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Diesmal war alles anders

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23.01.2014
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Diesmal war alles anders

Sie trug die Bluse, die er vor vier Wochen an ihr gesehen hatte. Zumindest eine sehr ähnliche. Weiß, kurze weite Ärmel, die ersten beiden Knöpfe offen.
Waren es damals auch schon zwei gewesen?
„Wieder ganz kurz?“
„Nur die Spitzen bitte!“
Ja, nur die Spitzen. Fast gar nichts. Nicht mehr, als in einer Woche nachwachsen kann. Er wollte nicht, dass erneut endlose Zeit verstreichen musste, bis sie wieder lang genug waren. Lang genug für einen Grund, zu ihr zu gehen.
Es war damals nur ein Knopf gewesen. Da war er sich ganz sicher. Aber diesmal wusste sie ja, dass er kommen würde. Er war angemeldet. Dummer Gedanke.
„Geht’s mit dem Wasser oder ist es zu heiß?“
„Es ist gut so.“
Diesmal war alles ganz anders. Diesmal kannte er sie schon von unzähligen Träumen, konkreten, diffusen, Träumen ohne Worte und Träumen mit Dialogen, die er verfasste während er sie träumte.
Diesmal würde er seinen Mund aufmachen!
Sie hat starke Hände, dachte er, während sie seine Haare frottierte. Eine Frau, die weiß, was sie will. Die sagt, was sie will.
Dies alles entnahm er ihrem Griff, während sie seine Haare trocken rieb.

Die weiten Ärmel erlaubten Blicke. Kurze Einblicke, nur Augenblicke, wenn sie gerade seitlich vor ihm stand, die Arme zu seinem Kopf führte, strich, schnitt, die Länge der verbliebenen Haare prüfte, indem sie die Strähnen durch die Finger zog.
Ihre Arme waren kräftig, nicht muskulös, einfach nur schön. Manchmal beugte sie sich über ihn und er neigte den Kopf zur Seite, ganz wenig.
Nur eine leichte Berührung, für die sie verantwortlich war. Sie beugte sich doch über ihn. Er saß doch nur!
Weiches drückte sich sanft an seine Wange. Er schloss die Augen. Es war die linke Brust und die rechte Wange. Noch Stunden würde sie ihm glühen.
Er dachte zu viel. Zu lang vor allem. Er dachte viel zu lang.
Schon kam sie mit dem Spiegel.
„Gefällt es Ihnen. Gefallen Sie sich?“
Sie gefiel ihm.
„Ja! Vielen Dank!“
„Schön“ Sie begann zu kehren. Die wenigen Spitzen.
„Bin ich heute Ihr letzter Kunde?“
„Einmal Strähnchen habe ich noch. Dann ist Feierabend.“
„Und haben Sie danach schon etwas vor?“
Sie lächelte und sagte:
„Bis jetzt nicht.“

 

Hallo wander,

da ist einer, der auf seine Friseuse steht. Der Text ist kurz; entsprechend sollte auch alles haargenau passen.

Mir sind ein paar Dinge aufgefallen, die du auch als Haarspalterei abtun kannst, aber ich werde sie trotzdem aufführen:

Sie hat starke Hände, dachte er, während sie seine Haare frottierte. Eine Frau, die weiß, was sie will. Die sagt, was sie will.
Dies alles entnahm er ihrem Griff, während sie seine Haare trocken rieb.

Wenn einer jemandem die Haare trocken frottiert, sind die Finger aktiv. So sind es nicht die Hände, die stark sind, sondern die kraftvollen, muskulösen Finger.

Weiches drückte sich sanft an seine Wange. Er schloss die Augen. Es war die linke Brust und die rechte Wange. Noch Stunden würde sie ihm glühen.

Das kann ich nicht nachvollziehen. Der Protagonist sitzt auf einem Stuhl, die Friseuse muss also von hinten kommen, um mit ihrer linken Brust seine rechte Wange zu berühren. In dieser Stellung kann sie vielleicht den Spiegel putzen, der vor den beiden hängt, aber ihm sicher nicht die Haare schneiden.

„Schön“ Sie begann zu kehren. Die wenigen Spitzen.
"Schön." Sie ...

Eine Friseuse / ein Friseur kehrt erst, wenn der Kunde gegangen ist. Oder die Azubine nebenbei, aber nie der, der geschnitten hat, noch während der Kunde vor Ort ist.

