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Eine moderne Weihnachtsgeschichte

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07.08.2002
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Eine moderne Weihnachtsgeschichte

Heiliger Abend 2002 in einem weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer. Christian fläzte sich in seinen Sessel, neben dem sein zweijähriger Neffe in Mitten eines Berges von buntgemischtem Spielzeug saß. Er griff aus dem Haufen eine kleine USA-Flagge heraus und schwenkte sie: «Und so etwas steckt auf dem Mond, Sophie.» Er deutete Richtung Fenster. Seine Cousine schmunzelte und legte ihr Buch auf den Wohnzimmertisch. Sie hatte schon auf die Fortsetzung ihres letztjährigen Weihnachtsgespräches gewartet: «Ja, und verbreitet sich auch immer mehr in der Welt - zumindest überall da, wo sich Amerikaner militärisch oder wirtschaftlich niederlassen.» Christian nickte. «Hast du gewusst, dass ausgerechnet ein Palästinenser weltweit am meisten USA-Fahnen herstellt?» - «Das ist die Ironie des Lebens. Es ist ja genauso verrückt, dass ausgerechnet das Land, das die weltweite wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Öffnung der Märkte am stärksten vorantreibt, so einen bemerkenswerten Hang zu Nationalfahnen hat.» - Christian zuckte mit den Schultern..«Sie sind halt stolz - und andere vielleicht ein wenig neidisch. Du meinst sicherlich, dass sie zur Zeit ein wenig zu forsch ihre eigenen Interessen in der Welt durchsetzen. Aber vergiss nicht, dass du zum Beispiel ohne Internet und Personal-Computer wohl kaum mit so vielen verschiedenen Menschen aus aller Welt zusammenarbeiten und von zu Hause aus Artikel für verschiedene Zeitungen schreiben könntest.» - «Nein, nein, das meine ich nicht. Ich wollte nur anmerken, dass wir in der Geschichte schon genug Nationalismus und Rassismus hatten. Ich denke nicht, dass das noch zeitgemäß ist.» - «Eine Flagge ist doch noch kein Nationalismus, oder?» - «Meinst du nicht? Und die Zeitungsmeldung "Fünf Israelis von palästinensischem Attentäter ermordet"?» - «Das ist nationalistisch?» - «Nationalismus heißt doch, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation zur hervorstechenden Eigenschaft eines Menschen wird. Der Satz hat sechs Worte und zwei davon sind Staatszugehörigkeiten - das ist Nationalismus pur. Sie sind augenscheinlich mehr als Israelis gestorben und weniger als Menschen. "Fünf Menschen wurden von einem Menschen ermordet" führt zu ganz anderen Fragen. Und das ist das gleiche, wie wenn du eine Fahne hochhältst - das heißt nichts anderes als: Guck, ich gehöre zu dem und dem Land und du nicht. Du bist ausgeschlossen und das ist mir wichtig.»

Ein Klirren ließ beide hochschrecken. Sie schauten zum Wohnzimmerschrank, wo Jonas gerade mit Freude einen Glasschrank ausräumte. «Nein!» schrie Sophie und sprang auf. Sie packte den Arm des Kleinen und versuchte das zweite Glas zu retten, das der Kleine durchaus nicht freiwillig hergeben wollte. «Komm, ich baue mit ihm etwas», Christian nahm ihn hoch und setzte sich mit ihm auf den Teppich. «Guck, Jonas. Wir bauen einen Turm. - Ein Stein, noch ein Stein, noch einer, - nicht gleich kaputtmachen - warte noch - Och! - Nochmal.» Mehr als drei Steine konnte er nicht aufeinander stapeln bevor Jonas den Turm mit viel Spaß zusammenpatschte. «So eine Zerstörungswut, in dem Alter», frotzelte Christian. Sophie schmunzelte: «Und hier steht dazu: "So ihr nicht werdet wie die Kindlein, so könnt ihr nicht eintreten in die Reiche der Himmel."» - «Was liest du denn?» - «Die Bibel. Ist das erlaubt an Weihnachten?» - «Klar. Der Satz ist ja auch witzig. Glaubst du, dass der, der das gesagt hat, ein Kind wie Jonas gekannt hat? - Unberechenbar, immer aktiv und ständig mit etwas Anderem zugange? Das wäre ja das reinste Chaos, wenn alle so werden würden.» - «Schon möglich», lachte sie. «Aber mal im Ernst, man kann schon viel von ihm lernen: zum Beispiel schnell zu entscheiden, zielstrebig auf etwas zuzugehen und immer konzentriert bei einer Sache zu sein.» - «Tja, deshalb braucht er zwei Aufpasser und schafft es immer noch Gläser kaputt zu machen.» - «Ach ja, und er hat Freude an seiner Arbeit, das ist auch erstrebenswert.» Christian nickte. «Aber was noch interessanter ist: bei Zweijährigen gibt es noch keine Spur von Nationalismus, Frauen- und Männerfeindlichkeit usw. - er nimmt die Menschen wie sie sind.»

Jonas hatte in der Zwischenzeit seinen Platz bei den Bausteinen verlassen und versuchte neben Sophie auf den Wohnzimmertisch zu klettern. Sie hielt eine Hand schützend unter ihn und sagte zu Christian: «Ja, den ganz Kleinen ist Hautfarbe und Geschlecht wirklich völlig wurscht; das habe ich schon beobachten können.» - Christian winkte ab: «Aber irgendwie gibt sich das mit dem Alter. Mit zwölf, dreizehn machen sie diese Unterschiede, sind fernsehsüchtig und spielen Gewaltvideospiele.» Jonas rutschte zum dritten Mal vom Tisch ab. Sophie nahm ihn hoch und setzte ihn neben sich auf das Sofa: «Das ist zu gefährlich für dich. Du tust dir dabei nur weh.» - «Und wie bitte schön soll er dann lernen, was weh tut und was nicht? Jetzt wird ihm das verboten, später auf Bäume zu klettern, alleine mit dem Fahrrad auf einer vielbefahrenen Straße zu seinem Freund zu fahren usw.» - «Werd du erst mal Vater und lass dann dein Kind alleine auf eine vielbefahrene Straße. Zum Lernen muss er ja wohl nicht sein Leben riskieren, oder?»

Jonas versuchte mit Nachdruck wieder auf den Wohnzimmertisch zu kommen. Sophie war bemüht, ihn mit einer Hand davon abzuhalten. «Da guck, sie suchen die Gefahr», meinte Christian, «was meinst du, was ein Zwölfjähriger macht, den seine Tante zehn Jahre lang erfolgreich vor allen Gefahren geschützt hat? - Er spielt Gewaltvideospiele, damit er wenigstens noch einen Hauch von Gefahr mitkriegen kann. Ich meine schon, dass wir eine junge Generation haben, die überall im Leben so gepolstert wird wie ein Eishockeyspieler, nur darf sie nirgendwo im Leben wirklich Eishockey spielen.» Sophie schwieg und wusste nicht so recht, ob sie Jonas noch festhalten sollte oder nicht. Christian fuhr fort: «Die Jugend ist doch ein Spiegel der Erwachsenenwelt. Woher soll denn das Fernsehgucken oder Markenartikel-Wünschen kommen? Und wenn dann ein Erwachsener darüber schimpft, dass die Jugend Gewaltvideospiele spielt, dann ist das in etwa so intelligent, wie jemand, der ein Loch in einen Eimer gestoßen hat und dann schimpft, dass da Wasser rausläuft.» Sophie ergänzte «Und dann ernsthaft darüber diskutiert, ob man nicht dem Wasser das Rauslaufen generell verbieten sollte oder nicht.» Beide lachten laut. «Aber so schlimm ist die Jugend ja gar nicht», Christian lehnte sich im Sessel zurück, «ich habe noch keinen Zehnjährigen erlebt, der nicht lieber zusammen mit Erwachsenen Steine in einen See schmeißt, als Fernsehen zu schauen. Aber es wird wirklich Zeit, dass die Menschheit in solchen Punkten anfängt ein wenig erwachsener zu denken - dass jeder Einzelne immer mehr darauf schaut, welchen Beitrag er dazu geleistet hat, dass die Welt so ist wie sie ist, warum so viele Steine am Rand von Seen liegen.»

Sophie schaute ihn nachdenklich an. «Das stimmt schon, aber sagt das nicht nur etwas über die Dinge, die alle Jugendlichen mehr oder weniger gemeinsam haben? Sie haben aber auch Interessen, die grundverschieden sind von denen ihrer Altersgenossen und das sorgt, je älter sie werden, immer mehr für ein Gegeneinander.» Christian atmete tief ein und beobachtete Jonas eine Weile, der den Schauplatz seines Wirkens an einen großen Blumentopf verlegt hatte. Er vergrub dort beide Hände in der Erde. «Gärtner!» rief Christian während Sophie Jonas verständnisvoll erklärte, dass es seine Oma nicht gerne sieht, wenn er ihren Teppich mit Blumenerde bedeckt. «Gärtner», sagte Christian wieder. «Sein älterer Bruder hätte das mit dem Topf niemals getan. Aber er hat Freude daran. Vielleicht hat er Talent zum Gärtnern, das muss ich beobachten.» Sophie schaute ihn an. «Worauf genau willst du raus?» - «In ihren Talenten und Fähigkeiten sind die Kleinen schon grundverschieden und das zeigt sich auch schon recht früh. Das ist für sich aber auch noch kein Problem. Aber wenn der eine zum Beispiel in der Schule gut in Mathe ist, sagt ihm seine Mutter, dass das wichtig ist, gut in Mathe zu sein, und schon denkt er, er wäre besser als sein Banknachbar, der sich schwerer tut. Alles wird gleich bewertet und verglichen und das führt zu gegenseitiger Ausgrenzung. Kinder können sich da nicht wehren - und interessanterweise vergleicht und bewertet Jonas überhaupt nicht.

Dein Spruch von vorhin war gar nicht so schlecht. Es heißt ja nur: "Wenn ihr nicht werdet, wie die Kindlein", und nicht, dass man deswegen aufhören soll erwachsen zu sein. "Werde so beweglich, einfaltsreich, aktiv und konzentriert wie die ganz Kleinen noch sind, aber verliere nicht das Erwachsensein, das Ganze aus dem Auge."» Sophie ergänzte. «Genau. Das ist der Unterschied. Wenn du fünf Kleine in solch einem Zimmer mit ihren Fähigkeiten und Talenten alleine lässt, dann sieht es danach aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Deswegen müssen sie erwachsen werden, damit sie auch auf die Folgen ihres Tuns schauen.» - «Aber daraus kann man etwas wichtiges schließen: Auch die Erwachsenen werden erst richtig erwachsen, wenn sie nicht mehr nur auf die Folgen in ihrer begrenzten Umgebung schauen, sondern darüber nachdenken, ob sie mit dem, was sie arbeiten und tun, das Ganze, die Menscheit eher trennen oder eher zusammenbringen. Sonst sieht das Zimmer der Menschheit nach einiger Zeit auch so aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.» - «Ja, das ist wohl die Frage, die sich jeder stellen kann: Ob er durch seine Fähigkeiten und Talente nur sich selbst, bzw. eine Gruppe weiterbringt, eine Nation, eine Firma, eine Familie oder welchen Beitrag er neben dem für sich und den einzelnen Gruppen auch der ganzen Menschheit leistet.»

Die Türe ging auf, ein etwa zehnjähriger Junge kam herein und ließ sich in einen Sessel fallen. Ohne die anderen zu beachten fischte er sich die Fernbedienung vom Fußboden und schaltete den Fernseher an. Sophie und Christian schauten sich verdutzt an. «Na?» meinte Sophie leise zu Christian «Was wäre jetzt für die Menschheit deine beste Reaktion? - Glaubst du immer noch, dass er lieber Steine in einen See wirft, als Fernsehen zu schauen?» - Christian nickte. «Das wäre ein Versuch wert. - Lukas! Wie wär‘s, wir gehen raus und spielen ein bisschen Fußball?» Lukas drehte sich um, schaute ihn gespannt an und rief: «Federball. Au ja.» Dann sprang er auf. Christian atmete ein: «Federball.» Er stand auf und folgte Lukas nach draußen. Sophie schüttelte den Kopf. «Federball im Dezember. Aber gut. - JONAS! Jonas, nicht DAS!»
* * *

 

Geschrieben von Aquinas
Grüß Gott, Herr Schmidt!

Ganz nette Geschichte, das. Aber sie hätte etwas mehr Übersichtlichkeit in Form von Absätzen vertragen, was meinst du? Die Kritik am Inhalt spar ich mir, bis ich das Ganze mal überblicken kann.
;-)

Danke für den Hinweis. Ich habe es ein wenig aufgelockert.

Gruß, Michael Schmidt

 

"Und so etwas steckt auf dem Mond, Sophie."
genau andersrum; du hast die wörtl. Rede mit schließenden Anführungszeichen angefangen und umgekehrt.
Nochmal
Noch mal
er nicht aufeinander stapeln bevor
stapelnKOMMA
er nimmt die Menschen wie sie sind."
MenschenKOMMA
ausschreiben
etwas wichtiges
etwas Wichtiges
die Menscheit
Menschheit
Hallo Michael Schmidt,
tut mir Leid, deine Geschichte gefällt mir nicht, aber sie missfällt mir auch nicht.
Sie is einfach ... keine Ahnung ... plöt trifft es ganz gut ;) Ein Gespräch zwischen einer Frau und ihrem Bekannten über die Schlechtigkeit der Menschheit *gähn* äh, war was? Abgedroschen.
Tut mir Leid.
Ach ja: Was genau das mit Weihnachten zu tun hat ... du kannst dir den Rest des Satzes denken.
:heilig:

 

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