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Ein Märchen?

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02.11.2001
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Ein Märchen?

Es war einmal....Nein, so will ich das, was ich hier zu erzählen habe, nicht beginnen. Den wahren Kern, den jedes Märchen sein Eigen nennt, den will ich freilegen.
Sagen wir, ich will es versuchen.
Darum ist es notwendig, nicht diesen Anfang zu gebrauchen.
Ich erzähle ganz einfach.
Ob mir Glauben geschenkt wird, weiss ich nicht.

Zum Beispiel gab es da einen König, der über ein Land herrschte, fast so groß wie ein ganzer Kontinent. Nur im Westen seines Landes hatte er ein paar kleine Ländereien mit ihrem Atomwaffenschrott in die Selbstständigkeit entlassen. Doch sein Land war immer noch riesig und seine Macht ungebrochen.
Wenn die Herbststürme begannen und der frühe Frost die Wälder lahm legte und alles Getier darin schon an den nahenden Winter dachte und sich verkroch, dann begann der König über die Kälte in seinem Land nachzudenken. Zumal er so fror, dass ihm in den klirrend kalten Nächten davon Angst und Bange wurde. Als sich die ersten Eisschollen krachend auf den Flüssen gegeneinander rieben und das Getöse bis unter die Zwiebeldächer seiner Burg zu hören war, hatte er die Idee mit dem Bärenfell.

Schnell ließ er seine geschultesten Männer zu sich rufen, allesamt Spezialisten und dem König auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Gemeinsam begann die Planung für das Unternehmen ,Wärme für den König'.
Viel Zeit dafür war nicht, denn die Kälte wurde immer schlimmer und man wollte den König doch bei Laune halten.
An was da alles gedacht werden musste.
Flugzeuge wurden über die Wälder geschickt, um aufzuspüren und Fotos zu machen. Dann hatten sie gefunden, was sie suchten und mit einem schwarzen Kreuz wurde die Stelle auf dem Plan gekennzeichnet. Darauf hin rammte ein Heer von Bulldozern eine breite Schneise, hügelauf und hügelab, durch den sonst stummen Wald, in dem ja alles schlief. Revieroberinspektoren, Unterinspektoren, Oberförster, Treiber, alle mussten bereit sein. Und da war es dann, ganz entlegen, das schwarze Kreuz vom Plan. Hier in der Wildnis nur eine zugeschneite, aber als solche gut erkennbare, Bärenhöhle.

Welch eine Pracht war es, den König und sein Gefolge zu sehen, als sie den beheizten schwarzen Kutschen entstiegen. Kutschen, mit dem schönen Namen einer Frau, mit blinkenden Sternen vorne und hinten. Kutschen, wie man sie in diesem Land damals sonst nicht sah. Und der König freute sich, wo doch jetzt die Jagd beginnen konnte und auch der Wodka, den er bereits konsumiert hatte, ihn unternehmungslustig und mutig machte.
Ja, und dann ging es los.
Gewehre wurden gereicht und atemlos beobachteten alle die Männer, die schon anfingen zu graben, oberhalb des Bärenbaues. Der König gemahnte zu absoluter Stille, denn der Augenblick schien da zu sein.
Und wirklich, da war es, das Brüllen, und der König hatte schon den Finger am Abzug, und die Bärin, vom Winterschlaf geweckt, wand sich in rasendem Zorn, noch blind und steif auch in ihren Bewegungen, aus dem freigeschaufelten Eingang ihrer Höhle.
Bald, dachte der König, ist das Frieren vorbei. Doch zuerst muss ich sehr mutig sein. Dann zielte er auf den Kopf der Bärin und schoss. Schoss daneben, wie nur ein König es sich erlauben darf. Das Tier fiel, hingetrieben vor seine Füsse, mit blutiger Schnauze in den Schnee. Die Jäger des Königs hatten besser gezielt, doch in seiner Aufregung merkte der das nicht. So war die Bestie nun tot.

