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Falsch!

Seniors
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08.11.2001
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2.834

Falsch!

leider ... habe ich keine bessere Rubrik für diese Geschichte gefunden ... sehr schade!


Falsch!


Sie sah in die fremden Gesichter. Sie machten ihr Angst. Sie drehte sich wieder zu dem jungen Mann in de zerrissenen blauen Hemd um, der vor ihr auf dem Klappstuhl saß.
"Zeigen Sie mir den Arm mal her." Sie wusste, dass er Schmerzen haben musste, aber er verzog keine Mine, als sie die Schusswunde am Oberarm reinigte und verband. "Bitteschön."
Wortlos sah er sie an, brachte ein leichtes Lächeln zustande und nickte ihr zu. Dann nahm er sein Gewehr, in die linke Hand und ging aus dem tarnfarbenen Zelt heraus und die Straße hinunter.
Sie zuckte zusammen. Daran würde sie sich nie gewöhnen. Das Ein-schlagen der Granaten erschreckte sie jedes Mal.
"Der Nächste, bitte!" Irgendwie klag dieser Satz hier lächerlich und ironisch. Jedes Mal hoffte sie, dass es keinen Nächsten mehr geben würde, und jedes Mal wenn sie sich wieder umdrehte, saß wieder jemand auf ihrem Klappstuhl mit dem roten Kreuz.

So hatte sie sich den Krieg nicht vorgestellt.
Krieg war anders gewesen. Sie hatte helfen wollen. Sie war herge-kommen um Menschen zu helfen und ihnen das Leben zu retten. Sie hatte gewusst, worauf sie sich eingelassen hatte. Hatte sie gedacht. Aber dieser Krieg war anders.
Dieser Krieg war nicht sauber, wie sie ihn gesehen hatte. Das hier war nicht der Krieg, der jeden Abend ins Wohnzimmer flimmerte, für zwei kurze Minuten,...
Sie trug auch keinen leuchtend weißen Kittel und arbeitete nicht in einem großen Krankenhaus. Das Zelt war schief, staubig und nur ein paar Tage an dieser Stelle, ihr Kittel militärgrün und zu groß. Ihre Patienten waren keine Soldaten in blitzender Uniform, denen man das Leben rettete, sie gesundpflegte und nach Hause zu ihren Familien schickte. Die Danke sagten und überlebt hatten.
Es zerrte an ihren Nerven. Sie hätte Glück, sagte man ihr wieder und wieder. Dies sei ein ruhiges Viertel. Nur ein Randgebiet.
"Sorry" Sie drehte sich zu dem Klappstuhl zurück, aus ihren Gedan-ken gerissen. Ein Junge, höchstens 12 Jahre, saß da und streckte ihr sein Bein entgegen. Er hatte viele tiefe Kratzer und Dornen in seinem Unterschenkel. Es werden Narben bleiben. Aber er hat Glück gehabt. "Hecke, Flucht, Granate" murmelte er undeutlich auf ihre Frage. Sie verband sein Bein. In die Fußsohle hatte sich ein Glassplitter gebohrt, den er nicht bemerkt zu haben schien. Sie entfernte ihn, desinfiziert die tiefe Wunde, und verband den Fuß sorgsam mit weißem Mull. "Schon das Bein die nächsten Tage, ja?" Er nickte.
"Mach’s gut." Er rutschte vorsichtig vom Stuhl. Kaum stand er auf beiden Füßen, da rannte er um die Straßenecke und verschwand hinter einer Ruine, die einmal ein vierstöckiges Wohnhaus gewesen war.
Dieser Krieg war falsch. So war er nicht, zu Hause, im Fernsehn. Das hier war irgendwie falsch.

Sie drehte sich um. Eine Frau hatte sie am Arm gefasst. Sie verstand sie kaum. Mit Händen und Füßen gestikulierend, in eine Sprache, die sie nicht verstand und mit wenigen Brocken Englisch, bedrängte sie sie. Ob sie ihren Sohn gesehen hätte. "Wie sieht er denn aus?" Er sei Soldat. Er sei schlank und hätte dunkle Haare. So sah hier jeder aus.
"Er ist 13 Jahre alt." Sie schluckte. Dieser Krieg war falsch.
Offiziell hieß es "Unruhen", nicht Krieg. Nicht einmal "Krise".
Sie konnte der Frau nicht helfen. Zuckte bedauernd die Schultern.

Sie drehte sich zurück zu ihrem Klappstuhl. Ein nicht mal 17-jähriger Junge saß da, seine rechte Hand in die Ecke seines Hemdes gewickelt. Am Kopf eine Platzwunde.
Sie versorgte die Wunden. Wünschte ihm Glück, als er ging. Die har-ten Schläge in den Rücken überraschten sie. Sie kippte nach vorn, auf die Knie. Als sie sich aufrappelte und umdrehte stand sie vor der Frau und dem Jungen. Sie sahen anklagend auf ihren letzten Patienten, der, seinen Revolver in der Hand, den staubigen Weg hinunter ging. "Feind!" "Für mich sind alle Menschen gleich. Ich bin Sanitäter." Jetzt zeigen die beiden anklagend und beinahe Hasserfüllt auf sie: "Feind!"
Dieser Krieg war falsch! Falsch!
Ein Krieg ohne Werbepause. Ein Krieg, der nicht in wohldosierten 2 – Minuten – Rationen von gutgekleideten Reportern mit bunten Mikro-phonen in die Wohnzimmer geliefert wird, der sich nicht per Knopf-druck abschalten lässt.
Dieser Krieg war falsch!
Ein Krieg ohne Regeln. Ein Krieg ohne Fronten, ohne Uniformen und ohne Grenzen. Ein Krieg, in dem es keinen Unterschied zwischen Freund und Feind gab, außer, dass sie Freund und Feind waren.
Und sie konnte nicht allen helfen. Falsch eben!

 

Boah! Hart!
Doch saugut. Die Geschichte hat mir wirklich gefallen.
Mir fehlen nur noch die Worte, deshalb erstmal:
Ganz grosses Kompliment!

Grüsse,
Maja.

 

Mahlzeit!

An sich nicht schlecht. Ernüchterung nach der Werbesendung. Eines stößt mir jedoch auf. Dieses "dieser Krieg ist falsch". Gibt es einen richtigen Krieg? Ist ein Krieg sauber, wenn er sorgsam durchdachte Aufmarschpläne hat, Divisionsstäbe, Fronten, richtige Feinde? Hab ich nicht gewußt. Jeder Krieg ist falsch.

Heiko

 

Ich schließe mich beiden Vorrednern an: Die Geschichte ist sehr gut, aber es gibt keinen "richtigen" Krieg. Ich weiß, was Du ausdrücken willst: Daß die Ärztin sich völlig falsche Vorstellungen gemacht hat, aber ich würde vorschlagen, eine andere Wortwahl dafür zu benutzen.
Noch ein Tip am Rande: Wenn Du Deinen Text aus einem Textverarbeitungsprogramm kopierst, schalte dort vorher die Silbentrennung ab, das klappt hier nämlich nicht. :)
Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:


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Sonne macht albern

[Beitrag editiert von: chaosqueen am 01.12.2001 um 23:49]

 

Hart, aber sehr gut!
Bitte mehr!

Liebe Grüße von Pat

 

Hey Leute!
vielen Dank für das feedback ... sowas hört man gern!

was ich zu der Wortwahl "falsch" sagen möchte: ich finde auch nicht, daß es einen "richtigen" Krieg gibt, sogar ganz bestimmt nicht. genau deshalb habe ich diese Wortwahl getroffen. Eigentlich wollte ich genau das erreichen, was Ihr sagt: Empörung darüber, daß es keinen richtigen Krieg gibt.
Daneben soll das aber auch ausdrücken, daß es verschiedene Krieg gibt. Und daß so ein Bürgerkriegs-Gewurschtel, in dem Freund und Feind nicht unterscheidbar sind, in dem es keine Fronten gibt und der nichtmal IRGENDwelche Regeln gibt, noch schlimmer sein kann ...

mit Dank für's Lob,

arc

 

gefällt mir auch ganz gut. aber eigentlich ist es ne alte story. "Die Brücke", "Im Westen nichts neues" uns auch Krankenschwestern wurden schon die Augen geöffnet ( "Ein anderes Wort für Liebe"). aber nicht schlecht, Krieg IST falsch, stimmt

 

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