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Engelswelt

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10.11.2009
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Engelswelt

Joleen zitterte am ganzen Leib, als sie auf dem verschneiten Pfad erwachte. Langsam öffnete sie die Augen und erblickte zu allererst die hohen Tannen zu ihrer Rechten und Linken. Der Pfad lag wie ausgestorben da. Ihr war nicht bewusst, wie sie hier her gekommen war. Nur eine blasse Erinnerung schoss ihr durch den Kopf. Dunkelheit, ein greller Lichtstrahl, dann ein stechender Schmerz. Sonst war alles wie ausgelöscht. Sie fühlte sich benommen, versuchte allerdings aufzustehen. Doch dieser Versuch wurde durch ihren Körper, der einen einzigen Schmerz darstellte, vereitelt. Unter großer Anstrengung kroch sie schließlich unter die Tannen, um ein wenig Schutz zu haben. Panik ergriff sie, als sie sah wie Blut in den Schnee tropfte. Geistesgegenwärtig fasste sie sich an die Stirn, dann betrachtete sie ängstlich ihre blutverschmierten Hände. Bald vernahm Joleen das Wiehern eines Pferdes. Das Traben des Tieres näherte sich ihrem Versteck. Vorsichtig lugte sie unter den Tannen hervor und erblickte den Reiter. Er war nicht sehr groß, trug einen schwarzen Mantel und seine Füße steckten in Reitstiefeln. Er wirkte eher wie ein Kind. Es war womöglich ein kleiner Junge, der gerade einen winterlichen Ausritt genoss. Gefährlich wirkte er nicht. Langsam und vor Schmerz stöhnend, zog Joleen sich wieder hinaus auf den Weg. Sofort zügelte der Reiter sein Pferd und sprang in den Schnee. Eine kleine weiße Wolke stob in die Luft. Geschickt eilte er über den glatten Pfad zu dem Mädchen, das hilflos dort lag. Er nahm den Helm von seinem Kopf. Und tatsächlich, das Gesicht eines Jungen kam zum Vorschein. Seine Haare waren kurz und lockig und auf seiner Nase prangten abertausende Sommersprossen. Er mochte 15 Jahre alt sein. Besorgt beugte er sich hinab.
„He du! Was ist mit dir geschehen?“
Joleen blickte ihn an und seufzte.
„Ich weiß es nicht.“
„Du weißt es nicht?“ Der Junge brach in schallendes Gelächter aus, als er jedoch bemerkte, dass Joleens Worte keinen Spaß darstellen sollten, verstummte er schnell.
„Du weißt tatsächlich nicht, was passiert ist.“ stellte er trocken fest, „mein Name ist übrigens Tarok und du bist…?“
„Joleen, mein Name ist Joleen.“
„Ein ungewöhnlicher Name. Wie dem auch sei. Ich werde dich mitnehmen, wenn du das möchtest.“
Joleen nickte eifrig.
„Kannst du aufstehen?“
„Nein, ich habe starke Schmerzen.“
Tarok nickte. Er beugte sich erneut hinab und tastete behutsam ihren Körper ab. Ein unglaublicher Schmerz durchfuhr Joleen. Sie schrie laut auf. Eine kurze Weile betrachtete er besorgt ihre Kopfwunde. Dann hob er vorsichtig ihren Kopf an und ließ einen wehleidigen Zischlaut vernehmen.
„Was ist los?“ fragte sie panisch.
„Nichts.“ Tarok lächelte ermutigend, „keine Sorge.“
Erleichtert lehnte Joleen sich zurück und versuchte sich zu entsinnen was geschehen war. Vergeblich. Es schien als habe ihr jemand eine Droge eingeflößt, die sie vergessen ließ. Tarok hatte sich mittlerweile von seinem Schrecken erholt. Vorsichtig hob er Joleen aus dem Schnee und setzte sie behände auf das Pferd. Schweigend nahm er die Zügel. Dann trottete er nachdenklich neben dem Pferd her während Joleen ihn betrachtete. Taroks Gesichtszüge waren markant. Über seiner linken Augenbraue war eine breite Narbe zu sehen. Ansonsten war seine Haut zart und glühte rötlich aufgrund der Kälte. Sein Körper war nicht der eines Jungen seines Alters. Er war muskulös und hatte breite Schultern. Seine Hüften hingegen waren schmal und mit vielen verschiedenen Waffen behangen. Die Beine waren kurz und bis zu den Knien in schwarze Stiefel gehüllt. Es schien als sei Tarok ein Krieger, der sich nun auf die Heimreise gemacht hatte. Joleen schüttelte diesen Gedanken wieder ab. Wer würde schon einen Jungen wie ihn in den Krieg schicken?
Dies war der letzte Gedanke dem sie nachhing, bevor ihr Magen sich drehte und ihr Kopf schrecklich zu schmerzen begann. Schließlich sackte sie in dem Sattel des Pferdes zusammen. Tarok rief noch ihren Namen, dann verschwamm die Landschaft und es wurde um Joleen herum dunkel.
Ihre Augen waren geschlossen, dennoch konnte sie hören was um sie herum geschah.
„Oh je, was ist mit diesem armen Mädchen geschehen?“ vernahm sie nach einer Weile eine glockenhelle, liebevolle Frauenstimme. Starke Arme hoben sie von dem Pferd und es waren nicht die von Tarok.
„Ich weiß es nicht.“ antwortete dieser wahrheitsgemäß, „kannst du ihr helfen, Tarina? Reicht deine Heilkunst für solch schlimme Verletzungen aus?“
„Ich werde sehen was sich machen lässt.“ Joleen bemerkte wie sie eine Weile getragen und schließlich auf ein weiches Lager gebettet wurde. Es verging eine weitere Weile, dann spürte sie wie jemand ihren geschundenen Körper mit kühlenden Umschlägen versah. Es war die Frau namens Tarina. Joleen erkannte ihre Stimme, da diese merkwürdige Worte vor sich hin summte. Nachdem die Heilerin ihre Arbeit vollbracht hatte, seufzte sie.
„Mehr kann ich nicht tun, mein lieber Junge. Alles Weitere liegt in den Händen des Schicksals.“
„Ich hoffe nur sie wird genesen. Ich werde für sie beten.“ sagte Tarok. Nach diesen Worten klappte eine Tür und es wurde still. Joleens Leib brannte wie Feuer. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrieen, doch das ging nicht. Sie hoffte inständig, dass Tarina wusste was sie tat. Nach dem Feuer, folgte Eiseskälte. Ihr Körper schien einzufrieren. Nachdem einige Zeit verstrichen war legte sich eine wohlige Wärme über ihren Körper. Allmählich übermannte sie eine große Müdigkeit. Joleen versuchte sich gegen dieses Gefühl zu wehren, aus Angst nicht mehr aufwachen zu können. Als sie spürte, dass es keinen Sinn machte sich zur Wehr zu setzen, ließ sie es zu.

