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Die Zensur

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05.05.2003
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Die Zensur

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„Eine nette und ruhige Schülerin, diese Petra.“ sagt die Deutschlehrerin Frau Heller zu Frau Wehner, Lehrerin für Mathematik der Unterstufe.
„Und so brav und ordentlich.“ stimmt diese ihr zu.
„Ja, das kann ich nur bestätigen.“ mischt sich nun Herr Opitz, der Heimatkundelehrer, ein.
So wurde im Lehrerzimmer noch eine Weile über die Schülerinnen und Schüler der Erstklässler gesprochen. Indessen klingelt es zur nächsten Unterrichtsstunde.

Für Petras Klasse steht die erste Zeichenstunde an. Frau Seiler, die Lehrerin betritt das Klassenzimmer und begrüßt die Kinder.
Alle sehen ganz gespannt nach vorn. Auch Petra. Diese Lehrerin kennen die Kinder noch nicht. Es ist ihre erste Zeichenstunde in der Schule.
Petra hat sich schon so auf diese Stunde gefreut, malt sie doch leidenschaftlich gern.
Frau Seiler möchte, dass alle Kinder ihre Malsachen auspacken und ein Bild zeichnen. Sie dürfen malen, was sie wollen, was ihnen lieb ist. Die fertigen Bilder sollen später an der Wand des Klassenzimmers aufgehängt werden.
Sofort entsteht ein reges Treiben. Oh je, einige haben gar keine Malstifte mit oder nur ganz wenige Farben. Andere Schüler wiederum packen Tuschkästen und große Buntstiftkisten aus.
Frau Seiler hat zum Glück auch noch Stifte und Papier bereit gelegt. Und nach und nach kehrt Stille ins Zimmer ein. Die Kinder sind ganz in ihre Aufgabe vertieft. Nur ab und zu läuft Peter mal zur Marlies oder Anne hin zur Ina, um die Farben zu tauschen.
Die Lehrerin geht langsam durch die Bankreihen, um sich anschließend an ihren Tisch zu setzen.
Petra malt ganz angestrengt. Die Zungenspitze lugt keck aus ihrem rechten Mundwinkel heraus, so als wollte sie mit ansehen, was da auf dem weißen Blatt Papier entsteht.
Da kann man ein Haus erkennen, mit Blumen im Vorgarten. Mit viel Phantasie sieht man einen braunen Hund im Gras sitzen oder ist es doch ein Kaninchen? Drei kleine Männchen werden Hand in Hand gezeichnet, eines davon kleiner in der Mitte stehend. Oben rechts aus der Ecke des Blattes leuchtet die Sonne grell, als beobachtet sie das ganze Geschehen.
Die Lehrerin steht auf und begibt sich zu einem weiteren Gang durch das Zimmer. An jedem Platz bleibt sie stehen, schaut auf die Bilder, nickt ab und zu, gibt Lob und Ratschläge. So erreicht sie schließlich Petra.
Stolz zeigt diese ihre Zeichnung.
Lächelnd betrachtet die Erzieherin das Machwerk, doch plötzlich verzieht sie das Gesicht.
„Nein! Aber so geht das doch nicht!“ Entrüstet mit dem Kopf schüttelnd nimmt sie es an sich.
Drrrrrrrrring!
Das Pausenklingeln beendet die Zeichenstunde. Die Lehrerin sammelt, immer noch kopfschüttelnd, die bemalten Blätter ein, verabschiedet sich und verlässt hastig den Klassenraum in Richtung Lehrerzimmer. Die Kinder und vor allem Petra bleiben ratlos zurück.

„Seht euch das doch nur mal an! Das ist doch unnormal! Das ist wider jeder Erziehungslehre!“
Aufgebracht zeigt Helga Seiler das Kunstwerk von Petra ihren Kolleginnen.
Viele nicken. „Das kannst du so nicht stehen lassen, Helga! Wenn wir es den Kindern in diesem Alter nicht einbläuen, dann lernen sie es nie!“ Ursel Wehner vertritt ihre Meinung rabiat. Auch Sonja Heller: „Wir sind dazu da, ihnen den richtigen Weg zu zeigen. Wo kommen wir hin, wenn jeder macht, was er will!“
Nur Kirsten, die Referendarin, wendet ein: „Aber das ist doch künstlerische Freiheit! Wieso sollten wir das einengen?“
Lehrer Opitz setzt noch einen drauf: „Wenn das mal nicht eine Sache für den Rektor ist!?“

Die Lehrerinnen haben sich vor dem Schreibtisch des Schulleiters versammelt und warten auf seine Reaktion.
„Man hole mir bitte die Schülerin!“ fordert er die Umstehenden auf.
Wenig später betritt Petra sein Zimmer und sieht ihn offenherzig an.
Er fragte das Kind „Was ist das?“ und zeigt aufs Papier.
Sie schaut und sagt „Na, die Sonne.“
Fragend sieht er das Mädchen vor sich an.
Sie, ihren Blick offen zurücksendend, spricht selbstbewusst:
„Meine Sonne ist pink!“

 

Liebe Piratin,

als ich mir deine "kurzgeschichte" durchgelesen habe , musste ich stutzen. Es ist eine Geschichte , ja, zwar eine kurze, aber nur weil eine Geschichte kurz ist, muss es nicht gleich eine Kurzgeschichte sein. Kurzgeschichten behandeln meistens alltägliche Probleme die schwer zu lösen sind. Und man benutzt eine bestimmte Art von Sprache, meistens werden die Gedanken erzählt oder etwas ganz genau beschrieben. Man benutzt bestimmte sprachliche Mittel. Du hast einfach nur eine Geschichte erzählt.
Aber mal abgesehen davon: Glaubst du wirklich, dass eine Lehrerin, eine Grundschullehrerein, einem Kind, bei dem sie die 1. Stunde Unterricht hat, das Blatt wegnimmt und es anschreit, von wegen so geht das aber nicht???? Und als ob das Thema im Lehrerzimmer von so großer Bedeutung wäre, dass alle einen großen "Trara" darum machen.
Es ist nicht wirklich logisch, die Geschichte wäre wirklich nur für Grundschulkinder "realistisch".

Krieg meine Kritik bitte nicht in den falschen Hals, ich äußere nur meine Meinung, und möchte dir helfen, damit du demnächst besser vorgehen kannst.

Ciao und alles Gute, Mistbiene09 ;)

 

Hallo Piratin!

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Die Pointe allerdings hat mich enttäuscht - vor allem aber deswegen, weil ich etwas anderes erwartet hätte: Ich hätte eher vermutet, dass die drei Männchen auf dem Bild eine Familie mit homosexuellen Eltern darstellen, also zwei Mütter oder Väter mit Kind. Dagegen fand ich die pinke Sonne dann irgendwie schwach. :(
Den Stil fand ich richtig süß, den Aufbau gelungen. Erst die Beschreibung der Sympathie dieser Schülerin, später die Entrüstung über eine Außergewöhnlichkeit.

@Mistbiene: Die Geschichte soll nicht realistisch sein - es ist schließlich eine Satire. Da sind überzogene Darstellungen nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Insofern finde ich die überspitzte Reaktion der Lehrer durchaus in Ordnung.

Mfg
xka

 

Kann mich xkaxre (was für'n nick!) nur anschliessen, und zwar in allen Punkten. Leider nix weiter zu sagen :)

 

Hallo Mistbiene09, xkaxre, Sandman !
Danke für Eure Meinungen. :)

@ Biene
Keine Angst! Ich habe deine Kritik nicht in den falschen Hals bekommen. ;)
Doch ich bin in einigen Dingen anderer Meinung als du. Über die Länge von Kurzgeschichten kann man sich sicherlich streiten. Dann sieh es eben als kurze Geschichte; habe ich nichts dagegen. ;)
Aber deine Meinung über Kurzgeschichten

Kurzgeschichten behandeln meistens alltägliche Probleme die schwer zu lösen sind. Und man benutzt eine bestimmte Art von Sprache, meistens werden die Gedanken erzählt oder etwas ganz genau beschrieben.

finde ich echt schade um nicht zu sagen traurig. Hat doch das Leben viel mehr zu bieten, als alltägliche, schwer lösbare Probleme.
Der Sprachstil ist zum Glück sehr vielfältig. Das kannst du ja gut auf diesen Seiten hier finden. Das war es auch, was mich hierher gelotst hat. Jeder Schreiber hat seinen Stil. Oder versucht ihn noch zu finden, wie ich zum Beispiel.

Glaubst du wirklich, dass eine Lehrerin, eine Grundschullehrerein, einem Kind, bei dem sie die 1. Stunde Unterricht hat, das Blatt wegnimmt und es anschreit, von wegen so geht das aber nicht????

Na ja, so ähnlich ist das passiert, auch wenn es für dich nicht (mehr) nachvollziehbar sein mag. Ich hoffe, als du Erstklässlerin warst, hattest du schon sensiblere Lehrerinnen. :)
Und das überzogene Darstellen dieser Situation war reine Absicht. Deshalb unter der Rubrik Satire.
Inspiriert hat mich übrigens diese kleine Geschichte, nach dem einige meiner Arbeitskollegen und ich uns über unsere unterschiedlichen (und teilweise wirklich traumraubenden) Erlebnisse im Unterstufenalter ausgetauscht haben.


@ xkaxre

Wunderbar! Dann hast du also gleich den satirischen Teil erkannt.
Dass dich das Ende nicht so überzeugt hat, ist schon o.k. Vielleicht erwartet man wirklich was anderes. Zwei Frauen und ein Kind oder eben zwei Männer... Ja, ist auch eine Idee. Kommt mir aber nicht ungewöhnlich vor.

Danke für den Tipp!

LG, Piratin

 

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