Was ist neu

Engel

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22.03.2015
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Engel

„Der beste Schutz für die verletzte Seele,
ist die fehlende Erinnerung.“

-Horst Reiner Menzel​


Er schlägt seine Faust mit solcher Wucht auf den Tisch, dass dieser zusammen zu krachen droht. Tassen springen von den Untertellern. Kaffee ergießt sich über den Frühstückstisch. „Ich mach doch schon alles, was ich kann.“ schreit er. Sie springt von ihrem Stuhl auf. „Nichts! Nichts machst du. Was glaubst du eigentlich, wie lange wir das hier noch durchstehen?“ tobt sie und gestikuliert wild mit den Händen. Sie ist den Tränen nahe. Wieder einmal. Doch diesmal wird sie nicht weinen. Er steht auf, schaltet das Küchenradio aus. Sie fährt fort: „Wir verlieren das Haus verdammt noch mal. Verstehst du das eigentlich?“
„Geht es hier nur um das Haus?“
„Um was sonst? Um was denn sonst noch?“
Er lehnt sich an den Türrahmen. „Was ist? Sag was?“ zischt sie ihn an. Ihre Hände zittern. Er schüttelt den Kopf: „Sag … Dann sag mir was ich tun soll?“
„Was du tun sollst? Du? Ich kann das hier nicht mehr tun!“
„Was?“
„Das hier! Ich kann das alles hier nicht mehr. Verstehst du das?“
„Verstehen? Ob ich was verstehe?“, wütend fegt er die Zigarettenschachtel vom Küchentresen, „ich kämpfe um euch, verfluchte Scheiße, und du siehst es einfach nicht!“
Sie schlägt sich die Hand vors Gesicht. Ein kurzes Schluchzen. Es macht ihn nur aggressiver. „Ich hör immer nur Geld, Haus, Geld, Haus. Ich kämpfe aber für die Familie. Unsere Familie. Und das siehst du nicht“, etwas bedrohliches breitet sich in seiner Stimme aus, „mach endlich mal deine beschissenen Augen auf.“

Sie greift nach einem Taschentuch und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie setzt sich zurück an den Küchentisch und stellt die Tassen wieder an ihren Platz. Kaffee fließt langsam über das Wachstuch, welches als Tischdecke dient.
„Welche Familie. Da gibt es nichts mehr ...“
„Was?“
„Nichts mehr ...“
„Was du gerade gesagt hast, hab ich dich gefragt.“
„Du kämpfst für nichts!“, ihre Stimme überschlägt sich, es ist alles weg, alles.“
Er hebt die Zigarettenschachtel auf und steckt sie sich in die Hosentasche. „Was willst du dann eigentlich von mir?“ Er baut sich vor dem Küchentisch auf. Sie antwortet nicht, kämpft wieder mit den Tränen.
„Was willst du dann von mir?“, schreit er und schlägt eine Kaffeetasse vom Tisch. Sie zerspringt an der Wand. Noch mehr Scherben. Sie putzt sich die Nase:
„Du trinkst!“
„Hör auf!“
„Du hast mich ...“
„Hör auf!“
„Du hast mich geschlagen“, kreischt sie und krallt sich am Tisch fest, „du schlägst mich. Du schlägst mich und ... trinkst und ...“.
„Fang nicht damit an!“
Er schüttelt den Kopf und dreht sich um. Sie steht auf und hält ihre Hände auf. „Fang nicht so an.“ wiederholt er.
„Und das, das kann ich nicht mehr tun“, klagt sie an, „ich kann das nicht mehr geschehen lassen.“ Er dreht ihr den Rücken zu und schüttelt den Kopf. Seine Stimme wird tiefer: „Ich sage, was hier geschieht.“
„Ich kann das nicht mehr tun!“
„Wir tun, was ich sage!“
„Es geht nicht mehr ...“
„Pass auf was du jetzt als Nächstes sagst!“ „Ich werde sie mitnehmen“, sagt sie und schließt dabei die Augen, „ich will, dass du das weißt. Ich nehme sie mit.“
Seine Arme stemmen sich in die Hüften. Seine weit aufgerissenen Augen blicken zu Boden. Sie kniet sich hin und beginnt die Scherben aufzusammeln. Er zittert jetzt und atmet ungleichmäßig. Seine Hände ballen sich zu Fäusten.

Das kleine Mädchen geht an der Küche vorbei und verlässt das Haus. Sie schließt die Eingangstüre sanft hinter sich. Sie trägt Wachsmalstifte und einen Zeichenblock bei sich. Beides hält sie umklammert wie etwas, dass niemals verloren gehen darf.
Sie setzt sich auf die kleine Treppe vor dem Haus und schlägt den Block auf. Es ist warm an diesem Morgen. Dichte Baumkronen vor dem Haus geben der Sonne die Möglichkeit, verspielte Lichtflecken auf das Grundstück zu werfen. Das Mädchen nimmt sich einen der Wachsmalstifte. Er zerbricht ihr beim Ansetzen. Sie nimmt einen Neuen aus der Schachtel und beginnt zu malen. Drinnen zerspringt etwas. Ein Glas oder eine Scheibe. Sie malt weiter.

Das Mädchen hebt den Kopf, als sich der alte Mann und die alte Frau ihr nähern. Beide kommen die Auffahrt hoch. Sie lächeln ihr zu. Das Mädchen hat beide noch nie gesehen. Es sind Fremde.
Die alte Frau bleibt vor ihr stehen. Der alte Mann jedoch schreitet an ihr vorbei. Er geht die Treppe hoch und bleibt vor dem Fenster neben der Eingangstüre stehen. Es ist das Fenster zur Küche. Das Mädchen dreht neugierig den Kopf. Der alte Mann bleibt regungslos vor dem Fenster stehen und starrt hinein.
„Was malst du denn da?“, fragt die Frau sanftmütig. „Ich weiß es noch nicht“, antwortet das Mädchen. „Meinst du, ich darf es mal sehen?“ „Ja.“ Die Frau setzt sich neben ihr auf die Treppe.

Schüchtern senkt die Kleine den Kopf. Die Frau rückt ganz nah an sie heran und wirft einen Blick auf den Zeichenblock. „Das hast doch nicht etwa du gemalt?“, fragt sie neugierig.
„Doch.“
„Nein. Also das kann ich nicht glauben!“
Das Mädchen schaut auf. Doch das Gesicht der Frau wirkt keineswegs verärgert. Nur Güte spiegelt sich darin. „Soll ich es zeigen?“, fragt sie nicht mehr ganz so schüchtern.
„Oh ja, bitte!“
Das Mädchen bemerkt, wie die Augen der Frau langsam feucht werden, entscheidet sich aber nicht danach zu fragen. Noch immer steht der alte Mann am Fenster und blickt wortlos hinein. Sie beginnt zu malen.
Sie gibt sich sehr viel Mühe, jetzt da jemand zu sieht. Die Augen der Frau wandern über den Zeichenblock. Das Mädchen wechselt einige Male die Farben. Alles soll seine Richtigkeit haben. Dann, als sie fertig ist, legt sie die Stifte beiseite und reicht der Frau den Block.

Erwartungsvoll beißt sie sich auf die Unterlippe und ist gespannt, was die alte Dame sagen wird. „Tatsächlich“, sagt diese schließlich, „das scheint mir das schönste Bild zu sein, das ich je gesehen habe.“
Das Mädchen freut sich sehr über das Urteil, unterdrückt ein stolzes Kichern. Die alte Frau inspiziert das Bild noch einige Augenblicke und gibt es ihr dann zurück. Sie zeigt auf den Block:
„Wer ist das?“
„Das bin ich.“
„Das hätte ich mir ja denken können. Ich habe dich fast nicht erkannt. Ich muss wohl zum Augenarzt oder was meinst du?“ Die Frau lächelt. Peinlich berührt lächelt die Kleine zurück.
„Ich wünschte ich könnte so schön malen!“
Ohne zu zögern, greift das Mädchen die Wachsmalstifte und reicht sie der Frau. Sie nimmt sie Stifte entgegen und sucht sich einen der Stifte aus. „Soll ich ein neues Blatt nehmen oder darf ich hier weitermalen?“ sie zeigt auf das Bild des Mädchens.

