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Eine Nacht im Park.

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09.11.2001
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Eine Nacht im Park.

Auf die gruene, etwas verrostete Bank fiel immer nur noch kuenstliches Licht. Der Lichtschein kam aus einer Strassenlaterne, die in etwa 2,50 Meter Hoehe angebracht war. Irgendwelchen, ihm nicht bekannten und deshalb nebuloesen biologischen Gesetzen folgend, gesellten sich das uebliche Insektengesindel zu dieser Szene dazu und umflog diese Ersatzsonne in einer niemals endenden Schleife. Seltsam, dachte er bei sich. Im Grunde waren wir Menschen nicht anders als Insekten. Zu vorraussehbar, zu bestimmbar war unser Verhalten in bestimmten Situationen, als das wir uns fuer etwas Besseres halten konnten.

Georg schraubte indes die kleine, silberne Flasche auf. Das erloesenden, heilsbringende Geraeusch, als sich das Gewinde des Flaschenhalses aus der innigen Umarmung mit dem Verschluss loeste, drang in Georg's Ohren. Er freute sich beinahe schon wie ein kleines Kind, wenn er dieses Geraeusch hoerte, denn er wusste, die kuehle Fluessigkeit innerhalb der Flasche wuerde ihm gleich wieder ein Gefuehl des Am-Leben-Seins geben. Er fuehrt die Flasche zu seinem Mund, umschloss die Oeffnung mit seinen Lippen und goennte sich - und vor allem seiner Leber - einen guten Schluck. Waehrend er fuehlte, wie sich die scharfe Fluessigkeit ihren ueblichen, fast schon langweiligen, weil immer gleichen, Weg durch seinen Koerper nahm, dachte er sich mal wieder das Uebliche : Er wollte mit dem Trinken aufhoeren, zu sinnlos erschien ihm das Ganze inzwischen. Es war wie ein Stammesritual, es hatte etwas von diesen Kirchentreffen, die er immer so gehasst hatte. Es war immer gleich gewesen. Georg mochte es nicht, wenn sich Dinge nicht veraenderten. Er belog sich unheimlich gern selbst. Es bereitete ihm so etwas wie sadistische Freude, sich einzureden, er koenne mit dem Trinken, jenem sinnlosen, ueberfluessigen Vergiften seines Koerpers durch alkoholische Substanzen, jederzeit aufhoeren. Er wusste, dass dem nicht so war. Dennoch, wenn er manchmal mit sich selbst sprach - und das tat er gar nicht so unregelmaessig, dann ergriff er stets Position fuer den Alkohol. Er stellte sich das in etwa so vor, als wuerden in seinem Kopf verschiedene Menschen leben und debattieren, was fuer ihn gut und was fuer ihn schlecht war. Und da war nunmal dieser Harald Juhnke-Verschnitt, der ihm einredete, dass es gar nicht so schlecht war, sich ab und an mal "einen zu genehmigen". Dummerweise gab es auch diese Menschen in seinem Kopf, die ihm versuchten, andere Dinge einzureden. Wenn dieser Harald Juhnke-Verschnitt naemlich meinte, dass andere Menschen ganz andere Dinge tun, die verboten sind und schaedlich und gegen das Gesetz und gegen die Moral und gegen die Christlichkeit und gegen die IN+OUT-Liste der Bild-Zeitung, und Georg gerade begann, sich mal wieder wohlzufuehlen, dann trat diese Seite an ihm in Erscheinung, die er in geistreichen, leicht humoristischen Stunden, wenn er einmal keinen verklaerten Blick auf die Realitaet hatte, gern "Dörte" nannte. Dieser Aspekt seiner Persoenlichkeit war einfach eine typische "Dörte". Wer hatte denn nicht so ein Maedchen in der Klasse gehabt ? Die Mutter war bei Greenpeace, der Vater Psychologe, und die Tochter hiess nunmal Dörte und trug Birkenstock-Sandalen. Sie machte immer in der SV mit, und sie engagierte sich unheimlich gerne fuer hungerleidende Kinder in .. was-weiss-ich-wo. Staendig hatte sie an den Lehrern rumzumeckern, diese seien einfach "nicht liberal und tolerant genug", und schliesslich war eine "fuer alle akzeptable Gesellschaft, die wir ja alle anstreben.." ja eine tolerante und liberale Gesellschaft, wo man eigentlich machen durfte, was man wollte. Nur nicht seine eigenen Interessen verwirklichen. Schliesslich konnte man damit zufrieden und gluecklich werden, und das war nicht die Absicht einer toleranten und liberalen Gesellschaft. Diese Dörte, die uebrigens wahrscheinlich nur deshalb nicht auf einer Waldorfschule gelandet war, weil ihre Wurstfinger selbst fuer das geuebte tolerante und liberale Auge ihrer Eltern nicht gut genug sticken und malen und musizieren und schrecklich alternativ sein konnte. Also landete Dörte auf einer Schule der Unterdrueckerkaste, und sie musste sich dort wirklich behaupten. Waehrend die Maedchen, auf die alle Jungs standen, in tollen Klamotten rumliefen, trug Dörte naemlich noch diese alten, zerlumpten Jeans, die irgendwie bei allen Kindern von toleranten und liberalen Eltern an der gleichen Stelle aufgerissen waren.

