Was ist neu

DOWNunder

Mitglied
Beitritt
30.01.2009
Beiträge
1
Zuletzt bearbeitet:

DOWNunder

DOWN under​

Es waren schon einige Tage vergangen, als ich ihn das erste Mal sah. Ich saß auf der Plattform des Tauchboots, das am Steg festgemacht war, ließ meine Gedanken schweifen. Es war fast wie zu Hause auf dem Steg an dem kleinen See, nur unvergleichlich schöner. Das Boot schaukelte leicht in der Dünung, und vor mir breitete sich der unendlich scheinende Ozean aus.

"Hi."

Ich drehte mich um, sah einen sehr dunkelhäutigen Jungen, der mit einem alten Lappen über mir die Reling des Bootes putzte. Ich dachte, ich würde mittlerweile alle von der Basis kennen, aber ihn hatte ich hier noch nicht gesehen.

"Hi“, antwortete ich etwas unsicher, er nickte mir kurz zu, beschäftigte sich dann weiter mit der Reling. Da er nicht an einem Gespräch interessiert zu sein schien, blickte ich wieder auf den Ozean. Aber die Ruhe, die ich eben noch empfunden hatte, war gestört, nach einigen Minuten stand ich auf, kletterte über die Leiter auf das Deck.

Beim Verlassen des Bootes sah ich ihn mir aber doch noch etwas genauer an. Denn er war der erste Aboriginie, den ich von so nah sah. Er musste so etwa in meinem Alter sein, trug eine Badehose, seine Haare waren zu wilden Rastazöpfen geflochten. Gut, das passte nicht ganz zu dem Bild, das ich bis dahin von den Ureinwohnern Australiens hatte, aber als ich an ihm vorbei kam und mich mit einem kurzen "Bye" verabschiedete, sah er mich noch einmal an, doch, das runde Gesicht, die unheimlich dunklen Augen, die breite Nase, unverkennbar ein Aboriginie.

Als ich über den Steg zurück zur Basis ging, beschimpfte ich mich selbst in Gedanken als dumme Kuh. Was hatte ich erwartet? Einen Wilden in Lendenschurz mit einem Bumerang in der Hand? So was Blödes. Kaori tauchte vor meinem geistigen Auge auf. Nur weil ihre Wurzeln in Japan lagen, lief sie ja nun auch nicht ewig im Kimono rum. Ich schüttelte noch einmal den
Kopf, vielleicht war es ja nur die Überraschung gewesen, so unvermittelt einem der Ureinwohner Australiens zu begegnen, die meine Gedanken in eine etwas merkwürdige Richtung geleitet hatten.

Was ich überhaupt in Australien mache? Urlaub, oder besser Ferien, ist bei einer 16 jährigen Schülerin wohl die bessere Bezeichnung. Warum ich mir das leisten kann? Weil mich Sabine unbedingt bei sich haben wollte.

Und wer ist jetzt schon wieder Sabine? Sabine ist meine große „Freundin“, und hatte das Angebot, bei Kaori und Tina auf der Basis zu arbeiten, angenommen und war jetzt mittlerweile auch schon ein halbes Jahr hier unten. Und weil Sabine ein bisschen was, eigentlich den Großteil, zu den Reisekosten zugesteuert hat. Und so also kam ich nach Australien, hatte bis auf Sydney und den kleinen Ort südlich davon noch nicht viel vom Land gesehen, war darüber aber auch nicht wirklich böse, denn hier auf der Tauchbasis war alles, was ich brauchte, nette Leute, meine Freundin und viel Wasser.

Kaori und Tina? Zwei Ex-Tauchlehrerinnen der Tauchschule, in der ich mich zu Hause rum trieb und die sich vor einiger Zeit aus dem kalten Deutschland hierher abgesetzt hatten. So, nun kennt ihr alle, so wichtig ist das aber auch nicht.

Tina kramte vor der Basis rum, sie drehte grad unsere Neoprenanzüge um, die hier zum Trocknen gehangen hatten. Ich schnappte mir ein paar Handschuhe, fummelte die Finger wieder richtig rum.

"Wer ist das denn?" fragte ich unvermittelt.

"Wer?" Tina sah mich fragend an. Ich nickte mit dem Kopf Richtung Boote.

"Ach, das ist Neerim. Der taucht hier ab und zu auf, bleibt ein paar Tage, hilft, wo er helfen kann und verschwindet dann wieder. Hat er dich erschreckt?"

"Nein, na ja, ein bisschen."

Tina lächelte.

"Hast wieder geträumt, oder?"

"Ja, bissi. Wie, verschwindet wieder?"

Tina zuckte mit den Schultern.

"Ich glaub, er wohnt mit seiner Familie irgendwo vor der Stadt. Und indem er sich hier nützlich macht, verdient er sich halt ein bisschen Geld. Und wenn er meint, es reicht, verschwindet er eben wieder. Mehr weiß ich auch nicht."

"Hmm," machte ich, dann widmeten wir uns wieder den Anzügen.

*​

Am Nachmittag schnorchelte ich ein bißchen in der Nähe des Bootsstegs. Mal keine Korallen, aber auch in der Nähe des Stegs gab es Fische ohne Ende. Als ich mal wieder auftauchte, mich am Steg festhielt, stand Neerim plötzlich über mir auf den Planken. Das nachfolgende kurze Gespräch fand in sehr holperigen Englisch statt.

"Hi," eine kurze Pause. "Fischmädchen." Er sagte tatsächlich 'fishgirl'.

"Was?" Ich schob meine Maske vom Gesicht.

