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Fahrt mit der Bahn

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25.09.2002
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Fahrt mit der Bahn

Fahrt mit der Bahn

Grochs weiße Limousine war so lang, wenn die Front in das Berliner Parkhaus einbog, stand das Heck noch in der heimischen Garage. Die blaue Flanke der Limousine war mit unzähligen Werbebotschaften und politischen Parolen übersät. Groch hatte für das Fahrzeug ein spezielles Kennzeichen einführen lassen, das zwischen den kleinen Doppelscheinwerfern montiert war. "ROADTRAIN", prahlte es. Scharlachrot auf giftgrün.
Hogs zahnloser Mund war vom Unglauben geweitet. Er wirkte sehr schwarz in Mitten des strähnigen weißen Bartes. Allmählich überkam ihn die Erkenntnis. Er nickte ehrfürchtig und murmelte etwas.
"Das ist eure neue Straßenbahn", eröffnete Groch. "Das Besondere: Sie ist überall auf der Strecke zugleich." Groch untermalte jedes Wort mit einem Stampfen auf dem Podium, das gefährlich zu schwanken begann.
"Leute, diese Bahn ist ein menschgemachtes Wurmloch.", kreischte er in den orangefarbenen Lautsprecher. "Leute, fahrt mit der Bahn!" Grochs stimme überschlug sich. Er gab alles für seine Partei. Denn die Meinungsforscher hatten herausgefunden, dass die Politiker ihre Thesen in der Vergangenheit nur zu leise verkündet hatten. Groch wollte es ändern. Groch wollte alles ändern. Vor Aufregung biß er in seine rosafarbene Krawatte.
Die Partei wollte alles, was die Leute wollten. Im Namen der Demokratie. Der siegbringende Slogan "So einfach ist das", hatte, wie man dank Analysen wußte, im Verbund mit dem revolutionären demokratischen "Ballonkonzept", die gesegnete Wählergunst gebracht.
Das Ballonkonzept sah den regelmäßige "Overkill" marktwirtschaftlicher Elemente vor, die durch zwei neue ersetzt wurden. Dieses Prinzip der grenzenlose Expansion hatte die Wirtschaft in einen unendlichen Aufschwung geschleudert, der in drei Monaten die Landung einer bemannten DeSA -Raumfähre auf dem Mars möglich machen würde.
Jeder Wunsch konnte in Erfüllung gehen; mit etwas Glück. Auf dem Alexanderplatz in Berlin hatte man eine riesige Lotterieanlage aufgebaut. Die Bürger hüllten ihre Wunschbriefe in Lottokugeln und warfen diese nach der sonntäglichen Ziehung ein. Jede Woche wurden zwei ausgelost und deren Inhalt umgesetzt. Während der Woche war eine Hundertschaft von ihrerseits ausgelosten Bürgern dazu abkommandiert die Trommel in Bewegung zu halten. Sie rollten diese auf der Strecke in Form einer liegenden acht über den Platz. Bewegt durch deutsche Muskelkraft. Mit diesem Instrument der höheren Gewalt konnte erstmals objektive Politik betrieben werden.
Wenn ein Arbeiter unter der unmenschlichen Anstrengung tot zusammenbrach, das schmutzige Gesicht von Freudentränen reingewaschen, griff ein ausgeklügeltes Nachrückverfahren, das dabei die jeweils ältesten Bürger aus dem ausgefallenen Bundesland heranzog. Man war des Generationskonflikts schließlich doch Herr geworden.
Allerdings konnte der Staat auf eine beträchtliche Anzahl jüngerer Freiwilliger setzten. In den "golden Teenies" gab es keinen Grund mehr Politikern zu mißtrauen.
Die Trommel näherte sich dem Mittelpunkt der Acht. Dort fand die Auslosung statt.
Hogs schnellte aus der Menschenmenge und küßte den transparenten Leib der Kugel. Dann rissen ihn die Polizisten weg. Da man seine offensichtliche Harmlosigkeit erkannte, entließ man ihn jedoch gleich wieder in die Menge.
Dort hielt es ihn nicht. Nachdem er sich durch die Massen gedrängt hatte, stolperte er der Statue von Gerhard Schröder am anderen Ende des Platzes entgegen. Er sank auf die Knie und blickte zum steinernen Schröder hinauf.
"Das ich so etwas noch erleben darf", sagte Hogs und schlug auf das Pflaster. Er starb im Alter von neunundneunzig Jahren am Schauplatz der Kundgebung. Der Hirnschlag raffte ihn endlich dahin. Niemand bemerkte es sofort. Bundeskanzler Groch hatte eine neue Billardkugel eröffnet und kreischte ekstatisch ihren Inhalt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi,

zu allererst möchte ich sagen: deine Geschichte hat mir nicht gefallen. Das hat mehrere Gründe. Fangen wir mit den sprachlichen Kleinigkeiten an:


Grochs weiße Limousine war so lang, wenn die Front in das Berliner Parkhaus einbog, stand das Heck noch in der heimischen Garage.

Klingt nicht schön und außerdem falsch. Würde hier ein "daß" einfügen (so lang, daß, wenn...)
Allerdings finde ich den Satz zu verschachtelt. Besser wäre eine Aufteilung.

Groch hatte für das Fahrzeug ein spezielles Kennzeichen einführen lassen, das zwischen den kleinen Doppelscheinwerfern montiert war.

Wie einführen lassen? Heißt das, daß absofort alle solche Kennzeichen haben dürfen? Ist unglücklich formuliert und läßt mich etwas ratlos zurück.

Er wirkte sehr schwarz in Mitten des strähnigen weißen Bartes.

Warum wirkte er schwarz? Weil der Bart so weiß war? :confused: Passt nicht.

"Das ist eure neue Straßenbahn", eröffnete Groch. "Das Besondere: Sie ist überall auf der Strecke zugleich."

Erstens müßte hier ein richtiger Absatz her, da der Übergang so zu fließend ist. Immerhin herrscht hier ein Locationwechsel. Zweitens verstehe ich den Bruch nicht. Warum der Anfang? Was soll er mir sagen?
Und drittens: wieso kann die Straßenbahn überall gleichzeitig sein?

Groch untermalte jedes Wort mit einem Stampfen auf dem Podium, das gefährlich zu schwanken begann.

Bei jedem Wort? Dann erreicht man ja keine Wirkung. Ich würde das eher auf ein bestimmtes Wort beschränken.

"Leute, diese Bahn ist ein menschgemachtes Wurmloch."

Wie jetzt? Ein Wurmloch in Menschengestalt?

Insgesamt wirkt das Konzept der Story schlecht durchdacht. Du beschreibst eine Zukunftsvision. Damit der Leser die abnimmt, sie glaubt, muß sie einleuchtend und logisch sein. Sie muß den Leser langsam von der Jetztzeit in die "neue" bringen, damit er sich das alles vorstellen kann.
Verstehste was ich meine?
Du knallst dem Leser ein paar komische, nicht nachvollziehbare Veränderungen hin, die er so nicht hinhehmen kann, weil sie nicht das Konzept, nicht die da herrschenden Zustände erklären. Wie kam es dazu, daß das jetzige System abgeschafft wurde? Wie kam es zu der neu entflammten Liebe zur Politik? Und warum findet die Jugend das alles geil?
Deine Geschichte stellt lediglich ein Grundgerüst dar, daß in seiner jetztigen Form recht anfällig ist. Versuche daraus ein Haus zu bauen.

Viel Erfolg!

liebe Grüße, Pan

 

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