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Direkte Demokratie
Wie Schröder die Wahl doch noch gewann
Heute Morgen saß ich mit Eddi vor dem Fernseher. Eigentlich sitzen wir morgens immer vor dem Fernseher, denn wir sind arbeitslos und können unsere Freizeit beliebig gestalten. Nachrichten liefen, Eddi grinste: “Das Hochwasser in Dresden steigt, bald steht die ganze Stadt unter Wasser – geil.”
Ich schob diese grenzdebile Bemerkung auf seinen Guten-Morgen-Joint. “Was ist daran geil?”
“Je länger das Hochwasser anhält, desto besser werden Schröders Umfragewerte. In einer Woche ist Bundestagswahl.”
“Na und?”
“Wenn Stoiber gewinnt, ist es aus mit Dolce Vita auf Staatskosten, der würde dich höchstpersönlich in die Fabrik peitschen.”
“Verdammt, so weit habe ich noch nie gedacht.” Gebannt sah ich im Fernsehen auf das Wasser, das soeben in ein Wohnhaus schwappte. “Schade, dass man selbst keinen Einfluss auf die Politik nehmen kann.”
“Man kann.” Eddi zwinkerte. “Ich zum Beispiel schreibe seit Mona-ten unter dem Namen eines CDU-Mitgliedes Leserbriefe an überregi-onale Zeitungen und plädiere für die Abschaffung des Kündigungs-schutzes, da 53% der Kranken wissenschaftlich bewiesen einfach nur faul seien. Der gute Mann hat schon Morddrohungen erhalten.”
“Genialer Schachzug”, hauchte ich ehrfurchtsvoll. In mir kam Neid auf: Eddi kämpfte gegen sein Schicksal und ich bekam den Arsch nicht hoch. “Ich weiß aber auch etwas.”
“Was denn?”
“Der See gegenüber im Park! Ich kippe Müll hinein – jede Umwelt-verschmutzung kommt den Grünen zugute, und die Linken, Eddi, das sind Menschen mit Herz, die lassen uns kleine Leute nicht einfach hängen.”
“Endlich denkst du mit.”
Ich wollte aufstehen, doch er drückte mich zurück. “Spar dir die Mühe, seit gestern Nacht liegt ein Altölkanister auf dem Grund. Bald schwimmen die Fische mit dem Bauch nach oben.”
Schamhaft senkte ich den Blick. Hatte mein Dasein den gar keinen Nutzen? Doch Aufgeben kam nicht in Frage. Ich kippte mein Bier hinunter und lief nach draußen.
Im Park kam mir ein schmächtiger Vietnamese entgegen. Unvermit-telt klatschte meine Faust in sein Gesicht. “Warum schlägst du mich?”, heulte er. “Wenn der Stoiber erst an der Macht ist”, zischte ich, “werden Leute wie du gar nicht mehr reingelassen.”
Sein zerschundenes Gesicht lief am nächsten Morgen auf allen Ka-nälen und am Abend hatte Schröder den bayrischen Faschisten über-flügelt. Wenn meine Kinder einmal fragen sollten: Ich habe meinen Beitrag zur Wahrung des Sozialstaates geleistet.