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Durch die Blume

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08.09.2007
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Durch die Blume

„Wieso sind die tollsten Mädchen immer mit den größten Idioten zusammen?“, fragte ich meinen Lehrer einmal. Wir saßen in einem kleinen Café am Rande der Altstadt, an einem runden Metalltisch mit Glasüberzug. Die Sonne schien geradezu aufdringlich und irgendwo über uns bellte ein kleiner Vogel. Mein Stuhl kippelte, zumal ich etwas nervös war, weil ich sonst nie privat von einem Lehrer auf einen Kaffee eingeladen wurde. Und so entschied ich mich - unkreativ, wie ich in dieser Situation nun mal war - für einen ordinären Kaffee mit Milch. Herr Mancini war da anders. Er hatte sich einen Cappuccino bestellt, seine in hellbraunen Stoff gehüllten Beine gemächlich übereinander geschlagen, die Arme über dem dunkelblau karierten Pullunder verschränkt und mich mit der Ruhe einer zufriedenen Seekuh lächelnd angeschaut. Herr Mancini oder Marius, wie ich ihn nun nennen sollte, war zwei Jahre lang mein Englischlehrer gewesen. Unser Verhältnis war ungewöhnlich locker, er hatte mir manchmal geholfen, einen englischen Songtext zu verstehen, ich spielte dafür hin und wieder den Insider, wenn es darum ging, die Ursache für die neuesten Trends zu ergründen. Ich erklärte ihm zum Beispiel, dass ich selbst in der Stadt einen iPod trage, um beschäftigt zu wirken oder oberflächlichen Smalltalk zu vermeiden. Herr Mancini war in jeder Hinsicht mein bester Lehrer gewesen. Er verbrachte viel Zeit damit, sich in die Köpfe seiner Schüler zu versetzen, um sie im Unterricht bei wesentlichen Fragen selbst auf die Antwort kommen zu lassen. Und jetzt, da unsere professionelle Lehrer-Schüler-Beziehung bald ein Ende hatte, konnte er mich auch zu einem Kaffee einladen, ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen Schülern zu haben.
„Ein überaus bemerkenswertes Phänomen. In der Tat.“ Herr Mancini strich sich über sein stoppeliges Kinn. Die Bewegung wurde von einem leisen Surren begleitet. „Was glaubst du, wieso das so ist?“
Mir kamen alle möglichen Gedanken… Vielleicht, weil auch tolle Mädchen eine Selbstbestätigung brauchen, die sie bei „ebenbürtigen“ Jungs nicht bekommen würden… Vielleicht, weil ihre Schönheit aus irgendeinem Grund Resultat einer tiefen Unsicherheit ist, die es ihnen nicht erlaubt, die Jungs in ihrer Qualität zu unterscheiden… Alles Käse! Schließlich ging es um tolle Mädchen. Die waren weder unsicher, noch hatten sie Selbstbestätigung nötig. Ich fragte mich, wieso ich das Thema hier und jetzt, vor einem Lehrer, überhaupt angeschnitten hatte. Was hatte ich mir dabei bloß gedacht?
Die Getränke kamen und wurden mit großer Hingabe und Präzision von einem rothaarigen Mädchen mit Pferdeschwanz und zitronengelber Schürze verteilt. Das gab mir etwas Zeit, meine Ideen zu sortieren. Beide Tassen waren in einem schlichten Schwarz-Weiß gehalten, meine gepunktet, seine kariert. Er bekam noch einen kleinen quadratischen Keks dazu, der sich zwischen Untertasse und Kondensmilch verkroch, wie ein Taschenkrebs in den Ritzen eines Felsblocks.
„Vielleicht“, ich wählte jedes Wort, als sei es mein letztes, „sind tolle Mädchen immer mit den größten Idioten zusammen, weil nur diese sie wie ganz normale Menschen behandeln.“ Herr Mancini lächelte.

Bei einem Spaziergang über die Felder hinter kleinen Hügeln am Rande der Stadt dachte ich lange über unser Gespräch nach. Ich verlangsamte extra mein Schritttempo, weil ich nicht wollte, dass meine Gedankengänge durch äußere Einflüsse beendet wurden. Verschiedene Getreide- und Rapsfelder zogen zäh und unbeachtet an mir vorbei, wie Werbeunterbrechungen in einem spannenden Buddy Cop Film. Ich lief durch ein Wäldchen und trat in eine tiefe Pfütze. Die Blätter raschelten, der Boden schmatzte unter meinem nassen Schuh, ein kleines Eichhörnchen sprang von Baumkrone zu Baumkrone, als müsse es irgendwo eine tickende Zeitbombe entschärfen, da öffnete sich die Holzkulisse auch schon wieder.
Vor mir lag eine flache Wiese in mattem Lindgrün, welche von einem See, wenigen Laubbäumen und drei quirligen Schotterwegen flankiert wurde. „Der ideale Platz zum Denken!“, dachte ich und setzte mich auf eine kleine rote Holzbank. Allerdings begann ich schon nach wenigen Minuten zu frieren: Die Sonne ging unter, meine Socke war feucht. „Blumen“, hatte Herr Mancini gesagt. Obwohl ich überhaupt nicht verstand, was er meinte, war ich mir sicher, dass sich kein anderer Lehrer jemals so um mich bemüht hatte. Und doch half es mir im Moment wenig, zumal ich in meiner derzeitigen Verfassung schlecht nachdenken konnte. Ach, gäbe es doch nur eine eindeutige Lösung für solche Probleme! Wie gern wäre ich in dem Moment aufgesprungen mit den Worten: „Ich hab’s: Der Mörder war der Hausmeister! Er hatte als einziger ein Motiv …und zwei Äxte.“
Was immer ich tat, ich konnte Valentina einfach nicht aus meinem Kopf bekommen. Und jedes Mal, wenn ich an sie dachte, spürte ich, wie sich meine Gedärme ineinander verkrampften… Es wird nie funktionieren… Sie war zwei Jahre älter und hatte einen Freund. Ich hatte versucht, meine Gedanken auf andere Mädchen zu lenken, machte Listen, mit „objektiv feststellbaren“ Gründen, wieso es eigentlich sinnvoller wäre, was mit dieser Lucy oder jener Tamara anzufangen, doch wurde ich das Gefühl nicht los, nur mit ihr jemals wirklich glücklich werden zu können. Ein - wie ich damals fand - wegen meines zarten Alters geradezu lachhafter Gedanke. Das änderte nichts an seiner Präsenz und die damit verbundenen Qualen.
Blumen, hatte Herr Mancini gesagt, würden mir vielleicht helfen. Auf der Bank sitzend war ich regelrecht umzingelt von Blumen. Hinter mir ragten einige rot-gelbe Tulpen aus dem Boden, vor mir konnte ich vereinzelte Primeln und Veilchen erkennen. Die Blüten kamen in jeder nur erdenklichen Farbkombination und Form. Manche waren kleiner als ein Sheriff-Stern, hinter anderen wiederum hätte man ganze Milchshakedeckel verstecken können. Trotzdem empfand ich in der mich umgebenden Szenerie lediglich die klirrenden Wellen des dunklen Sees mitsamt der imposanten Trauerweide daneben als ansprechend. Enttäuscht erhob ich mich, um nach Hause zu gehen. Irgendwo schrie ein kleiner Kauz.

II.

Am Wochenende stand ich extra früh auf, um das Garagentor zu streichen. Die alte Farbe war, seitdem ich als Kleinkind mit einem Pogostab dagegen gesprungen war spröde und blätterte in großen Stücken von dem grauen Holz. Eigentlich hätte ich das schon vor einigen Monaten machen sollen, doch erst jetzt, da mich die Idee eines bestimmten Motivs nicht losließ und ich körperliche Anstrengung als Ablenkung von meiner erdrückenden Gedankenwelt bitter nötig hatte, kaufte ich stürmisch Farbtöpfe, Grundierung, Pinsel und einen kleinen Metallschaber, um die Mittagssonne ausnutzen zu können. Ich deckte den Bürgersteig mit alten Zeitungen ab und kam nicht umhin, mich von der einen oder anderen Schlagzeile erheitern zu lassen. „Schwuler Berggorilla verstört junge Zoobesucher“, hieß es auf einem farbigen Fetzen in leuchtender Schrift. Unter einem Bild von einem Kleinkind mit Safari-Hut, Spiegelreflexkamera (wie authentisch) und weit aufgerissenen Augen führte ein Postkartengroßer Artikel näher in die Problematik ein: In drei Zeilen wurde über die Natürlichkeit von Analverkehr sinniert, ein weiterer Abschnitt berichtete von Schwulenaufständen und zu guter Letzt warf auch noch ein verbittert wirkender Pädagoge mit unpassenden Fremdwörtern um sich.
Als ich die alte Farbe abschabte, wurde mir erst bewusst, wie nötig der neue Anstrich doch war. Am Fuß des Garagentors entstand ein kleiner Haufen bunter Krümel, der wahrscheinlich nicht mal für einen Korb Ostereier gereicht hätte. Ein Wunder, dass das Tor der Witterung all die Jahre so brav standgehalten hatte! Ich rührte die Grundierung an, trug sie schwungvoll auf und ließ die dicke Glasur etwas einwirken. In der Zeit holte ich ein himmelblaues Radio, das kaum größer als ein Welpe war und für eine ähnlich differenzierte Geräuschkulisse sorgte. Außerdem druckte ich das von mir bevorzugte Motiv auf eine Overheadfolie, stahl einen entsprechenden Projektor aus dem Büro meines Vaters und kramte in meinem Mäppchen nach Bleistiften.
Das Auftragen des Motivs erwies sich als schwerer, als zunächst angenommen. Nicht nur, weil der Kuli, den ich benutzte, schon älter war und auf den teils gewellten Holzbrettern dementsprechend rissige Linien zog, sondern auch, weil ich den Projektor einerseits so weit weg stellen musste, dass möglichst viel Garagentorfläche genutzt werden konnte, andererseits die Lichtintensität mit der Entfernung abnahm und es die handelsübliche Glühbirne ohnehin nicht mit der Mittagssonne aufnehmen konnte. Durch etwas Hilfe der Schatten vereinzelter Wolkentürme am Himmel schaffte ich es nach zwei Stunden dann doch irgendwie. Das feine Gebilde schwarzer Striche verästelte sich zu einer Gitarre und dem dazugehörigen Jimi Hendrix, dessen Afro von einem dicken Stoffband gezähmt wurde. Er war leicht nach hinten gelehnt, hatte sich mit den Fingern der einen Hand energisch in sein Griffbrett verkrallt und holte mit einem Plektron in der anderen zum nächsten Schlag aus. Mit seinem Gesicht hatte ich mir besonders viel Mühe gegeben. Dabei waren vor allem die geschlossenen Augen und der leicht geöffnete Mund wichtig. Da ich mir zu jedem Foto von Jimi aufs neue überlege, ob sein Ausdruck von Schmerz, Ekstase oder Langweile zeugt - drei Zustände, die vielleicht gar nicht so unterschiedlich sind, wie man immer meint -, wollte ich auch auf meinem Garagentor nicht Partei ergreifen.
Ich staffelte die verschiedenen Farbtöpfe nebeneinander auf und freute mich schon darauf, meiner Figur Leben einzuhauchen, da wurde „Prozent“ von den Cucamonga Cracker Killern in dem lokalen Radiosender angekündigt. 90 Prozent der Hunde bis zehn Jahre haben auch Geplage unter ihren Haaren… Prozent, Prozent… am Ende dar ist immer klar: Prozent der ganzen Schar… Das Lied war so schäbig, dass von ihm beinahe schon wieder ein gewisser Charme ausging. Ich bewunderte Erzeuger derartig minimalistischer Kunst stets für ihren Mut.
Mein Pinsel tauchte in ein saftiges Orange, die vielen Härchen wurden gründlich umspült, sodass die Garage bei der ersten Berührung ähnlich zu schmatzen begann, wie es der Boden unter meinem nassen Schuh Tage zuvor getan hatte. Und ehe ich mich versah, lief eine dicke Nase ungestört an den Wellen des Tors vorbei, unter der Zeitung hindurch und auf die Straße. Ich rannte ins Haus, um einen Lappen zu holen, aber als ich zurückkam, bildete die Spur bereits eine glänzende Kruste. Ich ließ mich erschöpft in den Teer fallen, wischte mir Schweiß von der Stirn und kramte in meiner Hosentasche nach Zigaretten, da schälte sich ein kleines Gänseblümchen aus dem fahlen Grau. Die Blüte war insgesamt kaum größer als ein Popcorn und trotzdem so hell, dass sie mich beinahe blendete.
Durch den Anblick dieser Blume begann ich allmählich zu begreifen, was Herr Mancini gemeint hatte. Wäre sie genauso schön, wenn nicht gerade ein Lichtstrahl auf sie fiele? Vielleicht. Würde ich die Blume unter tausend anderen wieder erkennen? Vermutlich nicht. Aber in diesem bestimmten Moment, von gleißendem Licht beschienen, auf all dem langweiligen Stein und Zeitungspapier ging von ihr eine unglaublich beruhigende Faszination aus, die mir hier und jetzt ehrlich und sinnvoll erschien - ja, irgendwie machte die Blume Sinn. Was tat ich eigentlich? Ich pinselte Jimi Hendrix auf ein paar lose zusammenhängende Holzbretter, weil ich Angst davor hatte, mir zu überlegen, was ich wirklich wollte und wie ich das erreichen könnte. So lange war ich der einzigen wichtigen Frage ausgewichen, dass ich schon richtig Übung hatte, wenn es darum ging, mich selbst zu überlisten. Sollte ich es nun mit Valentina versuchen oder nicht? Ich musste sie heute Abend sehen. Vielleicht würde ich ja die Gitarre mitnehmen und ihr meine Version von „Little Wing“ vorspielen. Butterflies and Zebras… and a fairy tale… that’s all she ever thinks about… Der Text würde mich aus dem Mund eines Warzenschweins zum Schmelzen bringen.
Das restliche Garagentor bepinselte sich quasi von selbst, wobei der fertige Jimi dann doch eher traurig aussah. Ich versiegelte alle Farbtöpfe, kramte das Zeitungspapier zusammen und fegte den Gehweg vor dem Tor. Doch obwohl die Arbeit eine ganze Weile gedauert hatte, war es noch hell und für wahre Romantik muss es dunkel sein. Also entschied ich mich, die nächsten paar Stunden mit Fernsehen totzuschlagen. Es lief irgendsoein langweiliges Superheldenremake, bei dem man versucht hatte, die Problematik künstlich mit Tiefe und Symbolik aufzupumpen. Ich dachte an Valentinas Freund. Ob es ungerecht war, dass ich ihn auszustechen versuchte? Ob er sich eigentlich darüber im Klaren war, wie viel Glück er mit ihr hatte? Im Fernseher fiel der Hulk auf die Knie, blickte gen Himmel und schrie: „Gott, ich spüre diese Schuld aber lastet sie auch auf mir?“ Ich nippte schläfrig an einer zuckerfreien Cola. Kein Wunder, dass man heutzutage nicht weiß, was zu tun ist, wenn sogar der unglaubliche Hulk von Gewissensbissen geplagt wird.

III.

9 Uhr. Meiner Meinung nach war halb zehn genau die richtige Zeit für Romantik: Spät genug, aber doch nicht so spät, dass „ans Fenster klopfen“ allgemein als gruselig empfunden wurde. In dem Taxi stieg ich hinten ein, weil ich für oberflächliches Geplauder sowieso viel zu angespannt war. Dem Fahrer schien das ganz recht zu sein. Er nagte an einem gigantischen Yufka, während sich das Auto in Bewegung setzte. Sein rötliches Gesicht war so breit, dass es den gesamten Innenspiegel ausfüllte und diesen wie ein von der Decke hängendes Stück Fleisch aussehen ließ. „Heinzweg 24?“, grunzte er, die Windschutzscheibe von innen mit feinen Salatstückchen besprühend. „Genau“, antwortete ich so emotionslos, wie möglich. Ein iPod wäre in der Situation wünschenswert gewesen. Es wird nie funktionieren… hallte es dumpf in meinem Hinterkopf.
Der Weg vom Taxi bis unter Valentinas Fenster kam mir wie eine Ewigkeit vor. Die Sonne war vor wenigen Minuten untergegangen und hatte die Gegend erbarmungslos in einem kühlen Blau zurück gelassen, durch welches alles irgendwie künstlich wirkte. Die wenigen Sträucher sahen aus, als hätte sie jemand mit billiger schwarzer Knete geformt. Die Oberfläche eines kleinen Zierteichs war aus Frischhaltefolie, auf dem Rücken eines klaffenden Hundes meinte ich vier Lego-Noppen erkennen zu können. „Jetzt fehlen nur noch tanzende Skelette“, dachte ich.
Ich kletterte in den Garten und warf mit der flinken Bewegung eines Cowboys im Shootout einen kleinen Stein gegen ihr flackerndes Fenster. Sie machte ihr Hauptlicht an und erschien hinter dem Glas. Mein Herz blieb stehen. Sie trug ein elegantes Nachthemd aus dünnem Stoff, ihre blonden Haare waren etwas zerzaust und mit den großen triefschwarz umrandeten Augen, den prallen Brüsten und der kleinen Stupsnase ähnelte sie in dem fahlen Licht ein bisschen einem Manga. Ich zitterte und glaubte, mich nie mehr bewegen zu können. „Mach den Mund auf“, dachte ich, „Du stehst da wie der größte Idiot.“ Meine Lippen trockneten aus, der Gaumen fühlte sich an, als hätte ich mich eine Woche von Sand ernährt. „A“, sagte ich und war überrascht, wie viel Nervosität mit einem einzigen Buchstaben verflog, „all den Weg bin ich gekommen, um dir das hier zu geben: --(-@

Sie drückte ihren weichen Körper gegen mein T-Shirt. Ich wurde augenblicklich von einem Schwall elektrisierender Wärme durchflutet. Was immer ich auch vor wenigen Minuten unter ihrem Fenster gemacht hatte, es muss ziemlich romantisch gewesen sein. Valentina ergriff mein Becken und arbeitete sich mit ihren Händen langsam meine Wirbelsäule hoch. Mein Rücken stand in Flammen. Nur ein kurzes Zucken ihrer linken Hand an meinen Hals und unsere Münder schlugen so heftig gegeneinander, dass meine Schneidezähne zu pochen begannen. Ich biss in ihre klebrigen Lippen, während sie mit beiden Händen meinen Kopf zerkratzte, um mich schließlich an den Haaren zurück zu ziehen. Sie sah mich einfach nur an. Ihre Augen waren so groß, dass ich in meinem Spiegelbild in ihren Augen wieder ihr Spiegelbild in meinen Augen erkennen konnte. Unsere Münder wurden von einem dünnen Spuckefaden verbunden. Er riss ab und klatschte laut gegen mein Kinn, weil Valentina zu lächeln begann. Für so ein Lächeln wäre man vor ein paar tausend Jahren noch in den Krieg gezogen. Sie strich mit ihrer Backe über meine, ich versenkte meine Zähne in ihrem Hals. „Ich liebe dich“, flüsterte sie leise in mein Ohr.
„Hä“ Jetzt schon? Ich brach fast zusammen, fing mich dann doch wieder und taumelte ein paar Schritte nach hinten. Vor mir ein bizarres Bild: Da stand ein kleines Mädchen barfuss in der Mitte ihres Zimmers, zur Hälfte vom fahlen Mondlicht beschienen, bekleidet mit einem schimmernden Nachthemd. Ich hatte eine Brust freigelegt, ihre Haare zerzaust und den Lidschatten verschmiert, sodass er den Augen nun nicht mehr ein feiner Rahmen war, sondern sie vielmehr wie eine grobe Stoffnaht umschloss. Und doch wirkte das Mädchen unschuldig und jung als warte es auf die Schultüte. „Ich will ehrlich sein…“, sagte ich ruhig, „Es würde nicht funktionieren.“

 

Hallo Edward,

wenn ich meinen Gemütszustand beim Lesen dieser Geschichte in drei Etappen einteilen müsste, so könnte ich sagen, dass es mir am Anfang gut gefallen hat, nach ein paar Absätzen war ich genervt und ca. ab der Hälfte habe ich gehofft, dass deine Geschichte zu Ende ist.

Du schlägst in deiner Geschichte diesen Plauderton an. Ich mag das eigentlich sehr und es gibt den Geschichten in der Regel sehr viel Authenzität.
Leider schiesst du mit der Plauderei weit über das Ziel hinaus - Details, die Stimmung erzeugen sollen werden bei dir so inflationnär eingesetzt, dass sie keine Stimmung mehr erzeugen, sondern bloß noch langweilen.
Warum sollte es mich interessieren wie eine Kellnerin aussieht, die in der weiteren Geschichte nicht mehr die geringste Rolle spielt? Warum sollte mich interessieren, wie Tassen aussehen, die ebenfalls keine Rolle spielen?
Ebensowenig hat die Geschichte eine genaue Beschreibung des Garagentorstreichens oder des Walsspaziergangs nötig.
Versteh mich nicht falsch - ich finde es schön, dass du Details einbringst, aber du hast das für meinen Geschmack stark übertrieben.

Das Ende deiner Geschichte fand ich etwas seltsam - zum Einen, dass sie gleich auf die Blumentour anspringt (ich mein - es ist ja nicht so, als wär das die neuste Idee) - und dann stellt er fest, dass er sie gar nicht will. Hm... war für mich eigentlich gar nicht so richtig nachvollziehbar, woher ihre - und auch seine - Gemütswandlung plötzlich herkommt. Fast wirkt das Ende etwas hastig geschrieben, als hättest du schnell fertig werden wollen.

Details:

Die Sonne schien geradezu aufdringlich und irgendwo über uns bellte ein kleiner Vogel.

Ach komm - Vögelchen bellen doch nicht. :)

„Blumen.“, hatte Herr Mancini gesagt.

Der Punkt nach "Blumen" muss weg.

Und jedes Mal, wenn ich an sie dachte, spürte ich, wie sich meine Gedärme ineinander verkrampften…

Hehe ... ich weiß zwar was du meinst - aber eine romantische Umschreibung ist das wirklich nicht. Gedärme können sich schließlich auch von schlechtem Essen verkrampfen.

Das änderte nichts an seiner Präsens und die damit verbundenen Qualen.

Präsenz

Die Blüten kamen in jeder nur erdenklichen Farbkombination und Form.

Wieso "kamen" die Blüten? Wo kamen sie her?

Irgendwo schrie ein kleiner Kauz.

Woher weiß er, dass der Kauz - den er ja nur hört - klein ist?


Als ich die alte Farbe abschabte, wurde mir erst bewusst, wie nötig der neue Anstrich doch war. Am Fuß des Garagentors entstand ein kleiner Haufen bunter Krümel, der wahrscheinlich nicht mal für einen Korb Ostereier gereicht hätte. Ein Wunder, dass das Tor der Witterung all die Jahre so brav standgehalten hatte! Ich rührte die Grundierung an, trug sie schwungvoll auf und ließ die dicke Glasur etwas einwirken.

Hm... also ehrlich gesagt, finde ich das nicht besonders interessant. Warum beschreibst du das so ausführlich? Um Stimmung zu erzeugen?

Sie strich mit ihrer Backe über meine, ich versengte meine Zähne in ihrem Hals.

versenkte
Und er macht bitte was? Er versenkte seine Zähne in ihrem Hals! Igitt, den hätte ich ja gleich wieder rausgeworfen.

Lieben Gruß, Bella

 

hallo edward,

ich bin zwar kein kritiker, aber ich wollte dir nur sagen - mir gefällt sie super. ich finde es gerade schön, dass manche begriffen nicht zusammen passen - sowie das vögel bellen oder der ordinäre kaffee ;-)

ich finde es spannend begriffe in einem anderen zusammenhang zu nennen, als sie vielleicht gedacht sind und eigentlich auch nicht funktionieren.

am besten gefällt mir der schluss.
ich kann gar nicht so genau sagen, warum, da ich es nur subjektiv und bestimmt nicht richtig deute. aber es ist so oft im leben, dass man etwas nur so lange haben will, bis man es haben kann.
oder aber er nimmt es ihr nicht ab, was ich noch wahrscheinlicher finde. an der stelle des hauptdarstellers finde ich es bewundernswert, die frau zurückzuweisen, weil er weiß, dass da was nicht stimmt - wie die plötzliche liebe. ich glaube, ich hätte den mut nicht gehabt und mir genommen was ich will...

wie auch immer - ich wollte eigentlich nur mal mein lob loswerden. mir gefällt sie.

lg

ronja

 

Hallo.

Freut mich, dass die Geschichte so eifrig gelesen und kommentiert wird.

Zu dem Schluss will und kann ich wie immer nicht viel sagen. Wie Ronja81 so schön sagte, gefällt er subjektiv (oder auch nicht). Es empfiehlt sich, ihn im Zusammenhang mit der Einstiegs-Vermutung zu überdenken, tolle Mädchen seien immer mit den größten Idioten zusammen, weil nur diese sie wie ganz normale Menschen behandeln...

@ Träne
Ein Yufka ist eine Art Döner/Taco-Kreuzung, die in den meisten Dönerbuden angeboten wird und sich mittlerweile großer Beliebtheit erfreut (zumindest in Ulm) :-)

@ Bella
"Die Blüten kamen in jeder nur erdenklichen Farbkombination und Form." ist Umgangssprache und klingt meiner Meinung nach etwas nach Wochenmarkt, passt aber in dem Zusammenhang ganz gut.
Ich bin mir sicher, dass man kleine Kauze von großen am bloßen Sound unterscheiden kann... Aber unter uns: "kleiner Kauz" klingt auch besser ;-)

@ Träne und Bella
Das --(-@ gegen Ende der Kurzgeschichte ist ein - zugegeben etwas... sagen wir: "gewagter" - Gag meinerseits. In "Durch die Blume" ist nie die Rede davon, dass der Ich-Erzähler tatsächlich Blumen mit an das Fenster seiner Angebeteten bringt. Vielmehr hilft ihm das Gänseblümchen, wesentliches zur Liebe an sich zu begreifen. Vielleicht spielt er "Little Wing" von Jimi Hendrix, vielleicht trägt er ein Rilke-Gedich vor... Who knows... später heißt es ja nur: "Was immer ich auch vor wenigen Minuten unter ihrem Fenster gemacht hatte, es muss ziemlich romantisch gewesen sein."
In einem Leser-Kommentar zur Ananas-Geschichte wurde mein Stil als "Anti-Romantisch" beschrieben, da fand ich es ganz amusing, das Romantischste auf der ganzen Welt, was ein tolles Mädchen wie Valentina sofort dazu bringt, "Ich liebe dich" zu sagen, mit einem billigen --(-@ aus der Chatsprache zu umschreiben.

In diesem Sinne: Peace Out!
Make Love, not WarCraft!
Edward

 

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