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Ein Hakenkreuz

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23.07.2001
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Ein Hakenkreuz

Ich kam mal wieder nach Hause, von der Arbeit oder vom Training oder einfach so von nem harten Tag, ich weiß`s nicht mehr. Vom Bus kommend ging ich müde Richtung "Heimat". Alles wie immer, tausend mal gemacht. Aber ein kleiner Seitenblick fiel doch auf die Garagenwand. An der mußte ich jeden Tag vorbei, sie zeigte direkt zur Straße, stand direkt daneben. Tausende von Autofahrern, Leute in den Bussen, was hier sonst noch so längskam, sah jeden Tag diese Wand an.

Auf dieser Wand waren ein paar Kritzeleien gewesen, „S liebt B“ „Nina Fick Dich“ sowas. Und natürlich „Die Welt ist schlecht, das Dope ist gut, ein Dicker Joint macht wieder Mut“. Der war nicht von mir, aber mein persönlicher Favorit, entlockte mir jeden Tag wieder ein Lächeln.

Aber die waren jetzt alle weg, verschwunden unter einem riesigen Hakenkreuz. Im Durchmesser 1,50, mit dickem Strich aus schwarzer Sprühdose prangte es da. Ich blieb stehen. Ein Hakenkreuz. Und was für eins. Hier. Fassungslosigkeit. Eigentlich war es nicht zu übersehen gewesen, direkt an der Straße, groß, schwarz auf weißer Wand. Ich guckte genau hin. Und ging weiter.

Jedesmal, wenn ich morgens losging, abends nach Hause kam, sah ich diese Wand, dieses Hakenkreuz. Und jedesmal ärgerte es mich. Nach ein paar Monaten wunderte ich mich, das es immer noch da war. Hier wohnten doch so viele Ausländer, störte die das denn nicht? Die Hausverwaltung? Hakenkreuze waren doch verfassungswidrig, reichte es da nicht, die Bullen anzurufen, damit die es wegmachen? Warum hatte das keiner gemacht?

Der Sommer kam und ging, langsam wurde das Hakenkreuz gerahmt von ähnlichen Schmierereien, wie sie vorher da gewesen waren. Aber es war immer noch sehr gut zu sehen, für meinen Geschmack viel zu gut. Ich ging morgens, kam abends, und störte mich jedesmal wieder dran.

Dran gewöhnen wollte ich mich nicht. Wer auf der Straße vorbeikam, bekam unweigerlich den Eindruck, das hier in der Wohnanlage Nazis freie Hand hatten, und das die Masse nix tat. Dass Faschismus hier toleriert wurde. Obwohl.....Moment mal.....Uops! So war es doch! Ich staunte Bauklötze. Ich war zwar entrüstet gewesen, hatte mich aufgeregt, aber getan hatte auch ich nix. Das ich das erst jetzt erkannte!

Und dann kam ich drauf. Es war doch so offensichtlich! Warum fiel mir das erst jetzt ein? So simpel!

Das nächste mal, als ich an einem Baumarkt vorbeikam, besuchte ich die Farben & Lacke Abteilung. Spraydose, groß, 7,90 DM, Farbe siehe Deckel(der war Rot). So einfach ging das.

3 Tage später war das Hakenkreuz dann unter einem ebenso großen, aber wegen seiner Fülle noch auffälligerem Roten Stern verschwunden. Niemand sagte was, niemand schien es zu stören, die Leute, die morgens dumpf dastehend auf ihren Bus warteten, stierten drauf, ohne ihn wahrzunehmen. Sie taten nichts, weil es sie nicht störte. Genau wie vorher.

Aber irgendwas hatte sich doch verändert. Ich ärgerte mich nicht mehr. Ich ging zum Bus und freute mich. Jeden Morgen, jeden Abend.

 

Nicht schlecht. Ist natürlich als Parabel gegen politische Tatenlosigkeit zu verstehen. Bloss der rote Stern... naja also ich weiss nicht. Ich hätte da eher einen dickes, rosa Herz drüber gemacht.
Love is the answer, man! ;) :D

 

Ich wär eher für ein großes fettes rotes Anarchie Zeichen gewesen...

Aber trotzdem eine wirklich gute Geschichte.

 

Hallo ...bär...!

Finde ich ganz toll, Deine Geschichte!

Habe wegen dem Inhalt ganz vergessen, auf stilistische Dinge oder Rechtschreibfehler zu achten!

Ich widme Dir einen meiner Lieblingssprüche, wenngleich der Name der Verfasserin vielleicht manche schreckt. Aber der Spruch ist gut:

Protest ist,
wenn ich sage
das und das paßt mir nicht.

Widerstand ist,
wenn ich dafür sorge,
daß das, was mir nicht paßt,
nicht länger geschieht.
(Ulrike Meinhof)

Alles liebe und weiter so!
Susi

 

Jo Mann, nicht schlecht. Ein roter Stern ist zwar ein Umschwenk in ein anderes Extrem, aber als, wie l3en schon sagte, Parabel gegen politische Tatenlosigkeit geht das voll in Ordnung.

Die Rechtschreibung und der Stil sind stellenweise nicht ganz so ausgereift, aber das fällt nicht so ins Gewicht.
Nur dass das Hakenkreuz zuerst alle anderen Schmierereien überdeckt war seltsam, denn es besteht ja nur aus Strichen. Der rote Stern ist da schon ein anderes Kaliber.

Aber das sind bloß so Detailfragen.

 

Aber man kann doch einfach ein ganz fettes Hakenkreuz machen.

[Beitrag editiert von: I3en am 11.12.2001 um 11:34]

 

Hi.

Freut mich, das die Geschichte gut ankommt. Zu dem Kritikpunkt, ob das Hakenkreuz nun die anderen Schmierereien überdecken kann oder nicht: Mit den Worten "mit dickem Strich" wollte ich eigentlich gesagt haben, dass es, wie I3en schon gesagt hatte, ein ziemlich fettes war.

Mittlerweile sind mir selbst auch noch ein paar Textstellen aufgefallen, die nicht ganz "rund" klingen, werde sie bei Gelegenheit mal ausmerzen.

@Häferl: Danke für das Zitat, werde versuchen, es mir zu merken. (Obwohl es sooo lang ist ;) )

Schönen Tag noch
Schreibärling

[Beitrag editiert von: Schreibärling am 11.12.2001 um 12:07]

 

Protest ist,
wenn ich sage
das und das paßt mir nicht.

Widerstand ist,
wenn ich dafür sorge,
daß das, was mir nicht paßt,
nicht länger geschieht.
(Ulrike Meinhof)


Aha... wahrscheinlich mit Sprengsstoffanschlägen, was? :rolleyes:

 

Poncher, hast wohl doch auf den Namen statt auf den Spruch geschaut?

Alles, was einer AKTIV tut, statt nur zu quatschen, ist Widerstand.

Auch, wenn es nur das Übermalen eines Hakenkreuzes ist. Das ist schon ein Zeichen und besser als nix.

Alles liebe
Susi <img src="graemlins/xmas.gif" border="0" alt="[xmas]" />

 

Nö, das Zitat der Meinhof hab ich auch gelesen, nicht nur auf den Namen geachtet...

Fakt: Ulrike Meinhof war Mitglied der RAF! Der Spruch mag zwar toll sein, nur sollte man seinen Inhalt auch angesichts der Person, die ihn geäußert hat, nicht einfach so abtun, als ob jeder Widerstand, der aktiv durchgeführt wird, auch gut ist...

 

Schöne story. Nur dass Spray scheiße deckt. Du musst wenigstens 2 mal mit Rot drüber, und dann scheint das schwarze Hakenkreuz immer noch durch. Naja, sonst habe ich bis auf die unnötigen kleinen Fehler nix auszusetzen. Ich war übrigens im Trauerzug zu Ulrikes Beerdigung. Aus Versehen. Schule war aus und wir sind mitten rein geraten. Grün dominierte das Schwarz. Die irregeleitete Pfaffentochter verwest seitdem in der Eisenacher Str. in Berlin-Tempelhof.

 

Mahlzeit!

Nun, lange bevor sie in der RAF war, hatte sie schon präzise politische Polemiken im Konkret veröffentlicht. Leider war das System damals so verkrustet und betoniert, dass Diskussionen über gesellschaftliche Kritikpunkte von keiner Seite aufgenommen wurden. Als U. M. mit ihren politischen Aufsätzen begann, war der Kalte Krieg wirklich auf dem Höhepunkt, der Auschwitz-Prozess in Frankfurt tat sich schwer und die meisten öffentlichen Stellen waren noch immer mit den Alt-Nazis besetzt. Es gab gar kein intellektuelles Entrinnen für die wenigen jungen Kritiker. Sie konnten nur mit Ihresgleichen diskutieren, nicht mit ihren Eltern, nicht mit ihren Lehrern, nicht mit irgendwelchen Politikern. Und so ging der Weg geradewegs in die Gewalt. Geburt durch Isolation. Ein Grund für entstehenden Terrorismus.

Heiko

[Beitrag editiert von: Morphin am 12.12.2001 um 13:27]

 

Danke Heiko.

Auch hatte damals der Terrorismus noch nicht das Gesicht, das er heute hat.

Aber damit kein falscher Eindruck entsteht:
Prinzipiell bin ich gegen jede Form der Gewalt, von wem oder welcher Richtung auch immer. Ich bin z.B. auch auf Demos immer nur solange gewesen, solange sie friedlich verliefen.
Ausnahmen bestätigen allerdings auch die Regel: Zum Beispiel würde ich niemals jemanden verurteilen, der Menschen aus den KZ´s befreit hat und dafür einige Hitlergetreue aus dem Weg räumen mußte.
Oder wie seht ihr das?


Heute stelle ich mir obendrein die Frage, ob es denn sinnvoll ist, ein Hakenkreuz zu überspühen.
SIE SIND JA DA.
Wir können sie nicht wegleugnen, dadurch werden die Nazis nicht weniger.

Sinnvoller Aktionismus wäre m.E. die bessere Antwort.

Alles liebe
Susi

 

Es gab gar kein intellektuelles Entrinnen für die wenigen jungen Kritiker. Sie konnten nur mit Ihresgleichen diskutieren, nicht mit ihren Eltern, nicht mit ihren Lehrern, nicht mit irgendwelchen Politikern. Und so ging der Weg geradewegs in die Gewalt. Geburt durch Isolation. Ein Grund für entstehenden Terrorismus.

Klar... So und nicht anders kann es gewesen sein! Super! Bravo! Ich bin beeindruckt!

Ausnahmen bestätigen allerdings auch die Regel: Zum Beispiel würde ich niemals jemanden verurteilen, der Menschen aus den KZ´s befreit hat und dafür einige Hitlergetreue aus dem Weg räumen mußte.
Oder wie seht ihr das?

Auch nicht schlecht: Sage ich Ja, bin ich das rechte Arschloch, sage ich Nein, bin ich ein guter Mensch! Sehr schön, Häferl. Du hast die Antwort bereits mit auf den Weg gegeben.

Und, Heiko: Trotzdem rechtfertigt das noch lange nicht eine Organisation wie beispielsweise eben die RAF.

Aber ihr könnt es euch ja wieder so hinbiegen, daß auch diese Gruppe ihre guten Seiten hatte...

Es ging mir lediglich darum, hinzuweisen, daß hier ein eigentlich sinnvolles Zitat aufgeführt wurde, welches von einer Terroristin stammt. So!

Jetzt könnt ihr wieder auf mich eindreschen!

 

Poncher hat schon Recht. Das Zitat muss man, wie alle Zitate, in seinem Kontext sehen. Sonst ist es nur ein Kaugummi den man so ausdehnen kann wie's einem gerade passt.
Für Meinhof hieß "Widerstand ist,
wenn ich dafür sorge,
daß das, was mir nicht paßt,
nicht länger geschieht
" ja tatsächlich Bomben legen.
Wenn wir wirklich wissen wollen, was "Widerstand" ist, dann können wir das ja auch im Lexikon nachschlagen.

 

:rolleyes: Stöhn, @Poncher

Habe ich in meinem Beitrag eine Wertung über die gesellschaftliche Eignung der RAF abgegeben? Habe ich die Gewalt bewertet? Steht dort etwas positives oder negatives über RAF?

Habe ich nicht lediglich die Vor-RAF-Zeit von U.M. etwas unterlegt?

Bist Du heute nacht auf einer Erbse gelegen? Was genau willst Du mir mit dem Satz denn nun sagen?

Klar... So und nicht anders kann es gewesen sein! Super! Bravo! Ich bin beeindruckt!

Und, Heiko: Trotzdem rechtfertigt das noch lange nicht eine Organisation wie beispielsweise eben die RAF.

Wo habe ich das geschrieben oder in Frage gestellt, bzw. befürwortet?

Aber ihr könnt es euch ja wieder so hinbiegen, daß auch diese Gruppe ihre guten Seiten hatte...

Hilfe ... wir können es ja auch wieder so hinbiegen ... d.h. wir werden es mit Sicherheit in Bälde so hinbiegen? Oder haben wir es schon so hingebogen? *Verwirrt ...*
Und vor allem: Wo?

Auf Dich eindreschen mußt Du schon selber ... ich kann nur das Brodeln zwischen Deinen Zeilen nicht ganz verstehen. Aber Du wirst mir das sicher erklären. :cool:

Bis in Bälde.

Heikonan

 

@Heikonan:

Allein die drei letzten Sätze...

Und so ging der Weg geradewegs in die Gewalt. Geburt durch Isolation. Ein Grund für entstehenden Terrorismus.

... die sind mir einfach zu allgemein gehalten. Das klingt so, als ob es überhaupt keine andere Lösung gegeben hätte. Und das kann und will ich nicht einsehen.

Ich habe Deinen Beitrag jedenfalls so verstanden, daß Du versucht hast zu relativieren, was den Werdegang von U.M. betrifft.

Und mich ärgert es nur einfach, daß da ein Zitat in den Raum geworfen wird, und dann steht da (nicht wörtlich): "Ah! Aber nicht auf die Person achten, gelle?"
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf I3ens Beitrag verweisen.

The Barbarian

 

Was wäre gewesen wenn

- ich den Spruch ohne den Namen hingeschrieben hätte?

- ich nur (U.M.) geschrieben hätte?

- ich geschrieben hätte "hab ich irgendwo gelesen"?

:confused:

Alles liebe
Susi <img src="graemlins/xmas.gif" border="0" alt="[xmas]" />

 

Dann hätte ich geschrieben: "Dieses Zitat kenne ich. Es stammt von der Terroristin Ulrike Meinhof."

 

Mahlzeit!

Ich muß noch einmal zitieren:


Klar... So und nicht anders kann es gewesen sein! Super! Bravo! Ich bin beeindruckt!

Ich nannte: EIN Grund für entstehenden Terrorismus. EIN Grund, einer, einer von vielen, ich nannte nur einen. Und dieser Grund ist korrekt angeführt. Und es war so in dieser Zeit. Im Aufbau-Frolleinwunder-SPIEGEL-Affäre-Adenauer-Zeitraum war es so. Keine Kritik. Keinen Widerstand. Funktionieren und Wunsch der Eltern erfüllen. Schule-Lehre-Familie-Tod. Nazis überall. Gedankliche Isolation.

Wenn ich also über gut oder schlecht der RAF rede, dann beginne ich bei der Geschichte der Einzelpersonen, ihrer gesellschaftlicher Herkunft, Umfeld und wie die BRD damals beschaffen war.

Niemand kommt als Terrorist auf die Welt. Und wenn ich mir meinen Beitrag durchlese, kann ich für mein Verständnis null an Relativierung erkennen, nur ein paar kurze Hinweise zu U.M.'s Vergangenheit.

Und ihr Werdegang war zuallererst begleitet von staatlicher Gewalt. HALT! STOP! Nicht aufkochen! Ein geschichtlicher Hinweis von mir, keine Wertung ihres Werdeganges und daraus resultierender Zukünfte.

Heiko

 

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