Was ist neu

Feierabend

Mitglied
Beitritt
29.01.2004
Beiträge
123
Zuletzt bearbeitet:

Feierabend

Die Dogge hörte mit dem Jaulen auf, sah zur Tür und fing an zu bellen.

"Marissa, lass den Scheiß und hilf mir mal den Zwischenboden festzuhalten wenn ich die Schrauben löse."

Marissa dachte nicht daran, den Scheiß zu lassen und drückte ihren Kaugummi in das Bohrloch vom Ikea-Regal. "Papi," sagte Marissa langsam, "Ich wohne hier, Du hast mir gar nichts zu befehlen".

"Gerlind!".

Geschirr klapperte

"Gerlind!!"

Mehr Geschirr klapperte.

"Ist die taub? GÄÄÄÄLIIIIND!"

Lockenwickler erschienen im Türspalt.

"Was."

"Ich habe Dich gerufen".

"Was?"

"Och sach mal, kann denn keiner den Scheißhund zum Schweigen bringen, man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr. Hunde gehören nicht in Häuser."

Marissa sah auf. "Der Spucko ist ok."

Spucko hörte mit dem Bellen auf, drehte den Kopf und fing an, den Fernseher anzuknurren. Marissa stellte das Gerät lauter.

"Also was." Gerlind drehte eine dampfende Kartoffel zwischen den Fingerspitzen und sah ihren Gatten scharf an.

"Wie was?"

"Was willst du?"

"Ach ja, deine Scheißtochter kriegt ihre Beine nicht von deiner Ikea-Regalwand, sag ihr bitte dass sie...".

"Marissa", sagte Gerlind und sah dabei ihren Mann an, "lass den Scheiß und sag Papi, dass das Regal in einer halben Stunde abgebaut und im Auto ist, sonst wird er das nie zurückbringen, Ikea macht um neun zu." Sie ging wieder in die Küche, Marissa nahm die Beine von der Regalwand und holte ein neues Kaugummi aus ihrer Hosentasche.

Papi atmete aus. "Na also." Marissa blätterte in ihrem Magazin und legte die Beine wieder zurück.

"Das Regal ist übrigens schief!" rief es aus der Küche.

"Ist doch 'n Scheißregal. Papi, wenn Du nicht die Schlüssel für den Kombi verloren hättest, hätten wir gleich das geile blaue nehmen können."

Papi holte tief luft. "Ich", sagte er leise und zeigte auf seinen Hals, "Ich habe nicht die Schlüssel verloren, Deine Mutter ist zuletzt damit gefahren, und zweitens, was das Regal angeht, ich wollte gar nicht..."

"MACHT DOCH MAL DEN SCHEISS FERNSEHER LEISER!" kam es aus der Küche.

"Marissa, wenn Du mir einfach den Schraubenzieher unter Deinen Füßen gibst, den 8 Millimeter, dann könnte ich jetzt..."

Marissa blätterte um. "Das Regal ist häßlich, das kannst Du alleine machen."

"Marissa, ich hatte einen langen Tag und ich muß diesen Zwischenboden festhalten und werde jetzt nicht loslassen und der Schlüssel liegt unter deinen Füßen."

"Man kann bei Ikea ein Regal noch vier Wochen lang zurückgeben."

"Ich muss morgen um acht zur Arbeit, dann kann ich den Zwischenboden nicht mehr festhalten. Ich werde vielleicht befördert."

"Na und? Und überhaupt, ist dir eigentlich klar dass die meisten Hunde drinnen wohnen? Da kannst Du doch Spucko nicht so von der Seite anlabern"

"Marissa, der Schraubenzieher liegt unter Deinen Füßen. Das ist ein Kreutzschlitzschraubenzieher aus extrahartem Stahl, und den brauche ich zum..."

"Du mit deinem Regal". Marissa blätterte weiter und zog die Augenbrauen hoch. "Boah ist die fett!"

"Gerlind!"

In der Küche schmatzte eine Kühlschranktür.

"GÄÄLIND!"

"Was."

"Sag' Deiner Tochter, sie soll die Beine vom Regal nehmen"

"Das hab ich schon. Das ist ein häßliches Regal."

"Bei IKEA wolltest Du es noch haben".

"Marissa, sag' Deinem Vater, dass das Regal häßlich ist."

Marissa senkte die Zeitschrift. "Papi, Du bist'n Arsch"

"Marissa, ihr wolltet dieses Regal doch unbedingt, weil..."

"Ach", sagte Marissa gedehnt, "Wer hat es denn bezahlt?"

Papi strich sich die Haare nach hinten.

"Marissa, ich schraube jetzt das Brett da los, und dann hilfst Du mir bitte,..."

Es klingelte.

"Schatz, geh mal an die Tür!" rief es aus der Küche.

"Ich kann nicht, ich halte gerade einen gottverdammten Zwischenboden fest, so lange bis deine Tochter..."

"Schatz, gehst Du bitte?" rief es wieder aus der Küche.

"Zwischenboden!"

"Schatz, gehst Du bitte!"

Es klingelte wieder. Man hörte einen Fluch aus der Küche. Dann öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer und zwei Araber in Blaumännern kamen herein. In ihren Händen hielten sie einen Fernseher, in Plastik eingewickelt und größer als der, der gerade das Wohnzimmer mit Informationen über einmalig günstige Handytarife beschallte.

"Na, wo solle denn hin, bitte schnell, der isse schwer".

"Da auf das goße Fach im Regal erstmal, bis Papa den alten Fernseher weggetan hat". Marissa musterte die Oberarme vom größeren der beiden Araber, war aber nicht beeindruckt und sah wieder in die Zeitschrift. "Ist aber ein Scheissregal".

"Marissa", Papa strich sich mit der linken Hand, die nicht den Zwischenboden festhielt, den Schweiß von der Stirn. "Da kann der doch nicht hin, ich schraube doch gerade das Brett hier raus. Sieh mal, du bekommst gar nicht mit, was ich hier mache."

"Enschuldigen, aber wir ham kein viel Zeit", sagte der Araber mit den Oberarmen. "Also hier hine, Mohamed".

Mohamed und der mit den Oberarmen stellten den Fernseher auf den Zwischeboden, den Papa festhielt, und Papas Gesicht wurde deutlich dunkler. Das Regal, dem Papa schon einige Schrauben herausgenommen hatte, neigte sich zur Seite.

"Also bitten hier unterschreiben". Mohammed hielt Papi den Lieferschein hin, "Aber müssen gut drücken".

"Hören Sie, guter Mann, ich kann hier nicht loslassen, kann das nicht meine Tochter machen?"

"Ich unterschrebe nichts bis ich 18 bin".

"Wie alt bist Du denn?" fragte der Araber mit den Oberarmen und blickte auf ihr T-Shirt.

"Na gut, na gut, ich unterschreibe. Geben Sie mir den Stift." Papa keuchte, unterschrieb, und der Regalboden senkte sich noch weiter. Die Araber verschwanden nach draußen.

"Papi, der Fernseher rutscht." Marissa reckte sich, um den Fernseher besser sehen zu können, ohne dabei die Füße vom Regalboden zu nehmen. "Mach den mal an."

Der Schrank knarzte, Papi keuchte. Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Nase. Mit seiner linken Hand drückte er den Schrank wieder in die Senkrechte.

Die Lockenwickler erschienen wieder in der Tür. "Wieso steht denn der Fernseher in dem Regal? Wolltest Du das nicht abbauen?"

"Der", sagte Marissa, "Der hat in den letzten Minuten gar nichts getan, "der schimpft nur über den Hund".

Papa wurde, falls das irgendwie möglich war, noch dunkler, machte den Mund auf, aber sagte nichts. Schweißtropfen fielen von seiner Nase auf den Teppich.

"Hartmut, beeil Dich, es gibt gleich Essen", Gerlind drehte eine größere Kartoffel in der Hand, "Und du, Marissa, tu mal nicht die Füße darauf, das gibt sonst Kratzer."

Marissa nahm die Füße vom Regalboden. Der Regalboden schnappte zur Seite, es gab erst ein leises Knirschen, dann einen lauten Knall, und mit entsetzlichem Krachen brach das Regal über Papa und dem Fernseher zusammen.

"Ma!", sagte Marissa, als das letzte Brett zu Boden gegangen war. "Papa hat seine Kombischlüssel hinterm Regal gefunden."

 

Hallo Gernot,
der Plot ist ganz witzig, auch die Pointe mit dem Schluessel hinter dem Regal ist okay. Was mich aber nicht so vom Hocker reisst, ist die Umsetzung. Das ist, meiner Meinung nach, etwas zu sehr in die Laenge gezogen. Und die spitz-frechen Antworten der pubertaeren Tochter finde ich ehrlich gesagt zu extrem und daher unglaubwuerdig. Ich kann mir das Ganze gut als Comedy- Sketch im Fernsehen vorstellen, als Kg wirkt es aber nicht so recht. Ich wuerde es straffen und aus der vorlauten, purbertaeren Tochter vielleicht lieber eine Vierjaehrige machen, die den Vater dauernd nervt. Aber das musst du letztendlich selbst entscheiden. :)

Kleinigkeit:

"Na, wo solle denn hin, bitte schnell, der isse schwer".

Du machst ganz oft das Satzzeichen nach den Anfuehrungsstrichen, das gehoert hinein.

Viele Gruesse,
sammamish

 

Guten Abend!

Mich hat folgender Satz gefreut:

"Ich muss morgen um acht zur Arbeit, dann kann ich den Zwischenboden nicht mehr festhalten. Ich werde vielleicht befördert."

Der ist wundervoll trocken.

Ansonsten kann ich mich sammamish anschließen.

Gute Nacht und freundliche Grüße,
Makita.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom