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Einsam und kalt
Als ich vom Tanztraining nach Hause lief, war es schon stockdunkel. Normalerweise machte mir das nichts aus. So ging es mir ja jeden zweiten Abend im Winter. Doch jetzt fühlte ich mich verfolgt. Angst schnürte mir die Kehle zu und ich ging schneller. Die letzte Straßenlaterne hatte ich längst hinter mir gelassen und in diesem Viertel fuhren nicht sehr viele Autos. Als ich fast rannte, atmete ich tief durch. Ich musste mich beruhigen. Seit fast zwei Jahren war mir auf diesem Weg nichts passiert! Es konnte doch nicht sein, dass ich gerade jetzt überfallen würde. Doch mein Gefühl hatte mich noch nie getrogen und so nahm ich die Beine in die Hand. Als ich um eine Straßenbiegung kam, war ich erleichtert. Ein paar Meter weiter war meine Wohnung. Ich wühlte in meiner Tasche nach meinen Schlüsseln und achtete nur ganz kurz nicht auf meine Umgebung. Plötzlich drückte sich etwas kaltes in meinen Nacken. Ich schrie auf, doch der Schrei wurde durch ein Hand erstickt, die man mir über den Mund gelegt hatte. Die Hand drehte mich zu sich und ich erblickte einen Mann mittleren Alters, der eine Strumpfmaske trug. "Wenn du nur einen Laut von dir gibst, blas ich dir die Birne weg!", flüsterte er. Das Kalte an meinem Nacken hatte sich an meine Schläfe gelegt und entpuppte sich als Pistole. Eine Pistole! Stumm nickte ich. Was hätte ich auch anderes tun sollen? "Ich sehe schon, wir verstehen uns. Ich hätte da mal ne Frage an dich, Zuckerpüppchen." Mit seiner jetzt freien Hand, da er sie von meinem Mund genommen hat, strich er mir über die Wange. Sie sollte wohl einschüchternd wirken, aber ich konnte den Würgreiz nicht unterdrücken. Dafür gab er mir eine Ohrfeige. "Diese Frage stelle ich nur einmal: Bist du die Freundin von Maximilian?", fragte er. Ich nickte. Was hatte Maxi denn schon wieder getan? Wieder das Auto von irgendeinem Mafia Boss abgebrannt und mir die Schuld in die Schuhe geschoben? Das kam sogar schon mal vor. Um da raus zu kommen musste ich mit dem Mafiatypen ins Bett. "Tja, dann ciao, meine Süße.", sagte er und schoss. Doch im letzten Moment konnte ich mich losreißen und so traf die Kugel nur meinen Unterleib. Der Schmerz explodierte blitzartig, trotzdem fing ich an zu rennen. So schnell ich konnte. Als ich in einem kleinen Hinterhof ankam, zwängte ich mich in eine Mülltonne und hielt den Atem an. Ich erkannte ihn es war der meiner Freundin. Die Schritte meines Verfolgers wurden immer leiser. Ich wollte auf stehen und in ein Krankenhaus fahren, aber es gelang mir nicht. Ich hatte wohl zu fiel Blut verloren. Ein Schluchzen stieg in meiner Kehle auf. Würde ich jetzt sterben? Aber nein, die Wunde hatte bereits aufgehört zu bluten! Müde schlossen sich meine Augen und warme, wohlige Dunkelheit empfing mich. Mein letzter Gedanke war, dass man mich finden würde.
"Man fand Lilli wirklich in dieser Mülltonne. Doch leider war sie schon tot. Durch die Kälte erfroren.", bedauernd schüttelte die alte Frau, 50 Jahre später,den Kopf. "Das ist doch nur ein Märchen, Marianne.", sagte ihre Freundin. "Ist es nicht! Lilli war meine beste Freundin. Ich war es, die sie gefunden hatte! Der Hinterhof gehörte zu unserem Haus." Wutentbrannt schüttelte die Frau, wieder und wieder, den Kopf, um kurz darauf in Tränen auszubrechen.