Was ist neu

Ein Neuanfang?

Mitglied
Beitritt
20.10.2006
Beiträge
9
Zuletzt bearbeitet:

Ein Neuanfang?

Die Tränen liefen erbarmungslos über Merles Gesicht, wischten all den Staub und Schmutz, der sich in den letzten Tagen auf der Haut gesammelt hatte fort. Sie kullerten dick und schwer über die Wangen, liefen übers Kinn und tropften auf ihren Pullover. Merle fröstelte, als einige der kalten Tropfen sie am Hals berührten.
Zusammengekauert wie ein verängstigtes Kind saß sie da. In einer Ecke zwischen einer stinkenden, überquellenden Mülltonne und einer Hauswand, nicht weit von der langen, staubigen Straße entfernt, die sie nun kennen und hassen gelernt hatte. Wäre sie nur nicht so überstürzt aufgebrochen! Hätte sie sich mal vorher überlegt, wohin es gehen sollte.
Der Rucksack der neben ihr stand, war fast leer. Das Brot und die große Flasche Cola hatten nun mal nicht lange gereicht und das letzte Geld hatte sie diesen Morgen ausgegeben, als sie sich ein trockenes Brötchen gekauft hatte. Seitdem hatte sie nichts gegessen, ihr Magen fühlte sich flau und leer an und ihr war schwindlig. In ihrem Portemonnaie waren nur noch ein paar Fotos von ihrer Familie und ihren Freunden zu finden. Merle hatte es nicht über sich gebracht, sie zu Hause zu lassen. Vorsichtig nahm sie eins nach dem anderen in die Hand, doch die sonst so fröhlichen Gesichter schienen sie allesamt nur vorwurfsvoll anzuschauen. Warum, Merle? Warum läufst du vor deinen Problemen davon?, schienen sie zu fragen. Wir hätten dich nicht im Stich gelassen.
Felix, ihr Freund, schaute besonders gekränkt. Oder sollte man besser sagen: "Ihr Ex-Freund". Sie warf einen schmerzvollen Blick auf das Bild. Wäre das alles nicht passiert, wären sie jetzt immer noch das glücklichste Paar der ganzen Schule. Doch Merle unterdrückte die Erinnerungen, wollte nichts mehr von all dem wissen.
Wütend auf sich selbst riss sie das letzte Foto aus dem kleinen Fach hinter ihrem Personalausweis. Nach kurzem Zögern warf sie auch diesen in die dreckige schwarze Mülltonne neben sich.

Ein Obdachloser, besoffen und scheinbar nur halb bei Bewusstsein, torkelte die schmale Gasse entlang. Er hatte eine Flasche in der Hand, aber Merle konnte nicht erkennen was es war. Nie wieder Alkohol! Nun kamen die Erinnerungen doch hoch, Bild für Bild, Szene für Szene. Da waren sie und Tamara auf der Schultoilette, mit einer Flasche Wodka in der Hand. Und Merle, wie sie Tamaras Kuss erwiderte.

Unwillkürlich drückte sie sich noch enger an die Hauswand. Der Mann sah sie trotzdem. Mit einem schiefen, ekligem Grinsen kam er auf sie zu und ließ sich einfach neben sie plumpsen, die leicht schielenden Augen trüb und ausdruckslos. Merle rückte ein Stück von ihm weg. Der Fremde rückte nach.

Merle, wie sie nacheinander Felix und Tamara erklärte dass der Wodka Schuld gewesen war. Sie und Tamara, wie sie von der Schule flogen.

Hastig sprang sie auf. Ihre Gedanken rasten, alles schaltete auf Abwehr. “Lass mich in Ruhe, du dreckiger Penner!”, rief sie, schnappte sich ihren Rucksack und floh zurück auf die Straße. “Und du?”, lallte der Mann hinter ihr her. “Was bist du denn dann?” Merle hörte noch sein krächzendes Lachen.
Tamara hatte auch gelacht als sie sagte, Merle könnte nur einfach nicht dazu stehen. Doch es war ein ersticktes, freudloses Lachen gewesen.

Weiter, sie wollte weiter. Weg von allem, weg von jedem Ort, an dem Probleme auftauchten. Sie unterdrückte den Gedanken, dass dieser verfluchte Penner Recht hatte. Ja, er war ein Penner, aber was war sie denn dann?
Trotzig wischte sie sich die Tränen aus den Augen und strich sich das Haar glatt. Dann stellte sie sich an den Straßenrand, machte das Anhalterzeichen. Viele Autos fuhren vorbei, doch es dauerte trotzdem nicht lange, bis eines anhielt. Eine junge Frau und ihr Sohn saßen darin, Merle schätzte den Jungen auf drei oder vier Jahre. “Bis wohin soll ich di… Sie mitnehmen?”, fragte die Frau. Sie hatte wirklich überlegt, ob sie Merle duzen oder siezen sollte. Sie war siebzehn. War sie erwachsen? Was hieß das eigentlich, “erwachsen“?
“Egal, lassen Sie mich einfach irgendwo raus, ganz wie es Ihnen passt."
Hauptsache weg, fügte sie in Gedanken hinzu.
Die Fahrt war still und kurz. Die Frau hielt am Straßenrand und Merle bedankte sich. Kurz bevor sie die Tür zuschlug hörte sie den Kleinen neugierig seine Mutter fragen: “Mama? War das ein Penner?”
Sie hörte die Antwort der Mutter nicht mehr, doch das war ihr ganz recht.
So hatte sie sich einen Neuanfang nicht vorgestellt.

 

Hm, das ist also meine erste Geschichte die ich hier poste. Ich hab sie vor ungefähr einem Jahr geschrieben und sie auch schon mal auf eine andere Internetseite gestellt (hoffe dass das kein Problem ist?!).
Hab sie jetzt noch ein bisschen umgeändert, aber etwas unrealistisch klingt sie wahrscheinlich trotzdem noch...
Ich habe gemerkt dass ihr hier gut und vorallem ehrlich kritisiert, deshalb wollte ich mal eure Meinung zu hören. =)

 

hi Socke und herzlich willkommen auf kg.de (Bin zwar selber ganz neu aber egal:D )

Deine Geschichte wäre besser geworden, wenn du ein bisschen mehr auf die Vergangenheit des Prots eingegangen wärst.
Es wird nicht deutlich, warum sie sich dazu entschieden hat, einen Neuanfang zu machen, der ja, wie man sieht, fehlgeschlagen ist.
Die Idee der Geschicht finde ich eigentlich ganz nett und auch die Gedanken des Mädchens gibst du schön wieder.

Am Anfang der Geschicht würde ich den Namen des Prots nicht so oft wiederholen, das klingt sonst so abgehackt.
Ansonsten schöne Geschichte!

Bay bay DaDila

 

Hey DaDiLa, danke für deine Antwort!
Ich hab versucht das mit dem Namen zu ändern, ist mir gar nicht aufgefallen. Aber jetzt wo ich drauf geachtet hab... (Meistens fällt mir so was nicht auf, weil ich mit jedem Durchlesen unaufmerksamer werde...) Hoffe das klingt jetzt besser. (?)
Hm. Merle hatte Probleme, vielleicht nur ein großes, vielleicht viele kleine? Sie versucht vor jedem Problem davon zu laufen. Aber damit tut sie sich nur selbst weh.
Muss man da ihre genaue Vergangenheit kennen? Ich hab befürchtet die "Stimmung" kaputt zu machen, wenn ich noch groß erzähle was vorher war. Deshalb hab ich es weg gelassen...
Grüßels,
Socke

P.S. Und dir auch ein herzliches Willkommen ;D

 

hi socke

hmm... also das mit der Vergangenheit leuchtet mir ein, hab glaub ich einfach noch nicht über ide Version mit dem Wegglaufen nachgedacht. Und wenn man das so sieht, hast du Recht, aber es wäre schön, wenn du das noch etwas mehr verdeutlichen könntest.
Die Veränderung am Anfang gefällt mir =)

bay bay DaDila

 

Hi Socke und herzlich willkommen! :)

Dass die Geschichte auch auf anderen Seiten steht, stört nicht - solange sie von Dir selber ist, kann sie gerne überall stehen. ;)

Mir geht das zu schnell. Du willst eine Momentaufnahme, willst nicht großartig auf den Rahmen eingehen - das ist mir klar. Aber dennoch bleibt Merle zu oberflächlich und blass. Die Tränen, die "kullern", der "besoffene Penner" - Klischeehaft. Wer ist ihre Familie? Wer sind die Freunde? Was für Erinnerungen hat sie? Wenn sie einen Neuanfang will, warum hat sie genau das dann dabei? Was war vorher noch im Rucksack? Was für einen Neuanfang HAT sie sich vorgestellt und warum hat das nicht geklappt?! Wie riecht es, was für einen Geschmack hat sie im Mund, hat sie Hunger? Es gibt viele Ansatzpunkte, mit denen Du Merle plastischer machen kannst. Bei so einem kurzen Text muss die Charakterisierung gut sein, damit ihn der Leser intensiv erleben kann und nicht sofort wieder vergisst. Hier kannst Du mE noch arbeiten.

schöne Grüße
Anne

 

Ich habe mir Merle sehr viel jünger vorgestellt, bis ich ihr Alter erfahren habe. Das lag höchstwahrscheinlich an "Sie kullerten dick und schwer über die Wangen". Ich würde vorschlagen, das streichst du und verbindest das nachfolgende Zusammenkauern mit einem Vergleich à la "Wie früher ...". So, denke ich, wird klar, dass Merle schon etwas älter ist. ;)

Ansonsten hätte man mehr daraus machen können. Das mit dem Penner wäre schonmal ein guter Ansatz gewesen, der leider in der Luft verpufft ist. Wenn eine Geschichte nur Geschehen enthält und das Warum völlig außen vor lässt, steht sie quasi nur auf einem Bein, fällt um und der Leser zuckt nur mit den Schultern.

