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Es is doch Kirmes

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24.04.2003
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Es is doch Kirmes

"Mensch Walter, wie siehst du denn wieder utt?"
Manni hatte die Arme dort verschränkt, wo man gemeinhin Hüften vermutet. Er thronte vor dem Bierwagen wie ein zu Fleisch gewordener Smilie, der Mittelteil des Körpers nur Bauch. Selbst der Kopf schien irgendwie noch Bauch zu sein, oder zumindest dazu zu gehören. Harte Brustwarzen drückten sich durchs T-Shirt und beobachteten Walter neugierig. Gestützt von zwei dürren Beinchen stand der Bauch da und vollbrachte das unglaubliche Kunststück, sein Bierglas zu halten, obwohl er die Arme verschränkt hatte. Das sollte ihm erst einmal jemand nachmachen.
"Manni, na wie isset dir? Haste Schützenzug geguckt?"
Manni leerte das Glas mit einem Schluck, und für einen Augenblick schien es, als würde er das Glas mitschlucken. Dann drückte er es mit der Zunge aus dem Mund und wehrte ab.
"Ach, hör mir auf. Ich würd ja selbst noch mitmarschieren. Aber du weißt ja, hab ständig nur noch Rücken. Die können dat nich richtig. Vorhin bei der Parade ... so ne Ader hab ich auffer Stirn gehabt!"
Walter sah sich um.
"Bisse allein hier?"
"Ja, nochn Alt ... ne, der Günni und der Piepe sind auffem Klo. Wie die Weiber. Gehen immer zu zweit."
Manni musste lachen, und wieder kam Walter das Smiliebild hoch.
"Manni, manchmal siehste aus wien Smilie."
"Wa ... diese Internetkacke? Dat is jut Walter, dat is jut. Du bis mir einer! Ne echt ... dat is jut. Wie so ne Grinsedingens!"
In diesem Moment kamen zwei Traxonier vorbei, und starrten ungläubig auf Manni, der immer noch wie von Sinnen lachte. Anschließend schlenderten sie kopfschüttelnd weiter über den Kirmesplatz.
Manni machte "Pah!" - "Diese Traxonier gehen mir jetzt schon auf die Schnüss. Erst machen se mit ihren fliegenden Untertassen das Maisfeld vom Bauer Erwin kaputt, und erzählen großartig, dass se in Frieden kommen, und nu latschen die hier wie die blöden übers Schützenfest. Müssen die unbedingt hier in Oberdümpelforst landen? Ich mein, es ist doch grad Kirmes!"
Walter zuckte mit den Schultern.
"Sie sagen, dass sie den Weltfrieden bringen."
Wieder machte Manni "Pah", vergaß dann aber, was er hatte sagen wollen, und trank sein Bier.

Oberdümpelforster Vereinshaus des Oberdümpelforster Kegeltreffs für Kegelfreunde seit 1964 "Im Guten sind wir Brüder" e.V.
25.07.2009. 16:24 Uhr, Ortszeit.

Bedrückte Stille hatte sich im Vereinssaal breit gemacht. Nur gelegentlich hörte man den Wirt hinten an der Theke "Arschloch" brüllen.
Die Mitglieder des Oberdümpelforster Kegeltreffs für Kegelfreunde seit 1964 "Im Guten sind wir Brüder" e.V. schwiegen.
Herr Walthausen, der Vorsitzende, suchte noch nach passenden Worten. Immer wieder musste er tief durchatmen. Sein Herz raste, was man ihm äußerlich jedoch nicht ansah.
Niemand wagte, auch nur ein Wort zu sagen.
Es war eine außerordentliche Sitzung. Es war die erste außerordentliche Sitzung seit der Gründung des Vereins im Jahre 1964 durch Herrn Walthausen.
Minuten vergingen. Bedrückt starrten die Vereinsmitglieder auf die Altgläser vor ihnen. Alle waren sie noch bis zur 0,2 Liter Grenze gefüllt.
"Arschloch", brüllte der Wirt von hinten.
Dann wieder ... Stille.
Herr Walthausen knetete die schweißnassen Hände, friemelte an seinen Nägeln herum. Einmal meinte er kurz, das Bewusstsein verlieren zu müssen.
Dann setzte er an, holte erneut tief Luft, wollte sprechen, ein nervöses Zittern bei allen Beteiligten, Elektrizität in der Luft.
Herrn Walthausen versagte die Stimme, und er brachte bloß ein hohes, quiekendes Geräusch zu stande.
Dann wieder Minuten der Stille. Unerträgliche, grausame Stille.
Und plötzlich, als keiner mehr damit gerechnet hatte, nahm Herr Walthausen all die Kraft zusammen, die ihm noch geblieben war. Er stand auf, verschüttete sein Bier und sagte in ruhigem, aber erschütterten Tonfall: "Es fehlen zwei Euro fuffzich in der Vereinskasse."
Stille. Kurze Pause. Dann fügte er hinzu: "Ich habs zweimal nachgerechnet. Ist so."
Erst jetzt wurde den Anwesenden bewusst, dass Karl, der Kassenwart, heute nicht zugegen war.
"Ich habe bereits erste Konsequenzen gezogen", sagte Herr Walthausen wie zur Bestätigung.
Das Leben kehrte in ihn zurück. Wie ein nasser Sack plumpste er auf seinen Stuhl, fiel hinten über und riss die Tischdecke mit sich, wobei sämtliche Gläser stehen blieben.
Die Vereinsmitglieder applaudierten euphorisch, bis Herr Walthausen wieder auf den Beinen war und "Ruhe verdammte Hacke" schrie.
"Arschloch" brüllte der Wirt hinten.
"Es geht mir hier ja auch nicht um den Betrag, sondern ums Prinzip. Ich meine, Mensch ... wenn einer von euch mal Geld fürn Bier braucht, wir sind doch alles gute Kumpels!"
"Ja, Herr Walthausen", antworteten die anderen.
"So", sagte Herr Walthausen. - "Und nun regeln wir das mal wie ziviliti ... zivilltiti ... erwachsene Menschen. Holger, du hast deiner Frau letzten Monat den Ring für drei Euro auf dem Vereinsflohmarktbesuch geschenkt. Das passt am ehesten. Hau ab!"
Holger ging. Wohl aber unter Tränen. Und geschluchzt hatte er auch. Man konnte ihn hinten noch hören, wie er zum Wirt sagte, es sei eine schöne Zeit gewesen.
Es dauerte einen Moment, bis der Wirt hinten daraufhin etwas antwortete.
Schließlich sagte er: "Tschüss Holger, und grüß deine Frau."
Herr Walthausen war indess wieder von seinem Platz aufgestanden.
"Da ist noch eine andere Sache. Die Traxonier wollen am Samstag ihre frohe Botschaft im Fernsehen verbreiten, und würden daher gerne das Vereinshaus mieten, können aber nicht in Euro bezahlen. Ich hab also ein bisschen mit denen hin und her geredet, und nun können fünf von uns als Bezahlung ein paar Runden in deren Ufos drehen. Sie haben gesagt, das wäre ein bisschen wie der Break Dancer auf unserer Kirmes. Wenn jemand Interesse hat. Ich habe eine Liste ausgelegt, sollten sich mehr als fünf melden, entscheidet das Los."


Und so kam es, dass fünf Erdenbürger sich die Galaxie näher betrachten konnten, während die Traxonier während ihrer Pressekonferenz auf Kegel schossen, die sie für Angreifer aus einem vermeintlichen Hinterhalt heraus hielten.
"Arschloch" brüllte der Wirt noch, bevor sie die Erde sprengten.

 

Hallo Cerberus81

Also ... hallo ersma ... und nun ... hmm, schwierig.

Ich probiere es trotzdem.
Lokalkolorit gibt ja an und für sich schon mal Schmunzelstimmung, aber irgendwie zündet dann das ganze abgedrehte "Begegnung der dritten Art trifft Provinzkirmes" nicht so richtig.

Eigentlich fand ich die Idee ganz witzig, dass die Traxonier im Hinterwald mal so eben als normale Erscheinung hingenommen werden. Aber die Satire über Vereinsmeierei war mir dann doch zu wenig, die Pointe mit dem riesen Geschrei wegen der (normalerweise, aber nicht beim Oberdümpelforster Kegel e.V.) vernachlässigbaren Unregelmässigkeit war mir einfach zu breitgewalzt.

Punkt: Ein paar Schmunzler, aber im Gesamten doch zu wenig Substanz für eine tragende Humorgeschichte.

Müssen die unbedingt hier in Oberdümpelforst landen?
Mussten

"Ruhe verdammte Hacke" schrie.
Wer jetzt? Und ein, zwei Satzzeichen mehr machen sich auch gut.

Nix für ungut,
Gruss.dot

 

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