"Hi, Fischmädchen." Ich hatte mich nicht verhört. Er setzte sich auf den Steg. Hier war etwas richtig zu stellen. ein Delphinschlag mit meinen Beinen brachte mir genug Schwung, um mich auf den Steg zu ziehen.

"Ich heiße Christiane, nicht Fischmädchen."

"Okay. Dann Christiane." Er tat sich etwas schwer mit der Aussprache.

"Sag Chris, ist kürzer."

"Wie die Andere?"

Ich überlegte kurz, klar, Christina meinte er.

"Ja, genau."

"Okay, Chris. Hmm." Er schwieg nachdenklich.

"Tauchst du auch?" fragte ich ihn, als nichts mehr von ihm kam. Er sah mich an, als ob ich von einem fremden Stern kommen würde.

"Nein, natürlich nicht." Natürlich, klar, na gut, dann nicht.

"Ist aber schön. Warst du schon mal da draußen?" Ich zeigte raus auf den Ozean.

"Nein, ich komm von da." Er zeigte in die andere Richtung, Richtung Kontinent. Irgendwie war es nicht leicht mit ihm. Ich sah ihn an, als er unvermittelt wieder das Wort ergriff.

"Ich werde dich 'Tiefes Wasser' nennen."

Ich schloss kurz die Augen, schüttelte den Kopf.

"Hä, was? Sag doch einfach Chris. Wieso 'Tiefes Wasser'?"

"Weil es hier schon eine Chris gibt und jeder sollte seinen eigenen Namen haben. Und weil deine Augen die Farbe des dunklen Wassers dort draußen haben."

Mir fiel die Kinnlade runter, das hatte ich mit Sicherheit nicht erwartet. Als ich mich wieder gefangen hatte, und ihn fragen wollte, woher er wüsste, welche Farbe der Ozean da draußen hat, wenn er noch nie da war, stand er schon wieder auf.

"Bye, Tiefes Wasser, wir sehen uns." Ohne auf eine Erwiderung von mir zu warten, drehte er sich um und verschwand. Und ich saß da, und wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Aber, wie er gesagt hatte, wir sahen uns. Er blieb die ganze Zeit, die ich in Australien blieb, sehr zur
Verwunderung Aller aus der der Basis. Wir freundeten uns an, lernten viel über uns und unsere Kulturen. Die Erklärung, woher er wusste, das der Ozean da draußen die gleiche dunkelblaue Farbe wie meine Augen hatte, blieb er mir schuldig.

Dann ging die schöne Zeit Downunder vorbei, und leider konnte ich mich von ihm nicht verabschieden, einen Tag vor meiner Abreise verschwand er. In den Mails, die ich von Sabine bekam, berichtete sie mir, das ich wohl einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben muss. Nun, wahrscheinlich gab es nicht allzu viele gleichaltrige Europäerinnen, die sich so gut mit ihm verstanden und ihn als ihresgleichen behandelten.

*​

18 Monate später. Wieder Australien. Bine und ich verbrachten diesmal beide unseren Urlaub dort. Schon unsere Ankunft wurde zu etwas besonderem, denn nicht nur Tina und Kaori erwarteten uns am Flughafen. Als wir vier uns ausgiebig begrüßt und umarmt hatten, trat aus dem Hintergrund schüchtern Neerim hervor. Er hatte wohl befürchtet, das ich mich nicht mehr an ihn erinnern würde, aber auch er hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Als er mein Lächeln sah, kam er auf mich zu, nahm meine Hände.

"Tiefes Wasser." Er sagte es mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck.

"Neerim“, versuchte ich, genauso ernsthaft zu erwidern.

"Ich war da."

"Wo?"

Er ließ eine meiner Hände los, zeigte auf meine Augen.

"Dort, wo der Ozean die Farbe deiner Augen hat. Und ich freue mich, mit dir gemeinsam dorthin zu fahren."

"Und was ist von wegen 'ich komme vom da'?"

Seine Augen strahlten, weil ich mich daran noch erinnerte.

"Ich habe gelernt."

Jetzt endlich umarmten auch wir uns.

Als wir draußen auf Tina und das Auto warteten, nahm mich Sabine etwas zur Seite.

"Was war das denn eben? Sonst kannst du dich vor Freude doch kaum beherrschen."

"Es wäre nicht angemessen gewesen."

Überrascht sah Sabine mich an.

"Nicht angemessen? So, so. Das du so ernst sein kannst, ist ja eine ganz neue Seite an dir. Und 'nicht angemessen'? Wo hast du denn das her?"

Ich zuckte nur mit den Schultern.

*​

Neerim arbeitete jetzt regelmäßig an der Basis. nur an den Wochenenden verschwand er, um seine Familie zu sehen. Auch machte er keine Handlangerdienste mehr, sondern begleitete die Tauchboote auf ihren Fahrten, kümmerte sich um Boot und Ausrüstung der Taucher. Kurz gesagt, er war ein vollwertiges Mitglied der Sunset Divers geworden. Fast jedenfalls. Auf die Frage angesprochen, ob er denn nun auch tauche, antwortete er lächelnd:

"Ich bin auf dem Wasser, das reicht erst Mal. Der Weg zum Fischmenschen ist noch weit, Fischmädchen." Er zeigte lachend seine strahlend weißen Zähne, als er mich wieder so wie bei unser ersten Begegnung nannte. "Aber ich lerne jeden Tag neu."

