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Donner grollte
Donner grollte. Der Wind ließ den Regen gegen die Fensterscheibe peitschen. Ein Blitz zuckte hell über den Nachthimmel, tauchte alles in ein unheimliches Licht.
Leise erzählte Tea ihrem Bruder, der in eine Wolldecke gehüllt in seinem Bett lag eine Gute-Nacht-Geschichte. Sie erinnerte sich daran, dass ihre Mutter diese oft erzählt hatte.
Müde strich sich Tea eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sie war verzweifelt und es gab keine Hilfe, keine Antworten auf die Fragen, die sich wie Messerstiche in ihr Herz bohrten, einen unfassbaren Schmerz hinterließen.
Eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel und tropfte auf das strohblonde Haar des kleinen Jungen.
Dieser hob seinen Blick und schaute Tea fragend an: „Warum weinst du?“
„Ich bin traurig.“ ,kam ihre Antwort.
„Wenn der Himmel traurig ist, regnet es dann?“
Tea musste über die Gedanken des Vierjährigen lächeln.
„Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass du eigentlich schon längst schlafen solltest.“
Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn und stand auf.
Leos Arm fuhr hoch und fasste ihre Hose mit seiner kleinen Hand: „Du lässt mich doch nicht allein?“ ,er schaute sie ängstlich an. „Nein Leo, ich bleib hier, ich verlasse dich nicht.“
Beruhigt kuschelte der Kleine sich in seine Decke ein.
Leise zog Tea die Tür des Kinderzimmers hinter sich zu und setzte sich erschöpft auf den einzigen Stuhl der kleinen Küche.
Den Tränen ließ sie jetzt freien Lauf. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. Verstehen konnte sie es nicht, vielleicht wollte sie es auch nicht.
Tea erwachte, als eine Hand grob an ihren Haaren zog, sie so vom Stuhl schleuderte, dass er polternd zu Boden fiel.
„Was schläfst du hier! Lass mich sitzen!“ Ihr Vater verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Entsetzt schaute sie ihn an, der Geruch von Alkohol stieg ihr in die Nase, es war nicht zu übersehen, dass er mal wieder sturzbetrunken war. „Was glotzt du so!? Besorge mir besser was zu essen, nutzloses Pack!“
Ein stechender Schmerz durchfuhr sie, als ihr Vater sie mit Wucht gegen den Herd schleuderte. Zitternd versuchte Tea sich aufzurichten, doch die Schmerzen ließen es kaum zu. Größer noch waren aber die Schmerzen die sich in ihre Seele bohrten.
Ihre vom Weinen verquollenen Augen richteten sich auf die Kinderzimmertür, in welcher der kleine Leo mit vor Schreck geweiteten Augen stand. Sein Blick sprach Bände, seine Augen wollten Antwort haben, genau wie sie selbst!
Warum? Warum hatte ihre Mutter sie nicht mitgenommen, als sie abgehauen war?! Warum mussten sie jetzt noch diesen Schmerz ertragen, hatte ihre Mutter keinen Gedanken an ihre Kinder verschwendet, nicht mal an den Kleinen?
Warum... Sie hasste diese Frage, sie hasste sie, weil es keine Antwort gab. Und bis es eine geben würde, würde sie weiterhin die großen dunklen Augen ihres Bruders in Gedanken sehen, jeden einzelnen seiner Schmerzen selbst spüren.
„Hey!“ Ihr Vater stieß sie mit seinem Fuß in die Seite: „Was wird das hier!?“
Es gab keinen Ausweg, und der Mut verließ sie.