Die Idee hinter der Geschichte gefällt mir eigentlich recht gut, aber der Verlauf und das Ende von dir dazu ist belanglos. Da muss doch etwas mehr Dynamik ins Geschehen, sonst ist der Erzählverlauf viel zu linear, jedenfalls für mich.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo wander,

mir hat deine Geschichte gut gefallen, deine Art zu schreiben sagt mir zu. Ich finde nur, dass die Geschichte etwas dahinplätschert, ohne dass wirklich etwas passiert. Der Wandel, der in dem Protagonisten vorgeht, ist mir nicht ganz klar. Konnte er die Friseuse jetzt ansprechen, weil er bereits von ihr geträumt hatte?

Vielleicht könntest du doch noch Selbstzweifel einbauen, um einen stärkeren Konflikt zu schaffen, denn es geht doch letztendlich um den Moment der Überwindung, oder? Vielleicht habe ich da auch was falsch verstanden,

viele Grüße, Philja.

 

Eine feine Geschichte, wander, gefällt mir ausnehmend gut. Vielleicht, weil ich auch schon mal ähnlich dachte wie dein Protagonist.

Haareschneiden ist eine sehr intime Angelegenheit. Nirgends sonst lässt man sich so anfassen. Außer natürlich beim Arzt, aber da ist man krank und hat wohl kaum ins Sexuelle führende Gedanken. Es sei denn, die Sprechstundenhilfe ist einer Gedankensünde wert. :D

Ich finde die Geschichte so gut wie sie ist. Es wird nur das Nötigste gesagt, das meiste geschieht eh nonverbal. Darüber bin ich mir im Klaren und darüber haben auch die beiden Protagonisten keine Zweifel. Die 2 geöffneten Knöpfe sind entscheidend. Es passt. Vor allem der letzte Satz: „Bis jetzt nicht.“

 

Danke für eure Anmerkungen.

Bernadette, die Friseurin kommt ihm von rechts hinten. Das klappt prima mit der linken Brust und der rechten Wange. :-) Mit den Fingern hast du allerdings völlig Recht.

Philja, schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. Es sollte eine ganz kleine Geschichte sein. Keine Dramatik, keine Steigerung von Spannung, keinen starken Wandel, keine Selbstzweifel, keinen schwerwiegenden Konflikt. Einfach alles klein. Und nur ein bisschen mehr Mut als beim letzten Mal.

Dion, ich freu mich, dass bei dir die Geschichte so angekommen ist, wie ich sie gedacht habe. Das Meiste wurde nicht gesagt und so passt es meiner Meinung nach auch.

 

Mich konnte deine Geschichte leider nicht überzeugen.
Die kurzen und abgehackten Gedankengänge des Protagonisten passen zu seiner wohl nervösen Verfassung während er sich die Spitzen schneiden lässt. Das kommt demnach also überzeugend rüber.
Allerdings ist die Geschichte dann scheinbar doch zu kurz geraten und du nicht präzise genug, um mit dem Mann mitfühlen zu können. Auf das Ende wird ausserdem nicht wirklich hingearbeitet.
"Er dachte viel zu lang"
Hat er nun noch lange mit sich gekämpft, bevor er sie ansprach? War er am Ende siegessicher?
Vielleicht geht auch das ganze Thema etwas an mir vorbei, aber ich kann da nicht so viel raus hören.
Ich suche vllt. mal nach was längerem von dir.

mit Grüßen,
Steffen

 

Hallo wander,

eine bemerkenswerte, kleine, feine Geschichte. Erinnert mich an Raymond Carver. Nicht melancholisch, sondern verträumt, ein Schwelgen. Minimalistisch, aber das finde ich grade gut. Auch mit subtilen Details, dem Angemeldet-sein, das trägt zu dieser schwermütig, aber irgendwie auch leichten, flirrenden Atmo bei. Gefällt mir persönlich viel besser als dein Erstlingswerk.

Nur eins: Er saß doch nur! - das würde ich wegnehmen. Das Ausrufezeichen stört die Ruhe im Text, das ist auch eine Aussage, die der Leser da nicht so unbedingt braucht.

Ich bin gespannt auf längere Texte von dir.

Gruss, Jimmy

 

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