Wir verbrachten einige sehr schöne Tage down under, teils mit Tauchen, teils mit Sightseing. Und wann immer es der Betrieb in der Basis zuließ, begleiteten uns Tina, Kaori und Neerim. Dann, in der letzten Urlaubswoche, wollte uns Neerim etwas zeigen, das seine Vorfahren
geschaffen hatten. Also stiegen wir alle in den großen Van der Basis und unser kleines Abenteuer begann. Schon nach kurzer Zeit verließen wir die geteerte Straße, holperten dann über eine staubige Piste durch einen lichten Eukalyptuswald. Als vor uns eine felsige Hügelkette auftauchte,
ließ Neerim Tina den Van abstellen.

"Den Rest des Weges laufen wir, damit wir niemanden stören."

"Stören? Wen denn?" wollte ich wissen.

"Das ist ein heiliger Ort hier und da sind immer Leute von uns. Und euch würde es ja auch nicht gefallen, wenn wir mit einem Auto in eine eurer Kirchen fahren würden." Wir verstanden ihn, also legten wir die restlichen gut zwei Kilometer zu Fuß zurück.

Am Fuß der Hügel angekommen, sahen wir dort tatsächlich eine Gruppe Aboriginies. Neerim bat uns, einen Augenblick zu warten und begab sich zu ihnen. Er redete eine Weile mit ihnen, zeigte zwischendurch einige Male auf uns, kam zu uns zurück.

"Sie haben nichts dagegen, also kommt."

Wir folgtem ihm zu einem großen Felsüberhang, und da waren sie. Phantastische Bildern von Tieren, fast sah es aus wie ein gemalter Zoo. Alle Arten waren zu sehen, manchmal nur wie eine grobe Skizze, manche aber auch ausgeführt bis in letzte Detail.

Ich sah mir gerade Bilder von Meeresbewohnern an, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich drehte mich um, sah in das älteste Gesicht, das ich je gesehen hatte. Eine alte Frau stand vor mir, eine uralte Frau. Sie sah mit tief in die Augen, dann fing sie an zu sprechen, leider in einer
Sprache, von der ich kein Wort verstand. Hilfe suchend drehte ich mich nach Neerim um, aber auch er zuckte nur mit den Schulter. Die alte Frau nahm meine Hand am Gelenk, zog mich näher an die Wand heran. Und dann tat sie etwas seltsames. Sie führte meine Hand an den Stein, ließ sie über das Bild eines Wales streichen. Neerim hatte ihnen wohl gesagt, das wir tauchten, und vielleicht wollte sie mir zeigen, das sie verstand, was wir taten. Schön, dachte ich mir, aber dann wollte ich ihr zeigen, zu welchem Tier ich mich tatsächlich hingezogen fühlte. Ich löste meine Hand von der Wand, legte sie dann auf das Bild eines Delphins. Aber nein, das war wohl nicht
richtig. Energisch nahm sie wieder meine Hand, legte sie wieder auf den Wal, sah mich dabei ernst an. Und dann passierte etwas wirklich merkwürdiges. Sie zog mich zu den Anderen, legte meine Hand in Kaoris, umschloss mit ihren faltigen Händen unsere. Jetzt hatte sie sich aber gründlich vertan. Ich wollte meine Hand von Kaoris lösen, um der alten Frau zu zeigen, das Sabine meine Partnerin sei, aber sie hielt unsere Hände eisern fest, lächelte dabei. Erst nach einigen Minuten löste sie ihren Griff, wortlos ging sie zurück zu der Gruppe Aboriginies.

"Was war denn das eben?" Aber Neerim zuckte auch nur mit den Schultern.

"Frag sie doch mal, bitte, ja?" Neerim begab sich zu seinen Leuten, sprach kurz mit ihnen.

"Tut mir leid, aber viel hat sie mir nicht erzählt. Nur soviel, 'du wirst es wissen'. Mehr nicht."

Auf der Rückfahrt sprachen wir noch über das Erlebte, einen richtigen Reim darauf konnte sich niemand von uns machen.

*​

Es waren einige Jahre vergangen. Sabine und ich hatten es Tina und Kaori gleich getan, wir waren nach Australien ausgewandert, arbeiteten nun ebenfalls bei den Sunset Divers.

Wir befanden uns vor der Südküste Australiens. Whalewatching, ein neues Angebot, das die Sunset Divers anboten, war angesagt. Wir, das waren Tina, Kaori, Sabine, Neerim und ich. Wir waren alleine unterwegs, um Fotos für ein Prospekt und die Homepage zu machen.

über Funk hatten wir gehört, dass sich Wale in der Nähe aufhielten, deshalb liefen wir schon den ganzen Tag in unseren Neoprenanzügen rum. Gesehen hatten wir selber noch keine, aber wenn sie auftauchten, musste alles sehr schnell gehen.

Tina vertrieb sich die Wartezeit mit mir im Wasser, sie hatte es immer noch nicht aufgegeben, aus mir eine ernsthafte Freediverin zu machen. In der Zeit, in der wir nun schon in Australien lebten, nahm sie mich immer wieder zur Seite, trainierte mit mir, brachte mir Konzentrationsübungen und neue Atemtechniken bei. Sabine hatte ich in der Zwischenzeit übertroffen, lieferte mir jetzt ein Fernduell mit Beate, meiner immer noch besten Freundin, auch wenn wir durch den halben Erdball voneinander getrennt waren. Im Static und Dynamic kam ich noch nicht an sie heran, aber im Tieftauchen lag ich immer eine Nasenspitze voraus, nun, die Bedingungen hier waren eben einfach besser. Keine düsteren, trüben Seen, sondern glasklares, lichtdurchflutetes Meer.

Als wir wieder einmal die Köpfe aus dem Wasser steckten, rief uns Neerim zu, das es losging. Er hatte mit seinem Fernglas Blassäulen gesehen, eine Herde Wale bewegte sich auf unsere Position zu.

Im Gegensatz zu sonst trugen Tina und ich nicht unseren schwarzen Apnoeanzüge. Es sollten einige Farbtupfer auf die Bilder kommen, so hatte sich also Tina einen leuchtend roten Neoprenanzug angezogen, ich tauchte ganz in Gelb. Während Kaori und Bine ihre Ausrüstung vervollständigten, gab uns Neerim die Kameras schon mal ins Wasser.

"Ja, Babies, gebt es mir, oh, ihr seid so gut," ulkte ich rum, als ich ein paar Fotos davon schoss, wie sich Kaori und Bine gegenseitig checkten.

"Lass den Quatsch, nachher fehlen uns die Bilder."

"Ach, Blödsinn, da ist genug Speicher für eine Million Bilder. Das wird eine Fotoserie, Titel: wie sich das Futter fertig macht, aus der Sicht des Hais." Und ich fotografierte weiter, bis die beiden bei uns im Wasser waren.

"So, und nun gib her. Wann wirst du eigentlich mal erwachsen?"

"Gar nicht, ich bleib für immer deine Kleine."

Ich entfernte mich rückwärts schwimmend vom Boot, gleich würden die Wale da sein. Hoffentlich waren sie ein bisschen neugierig und verschwanden nicht gleich wieder. Oder sie drehten vorher ab, es konnte so viel schief gehen.

"Ich seh aus wie ein Eiterpickel“, maulte ich rum, als ich an mir entlang sah.

"Ja, aber wie ein süßes Eiterpickel. Wenn wir fertig sind, kann ich dich ja nachher ausdrücken."

"Rrrrr, drücken, jaaa, solange bis ich platze."

Sabine schüttelte mit dem Kopf, setzte ihre Maske auf und ließ sich langsam absinken. Ich setzte mir meine Maske ebenfalls auf und sah ihr hinter her. Als sie sich in etwa fünf Metern austarierte, folgte ich ihr. Bei ihr angekommen, hielt ich mich an ihrem Gurtzeug fest, hier würde ich
mir ihr zusammen auf die Wale warten.

Ich schnappte mir einen von den zusätzlichen Automaten, die wir an Bines Flasche montiert hatten. Ein, zwei tiefe Atemzüge, dann sah ich in ihre Augen, tief, ganz tief, abgrundtief. Ich ließ den Automaten wieder los, meine Zungenspitze strich über meine Lippen, schon umfasste ich ihren Regler. Ein wenig wehrte sie sich gegen den Zug, aber schließlich gab sie nach. Der Automat ploppte aus ihrem Mund, noch ein paar kleine Luftblasen entwichen aus ihrem Mund, dann vereinigten sich unsere Lippen zu einem wundervollen Kuß.

Als Tina neben uns erschien, aufgeregt nach unten zeigte, lösten wir uns nur ganz kurz voneinander. Schön, die Wale waren da, aber ein kleines bißchen fehlte noch zu einem perfekten Kuss. Also weiter, weiter den Geschmack der anderen und den des Meeres genießen.

Erst als sich Sabines Körper unmerklich versteifte, ließ ich von ihr ab, die Vorzeichen hatten sich eben geändert, ein Verdienst Christinas. Ich gab ihr ihren Automaten in den Mund, schwebte, immer noch die Luft anhaltend vor ihr und lächelte sie an. Ihr Blick hinter dem Maskenglas, der Ausdruck in ihren Augen, er jagte mir Schauer über meinen Rücken, ließ meine Körper
ganz leicht erbeben. Ein Bild erschien vor meinem geistigen Auge, ein Bild von einer Sechzehnjährigen, die von einer Taucherin unter Wasser gezogen wird und der langsam die Luft ausgeht. So wie mir jetzt. Ich nahm nun auch wieder einen Automaten, nahm einige tiefe Atemzüge, dann die Erinnerung abgeschüttelt, kurz orientiert und das Photoshooting mit den Walen begann. Nun, es hatte schon lange begonnen, denn wenige Meter von uns entfernt
schwebte Kaori und schoss ein Bild nach dem anderen. 'Verliebte Taucherinnen vor Walen', das würde wohl unter den Bildern stehen, nicht grade etwas für das Prospekt, aber bestimmt schön anzusehen.

Die nächsten Minuten waren wohl mit die schönsten, die ich erlebt hatte. Die Wale waren neugierig, was für seltsame Wesen da bei ihnen im Wasser waren, trieben nur langsam im Ozean, und so konnten wir völlig ruhig um sie herum tauchen. Sabine und Kaori filmten und fotografierten, was die Kameras hergaben, wir beide versuchten, so elegant wie möglich auszusehen.

Als Sabine kurz auftauchte, um eine neue Kassette in die Kamera einzulegen, passierte das Unheil. Tina und ich tauchten gerade Hand in Hand vor einem Wal entlang, als dieser plötzlich beschleunigte. Wie eine Rakete kam er auf uns zu, gegenseitig zogen und zerrten wir uns aus seiner Bahn. Fast hätten wir es auch geschafft, noch ein Flossenschlag und mein Bein wäre
auch aus der Gefahrenzone gewesen. Nun, Wale fressen keine Menschen, also machte ich mir keine so großen Gedanken, als sein riesiges Maul zuklappte. Gleich würde das Tier merken, das etwas in seinem Maul hing, was dort nicht hingehörte, er würde es wieder öffnen und alles war gut.

Nicht dieser. Entweder schmeckte ihm das Karbon der Flosse oder er merkte gar nicht, das
ich in seinem Maul fest hing. Jedenfalls war er der Meinung, abtauchen wäre eine gute Idee und so ging es abwärts. Noch hielt ich Tinas Hand, klammerte mich jetzt wie verrückt an sie, sie könnte mich ja vielleicht befreien. Aber so sehr sie sich auch gegen die Abwärtsbewegung stemmte, es
war eben ein Wal, an dem wir hingen. Ich schaffte es noch, ihre andere Hand ebenfalls zu greifen, doch jetzt ging es mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit in die Tiefe. So kam ich nicht frei, also lockerte ich meinen Griff, es brachte nichts, Tina unnötig in Gefahr zu bringen. Einige
Sekunden noch hielt sie mich, aber dann ließ sie resignierend meine Hände fahren. Wie sahen uns noch einmal an, und meine wilde Fahrt in die Tiefe ging weiter, während Tina, so schnell es ging, auftauchte.

Nun versuchte ich mit Gewalt mein Bein aus seiner misslichen Lage zu befreien, aber nichts half. Ich konnte mich drehen und wenden, wie ich wollte, wie in einem Schraubstock hing ich fest. Ich schlug auf den Wal ein, trat ihn mit meinem freien Bein, ohne Erfolg. Ich blies ein wenig Luft
in die Maske, sie drückte sich mittlerweile fast schmerzhaft an mein Gesicht. Was konnte ich noch tun? Abwarten, Luft sparen, und hoffen. Hoffen darauf, das der Wal endlich sein Maul öffnen würde.

Immer weiter ging es hinab. Der Wasserdruck machte sich auf meinem linken Ohr bemerkbar, so richtig bekam ich den DA nicht mehr hin. Und nicht nur auf meinen Ohren, mein ganzer Körper wurde zusammengepresst. Es wurde unangenehm, schmerzhaft, mein Ohr tat weh, dann riss das Trommelfell. Ich hatte das Gefühl, zur Seite zu kippen, verlor völlig die Orientierung.

Tiefer und tiefer zog mich das Tier, hinunter in den dunklen Abgrund des Ozeans. Die Luft ging zu Ende, eine Weile half ich mir noch mit Kaubewegungen, aber dann war es vorbei. Dieses schöne Kribbeln stellte sich ein, dieses Kribbeln, das jedes Mal kam, wenn Sabine mit mir spielte, mich fliegen ließ. Nur, das es diesmal kein Erwachen geben würde.

Ich hatte meine Augen geschlossen, rief mir Bilder der Vergangenheit auf, mit Bine und mir, meinen Eltern, Bea, schönen Momenten meines Lebens. Es war ja nun auch nicht gerade so, das ich das nicht schon einmal erlebt hatte, nicht ganz so spektakulär, aber damals hatte auch nicht viel
gefehlt, und es wäre aus gewesen. Und dann fiel mir Bernd ein, Bernd und das Versprechen, das ich ihm gegeben hatte. Bernd hatte mich damals aus einer fast ausweglosen Situation gerettet, in der ich schon abgeschlossen hatte mit dem Leben. Und ich musste ihm versprechen, nie wieder aufzugeben.

An dieses Versprechen erinnerte ich mich jetzt, als ich die Augen wieder öffnete. Nein, ich würde nicht aufhören zu leben. Nicht den finalen Atemzug nehmen und die Lungen mit Wasser füllen. Ich würde kämpfen, kämpfen gegen den unmenschlichen Wasserdruck, die Kälte, kämpfen gegen die drohende Ohnmacht. Wenn das hier schon das Ende sein sollte, dann wollte ich jede
noch so kleine Sekunde, die mir blieb, bewusst erleben.

Dem Wal gab ich keine Schuld. Ich war eben zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

Wie lange mochte ich schon unter Wasser sein, und wie tief. Ich blickte auf meine Uhr, aber es war schon zu dunkel, um die kleinen Ziffern erkennen zu können. Ich krampfte das erste Mal, unkontrolliert zogen sich meine Muskeln zusammen. Bald würde ich die Kontrolle über meinen Körper verlieren, also legte ich eine meiner Hände auf die Haut des Wales, strich leicht darüber. Wenigstens von einem Wesen konnte ich mich verabschieden.

Und wie, als ob er auf diese Berührung gewartet hatte, öffnete sich das Maul und ich war frei. Nur, viel zu spät. Ich war völlig orientierungslos, wusste weder wo oben oder unten war. Irgendwie schaffte ich es, den Verschluss des Bleigurtes zu öffnen, sah ihm kurz nach, wie er versank. Normalerweise hätte ich nun gewusst, in welche Richtung ich musste, aber das rationale Denken hatte aufgehört, der Sauerstoffmangel machte sich gravierend bemerkbar. Ich zitterte, nicht nur vor Kälte, meine Muskeln gehorchten mir nicht mehr

Ich trieb in der Unendlichkeit. Noch einmal begehrte mein Körper auf gegen das Unvermeidliche, krümmte sich zusammen. Noch einmal zuckten die Muskeln meiner Beine, und dann sah ich sah das Licht, das oft beschriebene Licht am Ende. Erst waren es nur kurze Blitze, aber dann blieb es dauernd, wurde hell und heller, unerträglich hell. Eine Hand streckte sich mir aus dieser gleißenden Helligkeit entgegen, leider nicht die eines strahlenden Engels, sondern die eines düsteren Wesens. Aber es war mir egal, Himmel, Hölle, Hauptsache nicht mehr allein. Ich lächelte, als das Wesen mich an sich zog, mich hinüber geleitete in die andere Welt.

*​

Etwas früher, an Deck des Schiffes. Sabine war eben aus dem Wasser gekommen, wechselte die Kassette der Videokamera. Dann verschloss sie wieder das wasserdichte Gehäuse, schaltete die Kamera probehalber ein. Gerade als sie über das Heck des Bootes schwenkte, schoss Tina aus dem
Wasser. Was nun folgt, ist eine Beschreibung dessen, was die Kamera zufällig aufgezeichnet hat.

Tina schießt fast bis zur Hüfte aus dem Wasser, reißt sich die Maske herunter.

"Christiane, ein Wal, weg.." schreit sie. Das Bild wackelt kurz, zeigt dann nur noch die Planken des Decks. Sabine ist zu hören.

"Was ist mit der Kleinen?"

Wieder Tinas Stimme, völlig außer Atem.

"Ein Wal hat sie gepackt, keine Ahnung, wie, aber er ist abgetaucht, mit ihr zusammen." Wieder verwackelte Bilder, die Kamera poltert aufs Deck, fällt auf die Seite, bleibt so liegen, das sie das Heck des Schiffes zeigt, nur um 90 Grad gekippt. Sabine kommt ins Bild, hilft Tina aus dem Wasser.

"Aber wie? Wo ist sie jetzt?"

"Ich weiß auch nicht. Irgendwie muss einer ihrer Füße ins Maul gekommen sein. Ich war noch kurz bei ihr, aber ich hab sie auch nicht freigekriegt. Und dann musste ich sie loslassen. Aber Kaori ist hinterher."

Sabine greift nach ihren Flossen.

"Ich geh runter, oh Mann, die Kleine kann man aber auch nicht fünf Minuten aus den Augen lassen." Sie setzt ihre Maske auf, nimmt den Automaten in den Mund.

"Warte," Tina wieder, "Du kannst doch nicht..."

"Doch, kann ich." Damit verschwindet Sabine im Wasser. Tina kommt auf die Kamera zu, verschwindet aus dem Bild, es ist zu hören, das sie mit einem Tauchgerät hantiert. Eine neue Stimme, die von Neerim.

"Was hast du vor?"

"Na, mit runter, irgendwas helfen."

"Ja, irgendwas. Du bleibst hier an Bord. Da sind zwei im Wasser, die ihr Leben für Chris riskieren, das reicht."

"Aber.."

"Nix, aber."

Tina kommt wieder ins Bild, sie geht unruhig am Heck des Bootes auf und ab, bleibt mir um den Oberkörper gelegten Armen stehen.

"Wo ist die nächste Dekokammer?"

Neerims Stimme aus dem Off.

"In Hobart."

"Setz nen Notruf ab, wer weiß, was..." Den Rest ließ Tina unausgesprochen. Wieder die Stimme aus dem Off.

"Hab ich schon gemacht."

"Gut." Sie sieht hinaus aufs Meer. "Himmel, sie ist jetzt schon so lange da unten. Wie tief ist es hier überhaupt?"

Eine kurze Pause, dann wieder Neerims Stimme.

"358 Meter."

"Oh, mein Gott."

Plötzlich laufen die Maschinen hoch, das Wasser hinter dem Heck wird aufgewühlt.

"Was ist?"

"Sie sind aufgetaucht, direkt vor uns, 100, 150 Meter voraus."

Tina rennt an der Kamera vorbei nach vorne. Kurze Zeit ist nur das Brüllen der Motoren zu hören, dann ersterben die Maschinegeräusche. Tina kommt wieder ins Bild, steigt hinunter auf die Taucherplattform. Dann erscheint sie wieder auf dem Deck, einen leblosen Körper hinter sich her
ziehend, dessen Kopf und Gliedmaßen hin und her schlenkern wie die einer kaputten Puppe. Was aber viel erschreckender ist, das ist das bleiche Gesicht, die blau hervorstechenden Lippen und am allerschlimmsten, die bewegungslosen, weit aufgerissenen Augen.

Als nächstes fliegen Flossen auf das Deck, Sabine und Kaori erscheinen, hektisch öffnet Sabine die Verschlüsse ihres Jackets, lässt ihr Gerät achtlos auf das Deck knallen. Dann wirft sie sich über den leblosen Körper, schüttelt ihn.

"Chrissie, Schatz, Maus, komm zu dir." Keine Reaktion. "Oh, mein Gott, so helft mir doch." Aber das hätte sie sich sparen können. Tina hat ihre Hand schon an der Halsschlagader der Verunglückten, mit zusammengekniffenen Augen versucht sie, Zeichen von Leben zu ertasten. Sabine bereitet sich auf Mund zu Mund Beatmung vor.

"Wo und wie hast du sie gefunden?" Die Frage richtet sich an Kaori.

"In 65 Metern, sie ist mir ganz langsam entgegengetrieben. Und sie war noch bei Bewusstsein, mehr oder weniger. Erst beim Aufstieg ist sie ohnmächtig geworden. Und dann warst ja auch du da."

Sabine beugt sich hinunter, beginnt mit der Beatmung.

"Nun mach schon, los, Herzmassage."

"Nein, warte." Kurze Pause. "Warte, warte, da war was." Noch eine Pause. "Ja, da wieder." Jetzt zählt Tina im Sekundenrythmus. "Ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, da, ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, wieder, doch, ihr Herz schlägt, aber so langsam."

"Gott sei Dank." Wieder will Sabine die Bewusstlose beatmen, richtet sich aber auf.

"Sie atmet auch, ich habe es grad gespürt, aber ganz schwach."

Sabine setzt sich hin, lehnt sich an die Bordwand, zieht den Körper ihrer Freundin an sich, streicht ihr die nassen Haare aus dem Gesicht.