„Du kannst daneben weitermalen!“ Die Frau nickt erfreut und beginnt zu malen. Das Mädchen dreht seinen Kopf Richtung Küchenfenster.
Die Haltung des Mannes erscheint ihr seltsam. Seine Arme hängen schlaff an den Seiten herab. Er bewegt sich nicht. Seine ganze Konzentration liegt bei dem, was in der Küche vor sich geht.
Die Frau tippt das Mädchen an der Schulter an und gewinnt wieder deren Aufmerksamkeit.
„Hier!“
Sie reicht ihr den Block. Das Mädchen begutachtet das Werk der alten Frau. „Wer ist das?“, fragt sie und zeigt auf die Person, die nun neben ihrem Selbstporträt prangt, „bist das Du?“.
„Oh nein das bin nicht ich?“, antwortet die Frau leicht amüsiert.
„Wer dann?“
Die Frau beginnt zu überlegen. Sie rückt näher an das Kind heran. Warmes Sonnenlicht fällt ihr ins Gesicht und bringt ihre nassen Augen zum Glitzern.
„Das weiß ich noch nicht,“ antwortet sie liebevoll, „aber eines Tages lernst du ihn kennen. Und dann frägst du ihn einfach nach seinem Namen.“
„Und dann?“
„Dann wird er dich nach deinem fragen.“
Das Mädchen überlegt kurz. „Wohnt er hier in der Stadt?“
„Das wäre möglich,“ die Frau nickt, „vielleicht wohnt er aber auch ganz wo anders. Vielleicht wohnt er sogar in einem ganz anderen Land. Weit weg. Ohje, ich hoffe ihr sprecht dieselbe Sprache.“ Die Stimme der alten Dame wird geheimnisvoll. Sie zwinkert der Kleinen zu.

Wind kommt auf. Behutsam schaukelt er die grünen Blätter der Bäume umher und lässt die Lichtflecken tanzen. „Willst du das Bild?“, fragt sie die alte Frau. „Oh nein“, sie faltet die Hände und blickt das bemalte Papier sehnsüchtig an, „es ist dein Bild.“ Das Mädchen nickt.
Der Mann am Fenster gibt plötzlich einen merkwürdigen, verkrampften Laut von sich. Die Frau schließt die Augen. Zwei Tränen rinnen ihr die Wangen hinab. Doch das Lächeln behält sie bei.
Das Mädchen nimmt noch einmal einen der Wachsmalstifte an sich und schreibt ihren Namen über die Person, die sie darstellt.
„So ein schöner Name.“ spricht die Frau leise zu sich selbst.
„Wenn ich ihn getroffen habe, dann schreibe ich seinen Namen auch dazu!“, sagt das Mädchen.
„Ja. Ja das ist eine sehr gute Idee.“

Die Eingangstür öffnet sich und der Vater des Mädchens tritt heraus. Sie dreht sich zu ihm um. Sein Mund steht offen und er blinzelt öfters als wirklich notwendig. Sein Gesicht ist gerötet. In seiner Hand noch immer das Telefon, mit dem er eben Hilfe gerufen hat. Dann geht er ein paar Schritte und setzt sich neben seine Tochter.
„Alles gut Papa?“
„Alles okay mein Schatz. Alles okay.“
Er legt seinen Arm um das Mädchen und zieht sie an sich. Ihr Kopf ruht an seiner Brust. Er küsst sie auf die Stirn. Der Alkohol in seinem Atem sticht und beißt ihr in der Nase. Einer der Nachbarn tritt vorsichtig an den Zaun:
„Ist alles in Ordnung? Wir haben Schreie ...“
„Es ist alles in Ordnung!“, brüllt er und drückt sein Kind noch fester an sich. Das Mädchen blickt ahnungslos zu Boden.
„Papa hat dich lieb, okay?“
„Ja Papa.“
„Egal wo dein Papa ist. Dein Papa hat dich lieb. Auf ewig hab ich dich lieb, okay?“
Die Eingangstüre steht noch immer offen. Im Innern des Hauses herrscht Stille. Das Mädchen lauscht nach einem ihr bekannten Geräusch. Irgendeinem.
„Papa. Darf ich kurz rein?“ fragt sie. Seine Umarmung zieht sich weiter zu. „Bleib noch ganz kurz“, sagt er leise. Sie nickt. Immer mehr Menschen erscheinen an den Zäunen und Fenstern. Von weit her kündigen sich bereits die Streifenwagen an. Der Vater nimmt den Block seiner Tochter an sich.
„Das ist schön.“, sagt er und wischt sich über die tränenden Augen.
„Danke Papa.“
„Wer ist das da neben dir?“
„Ich weiß es noch nicht Papa. Ich treffe ihn erst noch.“


ENDE​

 

Hallo Cabal,

Großbuchstaben stören nicht nur das Bild, sondern sind auch überflüssig. Ausrufezeichen oder „... schreit er“, „... kreischt sie“ reichen vollkommen aus.

Möchtest du ein Wort besonders betonen („DU“, „DAS“), kannst du es besser kursiv schreiben oder mit Gänsefüßchen markieren.

Durch die vielen Absätze wird der Text zwar lesbarer, aber falsche Absätze sind auch nicht gut. Sie sind nur einzusetzen, wenn es einen Zeitsprung gibt oder der Ort gewechselt wird oder der Fokus auf andere Personen wechselt.

Beispiele für überflüssige Absätze (Es reicht ein Zeilenwechsel):

Um was sonst? Um was denn sonst noch?“

Er lehnt sich an den Türrahmen. „Was ist? Sag was?“ zischt sie ihn an. Ihre Hände zittern. Er schüttelt den Kopf: „Sag … Dann sag mir was ich tun soll?“

Diese beiden Absätze sind richtig:
A) Er zittert jetzt und atmet ungleichmäßig. Seine Hände ballen sich zu Fäusten.

Das kleine Mädchen geht an der Küche vorbei und verlässt das Haus. Sie schließt die Eingangstüre sanft hinter sich. Sie trägt Wachsmalstifte und einen Zeichenblock bei sich. Beides hält sie umklammert wie etwas, dass niemals verloren gehen darf.

B) „Ja. Ja das ist eine sehr gute Idee.“

Die Eingangstür öffnet sich und der Vater des Mädchens tritt heraus.


Fehlender Zeilenwechsel (Sprecherwechsel). Beispiele:
„DU HAST MICH GESCHLAGEN“, kreischt sie und krallt sich am Tisch fest, „du schlägst mich. Du schlägst mich und ... trinkst und ...“. (--> Punkt überflüssig)„Fang nicht damit an!“

Das Mädchen überlegt kurz. „Wohnt er hier in der Stadt?“ „Das wäre möglich,“ die Frau nickt,

Dichte Baumkronen vor dem Haus geben der Sonne die Möglichkeit, verspielte Lichtflecken auf das Grundstück zu werfen.

Sehr schön!

Ansonsten sind mir jetzt keine Fehler aufgefallen. Sorry, dass ich jetzt nur formale Dinge aufliste und nur einen Satz zum Inhalt sage: Er hat mir gefallen ☺

Viele Grüße,
GoMusic

 

Hallo GoMusic,

Danke dir für deine Rückmeldung und insbesondere für deine Mühe in Bezug auf die Absatzproblematik. Ich habe dies entsprechend korrigiert.

Auch die Großbuchstaben gehören der Vergangenheit an.

"Sorry, dass ich jetzt nur formale Dinge aufliste und nur einen Satz zum Inhalt sage: Er hat mir gefallen ☺"

Warum sorry? Ein Satz reicht doch völlig aus :) Hat mich jedenfalls gefreut das dir der Inhalt zugesagt hat.

Grüße

 

Hallo Cabal,

Wenn doch nur jedes Mal, wenn im Leben eines Kindes etwas Entsetzliches passiert, die beiden Engel erschienen und bei ihm wären, ein bisschen Hoffnung für die Zukunft bringen, Anteil nehmen, es für einen Moment abschirmen würden und bezeugen, was passiert.
Und vielleicht gibt es diese Engel auch als Kräfte in den Kindern selbst, die Entsetzliches überleben.

„Der beste Schutz für die verletzte Seele,
ist die fehlende Erinnerung.“

-Horst Reiner Menzel


Deine Geschichte ist wirklich ergreifend.

Die Eingangstüre steht noch immer offen. Im Innern des Hauses herrscht Stille. Das Mädchen lauscht nach einem ihr bekannten Geräusch. Irgendeinem.
„Papa. Darf ich kurz rein?“ fragt sie. Seine Umarmung zieht sich weiter zu. „Bleib noch ganz kurz“, sagt er leise.

Das ist sehr stark.

Du schilderst die abgrundtiefe Verzweiflung der Eltern überzeugend, sie treiben unweigerlich auf die Katastrophe zu und dagegen setzt du noch einen Moment lang dieses friedliche Bild.


Hat mir gut gefallen, deine Geschichte.

Liebe Grüße, Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

„Was du gerade gesagt hast, hab ich dich gefragt.“
„Du kämpfst für nichts!“, ihre Stimme überschlägt sich, es ist alles weg, alles.“
Er hebt die Zigarettenschachtel auf und steckt sie sich in die Hosentasche. „Was willst du dann eigentlich von mir?“ Er baut sich vor dem Küchentisch auf. Sie antwortet nicht, kämpft wieder mit den Tränen.
„Was willst du dann von mir?“, schreit er und schlägt eine Kaffeetasse vom Tisch. Sie zerspringt an der Wand. Noch mehr Scherben. Sie putzt sich die Nase:
„Du trinkst!“
„Hör auf!“
„Du hast mich ...“
„Hör auf!“
„Du hast mich geschlagen“, kreischt sie und krallt sich am Tisch fest, „du schlägst mich. Du schlägst mich und ... trinkst und ...“.
„Fang nicht damit an!“

Also das ist schon eine sehr starke Geschichte, Cabal. Zwar ist sie sowohl thematisch als auch stilistisch ganz anders als dein Debüttext, aber wirklich gut. Sehr szenisch, sehr dialoglastig, fast filmisch, möchte ich sagen. Und die Handlung …, nun ja, ich will's mal so sagen, man müsste schon ein echt hartgesottener Dreckskerl sein, um beim Lesen keine Gänsehaut zu kriegen.
Im Grunde ist es ja leider ein ganz alltägliche Situation: ein trinkender, gewalttätiger Mann, seine verzweifelte Frau, also eine ganz gewöhnliche Ehehölle, wie es sie wohl zu Millionen gibt, und dem gegenüber steht die Unschuld der kleinen Tochter, ihre Liebe zu den Eltern, ihr naiver, rührender Glaube an das Wunder der Welt.

Die Rolle der beiden alte Leute, die dann auftauchen, wird durch den Titel ja eindeutig festgelegt, aber ich denke, für mich hätte die Geschichte auch ohne den erklärenden Titel und den dadurch evozierten metaphysischen Überbau funktioniert.
Ich könnte mir nämlich durchaus vorstellen, dass das Kind schon derart traumatisiert ist, dass die beiden Figuren reine Fantasieprodukte von ihm sind, es sich quasi seine persönlichen Schutzengel imaginiert. Ein reiner Schutzmechanismus seines armen Gehirns, um der tristen Realität zu entfliehen …

Eine zutiefst verstörende Geschichte ist dir da gelungen, Cabal, die wohl jeden, auch wenn er keine eigenen Kinder hat, mit einem Kloß im Hals zurücklässt.

So viel zum Positiven. Und jetzt geht’s mit dem gnadenlosen offshoreschen Gemeckere los, weil für mein Gefühl gibt's da noch genug zu verbessern:

Er schlägt seine Faust so feste auf den Tisch, dass dieser zu krachen droht.
Meinst du krachen im Sinne von zusammenkrachen? Das Verb krachen alleine beschreibt für mich eher ein Geräusch.
Und feste klingt mir etwas zu umgangssprachlich.

Kaffe [Kaffee] ergießt sich über den Frühstückstisch.

„Ich mach doch schon alles, was ich kann.“ schreit er. [kein Punkt vor dem Anführungszeichen, sondern danach ein Komma, weil es mit einem Redebegleitsatz weitergeht] Sie springt von ihrem Stuhl auf. „Nichts! Nichts machst du. Was glaubst du eigentlich, wie lange wir das hier noch durchstehen?“ [Komma] tobt sie und gestikuliert wild mit den Händen.

„Verstehen? Ob ich was verstehe?“, wütend [kein Komma, Wütend] fegt er die Zigarettenschachtel vom Küchentresen, „ich [Punkt statt Komma, „Ich …] kämpfe um euch, verfluchte Scheiße, und du siehst es einfach nicht!“

„Was ist? Sag was?“ zischt sie ihn an. [„Was ist? Sag was“, zischt sie ihn an.]

usw.


Mehr will ich auf die vielen Zeichensetzungsfehler bei der direkten Rede gar nicht eingehen. Ich empfehle dir einfach, dir die entsprechenden Regeln einmal anzuschauen. Sie sind wirklich denkbar einfach und nicht schwer zu kapieren.

Kaffee fließt langsam über das Wachstuch, welches als Tischdecke dient.
Welche Familie. [Fragezeichen] Da gibt es nichts mehr ...“
Den Relativsatz solltest du ersatzlos streichen (Besser: Kaffee fließt langsam über das Tischtuch/die Tischdecke.) Dadurch ersparst du dir auch die unnötige Wortwiederholung.

… etwas bedrohliches [Bedrohliches] breitet sich in seiner Stimme aus,

Beides hält sie umklammert wie etwas, dass [das] niemals verloren gehen darf.

Sie nimmt einen Neuen [neuen] aus der Schachtel und beginnt zu malen.

Die alte Frau bleibt vor ihr stehen. Der alte Mann jedoch schreitet an ihr vorbei. Er geht die Treppe hoch und bleibt vor dem Fenster neben der Eingangstüre stehen. Es ist das Fenster zur Küche. Das Mädchen dreht neugierig den Kopf. Der alte Mann bleibt regungslos vor dem Fenster stehen und starrt hinein.
Das ginge eleganter.

Das Mädchen bemerkt, wie die Augen der Frau langsam feucht werden, entscheidet sich aber [Komma] nicht danach zu fragen.

Sie gibt sich sehr viel Mühe, jetzt da jemand zu sieht [zusieht].

Ohne zu zögern, greift [besser: ergreift, oder greift nach (den)…] das Mädchen die Wachsmalstifte und reicht sie der Frau. Sie nimmt sie Stifte entgegen und sucht sich einen der Stifte aus. „Soll ich ein neues Blatt nehmen oder darf ich hier weitermalen?“ sie [Sie] zeigt auf das Bild des Mädchens.

Das Mädchen dreht seinen [besser: den] Kopf Richtung Küchenfenster.

Die Frau tippt das Mädchen an der Schulter an und gewinnt wieder deren Aufmerksamkeit.
Tja, das leidige Problem mit dem Genus des Mädchens. Dieses Problem zieht sich konsequent durch deinen ganzen Text …

Das kleine Mädchen geht an der Küche vorbei und verlässt das Haus. Sie schließt die Eingangstüre sanft hinter sich. Sie trägt Wachsmalstifte und einen Zeichenblock bei sich.

Er legt seinen Arm um das Mädchen und zieht sie an sich. Ihr Kopf ruht an seiner Brust. Er küsst sie auf die Stirn.

usw.


… und ehrlich gesagt kann ich dir jetzt gar keinen allgemeingültigen Rat geben, wie du das vermeiden könntest. So wie du es momentan handhabst, ist es halt nicht nur grammatisch falsch, sondern stellenweise klingt es auch falsch und schafft obendrein vermeintlich falsche Bezüge. Hier zum Beispiel:

Die Eingangstür öffnet sich und der Vater des Mädchens tritt heraus. Sie dreht sich zu ihm um.
Die alte Frau oder das Mädchen?
Eventuell könntest du der Kleinen von Anfang an einen Namen geben. Oder sie hin und wieder als „das Kind“ bezeichnen, wo dann in der Folge das sächliche Genus zwingend wäre.
(Falls es dich interessiert, du bist nicht der erste und einzige, der mit diesem Problem zu kämpfen hat.)

„Oh nein [Komma] das bin nicht ich?“, antwortet die Frau leicht amüsiert.

„Alles Okay mein Schatz. Alles okay.“
Könntest du dich bitte für eine Schreibweise entscheiden?

Und noch was Grundsätzliches zur Formatierung der Dialoge. Stellenweise ist sie tadellos, mit korrekten Zeilenumbrüchen, usw., aber dann wieder wirfst du die Dialogzeilen wie Kraut und Rüben durcheinander. Ich will da jetzt gar nicht großartig schulmeistern, sondern dir einfach empfehlen, dich selber schlau zu machen, wie das üblicherweise gemacht wird. Schnapp dir einfach ein Buch mit vielen Dialogen und schau dir an, wie das die Profis machen. Bei dir wirkt es momentan noch etwas inkonsistent.


offshore

 

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