Ein Salut wurde geschossen, zu Ehren des Königs, Wodka wurde gereicht, der Mut des Königs von seinen Spielleuten besungen und das Fell des verendeten Tieres schon vom mitgebrachten Kürschner vermessen.
So war schlussendlich das Unternehmen von Erfolg gekrönt, nicht zuletzt durch den Wagemut des Königs. Ein Mantel aus dem Fell der Bärin wurde dem König gefertigt und sein Frieren hatte endlich ein Ende in diesem kalten Land.

Was gibt es noch zu berichten?
Vom wahren Kern der Geschichte?
Gut.
Sagen wir, diese Geschichte, die wie ein Märchen klingt, hat sich irgendwo irgendwann im Jahre 1992 zugetragen. Sagen wir weiter, dass ein Ministerpräsident damals König spielte, wie auch alle Ministerpräsidenten vor ihm und danach. Sagen wir auch, dass niemand vom Frieren des Königs wusste und nur eine kleine Gruppe, die immer schon ein Dorn im Auge der Mächtigen war, diese Geschehnisse in ihrer gruppeneigenen Zeitung publizierte.
Noch etwas, bitte.
Zwei kleine Bärenkinder wurden danach aus der warmen Höhle herausgeholt.
Tanzbären für mich, schrie der König, dessen Jagdtrieb nur langsam abklang und befahl, die beiden dem Hoftierbändiger zu übergeben.

Was blieb nun von den Spuren des Kampfes?
Die riesige Schneise in den hügeligen Wäldern gibt es immer noch neben den vielen anderen Schneisen ähnlicher nachfolgender Jagden. An der Stelle des Bärenbaues hat der König ein Denkmal errichten lassen, das an seinen Mut erinnert. So weichen die Wälder den Denkmälern, die von Ausbeutung und Manneskraft erzählen.
Den beiden kleinen Bären, die später so klein nicht mehr waren, hatte man die Fangzähne gerissen. Die beiden tanzten lange Jahre am Hof des Königs unter den Schlägen des Hoftierbändigers. Sie unterhielten die Leute und alles lachte und war guter Dinge, wenn sie unverhofft Purzelbäume schlugen und an den Nasenringen zerrten, weil sie den Geruch ihrer Mutter ganz in der Nähe witterten.

Könige lernen nicht gerne und lassen sich über die Ressourcen ihrer Länder nur ungerne berichten.
Auch den Besuchern aus anderen Ländern oder großen Konzernen, die jetzt immer öfter kommen, verspricht der nun neu gewählte König Geschenke aus Bärenfell. Oder gleich ganze waldbedeckte Ebenen samt ihren Bärenhöhlen und seltenen Tigerfährten.
Und ein König hält sein Versprechen.
Hyundai, sagen die Gäste dankbar in einer fremden Sprache und der König lächelt verständnisvoll. Das geziemt sich so.

Kein Märchen.
Ehrlich.

 

Hallo Aqualung,

also ersteinmal durfte ich mich natürlich wieder mit Deinem Stil auseinandersetzen, der mal wieder anders ist.
Ein Stil eben, wie man ein Märchen erzählt.
Es ist tja...ich denke keine Satire, jedenfalls erkenne ich nichts satirischs, das heisst aber noch nicht so viel.

Aqualung sie ist nicht einfach zu lesen. Die Hälfte meiner Energie geht für den Stil drauf. Mit der anderen Hälfte registriere ich das moderne Märchen.
Ist es nicht ein Bericht einer asiatischen Safari im Märchenform. Ich weiss nicht so recht Aqualung,

liebe grüsse Archetyp.

 

Hallo Archetyp,

danke, dass du dich durch dieses Märchen, das keines ist, durchgeplagt hast. Diese Geschichte fand wirklich statt, völlig unbeachtet vom Rest der Welt. Nur Greenpeace hat darauf aufmerksam gemacht. Daher habe ich mich für die Erzählform entschieden. Der Leser soll selbst urteilen. Stell dir Russland vor.
Es ist eine Anhäufung von Methaphern und Querverweisen darin versteckt, aber auf jeden Fall jede Menge Kritik.
Bitte versuch's nochmal.

Liebe Grüße - Aqualung

 

guten morgen aqualung - habe heute früh deine geschichte zum zweitenmal gelesen - und wurde immer noch nicht recht klug daraus. so gesehen freut es mich, dass archetyp da auch so seine probleme hat damit....

OK, der bezug auf jelzin und co. war mir gleich von anfang an klar. bezieht sich das Hyundai im letzten Absatz auf südkorea?

also, ich denke mir, dass du uns da schon noch so einige erklärungen schuldig bist!
beste grüße. ernst

 

Aqualung nochmal???????????

die Kritik hab ich verstanden, auch einige Metapher verstanden, ..ja kommt vor.... okay nochmal, aber erst heute abend....weil ich doch Semesterferien habe, also n wenig Ruhe brauche, du verstehst????

Liebe grüsse Arche

 

Lieber Ernst,

ich weiß, das ist ein harter Brocken, aber du bist schon sehr nahe. Südkorea stimmt.
Das Märchen ist ansich eine Methapher auf fehlenden Umweltschutz, Schutz der natürlichen Ressourcen, Korruption usw.
Die erzählte Begebenheit mit der Bärenhöhle trug sich tatsächlich genauso zu. Ich wollte das alles nicht vergessen machen und auf den immer noch existierenden Größenwahn der Mächtigen hinweisen. Amerika steht da in keiner Weise zurück.
Jetzt wird halb Sibirien mit seiner unglaublich schönen Landschaft an südkoreanische Autowerke verschleudert. Das geht ganz gut, da ja alle das Schicksal des Regenwaldes im Auge haben. Der sibirische Königstiger ist in freier Wildbahn ausgerottet, seine Knochen zu Potenzmehl für krisengeschüttelte Manager in Asien verarbeitet. Der russische Bär existiert nur noch im Märchen. Zu viele Gäste durften in den letzten Jahren zu viele Bären schiessen. Und, und, und,...

Danke fürs Lesen dieser Fast- Satire, Ernst.

Liebe Grüße - Aqualung

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Aqualung !

Ist die Geschichte schwierig zu lesen? Mein Empfinden war es nicht, aber ich glaube (!!!) schon nachvollziehen zu können, warum man es so sehen kann.

Da ist einmal beinahe das Versprechen ein Märchen zu hören, denn der Beginn der eigentlichen Geschichte erklingt wie eine Melodie eines Märchenerzählers.

Um beim Ton als Maß zu bleiben – es kommen nach und nach viele Klänge hinein die im Märchen so nicht sind. Denn auch die Gemeinheiten der bösen Fee oder der Drachen sind dort in der Märchensprache erzählt.

In deiner Geschichte mischt sich eine andere Sprache hinein, die der Aktualität, der Reportage, das kratzt und erinnert an die DJs die über Platten drüberfahren. Dann sind noch viele Hinweise und Metaphern drinnen versteckt, man muss im Geist nun noch vereinzelt Takte einer 3. Musikrichtung mitnehmen. Das macht Mühe.

Warum hat es sich trotzdem gelohnt für mich aufmerksam zu lesen? Weil ich eben, dieser disharmonischen Musik entsprechend, erkennen konnte, wieviele Missklänge es vielleicht gibt, welche ich noch nie wahrgenommen habe.

Lieben Gruß an dich – schnee.eule

 

Liebe schnee.eule,

genauso wollte ich es verstanden wissen. Ein Märchenbeginn mit einem schäbigen Realitätsende. Glaube mir, ich hätte die Geschichte lieber als Märchen enden lassen. Über das Thema könnte ich grundsätzlich Stunden plaudern. Mit dir hab ich das auch vor, wenn sichs mal ergibt.

Ganz liebe Grüße - Aqualung

 

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