es ist auch sehr nett von dir, lieber josefelipe, dass du "dasse italiano haste leichter gemakt für der Leser, si!"
für die Leser – wäre richtig im italienischen Deutsch, denn: Singular – die Leser - , Plural – die Leser. Unsere liebe Muttersprache ist ein Saurier. Aber es wird so herauskommen: de Leser, de Mutter, de Kind. Hoffe ich wenigstens. Und bitte in Kleinschreibung!

Eisenmann, bedankt für den Komm; tut mir leid, dass ich etwas aufmüpfig war:). Aber ich habe nur meinen Standpunkt erklärt.

José, der streitbare Alte.

Auf jeden Fall wünsche ich Dir ein schönes Weihnachtsfest!

 
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Oh, José, das nehme ich jetzt krumm: Du widersprichst mir nicht, weil ich eine Frau bin? HERRjemine :rolleyes: !!! Ganz kurz noch, ne, in einer Geschichte müssen nicht immer glatt gebügelte engelgleiche Sympathieträger auftauchen, nur in dieser speziellen hätte ich mir das gewünscht, wahrscheinlich wegen Weihnachten und so.
Ich wünsche dir aber ein nettes Fest mit widersprüchlichen Begegnungen (denn die sind am interessantesten).

Ciao,

Eva

 

Hoi Jose!

Dann mal vielen Dank für deine Antwort - so aufmüpfig war die doch gar nicht!!;)

Bei diesem Deinen Satz habe ich dann wirklich das Gefühl, dass mir ein Automat schreibt.
Na, dir schreibt ja auch ein EISENMANN, nicht wahr?!:D

Ich will ja auch gar nicht deine Story meinem Geschmack anpassen oder dir deine Figuren madig machen... obwohl... doch, will ich!!:lol:
Ich kommentiere deine Figuren und ihr Verhalten auch nur im Sinne meiner Wahrnehmung und wie ich sie sehe. Wenn mir eine Person zu "lokalpatriotisch" ist oder zu wankelmütig, oder zu klischee-italienisch oder what-ever, dann ist das ja am Ende auch nur meine eigene Meinung.
Etwas anderes wäre es, wenn ich dir sagen würde: "Hey, hier hast du einen Logikfehler, oder hier hast du ein Komma vergessen, oder meinetwegen dass der Satz nicht verständlich ist." Aber das ist ja nicht der Fall gewesen.
Ich präsentiere dir "nur" meine Meinung - fühl dich da bitte nicht in die Pflicht genommen, dich verteidigen zu müssen. Also meinetwegen musst du's nicht!:)

Grüße vom Eisenmann

 

Hola Eisenmann,

Ich wusste es!

Ich will ... dir deine Figuren madig machen... obwohl... doch, will ich!!
Ich wusste es. Ah, sagte ich schon. Ich wusste es die ganze Zeit - deshalb habe ich ja so bös reagiert!

Und dann willst Du Dich rausreden:

Ich kommentiere deine Figuren und ihr Verhalten auch nur im Sinne meiner Wahrnehmung ...

... ist das ja am Ende auch nur meine eigene Meinung.


Na ja – wenn Du es so darstellst:). Da bin ich schon wieder (fast) versöhnt mit der Welt.
Nee, ernsthaft: Klarer Fall. So ist das. Das behalten wir auch weiterhin bei.

Schöne Grüße!
José

 

Hallo josefelipe

Die Geschichte hat mich irgendwie...überrascht. Ich wusste nie, was ich jetzt genau sehen oder damit anfangen sollte. Aber nicht im negativen Sinne, aber es kamen sehr viele Informationen zusammen, die ich nicht wirklich zu einem Gesamtbild fügen konnte. Der italienisch sprechende Gast, den man eigentlich gar nicht wirklich wollte (oder habe ich das missverstanden?), dann trinkt er einfach die Magnumflasche, sie streiten, wer wie wo was am besten kochen kann, also auch die Gespräche muteten nicht wirklich weihnachtlich an und bei mir im Geiste lief im Hintergrund immer der Radetzky-Marsch. Das führte am Anfang zu Verwirrung, aber nach einigen Absätzen musste ich wirklich schmunzeln, weil es wirkt merkwürdig chaotisch und doch warm-freundlich.
Die sprachlichen Stolpersteine wurden ja bereits angetönt und ich möchte dich mit Wiederholungen verschonen :)

War unterhaltsam!

Grüsse
Ozymandiaz

 
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Hola Ozymandiaz,

danke Dir für Deinen Post! Freue mich immer, wenn mir ein Mitglied sagt, dass es (er) meinen Text mochte.

War unterhaltsam!
So stelle ich mir das vor. Ich verzichte auf den großen Anspruch, habe keine Botschaften (zumindest keine aufdringlichen). Dennoch muss der Text stimmen, da feile ich solange, bis ich zufrieden bin - und hoffentlich auch der Leser.

... es kamen sehr viele Informationen zusammen, die ich nicht wirklich zu einem Gesamtbild fügen konnte.
Hier wundere ich mich ein bisschen. Wo ist das Problem?
Der alleinlebende Nachbar trinkt zu Heiligabend einen Kummerschnaps, und dieserart angeregt, ist ihm nach Gesellschaft zumute. Alle Kneipen haben zu, bleibt nur die private Ebene – das benachbarte Ehepaar. Er ruft an.

... bei mir im Geiste lief im Hintergrund immer der Radetzky-Marsch.
Ich bin ganz schnell beim Handy gewesen, hatte nur drei Sekunden gedauert. Diesen blöden Marsch hat meine Frau eingerichtet, um mich zu ärgern.
Der italienisch sprechende Gast, den man eigentlich gar nicht wirklich wollte

Na ja, er hat sich selbst eingeladen, von ‚wollen’ ist keine Rede.

Ich schreibe doch: Beredt erklärt er, dass er in diesem Jahr alleine sei.

Hätte „ich“ ihn abgewimmelt, würde er sich vielleicht etwas antun. Merke: Wer am Heiligabend einem Einsamen die Tür weist, macht sich strafbar wegen unterlassener Hilfeleistung im seelischen Bereich.

... dann trinkt er einfach die Magnumflasche

Eine Magnum fasst 1,5 l. Die zwei Gläser abgezogen, die ich gleich am Anfang – zum Anstoßen – für meine Gattin und für mich gerettet hatte, blieb ein reichlicher Liter für Luca.
Für diesen Kerl ein Klacks, auch wenn es noch ein Schnäpschen dazu gab. Er hatte ja vorher ‚diniert’.

... sie streiten, wer wie wo was am besten kochen kann, ...

Ach, Ozy, das war doch kein Streit! Vielleicht – wie auch oft bei uns im Forum – ein bisschen Besserwisserei:). Dieser kleine Dialog wurde durch das Foto vom Grillfest am Meer ausgelöst.

... die Gespräche muteten nicht wirklich weihnachtlich an ...

Ich würde bei Lucas Ein-Mann-Schau & Monolog nicht gerade von ‚Gesprächen’ reden. Aber es nimmt alles ein gutes Ende – unsere Korrespondenz ...

... nach einigen Absätzen musste ich wirklich schmunzeln, weil es wirkt merkwürdig chaotisch und doch warm-freundlich.

... und auch Lucas ‚Besuch’, der vielleicht jetzt noch liebevoll zugedeckt seinen Rausch ausschläft.

Ozy, ich wünsche Dir schöne Weihnachten!
José

 
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Hola Manlio,

Dein Komm hat mich sehr gefreut. So wurde ich an Deine KG „Die Krawatte“ vom letzten Jahr erinnert. Immer noch eine schöne Geschichte!

Zuweilen scheint mir nicht gänzlich ausgewogen, wie Du Details einbaust. Der Radetzki-Marsch zum Beispiel.

Jawoll, stimmt. Hab mit mir selbst auch schon geschimpft; wollte den Lehrsatz beherzigen: Mit dem ersten Satz fängst du den Leser – oder er läuft dir davon (oder so ähnlich).
Vieles ist stimmungsabhängig. Heute zum Beispiel: Wieso Radetzky? Fang doch ganz langsam an, auch wenn eilige Leser abwinken, und erhöhe ebenso langsam das Tempo, bis der beharrliche Leser auf seine Kosten kommt.
Warum soll eine KG mit einem Knall beginnen, wenn der Knall zum Schluss viel besser platziert wäre? Für heute nehme ich mir vor, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Aber was schreibe ich morgen?

Dass er ein trauriger, einsamer Mann ist, brauchst du, um zu erklären, warum er herüberkommt, oder?

Ja.

Aber mit seinem Verhalten kann ich das nicht richtig in Übereinstimmung bringen.

Das kommt vom Alkohol. Luca hat zu Hause ein wenig ‚vorgeglüht’ – Frust statt Grande Famiglia.

Du schreibst zum Radetzky-Marsch:

Ein extrem auffälliger Auftakt als Beschreibung für die Ehefrau, die dann aber seltsam
blass bleibt.

Auch das ist richtig, Deine Kritik hat Hand und Fuß. Du bist der Leser.
Ich hatte beim Schreiben eine Ehefrau im Kopf, die dem Durchschnitt entspricht – mit ein paar Macken, wie wir sie alle haben. Sie hätte sich auch für „Weiße Rosen aus Athen“ entscheiden können, sie schminkt sich ja auch stark:). Aber im Ernst: Eine kluge Frau zieht sich zurück, wenn ein angeheiterter Vierschrot ins Haus drängt. Mag sein, dass sie die Schrotflinte lädt, doch sie wird nur in Gedanken abdrücken. Statt zu den Patronen greift sie zum Kopfhörer.

‚Zugereister’ trifft es nicht genau, immerhin wohnt er schon elf Jahre neben uns. Aber er
ist eben nicht von hier.
Also, an der Stelle, wo die Passage steht, wirkt sie schon sehr hart. Sehr distanziert auf einmal, nachdem sich der Erzähler scheinbar sehr über Lucas Besuch gefreut hatte. Ist das nur mein Eindruck?
Das weiß ich nicht. Ist jedenfalls meine Lieblingsstelle. Könnte „Aber er ist eben nicht von hier.“ nicht auch heißen: „Aber eigentlich gehört er nicht zu uns“? Nach elf Jahren.

Nächstes Jahr im Mai, so erzählt er uns, wäre er in Italien, da würde er wieder mal so richtig einkaufen - alles, was das Herz begehrt. Mit allen Sinnen hineingreifen, alles befummeln und befühlen, beriechen und – ach, das kennt man gar nicht in Deutschland – mit den Verkäufern ratschen und fachsimpeln.
Hier müsste ich mich – politisch korrekt - bei Luca entschuldigen. Warum fahren wir denn so gern nach Italien?
Aber ich will nicht eingestehen, dass Einkaufen in D eine sehr nüchterne Angelegenheit ist.
Also sage ich verlegen:
„Du bist aus Kalabrien?“ Das ist mehr eine Feststellung als eine Frage, ...

Ich sehe den Anlass nicht, warum der Erzähler nach Kalabrien fragt.

Ich hoffe, Du siehst ihn jetztJ. Weiter geht’s:

Er hat sich in Rage geredet, er sollte noch einen Schnaps haben.
Das verstehe ich nicht ganz. Einerseits scheint es dem Erzähler nicht zu gefallen,
dass Luca so viel trinkt, andererseits gießt er ihm noch freiwillig harten Stoff nach.

Hier habe ich geschlumpft. Unklarer Ausdruck: ‚sollte noch einen Schnaps haben’.
Ich meinte, dass Luca sagt, er solle noch einen Schnaps haben. Mein Fehler.

Finale:

... davon hätte ich mir noch mehr gewünscht, von dieser Steigerung absurder Szenen im
nachbarschaftlichen "Miteinander".

Antrag abgelehnt. Maß halten, sonst wird’s anders, als ich es wollte.

Manlio, vielen Dank für Deinen präzisen und interessierten Kommentar. Ich hatte das Gefühl, mein Kommentator hat aufmerksam gelesen und den Finger auf die wunden Stellen gelegt.
Ein Beispiel für konstruktive Kritik.

Frohe Weihnachten!
José

Hallo Josef

Weihnachten scheint Dich voll im Griff zu haben, doch zu dieser hochheiligen Zeit höre ich (José) tatsächlich auch auf die meist gebräuchlichen biblischen Namen.

 

Hallo José, erst mal vorneweg: Deine Geschichte gefällt mir. Ich finde sie unterhaltsam, witzig, gut geschrieben, und ich entdecke darin auch etwas Nachdenkliches, das mag ich.

Für mich dreht sich das Ganze um eine Frage, die wir im Grunde jeden Tag beantworten müssen. Wie balanciere ich das Gebot der Rücksichtnahme gegen andere und berechtigtes Eigeninteresse miteinander aus? Es wäre rücksichtslos, Luca die Tür zu weisen. Ihn den ganzen Abend bei sich zu beherbergen, verletzt hingegen die eigenen Bedürfnisse. Wie damit umgehen?

In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns permanent, und bemerkenswert ist, dass es bis zum letzten Tag auf Erden eine geistig-charakterliche Turnübung bleiben wird, zwischen persönlichen Wünschen und fremden Bedürfnissen auszugleichen. Die Sache wird kaum leichter, egal wie viel Erfahrung man darin sammelt. Jedenfalls ist das mein Eindruck.

Und während der Ich-Erzähler den ungebetenen Gast an vielen anderen Abenden nach dem ersten Glas wahrscheinlich hinauskomplimentiert hätte, ist das Heiligabend schon schwieriger. Denn wird Einsamkeit nicht gerade an diesem Abend als besonders bitter empfunden? Doch eigentlich wäre es an diesem Abend auch wichtiger als an anderen, dem Luca zu verstehen zu geben, dass sich der Erzähler und seine Frau etwas anderes wünschen, als mit dem besoffenen Nachbarn zu palavern.

Kurzum – ein ethisches Dilemma.

Der Radetzky-Marsch! Bei den Klingeltönen hat meine Frau einen seltsamen Geschmack.
Der Anfang hat mich kurz irritiert. Ist das eine lokale Redeweise? Klingt wie der Auftakt zu einer erotischen Offenbarung.

Mir ging es wie Eisenmann, bei Magnum dachte ich an das Schießeisen und hatte die abenteuerlichsten Vermutungen (Feuergefecht unter dem Weihnachtsbaum, Banküberfall mit Rentierschlitten etc.) Aber gut zu wissen, dass es auch Magnum-Weinflaschen gibt, die einen Mann umhauen können.

Ansonsten: Sprachlich überzeugend, mit (für mich) nachvollziehbaren emotionalen Verstrickungen und einem schönen, weihnachtlichen Ende.

Gruß Achillus

 

Hola Achillus,

Du bist mir ein treuer Kommentator, vielen Dank!

Zitat von josefelipe
Der Radetzky-Marsch! Bei den Klingeltönen hat meine Frau einen seltsamen Geschmack.
Zitat Achillus
Der Anfang hat mich kurz irritiert. Ist das eine lokale Redeweise?
Du bist doch in Berlin, wie sagt Ihr denn zur Handy-Melodie? Ich kennen nur ‚Klingeltöne’.

Klingt wie der Auftakt zu einer erotischen Offenbarung.
Das ist schön, dass Deine Gedanken in diese Richtung gehen!

Ja, Du hast wieder einmal die Geschichte analysiert und gewichtet, und demnach empfindest Du sie haargenau so, wie ich sie gedacht hatte. Das freut mich sehr.

Mir ging es wie Eisenmann, bei Magnum dachte ich an das Schießeisen und hatte die abenteuerlichsten Vermutungen

Bei der Titelwahl war mir klar, dass dieses Missverständnis auftreten wird, zumindest kann. Ich hatte schon frohlockt:).
Und beim
Feuergefecht unter dem Weihnachtsbaum, ...
würde ich die 45 er empfehlen: Handlich und feuerstark.
Abraten würde ich hingegen von einem
Banküberfall mit Rentierschlitten.
Ich hatte das mal in Hammerfest erlebt, da verhakelten sich die mächtigen Geweihe der Rentiere ineinander und die Flucht scheiterte. Ich habe die Geldsäcke dann in mein Auto umgeladen.
Genug gescherzt. Achillus, danke nochmals und noch ein paar schöne Tage, bis wir dann ab 1. 1. 2016 an die Umsetzung unserer guten Vorsätze gehen müssen.
Ich bin skeptisch.

José

 

Hola Manlio,

danke für Deine Rückmeldung.

... mir ist es nur eine Nuance zu stark betont. Vor allem in diesem Kontext und von der Position der Textstelle her. Du greifst diese Distanz des Erzählers zu Luca "als Zugereistem" auch später nur sehr zurückhaltend auf. Kann man das nicht später einbauen, wenn der Prot immer ärgerlicher über Lucas Verhalten wird?
Ja, sicherlich kann man immer und immer noch feilen, umstellen und (hoffentlich) verbessern.
Ich bin zu ungeduldig für diese Tätigkeit, bin eher der Meinung, dass Gelerntes, dass jede gewonnene Erkenntnis beim Schreiben der nächsten KG Eingang finden muss – und dann ist die Mitgliedschaft im Forum auch sinnvoll. Ich habe schon einiges aufgepickt und bin sehr froh darüber.
Oft sehe ich, wie kritisierte Autoren ihre Geschichten bearbeiten und verändern, manchmal mit einem Riesenaufwand. Da glaube ich, dass ich das nicht tun würde. Die Komms würde ich schon lesen und beherzigen, aber die Geschichte selbst würde ich als misslungen zu den Akten legen. Charaktersache.
Auf jeden Fall nehmen wir die Schreiberei ernst – und das ist die Hauptsache.

Hola José (jetzt richtig!)
Absolut und definitiv!

Manlio – danke und einen guten Rutsch ins Neue!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola José,

als erklärter Fan Deiner Geschichten möchte ich, obwohl schon viel geschrieben wurde, auch ein paar Worte zur Weihnachts-Magnum verlieren.

Ich habe mich gefragt, warum bei einigen Lesern die Geschichte nicht gezündet hat. Und komme zu der Vermutung, es könnte daran liegen, dass einerseits handlungstechnisch wenig passiert, dass die Geschehnisse so still vor sich hin plätschern und auch eine gewisse Verwandtschaft zur Anekdote nicht zu leugnen ist. Andererseits kennen wir alle diese oder ähnliche Situationen und die Erinnerungen an diese Gratwanderung verbinden wir mit unangenehmen Gefühlen, die wir nicht wahrhaben wollen.

Sehr gut gefällt mir, wie Du das, was sich im Laufe des Abends im Innern des Gastgebers abspielt, die Steigerung seiner Not, das ´ethische Dilemma´, wie Achillus es nennt, dargestellt hast.

Ach Luca, das ist so lieb von Dir … wir freuen uns schon.
Armin ahnt, dass er einen Fehler macht, aber er will es sich selbst nicht eingestehen.

… und ich muss ihm, ob ich will oder nicht, ein Glas anbieten.
Die Katastrophe winkt um die Ecke.

Unser Nachbar lässt den Wein in sich hineinfließen. Diesen Wein!
Luca weiß die Qualität des Getränkes nicht zu würdigen, ein Sakrileg in den Augen des Hausherrn.