„Joleen, wach auf.“ Taroks Stimme erklang. Sie spürte wie er seine Hand sanft auf ihre Stirn legte. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen.
„Ich bin so froh.“ Tarok fiel ihr um den Hals und lächelte liebevoll, „ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht.“
„Aber du kennst mich doch nicht.“
„Ich kenne viele Menschenkinder, “ nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, „und du bist das erste seit langem, das überlebt hat.“
Joleen runzelte die Stirn. Sie betrachtete Tarok aufmerksam. Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Junge spitze Ohren hatte und ein katzenhaftes Gesicht. Sie riss den Mund weit auf.
„Du bist ein Elf… aber… aber… was hat das zu bedeuten?“
Tarok lächelte.
„Du bist in Elves-Heaven.“
„Ich verstehe nicht.“
„Fühlst du dich stark?“
„Ja. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag es mir bitte.“
„Warte.“ Tarok sprang auf und verließ den Raum. Wenig später trat eine Elfenfrau durch die Tür. Ein sanfter Schimmer lag über ihr. Ihre goldenen Locken waren eine bezaubernde Pracht. Sie hatte ein gutmütiges Gesicht in dem himmelblaue Augen leuchteten. Mit katzenhaften Bewegungen kam sie auf Joleen zu. Sie lächelte ebenso liebevoll wie Tarok. Es war Tarina. Sie stand schweigend da, bis ein Elfenmann mit einem klapprigen Gefährt hereinkam. Es war ähnlich einem Rollstuhl. Behutsam hob der Elfenmann sie aus dem warmen Lager in das alte Klappergestell. Er wickelte ihre Beine in eine Decke ein.
„Schieb sie ruhig, Suirám.“ sagte Tarina.
Schon ging die Fahrt los. Vor der Zimmertür war ein lang gestreckter Gang. Hier und da waren breite, große Fenster zu sehen, aus denen ein schummriges Licht fiel. Vor dem ersten Fenster, das sie passierten, machte Suirám Halt. Er schob Joleen so nah an die Fensterscheibe heran, dass sie beinahe mit der Nasenspitze davor stieß.
Dahinter war ein Raum zu sehen. Ein kleiner Junge lag in einem Bett. Er wälzte sich unruhig hin und her. Schweißperlen rannen ihn über die Stirn. Seine Arme waren eine einzige Kruste und auch an seinem Hals wurde eine Kruste sichtbar. Erschrocken betrachtete Joleen den Jungen. Schließlich wandte sie ihren Blick ab.
„Das ist Russel. Er ist seit einem Monat eurer Zeitrechnung bei uns. In eurer Welt liegt er im Koma und nur wir sind in der Lage ihm zu helfen. Das Haus seiner Eltern begann zu brennen. Sie konnten ihm nicht helfen. Erst die Männer von der Feuerwehr konnten ihn aus der Flammenhölle retten. Er wird es womöglich nicht schaffen. Gegen derartige Verletzungen bin selbst ich machtlos, dennoch geben wir die Hoffnung nicht auf.“
Erschrocken riss Tarina die Augen auf. „Nein! Russel!“ Joleen blickte erneut in den Raum. Die Elfenfrau rannte hinein, dicht gefolgt von einigen anderen Elfen, die ihren Aufschrei gehört hatten. Joleen sah, wie ihn ein weißes Licht ergriff, an ihm zerrte und langsam fort trug. Tarinas Augen füllten sich mit Tränen und sie sah hilflos zu. Dann war der kleine Junge verschwunden. Einen Moment saß die Elfenfrau an seinem Bett, dann stand sie mit gesenktem Haupt auf und trat wieder hinaus.
Suirám legte tröstend den Arm um ihre Schulter.
„Er ist nun nach Angels-Heaven gegangen. Die endgültige Welt… von dort wird er nie wieder den Weg zu eurer Welt finden.“
Joleen senkte den Blick und begann leise zu weinen.
Suirám wartete einen Augenblick, bis sie sich wieder beruhigt hatte und schob dann den Rollstuhl weiter, vor das nächste Fenster.
„Das ist Fin. Sie ist von einem Kampfhund angegriffen worden. Ihre Beine sind vollkommen zerbissen. Ich hoffe meine Arznei genügt um ihr den Weg zurück auf die Erde zu ebnen.“
Tarina lachte bitter auf.
„Tag für Tag müssen wir dieses Leid ertragen. Umso schöner ist es hin und wieder ein Wunder zu erleben. Eines dieser Wunder bist du, Joleen.“
„Was ist Elves-Heaven?“ fragte diese wissbegierig.
„Eine Zwischenwelt. Sie verbindet die Erde mit Angels-Heaven, dem Ort der ruhenden Seelen. Wir haben einen Pakt mit den Engeln geschlossen. Sie geben uns einen Monat eurer Zeitrechnung, um Kindern die Chance zu geben weiterzuleben. Ist diese Zeit abgelaufen, so werden die Kinderseelen von dem Engelslicht, das Licht das du gerade bei Russel gesehen hast, fort getragen.“
„Aber das war doch sein Körper.“
„Nun, in unserer Welt, wandelt sich die Seele in den Körper, nur so können wir Verletzungen feststellen und die passenden Arzneien herstellen. Geht die Seele zurück auf die Erde oder zieht sie weiter nach Angels-Heaven so verwandelt sich der Körper wieder zurück.“
„Was ist mit mir geschehen?“
„Du hattest einen schweren Fahrradunfall. An deinem Vorderlicht war ein Wackelkontakt. In dem Moment als es ausging kam ein Auto auf dich zu und ergriff dich. Du bist über das gesamte Auto gefallen und hart auf dem Boden aufgeschlagen. Dann bist du bewusstlos geworden. Du hast eine schwere Kopfverletzung.“
„Und was ist nun mit mir?“
„Oh, hab keine Angst. Tarok wird dich wieder in deine Welt führen. Du hast es geschafft, mein liebes Mädchen.“
Joleen strahlte, während Tarina ihr zu zwinkerte.
„Gibt es solch einen Ort nur für Kinder?“
„Aber nein, für Erwachsene gibt es ebenfalls solch einen Ort.“
Joleen atmete tief durch, als sie an ihre vor kurzer Zeit verstorbene Großmutter dachte.
„Und was ist wenn die Menschen durch einen natürlichen Tod sterben?“
Tarina lächelte.
„Dann gibt es keinen Grund den Menschen bei uns aufzunehmen.“
Suirám machte nach diesen Worten mit dem Rollstuhl kehrt und schob Joleen zurück auf ihr Zimmer. Als sie wieder auf dem weichem Bett lag, sagte sie:
„Kannst du Tarok schicken?“ Tarina nickte, dann bedeutete sie Suirám den Raum zu verlassen. Für einen kurzen Augenblick war Joleen allein. Als Tarok auftauchte, blickte sie ihn dankend an. Er errötete.
„Darf ich dich etwas fragen?“
„Natürlich.“ Der Elfenjunge setzte sich auf den Bettrand und ergriff ihre Hand. Joleen ließ es zu.
„Warum wissen die Menschen nicht von euch?“
„Wenn die Menschen wüssten, dass wir dies tun, geschweige denn, dass wir wirklich existieren, dann würden sie viele Hoffnungen in uns setzen. Würden wir ihre Hoffnungen enttäuschen, so wären wir geächtete Wesen. Und wenn die Menschen ihren Glauben an uns verlieren würden, so könnten wir niemanden mehr helfen.“
„Aber es glauben nicht viele Menschen an euch.“
„Aber die, die Bücher und Erzählungen von uns verschlingen, halten uns für starke Wesen mit wundersamen Fähigkeiten. Das macht ja auch Tarinas heilende Kraft aus. Nun gut, ich erkläre es dir anders. Je weniger Menschen sich für uns interessieren, umso schwächer und überflüssiger wären wir.“
„Jetzt verstehe ich. Und wie komme ich nun zurück?“
Tarok grinste breit.
„Schließ die Augen, drück meine Hand und wünsche dir von ganzem Herzen zurück zu kommen.“
Joleen tat es, wie Tarok es ihr erklärt hatte. Sie spürte wie sie vom Bett abhob und ihre Hand sich von Taroks Hand löste. Es war ein kurzer Flug. Wenig später spürte sie wieder ein weiches Bett unter sich.
Vorsichtig öffnete sie ihre Augen. Sie blickte in das Gesicht ihrer Mutter. Mrs. Carrigan lächelte und schloss ihre Tochter freudig in die Arme. Sie blickte gen Himmel und flüsterte leise: „Danke.“
Joleen flüsterte ebenfalls:
„Danke Tarina, danke Tarok, danke Suirám.“
Vor ihrem inneren Auge sah sie die drei Elfen winken.
„Gern geschehen. Pass auf dich auf, Joleen.“ sagte Tarok.
Dann verschwanden sie und Joleen wusste, dass sie viel zu tun hatten. Sie schwor sich von nun an zu beten, für all die Seelen die Elves-Heaven noch betreten würden.

 

Konstruktive Kritik ist der beste Freund eines Autoren. Vielen Dank schon einmal im Voraus. :)

 

Hey Elfaron!

Schöne Atmosphäre am Anfang, und du hältst die Spannung recht gut, weil man nicht erfährt, was nun mit der Protagonistin passiert ist. Der Mittelteil war mir zu lang, ebenso das Ende. Da reicht die Spannung nicht mehr aus, vor allem, nachdem ja klar ist, dass sie überlebt hat. Vielleicht könntest du noch ein paar Erinnerungen einbauen, oder sie früher einbauen, damit man als Leser als nächstes darauf gespannt ist, wo sie denn nun eigentlich gelandet ist.

Das Ende dann ist recht pathetisch und mag mir nicht gefallen. Überhaupt verändert sich der Ton der Geschichte. Am Anfang war vieles klar. Die Szenen waren vorstellbar und schön beschrieben. Aber am Ende dann, als sich das vermischte, wurde es fransiger, und ich hatte den Eindruck, dass du am Anfang lange geschrieben hast (oder zumindest mit mehr Herz dabei warst), als im Mittelteil oder am Ende.

Deine Protagonistin bleibt flach ... sie tut ja selber nicht viel, das ist wohl der Grund. Es passiert ja immer nur was mit ihr. Sie hat weder Rätsel zu lösen, noch muss sie sich retten, noch muss sie atmen oder essen. Und in dem Maße, in dem deine Protagonistin nur Zuschauerin ist, fühle ich mich ebenfalls nur als Beobachter.

Ich würde auch das Angels- und Elves- und das Heaven durch etwas Nicht-Englisches ersetzen. Deutsch ist doch eine schöne Sprache. Und ansonsten bleiben dir immernoch Fantasygerechte Namen dafür.

Die Idee gefiel mir sehr gut. Elfen im Jenseits. Engel einen Schritt weiter. Mit ein Bisschen mehr Pfeffer könnte das noch hübscher werden. :)

Kleinkram:

„Du weißt tatsächlich nicht, was passiert ist“, stellte er trocken fest. „Mein Name ist übrigens Tarok und du bist…?“

Dann trottete er nachdenklich neben dem Pferd her, während Joleen ihn betrachtete.

Joleen bemerkte wie sie eine Weile getragen und schließlich auf ein weiches Lager gebettet wurde. Es verging eine weitere Weile, dann spürte sie wie jemand ihren geschundenen Körper mit kühlenden Umschlägen versah.

Bis bald,
yours

 

Hallo yours truly!
Vielen Dank für deine ehrlich Meinung, ich werde deine Ratschläge für meine nächste Geschichte beherzigen.
:D

 

Hey Elfaron!

Warum nicht gleich bei dieser hier? Da hast du zumindst schon eine Idee und ein Grobgerüst. Man könnte was draus machen.

Bis bald,
yours

 
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Moikka Elfaron,

hui, fast hätte ich vor lauter Zuckerguß die Torte nicht gefunden. :D

Es gibt beim Schreiben verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten: Du gibst den Lesern viel vor, was aber eine für uns nicht unbedingt nachvollziehbare Sicht und damit vage ist: sanft, hilflos, wunderschön, bezaubernd etc pp. Du sollest eher versuchen, uns etwas zu zeigen, was dann solche Interpretationen auslöst (auslösen könnte). So läßt einen das kalt.

Kann yours nur zustimmen: Dieser Text könnte sehr gut eine Überarbeitung vertragen. Dabei lernt man als Schreibender auch mehr.

Ich hatte extreme Probleme mit der Nachvollziehbarkeit - auch wenn wir hier in Märchen/Fantasy sind, muß die innere Logik doch stimmen. Ich geh das mal chronologisch durch: es liest sich nämlich, als hättest Du Dich von Einzelbildern/-emotionen zu sehr mitreißen lassen, und selbst den Faden für die Handlung aus den Augen verloren.

Unter großer Anstrengung kroch sie schließlich unter die Tannen, um ein wenig Schutz zu haben.
Suggeriert, sie wird noch verfolgt. Warum sonst sollte sie vom Weg wegkriechen, obwohl sie so starke Schmerzen hat? Sie würde sonst jegliche Bewegung und Anstrengung vermeiden.
Gefährlich wirkte er nicht. Langsam und vor Schmerz stöhnend, zog Joleen sich wieder hinaus auf den Weg.
Hm, gute Wahrnehmungsfähigkeit bei einem solchen Verwirrungs- und Schmerzzustand. Ok, dann ist er klein - und nur deshalb nicht gefährlich? Sie kriecht zurück - also will sie eher Hilfe, und wird nicht verfolgt. Er könnte doch genau der Täter sein, sie hat ja keine Erinnerung, wie Du sagst.
Dieses Hin- und Hergekrieche zieht die Szene für mich ins absurd-lächerliche, und trägt eigentlich auch nichts Handlung bei.

„Du weißt es nicht?“ Der Junge brach in schallendes Gelächter aus, als er jedoch bemerkte, dass Joleens Worte keinen Spaß darstellen sollten, verstummte er schnell.
"darstellen" ist hier ein bißchen unständlich. Er erkennt das an ihren Worten? Also: da liegt mitten im Winter eine schwache, offenbar blutende Frau auf dem einsamen Waldweg, verwirrt, ohne Gedächtnis. Und er macht Scherze? Wie kann er die Lage so falsch einschätzen? Weiter unten heißt es doch auch:
„Oh je, was ist mit diesem armen Mädchen geschehen?“ vernahm sie nach einer Weile (...) „kannst du ihr helfen, Tarina? Reicht deine Heilkunst für solch schlimme Verletzungen aus?“
Für die Frau scheinen die Verletzungen auf den ersten Blick ersichtlich zu sein.

jemand ihren geschundenen Körper mit kühlenden Umschlägen versah.
Echt? Das Mädchen müßte völlig unterkühlt sein, und da kommen noch kühlende Umschläge drauf? Das meinte ich, daß Du sich mEn zu sehr von isolierten Einzelbildern hast leiten lassen, und das am Ende nicht nachgeabeitet hast.

Was mich stört: Es gibt ja die Möglichkeit, hier eigene Wesen zu erschaffen, mit ihren Eigenheiten, Aussehen, einem Namen. Du mixt aber zwei bestehende, die so nicht zusammenpassen - da frage ich mich als Leser, was mir das genau sagen soll. Hier versuchst Du mE, über Bestehendes um Eigenes herumzukommen, und verläßt Dich auf die Wirkung fremder Klischees. Elfen sind Naturgeister, und ambivalent, Menschen nicht unbedingt wohlgesonnen - vor allem, wenn Du die story im angelsächischen Raum ansiedelst! Diese Vorstellung süßer, winziger Mädels im dünnen Nachthemdchen, mit spitzen Öhrchen, Libellenflügeln und so hat damit nichts zu tun, kommt aus der Kitschkunst des 19. Jahrhunderts. Engel, naja, sind wohl ne ganz andere Schiene, und das wird hier fröhlich verquirlt. Mach doch ein stimmiges, eigenständiges "Volk" daraus, dann wird das alles auch runder.

Nebenher noch das:

Doch dieser Versuch wurde durch ihren Körper, der einen einzigen Schmerz darstellte, vereitelt.
Klingt zu umständlich. Darstellt, vereiteln ist auch so'ne Bürokratensprache, Bruch zum kitschigen Rest.
Das Traben des Tieres näherte sich ihrem Versteck.
Hieße, das Traben nähert sich, aber ohne das dazugehörige Pferd.
"Ich werde dich mitnehmen, wenn du das möchtest."
Na, sie liegt verletzt auf'm Weg, das hört sich an, als frage er eine Spaziergängerin im schönsten Sonnenschein, ob ein Auto nicht vllt bequemer wäre. Was soll sie dazu sagen? "Nein danke, ich find deinen Gaul blöd, und verrecke hier ganz gern allein in der Kälte?" :susp:
und sprang in den Schnee. Eine kleine weiße Wolke stob in die Luft.
Nee, das passiert sicher nicht - ist das Bild aus einem Anime/Manga entlehnt? So klingt es nämlich.

Eigenartig finde ich Deine detaillierten Beschreibungen, wo man nun Handlung erwartet - wie der Typ aussieht, was sie über sein Aussehen denkt. Ist viel zu viel, unpassend. Ebenso unpassend empfinde ich den Wechsel von edlem Roß zum Rollstuhl, Heilerin, Krankenhaus, Fahrradunfall, Himmel, Hilfe! Die Sache mit dem Beten haut ganz schön rein, also, soviel Pathos kann mE nichtmal Fantasy vertragen.

Insgesamt wie gesagt, ein unglaublich hohes Kitschlevel, hier einige wenige Stellen als Bsp:

Geschickt eilte er über den glatten Pfad zu dem Mädchen, das hilflos dort lag.
vernahm sie nach einer Weile eine glockenhelle, liebevolle Frauenstimme.
Joleen sah, wie ihn ein weißes Licht ergriff, an ihm zerrte und langsam fort trug. Tarinas Augen füllten sich mit Tränen und sie sah hilflos zu
Also: da kann niemand einfach gehen, das muß leichtfüßig, vorsichtig, eilig etc sein. Es kann niemand sprechen, ohne dies mit heller, sanfter, beruhigender, panischer ... Stimme zu tun. Das kannst Du in jeden Satz dreimal rausholen, und hättest noch genug Beschreibungen drin.

Dann klar, immer die bösen Kampfhunde. :drool: Passiert ja auch am laufenden Band. Woa, nee. Autos killen mehr Leute. (Wenn Hund, dann Schäferhund - der treue Freund und Beschützer des Menschen greift um ein vielfaches öfter an, als "Kampfhunde".)

Warum ist das erst ein Elves-Heaven, dann ein Angels-Heaven, und nicht überhaupt der Elfen/Engelshimmel? Wenn es engl bleibt, fehlen Apostrophe und der Bindestrich muß raus, so wie z.B. in Hell's Angels.

Also, vllt ist dies ja doch ein Anreiz, Dich des Textes nochmals gründlich anzunehmen - selbst wenn Du es so romantisch beibehalten willst, gibt es noch genügend Ansätze.

Heippa hei,
Katla

 

Sie würde sonst jegliche Bewegung und Anstrengung vermeiden.

Wenn man sich fürchtet, dann versteckt man sich, auch wenn man Schmerzen hat. Das ist biologisch veranlagt.


Für die Frau scheinen die Verletzungen auf den ersten Blick ersichtlich zu sein.

Eine der Verletzungen ist am Hinterkopf. Sie stellt ihre Frage demnach, weil sie diese Verletzung gesehen hat.


Echt? Das Mädchen müßte völlig unterkühlt sein, und da kommen noch kühlende Umschläge drauf?

Sie lag schon eine Weile auf dem "warmen Lager".


Elfen sind Naturgeister, und ambivalent, Menschen nicht unbedingt wohlgesonnen - vor allem, wenn Du die story im angelsächischen Raum ansiedelst! Diese Vorstellung süßer, winziger Mädels im dünnen Nachthemdchen, mit spitzen Öhrchen, Libellenflügeln und so hat damit nichts zu tun, kommt aus der Kitschkunst des 19. Jahrhunderts.

Was du hier beschreibst sind Feen.


Danke für deine ehrliche Antwort, manche Dinge sollte ich tatsächlich noch einmal überdenken.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moi Elfaron nochmals,

ach so, dann hatte ich durch die Dramatik ihre Verletzungen zu schwer eingeschätzt; es gibt ja ein Level, an dem man nichtmal mehr die Hand heben könnte, geschweige denn sich ein sicheres Plätzchen suchen.

Entschuldige, ich hab mich unklar ausgedrückt: wollte es nicht kompliziert machen, und hatte Deine falsche Übersetzung übernommen.
Die korrekte Übersetzung vom engl. Elf ist nicht Elf, sondern Elb (auch wenn in Wörterbüchern beides steht, dazu s.u.).
Eine „Gattung“ Naturgeister zu denen u.a. auch der Alp/Nachtmahr und Erdmänner gehören. Die hatte ich beschrieben; denn darauf stützt sich eindeutig Dein Bild hier, primär.

Der deutsche Elf gehört nicht in den traditionellen Volksglauben, sondern ist eine unkorrekte Übersetzung aus dem Englischen (wie auch ebenso falsch aus nordischen Sprachen), die sich durch einige deutsche Dichter des 18.Jh. eingebürgert hat, und daher heute nicht mehr als fehlerhaft bemerkt wird. Diese ‚Elfen’ haben jedoch mehr Ähnlichkeit mit den Gestalten Shakespeares aus dem Sommernachtstraum z.B., und unterscheiden sich stark von der Ursprungskonnotation. Hier wird der Elf meist weiblich, und sehr anmutig gedacht. Also eher so dekoratives Beiwerk.
Soweit ich weiß, ist bei Tolkien der Elf richtig mit Elb übersetzt worden, als eine der wenigen Beispiele.

Feen sind nochmal was anderes: Sie sind literarische/künstlerische Schöpfungen aus Frankreich und dem angelsächsichen Raum, die sich auf keltische, römische und germanische Konzepte stützen. Spätestens seit dem viktorianischen Zeitalter gelten sie fälschlich als echter Volksglaube.

Fairies, Sidhe etc. gehören nun wieder nicht zu den Feen, sondern zu den Elben. Durch literarische Verarbeitungen in den Ursprungsländern, wie auch in Dt - über den ähnlichen Klang - erscheinen die fairies (als Feen) in verschiedenen Märchen und Sagen, mit vermischter 'Herkunft' aus Volksglaube und Literatur.

Interessant finde ich – als Randbemerkung – daß bei Halberstadt Elben als vom Himmel gestürzte Engel betrachtet werden, die auf der Erde kleben gebleiben sind. Also ein genaues Gegenkonzept zu den Engeln hier.

Und bevor es echt chaotisch wird (ich weiß, daß es in Esoterik und Fantasy eigenartige Interpretationen gibt): Ich stütze mich hier auf den Ursprung dieser Vorstellungen – traditionellen Volksglauben, europ. Ethnologie; und auf die Literaturwissenschaft.

Aus all diesen Gründen hätte ich es toll gefunden, wenn Du kreativ ein eigenes, eigenständiges Völkchen geschaffen hättest. Da würde man mit all diesen Begriffen und Übersetzungen nicht verquer gehen, sondern würde sich angehm an Existierendes erinnert fühlen, aber nur als eleganter Verweis.

Bei dem Waldweg solltest Du vllt noch schauen, ob er einsam oder plattgetreten ist, das schließt sich mEn aus.

Liebe Grüße, viel Spaß noch hier beim Schreiben, Lesen und Kommentieren, :)
Katla

 

Neue Fassung

Endlich habe ich es geschafft die Geschichte zu bearbeiten. Hier die Endfassung:

Joleen erwachte, als eisige Tropfen ihr Gesicht benetzten. Sie öffnete die Augen und fand sich auf einem Waldweg wieder. Hohe Tannen säumten den verschneiten Pfad, der eine fest getretene, weiße Fläche bildete. Der frisch fallende Schnee jedoch hinterließ allmählich eine weiche Decke. Von Angst und Panik getrieben versuchte Joleen sich aufzurichten, als ihr bewusst wurde, dass sie bald unter dem Schnee begraben sein würde. So sehr sie sich auch abmühte, es wollte ihr nicht gelingen. Zu groß waren die Schmerzen, die ihren Körper heimsuchten.
Nach einer Weile spürte sie wie die Kälte langsam in ihr hoch kroch. Joleen schloss die Augen und versuchte sich einen warmen Ort vorzustellen um sich nicht vollends der Kälte hinzugeben. Es half nicht. Die Wunschvorstellung blieb aus, stattdessen blitzten bruchstückhafte Erinnerungen vor ihr auf.
Ein flackerndes Licht, ein ohrenbetäubendes, schrilles Geräusch, ein durchdringender Schrei. Angestrengt versuchte Joleen all diese Eindrücke zu einem Ganzen zusammenzufügen. Krampfhaft klammerte sie sich an diese Beschäftigung um ihre Notlage für einen kurzen Moment auszublenden.
Das Wiehern eines Pferdes unterbrach die Gedankengänge des Mädchens. Hoffnungsvoll sammelte sie die verbliebene Kraft und rief um Hilfe. Nach einem erneuten Wiehern des Pferdes hallten fremd klingende Worte zu ihr herüber. Das Tier ging in Galopp über. Es näherte sich rasend schnell. Wenig später vernahm Joleen ein Schnauben in ihrer unmittelbaren Nähe. Neugierig öffnete sie die Augen. Der Reiter war in einen schwarzen Umhang gehüllt. Er sprang von dem Rücken des Pferdes und näherte sich dem Mädchen. Das aschfahle Gesicht eines jungen Mannes kam über ihr zum Vorschein, dessen ozeanblaue Augen ein Gefühl von Mitleid ausstrahlten.
Er lächelte beruhigend. Dann beugte er sich herab und legte seine Hand auf Joleens Stirn. Eine wohlige Wärme stieg in ihr auf. Müdigkeit übermannte sie, bis sie seelenruhig einschlief.

Dunkelheit umgab Joleen. Stimmen drangen an ihr Ohr. Stimmen, die sie noch nie zuvor vernommen hatte.
„Kannst du ihr helfen?“
„Ich weiß es nicht.“
Stille.
„Daroen kaltae al Karopa.“
Stille.
„Meine Arznei wirkt nicht.“
„Gib nicht auf.“
„Ich habe so vieles versucht.“
„Vieles ist nicht alles.“
Stille.
„Ich verliere die Hoffnung. Zwei Tage sind vergangen.“
„Die Hoffnung ist erst verloren, wenn ihre Seele aufsteigt.“
Stille.

Als Joleen erwachte lag sie in einem abgedunkelten Raum. Um sie herum tanzten Schatten an den Wänden. Eine flackernde Kerze erweckte sie zum Leben. Joleen begutachtete das Zimmer in dem sich nur wenige Möbel befanden.
Ein Lager aus Strohballen diente als Schlafstätte. Neben dem Ruhelager stand ein kleines Nachtschränkchen. Am Fußende befand sich ein Stuhl auf dem Kleidungsstücke fein säuberlich aufgetürmt war. Ansonsten war der Raum leer. Joleen betrachtet die tanzenden Schatten. Gespannt wartete sie darauf, dass jemand den Raum betrat. Als nichts dergleichen geschah rief sie:
„Hallo? Ist hier jemand?“
Kein Laut war zu hören.
„Hallo? “
Keine Reaktion, kein Geräusch.
Joleen empfand die Stille als unerträglich.
Es verging einige Zeit, bis sich Schritte näherten. Die Tür öffnete sich und eine Frau trat ein. Ihre Erscheinung beeindruckte Joleen zutiefst. Noch nie zuvor hatte sie ein schöneres Wesen erblickt.
Ihre langen, glatten Haare hatten die Farben des Regenbogens. Die Haut war aschfahl und makellos. Der schlanke Körper war in ein himmelblaues, seidenes Gewand gehüllt. An den Füßen trug sie weiße Sandalen.
„Du bist wach“, sagte sie freudig, „wir waren sehr beunruhigt.“
„Ich verstehe nicht.“
Die Frau hob ihren Zeigefinger an die Lippen.
„Alles nach seiner Zeit. Erst einmal musst du zu Kräften kommen.“
Mit diesen Worten schob sie Decke bei Seite und legte ihre Hände auf Joleens Beine.
„Geven Lesy ol Beriobo.“
Ein gleißendes Licht erfüllte für einen kurzen Moment den Raum. Einige Male wiederholte die Frau ihr Worte, dann schob sie die Decke wieder zurück und legte die Hände auf Joleens Stirn.
„Lèita al blado-hèade.“
Ein blauer Lichtstrahl entsprang ihren Händen. Nachdem sie geendet hatte, wandte sie sich zum Gehen. Joleen ergriff ihren Arm.
„Sag mir was hier vorgeht.“
„Ich werde dir jemanden schicken.“
Dann verließ sie den Raum.
Es kam Joleen wie eine Ewigkeit vor bis sich die Tür erneut öffnete. Ein junger Mann betrat das Zimmer, welchen sie als denjenigen erkannte der sie auf dem Waldweg gefunden hatte. Auch seine Haare besaßen die Farben des Regenbogens. Jedoch waren sie kurz und wellig.
„Versuche deine Beine zu bewegen.“
Erleichtert stellte Joleen fest, dass es ihr mühelos gelang. Der junge Mann schien zufrieden.
„Mein Name ist Tarok, Wächter des Pfades. Nun da du dich wieder rühren kannst, bitte ich dich mich zu begleiten.“
Geduldig wartete er bis Joleen auf den Beinen stand. Noch etwas wackelig wagte sie ein paar Schritte. Einige Male ging sie auf und ab und war erstaunt wie leichtfüßig sie sich bewegen konnte. Nichts deutete darauf hin, dass sie noch vor drei Tagen starke Schmerzen hatte.
Sie nickte, dann verließ sie gemeinsam mit Tarok den Raum. Ein lang gestreckter Flur mit vielen geschlossenen Türen umgab sie nun. Sie stellte fest, dass dieser Ort ganz und gar nicht magisch wirkte. Sie befand sich in einem mittelalterlichen Haus.
Der Boden war mit Holzbohlen versehen, die bei jedem Schritt knarrten. Mit der Hand berührte Joleen die Wand, die unter ihren Fingerkuppen zerbröselte. Die Wände waren aus Sandstein. Fackeln spendeten ein schummriges Licht.
„Folge mir.“
Tarok betrat eines der vielen Zimmer. Joleen zögerte einen Augenblick. Sie atmete tief durch und folgte. Das Zimmer war abgedunkelt und auch hier spendete eine Kerze Licht. Ihr bot sich ein erschreckendes Bild. Ein kleiner Junge lag auf einem Strohlager. Seine Brust senkte sich schnell auf und ab. Hin und wieder röchelte er. Sein Gesicht und seine Arme waren entstellt.
„Wir wissen nicht was geschehen ist“, Tarok fasste auf die Stirn des Jungen, „nie zuvor fühlten wir uns so machtlos.“
Joleen trat näher heran.
„Wie heißt er?“
„Russel.“
„Seine Haut ist verbrannt.“ stellte sie betroffen fest.
Tief berührt ergriff sie die Hand des Jungen.
„Was kann ich tun?“ fragte sie.
„Deine Berührung und dein Mitgefühl sind Hilfe genug.“ erwiderte Tarok.
Nach einer Weile atmete der Junge ruhiger. Joleen bemerkte dass das Atemgeräusch schwächer wurde.
„Nein!“ rief Joleen.
Ein weißer Lichtstrahl tauchte das Zimmer in einen erhabenen Glanz. Die Hand des Jungen entglitt ihr.
„Was passiert hier?“
Der Körper wurde langsam unsichtbar und löste sich auf. Schließlich blieb ein kleiner sternenförmiger Kristall von dem geschundenen Körper übrig. Er schwirrte rastlos über die Köpfe von Tarok und Joleen hinweg.
„Öffne das Fenster.“ sagte Tarok.
„Nein. Vielleicht verwandelt er sich wieder zurück.“
„Gib ihn frei.“
Joleen begriff und tat wie ihr geheißen. Der Kristall wurde auf dem Licht hinaus in die Welt getragen. Sie sah ihm verwirrt nach.
„Ich… ich… muss… mich… se… setzen.“
Tarok bedeutete ihr auf den Strohballen Platz zu nehmen. Beide ließen sich nieder.
Joleen rieb sich die Augen. Sie war bemüht ihre Fassung zu bewahren. Doch dann gab sie ihrer Trauer nach. Tränen rannen ihr über die Wangen.
„Was war das? Was ist geschehen?“
Tarok ergriff die Hand des aufgelösten Mädchens. Er wartete bis die letzte Träne verebbte, dann begann er zu erzählen.
„Man nennt uns Masèiyo und die Welt dort draußen heißt Draín, in eurer Sprache bedeutet das Hoffnung der Seelen. Draín ist ein Zwischenwelt. Eine Welt zwischen Himmel und Erde. Jene die auf deiner Welt Qualen erleiden, werden zu uns gesandt. Die Seelen verlassen den Körper und wandeln sich hier wieder in ein Abbild des Körpers.“