Aber Georg war abgeschweift. Eigentlich hatte er diese Dörte aus seinem Kopf verdraengt. Nur manchmal, da kam sie auf einmal wieder, und dann hielt sie ihm - oder eben er sich selbst - eine Moralpredigt : Es war falsch, Alkohol zu trinken. Man gefaehrdete seine toleranten und liberalen Mitbuerger und schadete dem eigenen Koerper damit. Irgendwie einleuchtend. Nur, einleuchtend sind viele Dinge, und trotzdem befolgt man sie nicht - zumindest nicht lange. Und so setzte Georg immer mal wieder ein paar Tage das Trinken aus, kaufte nicht - wie sonst ueblich - im Supermarkt nebenan, bei dem freundlichen Verkaeufer aus Ich-weiss-nicht-wo seine obligatorischen Flaschen, und er war dann auch ganz gluecklich. Aber irgendwann klopfte Harald Juhnke mal wieder im Oberstuebchen an, und der Ganze Spass ging von vorne los. Georg verwies derartige Vorgaenge gerne in das Reich dieser Gehirnforscher, deren Handwerk er eh nicht verstand und ueberhaupt gar nicht verstehen wollte, weil das alles Vaeter von diesen Dörtes waren und er ueberhaupt gar keine Lust hatte, mit solchen Menschen zu reden.

Ein paar Stunden waren schon totgeschlagen an diesem Abend, und Georg sah mit einem Blick, der irgendwo zwischen dem eines in die Jahre gekommenen Boxers und dem eines erfolglosen Anwalts schwankte, auf das Wasser. Wasser hatte er immer gemocht. Nie war er zur See gefahren, aber er hatte immer davon getraeumt. Wenn der Seemann in ihm erwachte, kaufte er sich ein Buch ueber die Seefahrt, las ein wenig, traeumte davon, zur See zu fahren, auf einem dieser grossen Dampfer, von denen er genau wusste, dass sie nicht einmal mehr auf Tom Sawyer's Mississippi fuhren und das sie schon laengst von haesslichen, tonnenschweren Tankern und Kreuzfahrtschiffen vom Antlitz der Meere gedraengt worden waren, wie einst Sindbad, der wahrscheinlich niemals existente Held zahlreicher Jugendcomics. Waehrend Georg also so da saß, und er dachte wirklich gerade an einen schoenen, grossen Dampfer auf einem weiten, nicht verseuchten und auch nicht stinkenden Fluss - von einem Fluss also, der maximal noch dort floss, wo es keine Schiffe gab, zum Beispiel in der Schweiz, da trabte auf einmal ein junges Päärchen an ihm vorbei.

