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Fines und Cäsars Hochzeit
Cäsar und Fine wohnten nun schon eine Weile in der Stadt. Einmal in der Woche flog die Taube Grete zum Feld am Wald und überbrachte Briefe. Fine hätte ihren Eltern gerne viel öfter geschrieben, wie wohl sie sich hier fühlte. Und ganz wichtig war Fine, über ihre neuen Freunde zu berichten. In den Linden wohnten seit einigen Tagen zwei Eichhörnchen, die unterschiedlicher hätten nicht sein können. Nicht nur in der Farbe unterschieden sie sich - das eine war rot und das andere schwarz - auch vom Charakter her waren sie sich nicht einmal ähnlich. Sie hießen Lucia und Gerard. Lucia war das schwarze und hatte das Temperament italienischer Vorfahren und Gerard war das rote, charmante Eichhörnchen. Er war ein Maler und sprach meistens mit französischem Akzent und er bestand darauf, dass sein Name „Scherár“ ausgesprochen wurde. Und weil sich die beiden ab und zu heftig in die Wolle kriegten, wohnte jedes auf einem Baum für sich.
Nur in Einem waren sie sich einig: Sie wollten beide die Freunde von Fine und Cäsar sein.
Am Morgen hatte Fine wieder einen Brief an ihre Eltern geschrieben und übergab ihn an die Taube. Die wollte natürlich wissen, welche wichtigen Nachrichten sie zu überbringen hatte, und als Fine wieder im Bau verschwunden war, las sie den Brief heimlich. Und weil das, was sie dabei erfahren hatte, von solcher Wichtigkeit war, dass sie es nicht für sich behalten konnte, gurrte sie, so laut sie konnte: "Cäsar und Fine werden heiraten!" Dann flog sie davon.
Gerard rief: "Lucia! Cäsar und Fine werden heiraten. Hast du das gehört?"
Nein, sie hatte es im Eifer des Gefechts nicht gehört, denn sie hatten sich wieder einmal gebalgt. Es konnte natürlich nicht sein, dass Gerard etwas wusste, wovon sie noch keine Ahnung hatte. Also sprang sie hastig von Ast zu Ast, bis sie bei ihm war. Sofort musste er ihr haarklein alles erzählen. Und als er fertig war, fragte Lucia aufgeregt: "Und du bist sicher, dass das stimmt?"
"Wenn iesch es dier sage." Gerard war stolz, ihr gegenüber einmal im Vorteil zu sein. Er versuchte so cool wie möglich zu wirken. Doch sie ahnte, dass sie von ihm aufgezogen wurde und schon wieder war der Teufel los in den Linden.
Sie hackte auf ihm herum, seine Farben würden Flecken hinterlassen, wenn er malte.
Doch das ließ Gerard nicht auf sich sitzen. "Überall findet man Verstecke mit Nüssen und Eicheln, weil du dir nicht merken kannst, wo du sie verscharrt hast."
Und so ging es immer hin und her. Natürlich stimmte es, mit den vergessenen Verstecken. Aber das war bei Gerard doch nicht anders als bei Lucia, weil alle Eichhörnchen diese Eigenheit hatten.
Während sie sich also auf den Ästen ihrer Linden balgten, kamen Fine und Cäsar aus ihrem Bau und hörten den Streit.
"Lucia, Gerard, was ist denn in euch gefahren? Warum streitet ihr schon wieder?" Fine musste laut piepsen, ehe die Eichhörnchen reagierten. Die kleinen Baumbewohner redeten in ihrem Eifer durcheinander und es dauerte eine Weile, bis die Mäuse herausfanden, dass die Taube ihr Geheimnis erfahren und verraten hatte. Fine war von Grete enttäuscht und darüber war sie sehr traurig. Nie wieder würde sie ihr einen Brief anvertrauen können, wenn das stimmte. Sie würde Grete zur Rede stellen müssen, wenn sie zurück war.
"Aber wenn deine Eltern den Brief gelesen haben, erfahren es doch auch alle", versuchte Cäsar sie zu beruhigen.
"Das stimmt. Aber Grete hat mein Vertrauen missbraucht. Und wir wollten es doch unseren Freunden selbst sagen, und nicht diese schwatzhafte Taube."
Beinahe wären die Hörnchen wieder aufeinander los gegangen, weil Lucia Gerard nun einen Dummkopf nannte. Hätte er seine Klappe gehalten, wäre Fine jetzt nicht traurig.
"Hört endlich auf!", sagte Fine nun ernst. "Kommt herunter zu uns."
Als sie vor dem Mäusebau beieinandersaßen, machten Fine und Cäsar es spannend. "Würdet ihr unser Geheimnis noch etwas für euch behalten?", fragte Fine. Die Eichhörnchen schauten sie mit ihren Mandelaugen groß an. Was gab es denn noch Wichtigeres?
"Wir möchten euch bitten, unsere Trauzeugen zu sein", sagte Cäsar.
Lucia rückte entzückt an Gerard heran. "Traut ihr uns das wirklich zu?"
"Ja", sagte Fine, "ihr seid unsere Freunde und wir wünschen es uns sehr."
„Und wer wird euch trauen?“, fragte Lucia.
„Wir haben den Igel Boris gefragt“, sagte Cäsar. „Er war schon ein Freund meiner Eltern und er hat zugesagt.“
Am Abend war Grete von ihrem Postflug zurück und brachte eine Antwort von Fines Mutter. Als sie den Brief übergab, fragte Fine ernst: „Muss ich ihn lesen, oder kannst du mir schon sagen, was drin steht?“
Grete sah sich ertappt und sie fühlte sich auf einmal gar nicht gut.
„Es tut mir leid“, sagte sie schuldbewusst. „Ich verspreche euch, es wird nie wieder vorkommen. Könnt ihr mir noch einmal verzeihen?“
Fine wartete eine Weile mit ihrer Antwort, aber sie verzieh Grete schließlich. Das würde die Taube nie wieder vergessen.
Im Feld am Wald war die Freude groß. Fines Eltern hatten nun eine Menge zu tun. In dem Brief, den ihnen die Taube Grete zugestellt hatte, befand sich eine lange Liste. Darauf stand, wer alles zur Hochzeit kommen sollte. Und die mussten benachrichtigt werden. Alle freuten sich, als Fines Eltern die Einladung überbrachten. Bald konnten sie ihre Freunde wiedersehen.
Sie versammelten sich alle, und sprachen über die Reise in die Stadt. Im Brief hatten Fine und Cäsar von der gefährlichen Straße geschrieben.
„Wie wäre es denn, wenn der Maulwurf einen Gang unter der Straße hindurch gräbt?“, fragte Oskar, der Mäuse-Opa. „Dann können alle anderen durch diesen Gang gehen und niemand muss die Straße überqueren.“
Damit waren alle einverstanden. Der Maulwurf wollte sich schon bald auf die Reise machen, weil er nicht so schnell vorwärts kam. Zur Hochzeit wollte er unbedingt pünktlich sein.
Der Hamster hatte einen Zettel an eine seiner Vorratskammern geheftet. Alles, was darin war, sollte sein Hochzeitsgeschenk für Fine und Cäsar sein. Er hatte schon probiert, ob er auch alles auf einmal transportieren konnte. Seine Frau überraschte ihn dabei und war der Meinung, er hielt eine Extramahlzeit. „Ich denke, das soll für die Brautleute sein?!“, schimpfte sie.
Er schaute sie mit großen Augen erschrocken an: „Ja, meimfp bu bemm ... “, er leerte mit seinen Pfoten hastig die Taschen. „Was denkst du denn von mir! Ich wollte doch nur probieren, ob ich alles mit einem Mal tragen kann.“
„Und wenn nicht, willst du dann zweimal gehen?!“ Sie schüttelte mit dem Kopf.
Kurt, der Nachbar von Fines Eltern, und Großvater Oskar kümmerten sich um alle Käfer, Hummeln und Bienen, und überbrachten ihnen die Einladungen.
„Aber wir haben nichts, das wir schenken könnten“, sagte ein Marienkäfer.
Aber Opa Oskar hatte eine Lösung: „Fine und Cäsar und alle anderen Gäste freuen sich auch über einen Tanz, den ihr ganz bestimmt hinbekommt.“ Mit einem Mal waren alle Marienkäfer in der Luft und zeigten einen ihrer schönsten Tänze.
„Und wir bringen ihnen leckeren Honig mit“, summten die Bienen und Hummeln.
Da aber meldete sich eine Hornisse zu Wort. „Wir sind nicht zur Hochzeit eingeladen. Was sollen wir davon halten?“
„Was ihr davon halten sollt?“, fragten die Bienen empört, „Ihr tötet uns und verfüttert uns an eure Königin!“ Die Hornissen brummten verständnislos. Sie lebten doch schon immer so und sahen nichts Schlechtes daran.
„Außerdem wohnt ihr nicht im Feld“, sagten die Käfer, die auch die Hornissen nicht dabei haben wollten.
„Wir wohnen aber in einem holen Baum am Waldrand. Und wir fressen die Wespen, vor denen ihr viel mehr Angst haben solltet, weil sie euer gesamtes Volk vernichten könnten.“ Die Bienen wussten, dass das stimmte, aber sie hatten trotzdem Bedenken.
Unter den zwei Linden am Stadion waren auf der Wiese ein Tisch und davor zwei Stühle aufgestellt worden. Dahinter waren die Plätze für die Hochzeitsgäste eingerichtet. Der Igel Boris lief auf und ab und murmelte die Worte, die er zur Vermählung der Mäuse zu sagen hatte. Er war genau so aufgeregt, wie Fine und Cäsar und natürlich auch die Eichhörnchen Lucia und Gerard, denn die Hochzeitsgesellschaft vom Feld war noch nicht eingetroffen. Die Mäuse machten sich große Sorgen, wegen der gefährlichen Straße. Die Bienen und Käfer hätten doch schon da sein müssen. Doch die Reisegesellschaft hatte einen gewaltigen Schreck bekommen.
Gerade, als die Mäuse unter der Straße durch den Maulwurfsgang geflitzt waren und am anderen Ende wieder ans Tageslicht kamen, wurde der Mäuserich Kurt plötzlich von einem Mäusebussard mit den Krallen gepackt, in die Lüfte gehoben und weggetragen. Alle waren so erschrocken, dass keiner bemerkte, dass Opa Oskar auf die Straße gelaufen war. Fines Vater konnte gerade noch sehen, wie er unter einem Auto den Halt verlor und viele Purzelbäume schlug, bis er einfach liegen blieb. Jetzt versuchten die Mäuse, Oskar zu retten. Das war nicht einfach, denn immer kamen neue Autos. Oskar hatte Glück, dass er nicht dort lag, wo die Räder ihn überrollen konnten. Keiner kümmerte sich mehr um Kurts Schicksal.
Schließlich war es gelungen, Oskar von der Fahrbahn zu retten. Als er sich ein wenig erholt hatte, blickte er nach oben und rief: „So seht doch! Kurt ist dort!“
Die Mäuse schauten nach oben und bemerkten, dass der Bussard immer tiefer flog und immer näher kam. Bis sie sahen, was der Grund war: Die Hornissen hatten den Bussard umschwärmt und ihn gezwungen, zu der Stelle zurückzukehren, wo er Kurt gefasst hatte. Sie stürzten sich auf ihn und stachen ihn durch das Federkleid hindurch. In seiner Panik ließ er Kurt fallen, der glücklicherweise im weichen Gras landete. Er war mächtig blass um die Nase, denn der Schreck saß ihm tief in den Gliedern. Die Bienen und die Käfer bedankten sich für die Hilfe bei den Hornissen und baten sie nun, mit zum Hochzeitsfest zu kommen. Dann machte sich die Gesellschaft weiter auf den Weg in die Stadt.
Endlich waren sie angekommen und hatten sich um den Tisch versammelt. Fine und Cäsar begrüßten die Gäste und setzten sich nun auf die beiden Stühle. Fine trug ein weißes Kleid mit einem kleinen Schleier. Cäsar besaß einen Frack, den er von seinem Vater bekommen hatte.
