Endgedanken
Endgedanken
Ich spüre die Kälte des dünnen Stahls, der sich leicht auf meine Unterarme legt. Niemand kann mich jetzt noch aufhalten. Auf die Kerzen die ich aufgestellt habe achte ich nicht. Ist es nicht ohnehin völlig dunkel?
Ich wische mir mit der linken Hand eine Träne aus dem Gesicht. Eine zweite lasse ich laufen. Sie rinnt die Nase entlang und tropft salzig auf die Unterlippe. Einen Moment lang verspüre ich einen Zweifel aufsteigen, aber im nächsten bin ich mir sicher. Ich setze die Klinge wieder auf den Arm.
Aber noch ist es nicht ganz zu Ende.
Meine Gedanken sind immer noch bei dir. Mein Leben macht keinen Sinn ohne dich. Wenn ich meine Augen schliesse sehe ich dein Gesicht vor mir. Du
lächelst. Aber du bist unerreichbar, weit entfernt, weiter nichts, als ein grauer Schatten der in der Dunkelheit schwebt, kaum sichtbar. Nur Phantasie und Wunschdenken.
Warst du das nicht immer?
Nein, ich kann es noch nicht tun, obwohl es mir leicht viele: Surreal, unwirklich ist die Welt in der ich bin. Aber ich kann mich noch nicht ganz lösen, zu viele Gedanken, zu viele flüsternde Stimmen. Sie sagen so vieles,
so vieles was war, so vieles was ist und so vieles was sein könnte. Aber nichts kann gut sein ohne dich. Du sagst wir passen nicht zusammen, gabst mir nicht einmal eine winzige Chance.
Ich hasse dich nicht, weil der Gedanke an dich mein Leben beendest. Du bist so unschuldig, rein. Ich liebe dich mehr denn je und kann ich nicht hassen.
Aber Ich hasse mich selbst dafür, dass ich nicht der bin, der dir das selbe wunderbare Gefühl gibt, dass du mir gibst, vernichte mich, dafür, dass Ich Ich bin. Ich fahre dir in Gedanken durchs Haar, sehe dir in die Augen, während ich dir alles sage. Du weinst, du weinst um mich. Aber es ist nicht die Wahrheit die ich sehe. Ich weiss nicht ob du auch nur eine Träne für mich vergiesst, aber es ist den Versuch wert.
Meine Hand zittert, die Kante der Klinge berührte schon kalt die Haut, aber nicht tief genug. Noch nicht!
Ich sage es dir auf diesem Weg, zeige dir meine Liebe für dich auf diese Weise, auch wenn es dir weh tut. Nicht um dich zu bestrafen, sondern nur um dir zu zeigen, dass du mir mein Leben wert bist. Es gibt soviel, was ich dir sagen wollte, aber ich kann es nicht in plumpe Worte fassen. Sprache ist so begrenzt. Oft sagen Taten mehr als Worte.
Meine letzte Tat.
Ich möchte nicht sterben um den dumpfen Schmerz zu beenden, mit ihm kann ich Leben.
Ich sterbe für dich.
Ich schliesse die Augen und hole tief Luft. Meine rechte Hand fährt hastig auf meinen linken Unterarm. Ich spüre die Schmerzen nicht, etwas anderes ist stärker. Blut quillt aus dem Schnitt. Ich wische mir mit der linken Hand eine Träne aus dem Gesicht. Das Blut benetzt klebrig die Augenliedern. Dann mache ich hastig einen zweiten kalten Schnitt.
Bald ist es vorbei.
Du schaust mich an, in Gedanken siehst du mir zu und du weinst. Ich bin versucht aufzuhören, aber ich weiss, es ist nur eine schmerzhafte Illusion.
Morgen finden sie mich, erst dann wirst du es erfahren.
Ich bemerke wie mein Arm schwächer wird. Selbst wenn ich wollte, ich kann nicht mehr zurück. Meine Kraft schwindet, wie Wasser, dass aus einem Becken fliesst.
Was wird mich erwarten? Ist der Tod ein Ende oder ist er ein Weg? Ein hell erleuchtetes Tor, durch das ich hinübergehe in eine bessere Welt (gibt es die ohne dich?) ? Ich habe es nie geglaubt, obwohl in meine inneren immer etwas war was sagte "du stirbst nie ganz". Vielleicht wird alles gut,
vielleicht...
Noch ein Schnitt.
Meine Augenlieder fallen zu. Du! Dein Bild wird einen Moment deutlicher. Du!
Nein, nein ich will nicht sterben! Ich will dich nicht verlieren! Warte!
Dein Bild verblasst. Tränen laufen mein Gesicht entlang ueber den Hals.
Verlass mich nicht! Bleib bei mir! Hilf mir!
Ich schreie deinen Namen, waehrend ich zur Seite kippe. Ich kann mich nicht mehr selbst halten (Halt mich!). Immer wieder hauche ich deinen Namen ueber die mueden salzigen Lippen, bis es undeutlicher wird.
Ich sehe dich nicht mehr.
Nur Dunkelheit.