Die Frau war vielleicht 20, vielleicht war sie juenger. Sie trug die typische Kleidung einer Frau, die 20 Jahre alt war, dachte Georg sich. Das Amuesante daran war, dass man deshalb sichergehen konnte, dass sie keine 20 war, denn in unserer Gesellschaft traegt niemand die Kleidung, die seinem Alter angemessen war. Die Frau, sie mochte einen dieser neumodischen Namen tragen, war also entweder 15, und schminkte sich die 5 Jahre mit Walfett, also Make-Up, aus japanischen Fangbestaenden - natuerlich nur zu Forschungszwecken - entweder dazu, oder aber, sie war schon in die Jahre gekommen, dass bedeutete heutzutage, sie war 23, vielleicht 25, eben nicht mehr "taufrisch", und deshalb schminkte sie sich wieder auf 20 herunter, und trug alberne, 20-Jaehrigen angepasste Kleidung, um ihrem Freund zu gefallen. Den Kerl schaetzte Georg ungefaehr auf 25. Er trug diese typische Kleidung, die Georg einem Architekturstudenten zuschreiben wuerde, er hatte dieses geradlinige, dieses stromlinienfoermige an sich, und Georg konnte sich recht gut vorstellen, wie er spaeter, als fertiger, aalglatter Architekt mit einem Eichenholzschreibtisch und einer blonden Sekretaerin, die insgeheim davon traeumte, mit ihm Essen zu gehen, wie eben dieser Architekt, wenn er aus der Menschenfabrik Universitaet entlassen wurde, seinen tuerkischen Vorarbeiter auf seiner Baustelle schikanierte, denn er war dieser typische CDU-Waehler, der eigentlich gar kein CDU-Waehler war, weil er eigentlich ein ziemlich ignoranter Rechter, der auf Auslaender nicht viel hielt, war, und weil er immer zu seinen Freunden sagte, dass es eigentlich "besser waere, wenn diese ganzen Schmarotzer wieder in ihre Heimat zurueckkehren". Leider vergass dieser aeusserst nette und gebildete Herr, dass sein Vorarbeiter auch in diesem schoenen, facettenreichen Land geboren war, auf diesem Boden, auf dem einst tolpatschige Germanen schritten, Wein und Bier mit Wermut tranken und schliesslich von den Römern niedergemetzelt wurden. All das vergass der Architekturstudent, wenn er denn einer war. An seinen Wildlederschuhen, schoene, halbhohe Wildlederschuhe, fuer die sicher nur ein einziges Tier leiden musste, und auch das eigentlich gar nicht, denn, so versicherte man immer wieder gerne, die Tiere litten ja gar nicht, sie starben sofort, jedenfalls, an diese tollen, Eindruck bei jedem Personalchef schindenden Wildlederschuhen hatte sich ein gelbes, leicht ockerfarbenes, nein, das war gar nicht ocker, Georg mochte nur das Wort, und so dachte er bei sich, er lasse es in seinen Gedanken einfach ockerfarben, auch wenn es gelb war, es sei auch drum, dieses gelbe Blatt hing jedenfalls am Wildlederschuh des Architekten.

Seltsam, dachte sich Georg. Auch wenn er von Biologie gar keine Ahnung hatte, so war er sich doch ziemlich sicher, dass ein paar Blattlaeuse auf diesem kleinen, eigentlich toten Blatt hockten. Irgendwann war dieses voellig normale, nicht auffaellige, schon gar nicht schoene Blatt von einem Baum gefallen, denn es war ja Herbst, wie man an dem vielem Laub auf den Strassen sehen konnte. Aber Georg hatte etwas ganz anderes im Sinn. Jetzt, dachte er, koennte ich doch mal wieder die Dörte in mir sprechen lassen. Und so versuchte er, sie aus ihrem kleinen Baumhaus, dass sie irgendwo in den Windungen seiner Gedanken bezogen hatte, denn Georg stellte sich alles, was in seinem Kopfe vorging, anhand von Bildern vor, und da war es nunmal so, dass die Dörte in einem oekologisch gut gebauten Baumhaus wohnte, aus schon totem Holz, denn sie haette ja niemals gewagt, einen Baum anzutasten, da waere sie ja lieber gestorben, und so wohnte sie nun einmal in diesem etwas barock anmutenden Baumhaus, wo sie sich jeden Tag Gruenen Tee kochte und ueber die Globalisierung und die Erderwaermung und das Schmelzen der Polarkappen und das Sterben der Pandabaeren und die Ausrottung der Regenwaelder und die Versklavung der Sudanesen nachdachte. Und Georg schellte jetzt an bei Dörte, und sie kam herunter, und sie setzte sich in seinen Kopf und begann fuer ihn zu denken. Aber, so dachte er sich, sie wuerde mich nur ermahnen, nicht zu trinken, und so entschloss sich Georg, Dörte einen guten Freund von ihm zur Seite zu stellen : Andreas. Andreas war ein bischen verrueckt, er wohnte auch in Georgs Kopf, irgendwo da, also, er wohnte natuerlich genausowenig wie Dörte da, dass war Georg auch klar, all diese Leute, dass waren nur Phantasien, das waren doch nur Hilfsbilder fuer die unterschiedlichen Weltanschauungen, die es so gab, naja, irgendwie glaubte Georg zumindest, dass es so war, ganz sicher war er sich da auch nicht. Andreas jedenfalls war ein ganz wirrer Typ. Er war sich unheimlich sicher, dass wir eigentlich eh nur ausgebeutet wurden, aber nicht von den Kapitalisten, nein. Das war ihm zu simpel und zu offensichtlich, und auch diese ganzen beknackten Theorien von Ausserirdischen und Marsmenschen, das sagte Andreas nicht zu, nein, er musste ganz eigene Ideen haben, er musste seine eigene Loesung haben fuer all diese Probleme, und weil es aufgrund der Geschichte nicht so angebracht war, das Weltjudentum fuer all das Unglueck verantwortlich zu machen, und weil man es auch nicht den Amerikanern in die Schuhe schieben konnte, nein, das konnte man nicht, denen musste man doch dankbar sein fuer all das, was sie fuer uns getan hatten, sie hatten uns schliesslich mit ihrem Marshall-Plan in eine wunderschoene Konsumgesellschaft gefuehrt, eine ganz reizenden Gesellschaft war es, jawohl, und wir musste nicht "Die Geschichte des Ernst Thälmann" lesen und auch noch verstehen, nein, dass mussten nur die da drueben, und wir hatten dem grossen amerikanischen Bruder verdammtnochmal dankbar dafuer zu sein, dass wir alle verzogene, verblendete Roboter sein durften, nicht so, wie im Dritten Reich, denn da war alles schlecht, und man musste sich dafuer schaemen und man musste alles hinterfragen in der Zeit danach, ob nicht doch irgendwo noch braune Wurzeln waren, aber man sollte nicht die Amerikaner hinterfragen, denn die wussten schon, wie man das richtig macht. Aber Andreas hinterfragte alles, er gab sich mit nichts zufrieden, er war ein Skeptiker durch und durch, er hatte alle Philosophen und Dichter und Denker und Heroinsuechtigen, die schreiben konnten, gelesen, und er war zu dem Schluss gekommen, dass da irgendwer war, er wusste doch auch nicht, wer das war, das war doch auch egal, jedenfalls, diese Menschen hatten uns alle in der Hand, und wir waren ihnen ausgeliefert, so wie die Schauspieler dem Weissen Hai ausgeliefert sind und nur hoffen koennen, dass er ihnen nicht das Bein abbeisst.

Und wenn man nun Andreas und Dörte kombinierte, dann kam man auf ganz wundersame Gedanken, dass machte Georg manchmal, wenn er ein bischen lachen wollte, denn es war immer so herrlich destruktiv, wobei es immer konstruktiv gemeint war, was er sich so ersann, aber es konnte einfach nicht konstruktiv sein, weil es an sich zu laecherlich war und zu utopisch, und deshalb konnte man aus diesen Gedanken kein Kapital schlagen, Georg dachte so bei sich, manche nennen dass auch "links sein" oder "links denken", aber diese Bezeichnungen waren ihm stets zu stur. Jedenfalls, Georg fixierte das gelbe, nein ockerfarbene, das hatte er sich in den Kopf gesetzt, es war jetzt ockerfarben, und er dachte kurz nach, ob er das ernst meinte, entschied dann aber, dass es egal war, letztlich war es nun aber so, dass dieses gelbe Blatt an dem braunen Wildlederhalbschuh des vermeintlichen Architekturstudenten mit rechtem Gedankengut, der mit einer Frau liiert war, die offenbar 15 oder 23 oder 25 war, jedenfalls war sie nicht 24, da war sich Georg sicher, dieses Paar jedenfalls lief dort entlang, und das Blatt mit all den kleinen Blattlaeusen daran klebte an diesem adrett aussehenden Schuh, und Andreas und Dörte, also eigentlich Georg, dachten dann : Moment mal, wenn ich jetzt ganz streng bin, dann ist es ja so, dass dieser Nazi da, ja er war jetzt ein Nazi, dass war Georg jetzt ganz klar, er konnte sich richtig die Hakenkreuzbinde am Arm vorstellen und seinen Grossvater, der war sicher bei der SS gewesen oder sogar noch schlimmer, man weiss ja nie, der Nazi jedenfalls entfuehrte gerade ein paar, vielleicht auch ein paar mehr, Blattlaeuse. Das Blatt war vom Baum gefallen, vielleicht 30 Meter weg von dem Punkt, an dem es sich jetzt befand, und dass war nunmal fuer eine Blattlaus eine enorme, man moechte was fast sagen, unmenschliche, nur dass passte ja nicht, also war es eine unblattlausige Distanz, und dieser Nazi hatte sie verschleppt, hatte sie gestohlen, und womoeglich wollte er auch noch Loesegeld verlangen fuer seine Unverschaemtheit, seine Dreistigkeit, in unser Biosystem, dass von Gott dem Herrn, jawohl, Gott dem Herrn, geschaffen und perfekt angeordnet worden war, einzugreifen.

Georg haette aufstehen koennen, er haette wild und laut protestieren koennen, er haette "Entfuehrung" schreien koennen, und wenn er es getan haette, wer weiss schon, was passiert waere, vielleicht haetten ihm die Blattlaeuse post mortem einen Ehrenorden verliehen, einen echten Blattlausehrenorden, mit einem gelben, nein extra fuer Georg mit einem ockerfarbenen, von Laeusen zerfressenen Blatt aus Gold, vielleicht auch nur aus Bronze, jedenfalls waere es schoen gewesen. Aber Georg tat nichts. Er war einfach kein Aktivist. Nicht, dass er Angst gehabt haette, in die Nervenklinik zu kommen, was, wenn man es einmal realistisch betrachtet, gar nicht so unwahrscheinlich war, wenn man sich ueberlegte, ein Mann wuerde ernsthaft behaupten, am besten noch vor Gericht, ja genau, vor Gericht, vor einem Richter mit diesen albernen weissen Locken, er wuerde dort stehen und behaupten, der Architekturstudent, den er uebrigens fuer einen Nazi hielt, habe Blattlaeuse entfuehrt, und der Richter wuerde ihm sagen, jetzt hoeren sie mir mal zu, sie sind ein geisteskranker Alkoholiker, jawohl, sie stinken geradezu penetrant nach Alkohol, was ist das ueberhaupt fuer ein Fusel, den sie da trinken, und schauen sie sich mal an, so eine heruntergekommene Existenz, das kann doch wohl nicht wahr sein. Und Georg wuerden all seine kleinen Helfer in seinem Kopf nicht helfen koennen, und er wuerde da stehen, und er koennte sich nicht wehren, man wuerde ihn nicht ernst nehmen und ueberhaupt, der Nazi wuerde da stehen, mit einem selbstgefaelligen Grinsen, als waere er direkt aus dem Fernseher herausgesprungen und habe vorher in Dallas mitgespielt, und er wuerde ihn anlaecheln, und seine Freundin wuerde hinten im Saal stehen und alles waere furchtbar peinlich fuer Georg, und er wuerde gar keine gute Gestalt abgeben in diesem Eichenholz-Gerichtssaal.

Nein, das lohnte sich nicht, da musste man kein Denker fuer sein, der Kampf um die Freiheit der Blattlaeuse war aussichtslos, das mussten Andreas und Dörte und Georg einsehen. Und weil das Päärchen, der Nazi und die zu Junge bzw. zu Alte, schon vorbeigegangen waren, und Georg ihnen nur noch hinterwuenschen koennte, sie wuerden doch fuer all das Unheil, dass sie anrichteten, bestraft werden, jawohl, bestraft sollten sie werden, und Georg ging sogar so weit, dass er ihnen alles Pech der Welt wuenschte, er malte sich mit grosser Genuesslichkeit aus, wie das Päärchen auf dem langen Weg stolpern wuerde, wie sich der Nazi ein Bein braeche oder seine Freundin, oder vielleicht auch beide, und um sich das Ganze noch schoener ausmalen zu koennen, gab Georg sich noch ein winziges Schlueckchen, nein, ein winziges Schlueckchen reichte nicht, um diese Freude zu katalysieren, er goss sich einen grossen, einen fast schon megalomanisch anmutenden Schluck in die Speiseroehre, und waehrend er spuerte, wie sich das Feuer seinen Koerper hinunter fraß, dachte er sich, wie es wohl waere, wenn das Gesoeff mal in die Luftroehre kam, er war nicht der Typ, der sich dann dachte, dass er lieber nicht daran denken mochte, er konnte sich den Schmerz, die vielleicht folgende Ohnmacht sogar recht gut ausmalen, und wenn er nicht gewusst haette, dass, wenn er es getan haette, er entweder masochistisch veranlagt oder einfach nur dumm gewesen waere, dann haette er es vermutlich sogar einmal probiert, nur um mal zu sehen, wie es so war. Er wollte meistens sehen, wie es so war, zum Beispiel, wenn er davon traeumte, mit einer riesigen Keule bewaffnet durch die Innenstadt zu schreiten, er wusste sowieso, dass er es niemals tun wuerde, aber das Spiel mit dem Gedanken war es, dass ihn reizte und das ihm soviel Spass machte. Und deshalb konnte er jetzt auch wieder daran denken, wie der Nazi hinfiel und sich das Bein brach. Georg schmunzelte.

Waehrend er die Flasche ein letztes Mal ansetzte, um auch den kuemmerlichen Rest des Giftes in seinen verhaeltnismaessig schwachen Koerper zu pumpen, natuerlich durch die Speiseroehre, auch wenn er es gerne mal in die Luftroehre geschuettet haette, natuerlich nur, um zu sehen, wie es ist, aber er haette es eben doch gerne gemacht, und er wusste zeitgleich, dass er es eben nicht tun wuerde, da war er sich doch recht sicher, so gut konnte er sich doch einschaetzen, aber, wo das Gift so durch den Koerper floss und es ihm ganz warm ums Herz wurde, natuerlich wurde ihm nicht warm ums Herz, jaja, er wusste das, und Alkohol hielt auch nicht warm, nein, es verengte die Gefaeße und deshalb wurde einem im Endeffekt kaelter, ja, vielen Dank, setzen, 6, er wusste das doch, jedenfalls, er blickte in einem lichten Moment gen Himmel. Er kommentierte das auch zu sich selbst so : Ich blicke gen Himmel. Er hatte das Wort recht frueh aufgeschnappt und den merkwuerdigen Klang des Wortes stets als so amuesant empfunden, dass er immer versucht hatte, es irgendwo zu plazieren, nicht nur, um seine Bildung, die verhaeltnissmaessig gut war, und sich sozusagen antiproportional, ja, auch ein tolles Wort, dabei konnte er gar keine Mathematik, zu seinem koerperlichen Zustand entwickelte, zu unterstreichen, nein, er wollte auch einfach nur das Wort sagen, seinen Klang in sich aufnehmen, sich selbst beim Aussprechen solch toller Worte zuhoeren. Und als er so auf den Himmel blickte, da fiel ihm auf, dass der Himmel ganz wolkenverhangen war, es war schon wieder ganz frueh geworden, fast schon Morgen, nunja, es war morgen, es war 7 Uhr, schaetzte er, und es war bald Zeit zu gehen nach dieser schoenen Nacht im Park, am Fluss, mit dem Päärchen und Dörte und Andreas, den Richtern in ihren albernen Locken, und auch die Luftroehre arbeitete noch vernuenftig, also war Georg sogar noch am Leben, dabei hatte er jetzt 3 Naechte durchgesoffen, aber er konnte noch ganz gut sehen, und als er so an den wolkenverhangenen Himmel schaute und diese Wolken, die nunmal zu einem wolkenverhangenen Himmel dazugehoerten, betrachtete, da dachte er bei sich etwas ganz Neues, es war ihm praktisch fremd, so zu denken, aber er dachte es trotzdem, und er war gluecklich, und er fuehlte sich irgendwie wie ein junger Charles Bukowski, er fuehlte sich inspiriert vom Geiste des Alkohols, denn er beschloss, folgendes festzustellen :

Seltsam, dachte er bei sich. Am Anfang des Abends meinte ich noch, Menschen seien wie Insekten. Jetzt scheint mir, Menschen seien wie Wolken. Sie ziehen an den Menschen vorbei, man betrachtet sie nicht dauerhaft, weil das gar nicht geht. Und wenn man dann mal wieder hinschaut, haben sie sich total veraendert.

Georg verdrueckte eine Traene, weil er an seine einzige grosse Liebe dachte, an sein persoenliches, verlorenes Glueck, an die fuer ihn nicht mehr existente Zeit. Er steckte die Flasche weg, packte seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg. Heute gab es schliesslich eine Klassenarbeit zu schreiben, und um 8:00 Uhr hatte er im Klassenraum zu sein.


- hobophobic

 

Hm, was soll ich dazu groß anmerken?
Zum Inhalt fällt mir abrupt nichts ein. Ehrlich gesagt mußte ich an einigen Stellen zwei - dreimal nachlesen, denn ich konnte nicht verhindern, beim Durchforsten des Textes hin und wieder gedanklich abzuschweifen. Leider spricht das nicht unbedingt für deine Geschichte, die nichtsdestotrotz etwas ´langatmig´ rüberkommt. :(
Naja, die Geschmäcker sind ja verschieden... :rolleyes:


Gruß, Hendek

 

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