„Mein Gott, sie ist so kalt. Holt mal ein paar Decken." Kaori, die ihre Ausrüstung inzwischen auch abgelegt hat, verschwindet aus dem Bild.

"Oh, Schatz, was ist nur mit dir. Sag doch was, Chris, du kannst doch nicht sterben, du bist doch stark, so sag doch bitte was." Aber die weit geöffneten Augen starren weiterhin nur ins Nichts. Kaori und Neerim tauchen auf, haben Decken dabei und den Sauerstoffkoffer.

"Leg sie flach aufs Deck." Sie wickeln die Bewusstlose in die Decken ein.

"Und schließ ihr die Augen, das ist gruselig."

"Ich.., das kann ich nicht, das ich doch, wie.., also als ob sie tot..."

Tina fast sich ein Herz, streicht mit ihrer Hand über das Gesicht. Als sie die Hand wieder wegnimmt, sind die Lider geschlossen.

"Hey." Das Bild wackelt wieder, kurz ist der Himmel zu sehen, dann erscheint Kaoris Gesicht in Großaufnahmen. "Die Kamera läuft ja."

Hier endet die Aufzeichnung.

*​

Ich wirbelte durch Raum und Zeit. Personen aus meinem früheren Leben erschienen und verschwanden wieder, ich sah Orte, an denen ich gewesen war, erlebte Geschehnisse aus meiner Vergangenheit wieder. Und immer wieder tauchte das Gesicht einer alten Aboriginiefrau auf, das mich anlächelte.

Langsam, ganz langsam setzte das Denken wieder ein. Ich war tot, gestorben in den Tiefen des Ozeans. Und es gab ein Leben danach, sonst hätte ich mir diese Gedanken ja nicht machen können. Wie sah es aus? Vorsichtig öffnete ich die Augen, schloss sie sofort wieder, geblendet von
der Helligkeit. Ich atmete auf. Ich war doch im Himmel, trotz des düsteren Wesens, das mich hier her geleitet hatte. Denn die Hölle hatte ich mir immer als dunklen Ort vorgestellt. Wieder öffnete ich die Augen einen Spalt, drehte meine Kopf ein wenig. Und sofort fing die Welt um mich herum
an, sich wie wild zu bewegen. Mir wurde schwindelig, schnell die Augen wieder zu. Rasende Kopfschmerzen. 'Kopfschmerzen? Im Himmel?' ging mir durch den Kopf, als ich neben mir ein Schluchzen hörte. Jetzt spürte ich auch, das jemand eine meine Hände hielt, sie sanft streichelte. Mit geschlossenen Augen drehte ich meinen Kopf in Richtung des Schluchzens, eine Karusselfahrt wie eben wollte ich unbedingt vermeiden. Dann wieder vorsichtig die Lider heben, nicht zu schnell, um nicht wieder geblendet zu werden. Wie durch einen Schleier nahm ich die Umrisse eines Kopfes war, nur langsam wurde das Bild schärfer. Ein heller Fleck, umrandet von etwas sehr
dunklem. Das Dunkle entpuppte sich als eine schwarze Haarpracht, in dem hellen Fleck erschienen eine Nase, eine Mund, zwei dunkle, mandelförmige Augen. Kaori, das war Kaori, die da neben mir saß und der die Tränen über das Gesicht liefen. Sie hatte auch meine Hand gehalten, ließ sie nun los, beugte sich zu mir runter uns umarmte mich.

"Oh, mein Gott. Endlich. Chrissie, Engelchen, endlich bist du wieder da."

Sie richtete sich wieder auf, rief "Bine, Bine", fuhr fort, meine Hand zu streicheln. Da? Wo, da? Im Himmel, wo sonst. Aber warum war Kaori auch hier? Und was war das in meiner Nase? Ich versuchte es mit meiner freien Hand zu greifen, aber Kaori hinderte mich daran.

"Laß, laß das. Das ist Sauerstoff. Nein, nein, und das läst du auch dran," sagte sie, als ich versuchte, etwas von einem meiner Finger zu entfernen. Ich sah ihn mir an, es war ein Sensor, der an ihm befestigt war. Und so ganz langsam dämmerte mir, das ich nicht im Himmel, nicht
ertrunken war.

"Was...?" fing ich an, und dann erschien ein neues Gesicht in meinem Blickfeld, Sabines Gesicht. Sie sah fürchterlich aus, rote, verheulte Augen und so, als ob sie tagelang nicht geschlafen hätte. Sie beugte sich zu mir runter, nahm mich in ihre Arme, drückte mich, als ob ich von den Toten auferstanden wäre.

"Oh, Christiane, mein Schatz, mein Augenstern, .." dann schluchzte sie, fing an, hemmungslos zu weinen. Ich löste meine Hand aus Kaori´s, legte meine Arme um Sabine und hielt sie fest, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Mein Gott, was war denn los. Na gut, ich hatte Pech gehabt beim Tauchen, bin Ohnmächtig geworden und war jetzt, das hatte ich mittlerweile erkannt, in
einem Krankenhaus oder so. Sabine hatte sich wieder aufgerichtet.

"Ich mag gar nicht daran denken, was wäre, wenn Kaori dich nicht gefunden hätte." Ich drehte meinen Kopf wieder in Kaoris Richtung, lächelte sie an. Der 'Engel', dem ich da unten begegnet war, war mir gleich so seltsam vertraut vorgekommen.

"Danke," flüsterte ich in ihre Richtung, sie erwiderte mein Lächeln. Und dann fiel mir etwas ein. Ich hob meinen rechten Arm, wo war meine Uhr?

"Was suchst du denn?"

"Meine Uhr."

"Die liegt hier in der Schublade." Sabine gab sie mir. "Was willst du denn damit?"

"Ich wollte vorhin kucken, wie tief der Wal mich gezogen hat, aber es war zu dunkel da unten, um etwas zu erkennen."

Sabine schluchzte laut auf, Kaori biss sich auf ihre Lippen.

"Was...was habt ihr denn?" fragte ich sie, während ich die Funktionen der Uhr durchdrückte, endlich zu der maximalen Tiefe kam.

"Oh, Chris, meine Güte, Chris, du warst halbtot, du warst ja fast 10 Minuten unter Wasser und 'vorhin', Chris, das war vor drei Wochen. Aber jetzt wird ja alles wieder gut."

Drei Wochen! Mir fehlten drei Wochen. Geistesabwesend sah ich auf die Tiefenanzeige der Uhr, 132 stand da.


ENDE​

 

Salve abgetaucht,

herzlich willkommen auf KG.de - schön, dass Du bei uns bist.

Dein Erstling lässt mich etwas ratlos zurück. Du schneidest viele Themen an, ohne eines zu Ende zu bringen.
Da ist die Freundschaft zu Neerim, die sich fast wie ein zartes Anbandeln liest - bis man erfährt, dass die Prota lesbisch ist. Dann führt er sie in die Aboriginekultur ein, was für die weitere Geschichte ohne Belang bleibt.
Auch dass die alte Frau eine neue Verbindung mit Kaori prophezeit, nimmst Du nicht wieder auf - zum Schluss bleibt der Tauchunfall, der weder in der Konstellation der Prots zueinander etwas verändert, noch im Innenleben von Chris.
Allein Neerims "tiefes Wasser" findet sich in dem Tauchunfall wieder.

Auch irritiert mich, dass Du die KG unter der Rubrik "Romantik/Erotik" eingestellt hast. Zwar lieferst Du einen Ansatz von Beziehungskuddelmuddel, mit den vier Lesben Chris, Chris, Kaori und Sabine, in das man noch irgendwie Neerim verwickeln könnte.
Aber Du entwickelst das nicht weiter.

Entscheide Dich doch, ob Du Dich auf den Beziehungsaspekt, das Drama unter Wasser oder den Clash of Cultures zwischen der Westlerin und den Aborigines konzentrieren willst, und führe diesen Ansatz zu Ende.

Außerdem hat es ein paar Zeilenumbrüche mitten im Satz in der KG, und einige RS-Fehler - geh da noch mal drüber.

Gruß und schönes Wochenende,
Pardus

 

Hallo abgetaucht,

willkommen auf KG.de!

Ich hatte auch ein wenig Schwierigkeiten mit dem Verfolgen bzw. Nicht-Verfolgen von Themen in Deiner Geschichte. Neerim z.B., der sich unmerklich von einer zentralen Figur zum Statisten entwickelt; Bernd, der irgendwann einmal sehr wichtig war, was ihm aber nicht mehr als zwei Sätze einbringt etc. (siehe Pardus' Beitrag).
Und ich bin etwas verwirrt, was Chris, Christina, Sabine und Kaori und ihre Bezüge zueinander angeht. Ich vermute 'Tina' ist Christina?

Da Deine Geschichte jedoch m.E. sehr lebendig geschrieben ist, fiel es mir dennoch nicht schwer, weiterzulesen.
Das Thema, das für mich durchgängig ist, ist das der "Mystik" Australiens und ihrer Ureinwohner oder so. Erst Neerim, der Chris "Tiefes Wasser" nennt und damit ja bereits eine Art Prophezeiung ausspricht. Dann die alte Frau, die mehr als eine Prophezeiung macht. Chris muss beinahe sterben, um zu erkennen, zu wem sie wirklich gehört -was ich aber auch nicht vollständig nachvollziehbar finde, mit dieser Tina schien es ja auch ganz gut zu laufen ... Naja, und dieses Thema Mystik und Vorbestimmung (falls es das ist, gibt es ganz schön viel Beiwerk drumherum) bleibt dann am Ende irgendwie doch ohne Nachhall. Möglicherweise wolltest Du aber auch Chris' Entwicklung von der ewigen Jugendlichen zur jungen Erwachsenen zeichnen? Du siehst, es stellen sich Vermutungen zum Thema der Geschichte ein, aber so richtig angekommen ist es bei mir nicht.

Fazit: Ich denke, dass Du einen guten Stil hast, sehr lebendig schreibst, und dass es möglicherweise hilfreich für Dich sein könnte, es mal mit einem Konzept im Vorhinein zu versuchen. Skizziere, wer in der Geschichte vorkommen soll und was über die Personen wichtig ist zu wissen. Und benenne für Dich ganz klar das Thema und überlege, wie Du es im Verlauf sichtbar machen und am Ende (evtl.) sogar auflösen kannst. Ich denke, dass dies besonders wichtig ist, wenn man Autobiographisches verarbeitet, denn da ist die Versuchung groß, dem Leser unbewusst zuzutrauen, dass er alles Mögliche ganz selbstverständlich weiß, da man selbst es so selbstverständlich findet.
Ich selbst habe vor Kurzem mit dieser schriftlichen Konzeptausarbeitung angefangen und gemerkt, dass es das Schreiben bereichert und zu bewussterem Schreiben führt.

Noch eine Kleinigkeit: "DA" steht wohl für Druckausgleich? Wäre mir für Nicht-Taucher ausgeschrieben lieber.

"Wahn" bzw. "Duma Key" fand ich übrigens ebenso wie "Love" eine großartige King-Überraschung!

Viele Grüße,

Sister

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom