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Februarsonne

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24.08.2007
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Februarsonne

Ich betrat das „Lumen“ und sah nur dich. Vor dir auf dem Tisch standen eine schlanke weiße Espressotasse und ein Kelchglas mit Leitungswasser – das billigste auf der Speisekarte des „Lumen“, wie ich heute weiß. Ich setzte mich dir gegenüber, bestellte einen Fruchtcocktail. Du schienst nervös, hattest dich aber gut im Griff. Deine Worte wirkten so neutral wie dein anthrazitfarbener Businessanzug. Ruhig blicktest du mich an, dabei spieltest du mit meinen Fingern.

„Zusammen?“, fragte die Kellnerin. - „Selbstverständlich."

Beim Aufstehen berührtest du meine Schulter – eine Besitz ergreifende Geste, die mir nicht unangenehm war. Auf dem Weg zur Bushaltestelle reichtest du mir deinen Arm.

Danach schicktest du mir jeden Morgen eine SMS. Zuerst lächelte ich, dann wartete ich, eines Tages vermisste ich. Nach zweieinhalb Wochen ohne jede Nachricht hielt ich es nicht mehr aus und rief dich an, wollte nach dem Grund für deinen Rückzug fragen. Dazu kam es nicht, denn du schienst über meinen Anruf durchaus erfreut und kamst noch am gleichen Tag zu mir.

Nach dieser Begegnung meldetest du dich zweieinhalb Monate nicht. Meine Versuche, mit dir Kontakt aufzunehmen, blieben unbeantwortet. Während dieser Zeit lernte ich Markus kennen, gut aussehend, smart, weltläufig. Er holte mich im Cabrio ab und nahm mich mit auf seine Yacht. Ich durfte seinen Jaguar fahren, und er führte mich zum Essen aus. Wir verstanden uns blendend. Eines Nachmittags, während ich auf der Terrasse saß und seinen Besuch erwartete, kam eine Nachricht von dir. Ich sagte ihm ab.

„Wir haben uns lange nicht gesehen“, sagtest du, „viel zu lange“. Die Stunden mit dir sind wie Knoten in einer langen Schnur.

Du möchtest einmal ein Wochenende mit mir verbringen, sagtest du bei unserer letzten Begegnung. Nur dass es ein solches Wochenende für einen, der sieben mal sieben Stunden in der Woche arbeiten muss, nicht gibt. Ich rufe nicht an, schreibe nicht, binde nicht deine Zeit. Wie kann ich dir sagen, dass ich dich liebe? Ich kann es nur zeigen, indem ich es dir nicht sage.

Wenn ich jetzt eine Verabredung im „Lumen“ habe, sitzt du mit an unserem Tisch. Meinem Begleiter antworte ich konventionell und vergesse ihn, während er noch spricht. Seine Küsse erscheinen mir so blass wie die Februarsonne in einer Pfütze. Ich werde ihn nicht wiedersehen.

Manchmal tanze ich den langsamen Walzer mit dir. „Eben hast Du aber schön getanzt“, sagt dann mein Tanzpartner, der mich nur zum Training sieht und nichts Privates von mir weiß, mit leuchtenden Augen. Liebevoll zieht er mich an sich und hält dabei nichts als eine schlenkernde Puppe im Arm.

Licht über dem Schnee

Es war an dem Tag, an dem du angerufen hattest, als der Winter zurückkehrte.

Zufällig fiel mein Blick aus dem Fenster, und ich sah, wie es draußen in dicken Flocken schneite. Ich erschrak, dachte sofort an den Termin, den ich am nächsten Morgen haben würde. Es war ein ungeliebtes Treffen mit einem fremden Architekten frühmorgens auf einer zugig-kalten Baustelle, an sich schon unerfreulich. Bei Schneefall würde ich noch früher aus dem Haus müssen, an der Bushaltestelle in der finsteren Kälte stehen, darauf hoffen, dass ein Bus käme, der mich in die Stadt brächte, nach Möglichkeit pünktlich. Käme er dann, würde ich zwischen übernächtigten Schülern sitzen, ständig auf die Uhr schauen, ohne Gelegenheit, jemandem über Handy telefonisch Bescheid sagen zu können, der Bus stände im Stau, ich sei unterwegs, käme noch, aber etwas später, wegen dieses grauenvollen Wetters.

Der Schnee war so weiß vor der einbrechenden Dämmerung. Vor meinem Fenster schimmerte er in kühlem Perlmutt. Im Licht der Straßenlaterne sah ich, wie es schneite; es waren viele dicke, schwebende weiße Flocken. Während ich ihnen zuschaute, war es, als flösse jede Anspannung aus mir heraus. Ich hatte kein Licht eingeschaltet. Die dicke Kerze in dem Kugelglas hinter meinem Fenster, die ich jeden Abend anzünde, sobald ich nach Hause komme, erhellte den Räum mit einem warmen, goldenen Licht. Die Blumenkübel vor dem Fenster, die Sträucher, die Autos am Straßenrand, die Bäume des Nachbarn waren weich, dick und silberweiß. Ich konnte den Blick nicht lösen.

Später, als ich zu Bett ging, ließ ich die Rollläden offen. Mitten in der Nacht erwachte ich und lag in magischem Licht. Der Schnee machte die Nacht so hell, so weiß, leuchtend nach dem Tag, an dem du angerufen hattest.

Am frühen Morgen, noch in der Dunkelheit, sang eine Nachtigall.

 

Guten Tag, enigma!

Das ist angenehm schmerzlos und flüssig geschrieben, wirkt aber nicht. Die Heldin hängt einem Mann nach und treibt sich mit einem Zweitwahlmann herum. Da kann ich nicht mitfühlen, denn ich erfahre weder, warum sie den besseren Mann nicht öfter treffen (mit ihm zusammensein) kann, noch was sie eigentlich sucht, was sie an einem fand und am andern nicht. Der arme andere Mann, der gar nicht weiß, daß er nur eine Puppe im Arm hält, hat noch am ehesten mein Mitgefühl, aber andererseits sehe ich überall Puppen:

gut aussehend, smart, weltläufig.
anthrazitfarbener Businessanzug
Ich durfte seinen Jaguar fahren, und er führte mich zum Essen aus. Wir verstanden uns blendend.
Dann noch SMS ... SMS macht immer alles kleiner und billliger, finde ich. Wenigstens "Nachricht" könnte es ja heißen.
Im Text schwingt so Partnervermittlungston, Plauderton, Gesellschaftsteil mit. Was mir auch nicht gefällt:
Du schienst nervös
Deine Worte wirkten so neutral
Seine Küsse erscheinen mir so blass
Das könnte auch sein anstatt zu scheinen und zu wirken. So verdunstet alles.
Zurück bleibt ein blutleeres Bild von jemandem, der es eigentlich nicht besser gewollt hat und sich in leeren Pseudowelten gelangweilt im Kreise dreht (das Bild hängt sehr stark im letzten Absatz).
Man kann sich natürlich alles mögliche dazudenken. Aber das nützt dem Text ja nichts. Und das schiere Betrachten solcher Figuren beim langsamen Heuchelwalzer macht mir den Sonntag nicht sonniger.

Freundlichen Gruß!
Makita.

 
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Hallo enigma,

mit gefällt wie Du schreibst. Habe allerdings mit dem Inhalt, ein klein wenig Probleme. Deine Prot hat ihr Herz einem Mann geschenkt, der wenig bis gar keine Zeit hat, und die Hülle, also die "schlenkernde Puppe" hält sich an einen Typen, den sie selber nicht liebt.

Man liest den Text, und zurückbleiben Fragen. Warum hat ihr Mr. Right so wenig Zeit für sie? Noch wichtiger; warum fordert sie nichts ein? Ist er verheiratet? Ihr Chef? Was ist der Grund ihrer Zurückhaltung?

Vielleicht könntest Du dem Leser noch ein paar Brocken mehr hinwerfen um die Vorgehensweise der Prot zu verstehen.

Trotzdem gern gelesen.

LG
Gesamtrechnung

 
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Liebe Makita, liebe Gesamtrechnung,

habt herzlichen Dank für´s Lesen und Kommentieren.

Ich habe drei behutsame Anpassungen vorgenommen, um die Leerstellen zu schließen, die offensichtlich nicht verständlich sind bzw. zu falschen Schlussfolgerungen führen. Dass das Tanzen ein Sport ist wie jeder andere auch, ist offenbar recht wenig bekannt und bedarf der Erläuterung.

Liebe Makita, die Konjunktive halte ich für durchaus gerechtfertigt: jemand scheint mir nervös - ich stecke nicht in ihm und weiß nicht, ob er auch wirklich nervös ist. Küsse, die der einen Frau blass erscheinen, können für eine andere durchaus glutvoll sein. Worte, neutral gesprochen, können eine Offenbarung beinhalten. Ein neutrales Äußeres kann einen oberflächlichen Betrachter darüber hinweg täuschen, dass darunter ein Feuerwerk lodert.


Liebe Grüße
enigma

Noch wichtiger; warum fordert sie nichts ein?
Hallo Gesamtrechnung,

über diese Frage habe ich lange nachgedacht. Es schien mir so evident zu sein, keine Begründung erforderlich.

Gestern Abend, beim Spaziergang unter lichtgrünen Buchen, als ich an etwas völlig anderes dachte, wusste ich plötzlich die Antwort:

Die Erzählerin fordert nichts ein, weil er ihr kostbar ist. Kostbares berührt man nicht, man möchte nichts zerbrechen, ja, es auch nicht um ein Winziges verändern, denn eine Kostbarkeit liebt man so, wie sie ist. Aus der Chaostheorie weiß sie, dass auch kleine Ursachen große Wirkungen haben können, und so hält sie sich fern. Gewiss weiß sie, dass die Kraft der Liebe darin besteht, das ganze Leben völlig zu verändern, den Boden unter den Füßen zu wegzunehmen, doch das muss er selbst finden. Lieben heißt loslassen.

(Beiträge zusammengefaßt)

 

Hallo Enigma,

wie ich gesehen habe, bist du noch mal explizit auf eine Frage eingegangen. Schön, dass Du Dich damit noch mal befasst hast.

Und grundsätzlich verstehe ich worauf Du hinaus willst, nur im Zusammehang mit Deinem Text hapert das Ganze ein wenig. Denn diesen Wissenvorsprung, den Du als Autor Deines Textes hast, hat der Leser nicht. Darum musst Du ihm ein paar Hinweise geben, wie er sich den Text und den Inhalt erarbeiten kann.

Ich z.B. habe angenommen, dass es sich vermutlich um eine klassische Affäre handelt, der Typ verheiratet ist, und sie deshalb die Füsse still hält.

Nun, nachdem der Text überarbeitet ist, relativert sich diese Annahme ein wenig.

Liebe Grüsse
GR

 

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