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Ein Sack voller guter Träume
Ein Sack voller guter Träume
Lukas setzte sich aufrecht ins Bett, nachdem sich seine Mutter mit einem Gute-Nacht-Kuss bei ihm verabschiedet, ihn bis zur Nasenspitze zugedeckt und das Zimmer verlassen hatte.
Auch wenn es draußen schon ganz dunkel und allerhöchste Zeit zum Schlafen war, dachte Lukas nicht im Traum daran, sich hinzulegen und die Augen zu schließen. Auf gar keinen Fall. Immer wenn er das tat, erschreckten ihn nämlich diese gemeinen Böse-Träume-Monster. Furchtbar hässlich und riesengroß waren sie, mit ihren ungeputzten, gelben Zähnen und dem Schleim, der aus ihren Mündern lief. Jede Nacht schlichen sie sich einfach in Lukas Träume ein, so dass er jedes Mal vor Schreck weinend wach wurde.
Dazu hatte er nun keine Lust mehr und so hatte er beschlossen, überhaupt nicht mehr zu schlafen.
Lukas stopfte sich ein Kissen in den Rücken und sperrte seine Augen ganz weit auf. So lange sie nicht zufielen, würde er auch nicht einschlafen.
Je länger er jedoch in seinem Bettchen saß, desto schwerer wurden seine Lider. Immer wieder wollten sie sich über seinen müden Augen schließen und ihn ins Land der Träume bringen. Lukas schaffte es jedoch mit allerletzter Kraft, sie aufzuhalten, als das Sandmännchen zu ihm kam.
„Nein, ich will nicht!“, brüllte Lukas, als er das Sandmännchen sah.
„Was willst Du nicht?“, fragte es erstaunt. Normalerweise freuten sich alle Kinder, wenn es am Abend zu ihnen kam.
„Ich will nicht schlafen, auf gar keinen Fall!“, rief Lukas weiter und schüttelte seinen kleinen Kopf.
„Aber schlafen ist doch gesund und man kann so schöne Dinge träumen. Das ist doch wunderbar, oder?“
„Nein, nein, nein! Ich träume nur von grässlichen Monstern. Das ist nicht schön. Ich will nicht schlafen!“, weinte Lukas, zog sich die Decke bis über beide Ohren und hoffte, dass das Sandmännchen einfach wieder verschwinden würde.
Dieses guckte ein wenig verwundert. Dann tippte es Lukas auf die Schulter und wartete, bis er unter seiner Wolldecke wieder hervor gekrochen kam.
„Ich glaube, ich habe etwas für Dich!“, sagte es mit leiser, ruhiger Stimme.
Lukas wurde neugierig und sah das Sandmännchen erwartungsvoll an.
„Schau mal, Lukas!“, sagte es und nahm den schweren, braunen Sack von seiner Schulter. Vorsichtig öffnete es die Schleife, die den Sack zusammenhielt. Ein heller Schimmer, golden und geheimnisvoll, entwich dem Säckchen und erfüllte das gesamte Zimmer.
„Guck mal hier hinein. Hier liegen die vielen schönen Träume, die Du nachts träumen kannst. Such Dir den Schönsten aus“, flüsterte das Sandmännchen.
Lukas steckte sein neugieriges Näschen in den Traumsack und staunte. Wie wunderbar, dachte er.
In dem Sack lagen tausende schöne Träume, durcheinander gemischt wie kleine Sandkörner, die darauf warteten, in die Augen kleiner, müder Kinder gestreut zu werden.
Obendrauf lag ein leichter Traum vom Fliegen, darunter ein warmer Urlaubstraum und direkt daneben ein rasanter Traum vom Zug fahren. Lukas steckte seine kleine Hand in das Säckchen und wühlte herum. Weiter unten fand er einen lecker süßer Schokoladentraum und sogar einen aufregenden Ausflugstraum mit Oma und Opa. Lukas guckte und staunte. Das war ja wirklich wundervoll. Das Sandmännchen besaß einen Sack voller guter Träume und nirgends war eine Spur von schleimigen Monstern.
Da konnte es Lukas kaum erwarten, sich endlich schlafen zu legen. Er überlegte, für welchen Traum er sich entscheiden sollte.
„Ich weiß nicht, welchen ich nehmen soll!“, erklärte er dem Sandmännchen achselzuckend.
Dieses schmunzelte und riet: „Nimm den Traum, der Dir als erstes gefallen hat. Und die anderen Träume träumst Du einfach ein anderes Mal, wenn ich Dich besuche. Du kannst Dir jeden Abend einen Neuen aussuchen, oder Du nimmst Dir einen alten Traum noch einmal, wenn er Dir gefallen hat. Und für Monster-Träume hast Du von nun an gar keine Zeit mehr!“.
„Das ist ja prima!“, jubelte Lukas und zog sich den Traum heraus, in dem er Lokomotivführer sein konnte.
Dann legte er sich gemütlich in sein Bett. Das Sandmännchen streute ihm sanft ein paar Körnchen besten Traumsandes in die Augen und verabschiedete sich. Glücklich darüber, die Monster vertrieben zu haben, grub Lukas seinen Kopf tief in das weiche Kissen und freute sich auf seinen Eisenbahntraum. Und morgen würde er sich einen Schokoladentraum nehmen, übermorgen vielleicht den vom Schlittenfahren und danach, na, danach würde er …
Noch bevor ihm etwas einfiel, war er schon tief eingeschlafen und träumte so schön, wie schon lange nicht mehr.