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Fernes Lachen
Ich sitze auf meinem Bett, falte den kalten Brief, den ich die ganze Zeit angestarrt habe, auf, schaue die vor meinen Augen verschwimmende Schrift an, klappe den Brief wieder zu, stehe auf, laufe unruhig einige wenige Male quer durch mein Zimmer, setze mich wieder aufs Bett, rieche deinen Duft, falte den Brief auf und lese ihn nochmal und hab wie vorher das Gefühl nicht die richtigen Worte gefunden zu haben. Sie sind viel zu fad, um unsere Zeit zu beschreiben. Viel zu leer für unsere Liebe.
Der schwarze Anzug, den ich anhabe, ist viel zu klein. So klein wie ich mich fühle, so klein und allein. Es ist derselbe, den ich damals auf dem Schulkonzert anhatte, damals, als ich dich getroffen habe. Dich, das Mädchen mit den himmelblauen Augen und den dunklen Haaren, die völlig im Gegensatz zu deiner hellen Haut stehen. Ich sehe dich in meinem Spiegel, den ich wie in Trance anstarre. Du lächelst mir zu. Feines, zärtliches Lachen komm wieder. Komm, flatter durch mein Fenster, dass die kalte Luft des Winters in mein kleines Zimmer lässt, die die Tonfiguren streichelt, die du so sehr geliebt hast. Du hast sie dir immer angesehen, leicht mit dem Finger darüber gestreichelt und dir ihre Formen eingeprägt und wenn wir zusammen auf dem Bett lagen hast du sie auf meinen Bauch gemalt und in diesen Spiegel gestarrt. Zuerst hast du gemeint, ein Spiegel über dem Bett wäre voll pervers, aber dann hast du dich und mich in ihm gesehen und hast gelacht. Und der Spiegel hat es gefangen dieses Lachen. Aber jetzt, wo ich so auf die glatte, verstaubte Oberfläche schaue, erkenne ich dich nicht mehr. Ich weiß noch nicht, ob ich ihn abhängen werde. Es hängen so viele schöne Erinnerungen daran. Aber alle habe mit dir zu tun. Immer wenn ich in ihn blicke sehe ich deine zarte, anmutige Figur in ihm, deine blutroten Lippen, sehe wie sich die Kleidung sanft an deinen Körper schmiegt und dann möchte ich dich so gern berühren, deine weiche Hand in meine legen und dir die schönsten Worte ins Ohr flüstern. Und trotzdem kann ich dich nicht mehr erkennen, sehe das Leben in dir nicht mehr, die Freude, die sich immer in deinen Augen gespiegelt hat. Ich kann nicht glauben, dass es nie mehr so sein wird, dass ich dein Gesicht nie mehr in meinen Händen halten werde, deine Lippen nie mehr berühren werde. Ich versuche verzweifelt dich festzuhalten, und weiß doch, dass ich dich loslassen muss, dass dieses Gesicht im Spiegel immer mehr verblassen wird und mich die Erinnerungen trügen werden.
Ich stehe auf, gehe mit langsamen bedächtigen Schritten ans Fenster und blicke hinaus auf die graue Straße. Sie ist ganz leer und trostlos. Ich starre auf den grauen Teer, kann mich nicht von ihm lösen, kann mir nicht vorstellen, dass du auf ebenso einer Straße dein junges Leben lassen musstest. Und auf einmal stehst du da, unten auf dem Weg vor unserem Haus und lächelst mir zu. Du hebst deine Hand an den Mund, küsst sie sanft und pustest das Lachen, das deine Lippen umspielt in die Luft. Du hüpfst und springst ihm hinterher, treibst es mit deiner Hand, doch irgendwann fliegt es zu hoch und du blickst ihm mit sehnsüchtigem Blick nach und hoffst, dass es den Weg zu mir findet. Ich blicke ebenfalls auf das kleine Licht, dass auf den Wogen des Windes tanzt, das Licht, dass der einizge Schimmer in dieser grauen Leere ist. Es scheint als suche es die Ferne, flöge in die andere Richtung, doch irgendwann schwebt es vor meinen Augen und verliert sich darin. Du lächelst noch einmal, dann bist du verschwunden.
Die Straße ist wieder leer und tot. So tot wie du liegt sie da und schlummert ihren friedlichen Schlaf. Und sie ist einsam, so einsam und verlassen wie ich.
Und da weiß ich, dass es dich gibt und immer geben wird und ich schöpfe Hoffnung. Jetzt bin ich bereit dich loszulassen. Ganz langsam und sanft.