Boris hatte sich eine Brille aufgesetzt und begann nun mit seiner Rede.
„Liebes Brautpaar, liebe Gäste. Wir haben uns heute hier versammelt, um die Mäuse Fine und Cäsar zu vermählen.“
Fines Mutter tupfte sich mit einem Taschentuch eine kleine Träne von den Wangen, als das Brautpaar sich das Jawort gab.
„Willst du, Cäsar, die hier anwesende Maus Fine zu deiner Frau nehmen, dann antworte mit Ja.“
„Ja, ich will mein Mäuseöhrchen zur Frau nehmen!“, rief Cäsar außer sich vor Glück und auch Fine zögerte nicht, Ja zu sagen. Auch andere Gäste waren gerührt und schnäuzten sich. Es wurde auch schon mal ein Tischtuch genommen, wenn kein Taschentuch zur Hand war. Niemand blickte zu den mächtigen Kronen der Linden empor und somit sah auch keiner die Eichhörnchen, die sich eng aneinandergekuschelt hatten und der Prozedur in seltener Eintracht lauschten.
„Dürfte ich nun die Trauzeugen bitten, zu bezeugen, dass die Trauung auch rechtmäßig verlaufen ist?“, sagte nun Boris, der Igel und schaute sich um, wo denn die Trauzeugen waren.
Nun sahen die Brautleute die Eichhörnchen im Baum sitzen und staunten nicht schlecht, dass diese ihren Einsatz vergessen hatten. Gerard räusperte sich: „Wier aben alles genau beobachtet, es gab nichts zu beanstanden.“ Dann machten die Eichhörnchen mit ihren Puschelschwänzen ein Kreuz auf die Urkunde.
Nach der Zeremonie brannten die Marienkäfer darauf, ihren Tanz vorzuführen. Die Grillen hatten ihre Instrumente gestimmt, und begannen zu musizieren. Und schon umkreisten die Käfer im Tanz ausgelassen die Gesellschaft.
Dann wurden die Geschenke übergeben.
Fines Eltern schenkten den beiden Bettzeug für die Wiegen, die Cäsar noch für die künftigen Babys bauen musste.
Frau Hamster schämte sich für ihren Mann, der wieder einmal nicht verständlich reden konnte, weil er seine Hamstertaschen übervoll hatte. „Mein Mann und ich wünschen euch ein langes und glückliches Leben und wir haben uns gedacht ...“
„Wir habem euf eime Kleimifkeip mipbebrachp“, unterbrach Herr Hamster seine Frau und stellt sich vor sie. Dabei grinste er breit, so weit es seine vollen Taschen zuließen.
Fine begann, herzlich zu lachen, und alle Gäste fielen mit ein.
Die Bienen stellten einige kleine Eimerchen voll Honig auf die Tische und auch die übrigen Gäste übergaben den Brautleuten, was sie dem jungen Paar als Geschenk mitgebracht hatten. Sogar der Maulwurf kam in seinem seidenen Pelz und gratulierte mit einem kleinen Sträußchen.
Endlich baten Cäsar und Fine die Gäste zum Essen. Die Stimmung war prächtig, aber die Mäuse blickten ab und zu ängstlich zum Himmel, ob vielleicht ein Bussard irgendwo kreiste. Hier und da vernahmen sie das Brummen der Hornissen, die sich in den Linden am Holz labten, aber dabei wachsam nach ungebetenen Wespen Ausschau hielten. Das Fest dauerte bis in den Abend hinein. Es wurde gelacht und getanzt. Dann waren die Brautleute plötzlich heimlich verschwunden und die Mäuseriche kommentierten dies mit frechen Bemerkungen, während die Mäusemädchen beschämt zu Boden blickten. Die Mäusekinder hatten keine Ahnung von allem und staunten, als die Omas etwas von Mäusebabys erzählten, die bald erwartet wurden. Schließlich suchten sich alle ein Schlafplätzchen und ließen dem Brautpaar seine Ruhe. Am Morgen gab es für alle noch ein gemeinsames Frühstück und dann traten die Gäste ihren Heimweg an.