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Fünf Kilo

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11.02.2015
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Fünf Kilo

Tim’s Leben hatte sich in den letzten Jahren ohne große Abwechslung hingeschleppt. Mit 47 Jahren konnte er allerdings auf zwei gescheiterte Ehen zurückblicken. Immerhin. Nachdem die letzte den Bach runterging, wohnte er in einem kleinen Ein-Zimmer-Apartment, in dem Stadtviertel, wo die Unterschicht wohnt. Viele knoblauchfressende Ausländer als Nachbarn, aber was will man machen. Auch sein Job als Lagerist bot keine Abwechslung und beanspruchte ihn in keinster Weise mehr. Alles lief im altbekannten Trott, Tag für Tag. Nur tot sein war schöner. Ein langweiliges Leben eines langweiligen Kerls, der sich gehen ließ.
Jetzt saß er daheim auf seiner abgewetzten Couch, und schaute sich den schweren Koffer an, den er heute auf der Arbeit herrenlos vorfand. Zuerst dachte er daran, seinen Fund dem Vorarbeiter zu melden, schließlich kommt sowas nicht jeden Tag vor. Doch Tim’s Neugierde war stärker. Endlich mal ein ungewöhnlicher Vorfall. Doch je länger er sich den Koffer betrachtete, desto unwohler fühlte er sich dabei. Er stand auf und ging zum Kühlschrank, um sich ein Heineken reinzuziehen. Dabei fiel ihm auf, was für ein Schwächling aus ihm geworden war. Er mußte sich erst Mut antrinken, um den Koffer zu öffnen. Früher war er tougher gewesen, das war ihm klar.
„Scheiß drauf, öffnen wir das verdammte Teil!“, sagte er schließlich zu sich selbst und machte sich ans Werk.
Zum Vorschein kamen drei weiße Blöcke, die in durchsichtiger Folie abgepackt waren.
„Oh fuck!“, rief Tim erschrocken aus und ging automatisch drei Schritte zurück. Offenbar Drogen!
Er war geschockt und gleichzeitig enttäuscht. Ein Koffer voller Geld wäre ihm lieber gewesen. Mit illegalen Substanzen wollte er allerdings nichts zu tun haben. Panik überkam ihm. Er schaute auf die Uhr. Kurz nach zehn. Sein Kumpel Dave würde wohl noch auf sein, der alte Fettsack. Wenn jemand weiß, was in einer solchen Situation zu tun ist, dann er.
Tim griff zum Telefon und wählte seine Nummer. Dave nahm ab.
„Hallo?“
„Dave, ich bins. Warst du schon im Bett?“
„Nee. Was’n los?“
„Kann ich dir am Telefon nicht sagen, die Sache ist mir zu heiß. Komm am besten vorbei und schau es dir an. Wird dir gefallen.“
„Hast du ´ne Nutte bei dir? Ich steh nicht auf flotte Dreier, zumindest nicht, wenn noch ein anderer Kerl daran beteiligt ist.“
Tim verdrehte die Augen. Als ob diese fette Sau jemals Sex hätte.
„Nein, doch nicht sowas! Komm einfach vorbei, ich bitte dich darum. Du wirst es nicht bereuen.“
Widerwillig ließ sich Dave breitschlagen und stand 15 Minuten später vor Tim’s Tür.
„Ich hoffe für dich, daß du mich nicht verarscht hast, sonst wird es hier ganz schnell ungemütlich!“ Schweiß lief ihm wie Öl über's Gesicht. Anscheinend hatte er sich ausnahmsweise mal beeilt.
Tim deutete auf den geöffneten Koffer, der auf seinem Wohnzimmertisch trohnte. Dave sah den Inhalt und begriff sofort, um was es geht. Seine Augen schienen fast aus seinem fetten Mondgesicht zu springen, als er sich auf den Koffer stürzte. Hätte noch gefehlt, daß er das Sabbern anfängt.
„Wo hast du das Zeug her?“, fragte er Tim, während er gleichzeitig sein italienisches Schnappmesser aus seiner engen Jeans fingerte, um einen kleinen Schnitt in einen der Blöcke zu ritzen. Dann steckte er einen Finger in das Loch und probierte. Wie eine Zahnbürste wanderte seine Fingerspitze als nächstes in seinem Mund hin und her. Seine Augen wurden dabei noch größer, als sie ohnehin schon waren. Er fragte Tim erneut.
„Wo hast du das Koks her?“
„Es ist also Koks“, murmelte Tim.
Dave probierte ein weiteres mal. Er spürte, wie sein Zahnfleisch taub wurde. Bombenstoff, das war sicher. Volltreffer! Wie ein Irrer fing er an zu lachen. Seine gesamte Körpermasse, die nichts anderes als ein einziger fettiger Fleischklops war, wabbelte dabei. Ein widerwärtiger Anblick.
„Mann, das Zeug ist 1a! Wir sind reich, Junge!“
„Meinst du wirklich?“ Tim hatte Zweifel. Ihm gefiel die Sache nicht. Er sah sich schon in Gedanken hinter Gittern. Eingesperrt und isoliert in einer dunklen Zelle, mit mindestens drei anderen männlichen Häftlingen, die an seine Wäsche wollten. Bei dieser Vorstellung lief es ihm kalt den Rücken runter. Er schaute Dave fragend an, der sich auf dem Tisch ein paar Lines zurechtlegte.
„Jetzt raus mit der Sprache! Wo hast du das Zeug her?“
„Der Koffer stand heute bei uns in der Lagerhalle rum. Keine Ahnung, wem der gehört. Bis vor ein paar Minuten wußte ich selbst nicht, was drinnen ist. Es wäre das Beste, wir rufen die Polizei.“
„Die Bullen? Spinnst du? Und du hast den Koffer einfach so mitgenommen... Hut ab! Hat dich jemand mit dem Teil gesehen?“
„Nein, nicht daß ich wüßte.“
„Ist dir jemand gefolgt?“
„Mit Sicherheit nicht.“
„Gut. Wie auch immer – der Koffer muß hier weg!“
„Was hast du vor? Junge, wenn das rauskommt!“
„Mann, jetzt piss dir nicht ins Hemd“, wiegelte Dave ab, und zog sich zwei Lines in seine hohle Birne. Er kam sich vor wie im siebten Himmel. Naja, das war er ja auch.
„Das sind mal locker fünf Kilo astreiner Stoff. Das ist noch besser als ein Lottogewinn!“
Dann legte er mit zittrigen Händen drei weitere Straßen.
„Komm, probier mal!“
„Mit dem Zeug will ich nichts zu tun haben, Mann. Ich ruf die Bullen. Wir müssen das melden!“
Dave sprang auf und nahm ihm das Telefon ab.
„Warte doch mal, Junge! Wenn du wirklich nichts mit dem Zeug zu tun haben willst – okay. Ich werde mich um den Koffer kümmern, und du tust so, als sei nichts geschehen. Einverstanden?“
Tim zögerte. Er wünschte, diesen Koffer niemals in die Hände genommen zu haben. Dann schließlich willigte er ein. Er wollte die Sache hinter sich bringen.
„Gut, mach damit, was du willst, solange du mich aus dem Spiel lässt. Sollte mich jemand fragen, dann weiß ich von nichts. Mann, das ist doch alles Wahnsinn!“
„Schon möglich. Aber es ist leicht verdientes Geld. Ich brauche nie mehr einen Finger rühren. Und du auch nicht, falls du dich umentscheiden würdest.“
„Als ob du jemals auch nur einen Deiner Wurstfinger gerührt hättest… wie lange bist du jetzt schon arbeitslos? Erzähl mir nichts.“
Dave grinste breit. „Mag schon sein. Und bald liege ich dick und fett in der Sonne und lasse es mir gutgehen. Ich werde dir dann eine Karte schicken.“
„Zu freundlich.“
Dave stand auf, machte den Koffer zu und nahm ihn an sich.
„Ich muß ihn nur unbeschadet aus diesem Ghettoviertel bringen. Du lebst echt beschissen hier. Es gibt Kanacken, die riechen instinktiv, wenn es um lukrative krumme Dinger geht.“
„Na, dann wärst du ja in bester Gesellschaft“, witzelte Tim nervös und begleitete Dave zur Tür.
„Und kein Wort! Zu niemanden!“, beschwor ihn Dave.
Dann war er weg, samt Koffer und dessen brisanten Inhalt. Tim atmete erleichtert auf, ging zum Kühlschrank und genehmigte sich ein weiteres Bier. Und wieder wurde ihm bewußt, was ein jämmerliches Weichei er doch war. Gerade eben hat er die Chance seines Lebens bereitwillig weit von sich gestreift. Er hätte sich eine goldene - entschuldigung, weiße- Nase verdienen können, um irgendwann dick und fett in der Sonne zu liegen, so wie es Dave wohl bald tun wird. Es war zum heulen. Ob Dave sich bereiterklären würde, doch noch mit ihm gemeinsame Sache zu machen? Tim wollte noch eine Nacht darüber schlafen, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen. Das wäre das Beste. Und was kann schon passieren? Die Bullen könnten dahinter kommen, und er würde für ein paar Jahre hinter Gittern wandern. Na und? Scheiß drauf! Viel hatte er ohnehin nicht zu verlieren. Wenn da nicht die anderen Häftlinge wären, die ihm an die Wäsche gehen würden. Verflucht. Aber vielleicht würde es ja auch gar nicht so weit kommen.
Während Tim sich den Kopf über die vielleicht wichtigste Entscheidung seines Lebens zerbrach, klopfte es an der Tür. Offenbar konnte Dave Gedanken lesen. Erleichtert sprang Tim auf und öffnete. Zwei maskierte Typen drangen in die Wohnung ein und stießen Bo zu Boden. Zwei massive Schränke, gegen die der schwächliche Tim keinerlei Chancen hatte. Zwei Killermaschinen. Der eine bearbeitete Tim, der andere die Wohnung. Ohne Gnade. Schnell und gekonnt, wie in einem alten Ganovenfilm.
„Wo ist der Stoff?“, schrie derjenige, der Tim’s Habseligkeiten auseinandernahm, mit russischem Akzent.
„Ich habe das Zeug nicht mehr!“, wimmerte Tim, der sich gleichzeitig in die Hosen pisste.
„Sag uns, wo der Stoff ist, du schwuler Bastard!!“
Schon landete ein gezielter Faustschlag in Tim’s Gesicht. Dann noch einer und noch einer. Bald sah Tim aus wie Andy Bowen nach 110 Runden im Boxring.
„Ehrlich, ich habe es nicht mehr!“ Wie sehr wünschte sich Tim in diesem Moment, als Punk in einer Zelle zu sitzen. Oder in seiner kalten Lagerhalle den Stapler zu bedienen. Zwei weitere harte Fausthiebe landeten in Tim’s Magengegend.
Die beiden Eindringlinge schauten sich schließlich fragend an.
„Ein Freund von mir hat es! Ehrlich! Ich gebe Euch die Adresse!“ Tim wußte, daß es jetzt um sein Leben ging. Gerade noch leserlich kritzelte er Dave’s Adresse hastig auf einen Zettel. Scheiß auf Dave. Scheiß auf das Koks.
Die Täter nahmen den Zettel an sich. Dann zückte einer von ihnen eine 38er. Vier Schüsse fielen. Manchmal endet ein langweiliges Leben spektakulär. Manchmal auch nicht.

(Februar 2015)

 

Hallo Mack,

und Willkommen auf der Seite.
Einen ziemlich überschwänglichen Einstand legst du hier hin. Viel Sinnvoller ist es doch, eine Geschichte zu posten, vielleicht seinen persönlichen Favoriten, und dann mal abzuwarten, was so kommt. Schließlich bist du doch hier, um an deinen Geschichten und auch deinem Stil zu arbeiten, nicht? Da nimmst du dir gleich einiges vor.

Zwei essenzielle Fragen bleiben offen: Warum lag der Koffer dieser Russen unbewacht in der Lagerhalle rum? Und weshalb öffnet Tim den Koffer nicht schon auf der Arbeit?
Ich lese hier nichts raus, dass der Koffer mit einem Zahlenschloss oder Ähnlichem versehen war. Und selbst wenn ... nur weil es ein Koffer ist, muss der doch nicht zwingend voller Scheine sein, nur weil das bei "No country for old men" so war. Hätten ja auch irgendwelche Akten vom Chef drin sein können. Gut, in dem Fall war es Koks ...
Dadurch ist die Geschichte für mich nicht schlüssig.

Schweiß lief ihm wie Öl über's Gesicht.
"übers" ohne Apostroph. Ist bei Präposition und Artikel immer so.

Er spürte, wie sein Zahnfleisch taub wurde. Bombenstoff, das war sicher. Volltreffer!
Plötzliche Perspektivwechsel vermeiden. Eben schreibst du noch über Tim und gehst plötzlich grundlos dazu über, die Gefühle des Kumpels zu beschreiben.

Koffer einfach so mitgenommen... Hut ab!
Leerzeichen zwischen "mitgenommen" und "...".

„Nein, nicht daß ich wüßte.“[/QUOTE
Neue Rechtschreibung: dass, wüsste.

einen Deiner Wurstfinger
deiner

Er hätte sich eine goldene - entschuldigung, weiße- Nase verdienen können,
Für was entschuldigen? Hier lese ich zu stark den Autor raus. Das schafft eine Distanz zwischen Leser und Geschichte.

Es war zum heulen.
zum Heulen

Zwei maskierte Typen drangen in die Wohnung ein und stießen Bo zu Boden.
Wer ist Bo?

der Tim’s Habseligkeiten
Im Deutschen ohne Apostroph. Der Fehler zieht sich so durch.

Manchmal endet ein langweiliges Leben spektakulär. Manchmal auch nicht.
Können das die letzten Gedanken eines Sterbenden sein? Nein, hier spricht wieder der Autor.

Streckenweise sind dir die Dialoge ganz gut gelungen. Passt zu diesen Ganoven.

(Februar 2015)
Wozu das?

Viel Spaß hier beim Schreiben, Kommentieren und Lesen.
Trau dich, jede Meinung wird hier geschätzt. Diese Seite lebt vom Geben und Nehmen ihrer Mitglieder.

Hacke

 

VIELEN LIEBEN DANK SOWEIT! Die Fehler wurden ausgebessert.
Würde mich freuen, wenn Du meine anderen Sachen durchgehen würdest! ;)


xxx
m.

 

Mack schrieb:
Würde mich freuen, wenn Du meine anderen Sachen durchgehen würdest! ;)

Ja, da würde sich jeder drüber freuen. Kann aber nur so viel kommen, wie auch geschrieben wird, sprich, für jeden Komm den Du bekommst, sollest Du mindestens selbst eine Geschichte lesen und kommentieren.

Und damit Herzlich Willkommen :)

Beste Grüße, Fliege

 

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