„Und was geschieht dann?“ fragte Joleen wissbegierig.
„Wir versuchen die geschundenen Körper und Seelen mit Magie zu heilen. Gelingt es uns nicht, so stirbt der Mensch auf der Erde und die Seele wird fort getragen und gelangt zu dem Ort den ihr Himmel nennt, bei uns heißt er „Werol fèim Raínyo“, Ort wo der Regenbogen entsteht.“
„Und wenn es euch gelingt?“
„So gelangt die Seele zurück auf die Erde in den Körper.“
„Und der Mensch lebt weiter.“
„So ist es.“ Tarok nickte zustimmend.
Plötzlich wurde Joleen bewusst, dass sie gerade eine Seele in den Himmel begleitet hatte. Erneut füllten ihre Augen sich mit Tränen. Tarok umarmte sie. Als sie sich beruhigt hatte, geleitete Tarok sie zurück auf ihr Zimmer.
„Was geschieht nun mit mir?“
Der Masèiyo musterte Joleen eindringlich.
„Ich weiß es nicht.“
Dann ließ er das Mädchen allein.
Joleen legte sich hin. Sie starrte regungslos an die Decke. Nie hatte sie sich so hilflos und ausgeliefert gefühlt. Es waren Momente der Angst die sie in den nächsten Stunden durchlitt, bis die Masèiyo-Frau zu ihr kam.
„Mein Name ist Tarina“, sagte sie, „hat Tarok mit dir gesprochen?“
Joleen nickte.
„Ich habe noch Fragen.“
„Nur zu.“
„Gibt es solch einen Ort nur für Kinder?“
„Aber nein, auch für Erwachsene existiert solch ein Ort.“
„Was bedeutet eigentlich geven Lesy… ich weiß nicht mehr weiter.“
„Geven Lesy ol Beriobo. Gib den Beinen Kraft.“
„Also war dies und alles andere was du gesagt hast magische Heilformeln?“
„Ja.“
Joleen atmete tief durch, nun wollte sie noch eine letzte Frage beantwortet haben.
„Was geschieht eigentlich mit Menschen die einen natürlichen Tod sterben?“
Tarina lächelte.
„Das ist eine kluge Frage. Es gibt keinen Grund diese Menschen bei uns aufzunehmen. Ihre Seelen werden sofort in den Werol fèim Raínyo aufgenommen.“
Auf einmal wurde das Zimmer in ein helles Licht getaucht. Joleen schrie laut auf und starrte Tarina schockiert an.
„Nimm meine Hand“, sagte diese, „hab keine Angst. Vertrau mir.“
Joleen nickte und schloss ihre Augen. Sie verspürte ein leichtes Kribbeln. Kräfte versuchten sie nach unten zu zerren.
„Gewährt ihr den Weg zurück auf die Welt der Menschen.“ rief Tarina aus. Die Kräfte ließen von ihr ab.
„Nun öffne deine Augen… folge dem Glanz der Sterne. Viel Glück“ Tarina begann fröhlich zu lachen. Sie öffnete eilends das Fenster.
Joleen blickte an sich herab und konnte mit ansehen, wie sich ihr Körper langsam auflöste. Als ihr Körper vollkommen verschwunden war, schwirrte sie einige Male freudig um Tarina herum, dann flog sie hinaus in die kühle, klare Luft.
Die Sterne glänzten silbrig und nahmen die Form eines Erdballs an. Joleen hielt darauf zu. Als sie den glänzenden Erdball erreicht hatte und hindurch flog, schillerte alles um sie herum in den schönsten Farben. Sie befand sich nun in einer Art Tunnel. Am anderen Ende war die Abendröte zu sehen. Als sie das Ende des Tunnels erreicht hatte, lächelte sie zufrieden. Weit unten entdeckte sie das Lichtermeer der Stadt. Allmählich verlor sie an Höhe. Sie hatte keine Möglichkeit mehr sich zu rühren, es schien als würde sie durch eine unsichtbare Hand gelenkt und sie wusste, dass es Tarina war, die sie leitete. Sie schwebte über vereinzelte Häuser hinweg, an der Kirche vorbei und dann kam das Krankenhaus in Sicht. Manche Fenster waren bereits hell erleuchtet.
Tarina geleitete Joleen an einigen Fenstern vorbei. Als sie ihres entdeckt hatte sagte sie: „Ich danke dir.“
Die unsichtbare Hand ließ von ihr ab und streifte zum Abschied liebevoll ihren Geist. Joleen verabschiedete sich ebenfalls und schwebte dann durch das geöffnete Fenster hinein.
„Mom.“ Ihre Mutter schluchzte leise und hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen.
Joleen erhaschte einen Blick auf ihren Körper. Der Kopf war mit einem Verband versehen. Ihre Stirn glänzte vor Feuchtigkeit im Licht Der Brustkorb hob und senkte sich hektisch. Einen kurzen Moment zögerte sie noch, bis sie sich schließlich in ihren Körper hinabsinken ließ. Das erste was sie spürte war die harte Matratze des Krankenhausbettes. Dann spürte sie ihren brummenden Kopf und die schmerzenden Beine. Das linke Bein wirkte schwerer als üblich, sicherlich war es eingegipst worden. Innerlich atmete Joleen erleichtert auf. Es war ein beruhigendes Gefühl wieder einen Körper zu besitzen.
Vorsichtig öffnete sie ihre Augen und griff nach der Hand ihrer Mutter.
„Es wird alles wieder gut, Mom.“ sagte sie.
Mrs. Carrigan blickte überrascht auf. Einen Augenblick lang wusste sie nicht wie ihr geschah. Als sie wusste dass sie sich die Worte und die Geste von Joleen nicht eingebildet hatte, verebbten ihre Tränen. Freudig schloss sie ihre Tochter in die Arme. Dabei blickte sie gen Himmel und flüsterte leise: „Danke.“
Joleen lächelte glücklich.
Vor ihrem inneren Auge sah sie die Masèiyo winken.
„Pass auf dich auf.“ sagte Tarina.
Dann verschwanden sie. Joleen wusste, dass sie viel zu tun hatten und sie schwor sich von nun an für all die Seelen zu beten, die Draín noch betreten würden.

 

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