„Hilft garantiert. Muss man nur langsam trinken.“
Armin winkt mit dem Zaunpfahl, mehr erlaubt seine gute Kinderstube momentan noch nicht.

Wir sind überfallen worden von unserem netten alleinlebenden Nachbarn.
Gut so, Armin, nur Mut zur Ehrlichkeit, auch wenn der Prozess im Stillen stattfindet!

So langsam geht er uns auf die Nerven.
Wie lang ist Armins Weg von der Erkenntnis bis zum Handeln?

… muss den Wahnsinn stoppen.
Armin ist endlich gewillt, die Initiative zu ergreifen.

Doch bevor ich einen Laut herausbringe, ertönen andere Laute und die kommen von Lucas Handy.
Noch mal Glück gehabt, Armin! Oder doch Luca?

…holen wir eine dicke, flauschige Decke und breiten sie über unseren unverhofften Gast aus, denn es ist Weihnachten.
So ist es fein. Wer schläft, trinkt nicht, und wer (Weihnachten) Gutes tut, kommt (vielleicht) in den Himmel.
Eine köstliche Geschichte.

Ansonsten wirst Du wohl mit Deinem persönlichen Dilemma leben müssen, dass Du Deine Fangemeinde derart verwöhnt hast und ihre Ansprüche in astronomische Größenordnungen gestiegen sind.
Sie erwartet laute und funkensprühende Feuerwerkevents von Dir. Sollte doch kein Problem für Dich sein, Silvester steht schließlich vor der Tür.
In diesem Sinne einen feucht-fröhlichen Rutsch ins Jahr 2016 und gib gut auf die Silvester-Magnum Acht.
Alles Liebe, peregrina

 

Hola peregrina,

danke bestens für Deinen Post, der mir allerdings gleich anfangs ein mulmiges Gefühl beschert:

... als erklärter Fan Deiner Geschichten ...

Da haben wir den Salat! Fans und ihre ständig wachsenden Erwartungen. Die schrauben sie hoch und höher – wer soll denn da mithalten? Plötzlich entsteht Leere, ein völliger Zusammenbruch droht – der Autor ist ausgepowert. Schad um ihn.

Da nützt es nichts, wenn an seinem Grab eine schwache Stimme sagt:

Eine köstliche Geschichte.
Zu spät! Unwiderruflich zu spät.
Aber es ist schon wahr: Die Geschichte ist sehr brav. Überall brennen die Christbäume – bei mir schläft ein Mann auf dem Sofa ein!
Deshalb sage ich schon jetzt: Am nächsten Heiligabend brennen bei mir die Christbäume, aber lichterloh! Macht euch auf was gefasst.
Obwohl mir die Zusammenfassung meiner Geschichte mit Deinen Worten durchaus gefällt:

So ist es fein. Wer schläft, trinkt nicht, und wer (Weihnachten) Gutes tut, kommt (vielleicht) in den Himmel.

Ansonsten wirst Du wohl mit Deinem persönlichen Dilemma leben müssen, ...
Dilemma im Singular? Du meinst wohl Dilemmi, Dilemmen, Dilemmas? Es sind viele!

... Deine Fangemeinde derart verwöhnt hast und ihre Ansprüche in astronomische Größenordnungen gestiegen sind.
Sie erwartet laute und funkensprühende Feuerwerkevents von Dir.
Das wird nicht mehr sein, nie mehr sein! Weiter oben habe ich es schon angedeutet: Ich bin ausgelaugt. Und dann noch dieser knappe Zeitrahmen:
Sollte doch kein Problem für Dich sein, Silvester steht schließlich vor der Tür.
Nee, wirklich – das schaff ich nicht. Aber vielleicht komm ich mit diesem Prickelgetränk wieder auf die Beine.
Peregrina, hab Dank für die Betrachtung meiner Weihnachtsgeschichte. Ich wünsche Dir eine rauschende Ballnacht mit einem unvergesslichen Feuerwerk. Bis 2016!

José

 

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