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Ein Hakenkreuz
Ich kam mal wieder nach Hause, von der Arbeit oder vom Training oder einfach so von nem harten Tag, ich weiß`s nicht mehr. Vom Bus kommend ging ich müde Richtung "Heimat". Alles wie immer, tausend mal gemacht. Aber ein kleiner Seitenblick fiel doch auf die Garagenwand. An der mußte ich jeden Tag vorbei, sie zeigte direkt zur Straße, stand direkt daneben. Tausende von Autofahrern, Leute in den Bussen, was hier sonst noch so längskam, sah jeden Tag diese Wand an.
Auf dieser Wand waren ein paar Kritzeleien gewesen, „S liebt B“ „Nina Fick Dich“ sowas. Und natürlich „Die Welt ist schlecht, das Dope ist gut, ein Dicker Joint macht wieder Mut“. Der war nicht von mir, aber mein persönlicher Favorit, entlockte mir jeden Tag wieder ein Lächeln.
Aber die waren jetzt alle weg, verschwunden unter einem riesigen Hakenkreuz. Im Durchmesser 1,50, mit dickem Strich aus schwarzer Sprühdose prangte es da. Ich blieb stehen. Ein Hakenkreuz. Und was für eins. Hier. Fassungslosigkeit. Eigentlich war es nicht zu übersehen gewesen, direkt an der Straße, groß, schwarz auf weißer Wand. Ich guckte genau hin. Und ging weiter.
Jedesmal, wenn ich morgens losging, abends nach Hause kam, sah ich diese Wand, dieses Hakenkreuz. Und jedesmal ärgerte es mich. Nach ein paar Monaten wunderte ich mich, das es immer noch da war. Hier wohnten doch so viele Ausländer, störte die das denn nicht? Die Hausverwaltung? Hakenkreuze waren doch verfassungswidrig, reichte es da nicht, die Bullen anzurufen, damit die es wegmachen? Warum hatte das keiner gemacht?
Der Sommer kam und ging, langsam wurde das Hakenkreuz gerahmt von ähnlichen Schmierereien, wie sie vorher da gewesen waren. Aber es war immer noch sehr gut zu sehen, für meinen Geschmack viel zu gut. Ich ging morgens, kam abends, und störte mich jedesmal wieder dran.
Dran gewöhnen wollte ich mich nicht. Wer auf der Straße vorbeikam, bekam unweigerlich den Eindruck, das hier in der Wohnanlage Nazis freie Hand hatten, und das die Masse nix tat. Dass Faschismus hier toleriert wurde. Obwohl.....Moment mal.....Uops! So war es doch! Ich staunte Bauklötze. Ich war zwar entrüstet gewesen, hatte mich aufgeregt, aber getan hatte auch ich nix. Das ich das erst jetzt erkannte!
Und dann kam ich drauf. Es war doch so offensichtlich! Warum fiel mir das erst jetzt ein? So simpel!
Das nächste mal, als ich an einem Baumarkt vorbeikam, besuchte ich die Farben & Lacke Abteilung. Spraydose, groß, 7,90 DM, Farbe siehe Deckel(der war Rot). So einfach ging das.
3 Tage später war das Hakenkreuz dann unter einem ebenso großen, aber wegen seiner Fülle noch auffälligerem Roten Stern verschwunden. Niemand sagte was, niemand schien es zu stören, die Leute, die morgens dumpf dastehend auf ihren Bus warteten, stierten drauf, ohne ihn wahrzunehmen. Sie taten nichts, weil es sie nicht störte. Genau wie vorher.
Aber irgendwas hatte sich doch verändert. Ich ärgerte mich nicht mehr. Ich ging zum Bus und freute mich. Jeden Morgen, jeden Abend.