Willkommen auf KG.de!

-- floritiv.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Maus, Hey FloH!
Danke für die Antworten, hab mich gefreut! :)

@Maus

Klischeehaft
Ja, das stimmt. Und vielleicht kommt mir die Geschichte deshalb auch etwas unrealistisch vor... (?) hm.
Wenn sie einen Neuanfang will, warum hat sie genau das dann dabei?
ups, daran hab ich natürlich nicht gedacht...

@FloH

Ich habe mir Merle sehr viel jünger vorgestellt, bis ich ihr Alter erfahren habe.
In der ersten "Version" der Geschichte sollte Merle auch um einiges jünger sein. Aber wer nimmt schon einfach so eine elfjährige Anhalterin mit? Also musste Merle um ein paar Jahre altern ;) Dabei hab ich vergessen drauf zu achten dass ich da auch noch ein paar andere Dinge ändern muss...


Danke nochmal für eure Kritik!
Ich werd die Geschichte überarbeiten und versuchen die von euch geannten Punkte zu beachten. :)

Grüßels, Socke

 
Zuletzt bearbeitet:

Sooo... ich habs versucht, aber so ganz zufrieden bin ich noch nicht. :(
Was haltet ihr jetzt davon?

 

Also, ich habe die aller-allererste Version (die nämlich auch gar nicht so lang war) viel besser gefunden, als jetzt.
Ich fand es nämlich gut, dass nicht so viele Personen vorkommen. Jetzt kommt da ja auch noch ein Felix und 'ne Tamara daher...
*gg* Is' aber nicht gravierend schlimm!

Mach weiter so!
Dein namenlosER

 

hu hu
Also ich bin auch dafür, dass die alte Version besser war.
Jetzt hast du zwar versucht, etwas mehr auf die Vergangenheit des Prot. einzugehen, doch dadurch hast du noch mehr Fragen, die der Leser sich fragt, erzeugt.
Eine Person mehr einzubauen, wäre eigentlich noch ganz ok. aber dann noch wer und dann so´nen großes Chaos zwischen den Personen... ich weiß ja nicht..
Aber ich freu mich trotzdem drauf, mehr von dir zu lesen!
bay bay DaDiLa

 

Hallo namenlosER, hey DaDaiLa!
Danke erstmal. =)
Ihr habt schon recht. Aber jetzt nochmal alles ändern? Nee, ich denk ich lass das jetzt so. Ich hab allerdings noch beide Versionen auf meinem PC und werde auch beide da lassen. ;)
Vielleicht kommt bei der nächsten kg mehr raus... ;)
Lieben Gruß,
Socke

 

Hallo Socke,

grundsätzlich stören mich offene Enden nicht, bei deiner Geschichte habe ich aber das Gefühl, sie läuft dadurch ins Leere.
Außer der Erkenntnis, dass sie selbst inzwischen zum Penner geworden ist, gewinnt sie keine Erkenntnis hinzu. Und aus dieser einzigen Erkenntnis zieht sie weder Schlüsse noch Konsequenzen. Sie ändert nichts an ihrem Verhalten, macht es nicht einmal bewusster.
Aus diesem Grund frage ich mich, wozu du die Geschichte erzählst. Damit meine ich nicht, dass es ein Happy End geben müsste oder eine Erkenntnis für mich als Leser, damit meine ich nur, dass in der Geschichte eine Entwicklung stattfinden müsste.
Die kann durchaus auch dahingehen, dass Merle keine Konsequenzen zieht, dann möchte ich aber wissen, warum.
Der Grund für ihre Flucht liegt in einer Bagatelle. Sie hat ein Mädchen geküsst. Dafür fliegt man heutzutage ganz bestimmt nicht mehr von der Schule. Erklärungen braucht sie höchstens für ihren Freund, für das Mädchen und vor allem für sich. Erst im Falle eines tatsächlichen Coming Outs vielleicht auch für ihre Eltern.
Dagegen leidet sie Hunger, friert ...
Ihr bisheriges Umfeld wird nicht als so katastrophal beschrieben, dass ich es glaubwürdig finde, wenn stur bleibt und weiterhin flieht.

In sofern scheint mir deine Geschichte leider nicht rund.

Lieben Gruß, sim

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom