Was ist neu

Serie Floras Lächeln

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08.02.2010
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Floras Lächeln

Blütenblätter, zart duftend schweben durch die Luft. Der Wind lässt sie fröhlich tanzen am Morgen und am Abend. Nichts beschwert ihren Flug, nichts hindert sie daran zu berühren. Weich und kühl gleiten sie über die Haut, streicheln keck kleine und grosse Nasen.
Im Frühling zieht der Blütenregen durch die Lande. Es ist ein Glück wenn man ihn trifft, von ihm eingehüllt wird, von ihm hunderte sanfter Küsse erhält.
Die andere Seite der unendlichen Kraft die unsere Welt zusammenhält zeigt hier ihr süsses Lächeln das lockt, fast unwirkliche Freude schenkt.
Es ist die Art von Magie die die Seele ganz leis’erfasst, nur ein Atemzug, nur ein Hauch und schon hat die Erde dir ihr grösstes Geschenk preisgegeben.


Floras Lächeln

Unter dem Alten, Vergangenen, streckt sich die Unzähmbare der Sonne entgegen.
Die noch Blass-Grünen Fingerspitzen erzittern im kühlen Morgenwind. Jeder dunkle Herzschlag aus der Tiefe dunkelt das Grün, lässt knospen und spriessen, lebendig werden.
Sie drängt darauf hinauszutreten, in die Welt zu kommen über Wald und Wiesen hinweg zu ziehen.
Das Rad der Zeit dreht immer gleich und doch geschieht Veränderung.

Es ist wieder soweit. Der Wind flüstert die Worte: Frühling. Anfang. Neubeginn.
Im Schatten des Neuen, tanzen tief im Wald die Elfen in ihren Hügeln. Sie rufen das Licht, das Leben, die Liebe. Die spriessenden Bäume tragen den Ruf weiter, verwandeln die uralte Macht aus der Tiefe in Blüte und Frucht auf das die Menschen von den Wundern kosten mögen.
Träge verziehen sich die roten Lippen, samten wie Rosenblätter, zu einem Lächeln.
Der Wind ist wärmer geworden. Die Pflanzen recken und strecken sich um die Wette der Sonne entgegen. Bunte Flecken tanzen von einer neu erwachten Blüte zur nächsten, nippen vom süssen Saft des Lebendigen.
Schmetterling, Schmetterling, komm’ zu mir. Ich will mit dir tanzen, flattern, den Zauber deiner Flügel von Nahem bewundern.

Es ist nun Zeit sich zu lösen. Ein Aufbäumen. Tiefes Einatmen. Getrennt.
Lachen. Ein Lachen steigt Glockenhell in die Luft. Langes Haar dreht sich im Kreiss. Augen so grün wie die frischen Wiesen blitzen stürmisch, lebensfroh, in die Welt, die mit all ihren verschiedensten Seiten erlebt werden will.
Sie selbst ist ein Teil dieser Welt. Ein Teil, um den kaum ein Mensch weiss, geschweige denn sich vorzustellen vermag. Wie eine Art offenes Geheimnis. Die Wesen der Erde die sich Menschen nennen, würden sich wundern wie viele dieser offenen Geheimnisse es gibt.
Nur die alten Völker, die Vergessenen, wissen um sie.
Verschiedene Namen, Bedeutungen werden ihr gegeben und in allen steckt ein Körnchen dessen was sie ist. Und doch... Und doch bleibt ein Schleier der sie vor den allzu verschlingenden, den allzu wissen wollenden Blicken bewahrt.
Sie steht an einer Weggabelung. Norden. Süden, Osten, Westen. Welche Richtung soll sie wählen? Sie hält die Nase in den Wind. Was ist da draussen? Wo ist das was sie sucht, wofür sie keinen Namen weiss? Wird sie es jemals finden, es erkennen?
Wer weiss, wer weiss.

Da. Etwas. Die Augenlider senken sich über das Wiesengrün. Eine Weile steht sie still in der Mitte der Gabelung.
Nach Osten also. Sie hält das vom Wind aufgepeitschte Haar aus dem Gesicht und schaut in die Richtung. Weite Felder, knospende und schon blühende Bäume bis zum Horizont. Der Weg wird nicht einsam sein. In gewisser Weise ist sie allen Pflanzen die Mutter die in ewiger Verbindung zu ihnen steht.
Die letzten Strahlen der Sonne verleihen der Landschaft einen rötlichen Schimmer.
Es wird bald Nacht. Wie das Licht vergeht so legen sich die Bäume und Pflanzen schlafen. In der Dunkelheit wird sie im hohen Heidegrass liegen und den unzähligen Geräuschen die in der Nacht lauter scheinen, lauschen. Die Gute-Nacht-Musik der Natur.

Morgen. Morgen ist ein neuer Tag und jede Stunde wird sie dem Neuen näher bringen. Die Suche beginnt. Wie jedes Jahr. - Oder anders? Wird das Gleiche geschehen wie immer oder wird es dieses Mal doch ganz anders kommen?
Wer weiss das schon.


Willem

Das Hemd klebt förmlich am Körper. Die Spät-Frühlings-Sonne ist gleissend auf ihrem höchsten Stand, strahlt auf jeden unbarmherzig nieder.
Der weisseste Ritter mit seinem glühenden Schwert scheint mächtig über dir zu stehen. Helios.
Er lächelt leicht über seine Gedanken. Die guten alten Griechen mit ihren Mythen.
Seine Hand hinterlässt eine erdige Spur auf seiner Stirn als er über diese streicht.
Grossmutter Bette hätte sich wohl nie vorstellen mögen wann sich ihre Geschichten in die Gedanken ihrer Enkel schleichen.

Auf dem Spaten gestützt schaut er über die schon umgegrabene Fläche. Im Garten der Süssmunds zu arbeiten ist immer wieder schön. Viele, der schweren Arbeiten macht das alte Ehepaar ja noch selbst, nur wenn es manchmal allzu schwere Dinge im Garten zu tun gibt bringt Frau Süssmund Herrn Süssmund zur Vernunft. Selbst wenn das Ehepaar zu ihren Kindern zu Besuch fährt, lassen sie ihren Garten nicht gerne alleine, vor allem dann nicht wenn das Wachstum erst richtig beginnt.
Für Frau und Herrn Süssmund ist Willem wie eine Art Kindermädchen, nein, ein ‚ Garten-Mädchen.’
Und wenn es nach Herrn Süssmund gehen würde, so wäre es durchaus möglich neben dem Haus bei den Heckenrosen, ein Zelt aufzustellen. So wäre der Garten selbst in der Nacht nicht alleine.
Die Süssmunds mit ihrer schrulligen Art muss man einfach mögen.

Nun Schluss für heute. Die Fläche ist gut umgegraben, das Unkraut zwischen den Kartoffeln entfernt, die Obstbäume auf Krankheiten kontrolliert.
Er zieht sich die Handschuhe aus und nimmt den Gartenschlauch. Jetzt giesst er noch nicht. Am Mittag soll man nie sprenkeln, die Sonne würde sofort alles verbrennen.
Nachdem er den Schlauch bereit gelegt hat, läuft er über die Verandatreppe in die dunkle Kühle des Hauses, bei der die Augen blinzelnd eine Weile brauchen bis sie Einzelheiten erkennen können.
Die Küche ist das Herz dieses Hauses. Und in diesem Herz gibt es einen schier unendlichen Vorrat an Dingen die wahrlich dem Spruch: ‚Liebe geht durch den Magen’entsprechen.
Aus dem Kühlschrank nimmt Willem einen Krug Limonade. Zritonenscheiben schwimmen als Dekor in der durchsichtigen Süsse. Er trinkt ein wenig, bevor er mit Glas und Krug zurück in die Hitze geht.
Unter der alten Blutbuche mit ihren dicken aus dem Boden brechenden Wurzeln gibt es genügend Schutz vor der Sonne. Rot sind die Schatten ihrer Blätter.
Eine Blutbuche ist die ‚kleine’Schwester der Buche. Ihre Blätter sind dunkelrot nicht grün. In der Nacht wirkt solch ein Baum noch unheimlicher als ihre grüne Verwandte.

Den Kopf am Stamm lehnend schliesst er die Augen. Dank seiner lieben Grossmutter Bette, hat er nicht nur immer die kühl wirkenden Fakten der Pflanzen oder anderer Dinge die er sieht, in seinem Kopf. Zu jeder Sache kommt etwas in ihm hoch, das er gerne als die Bettes-Herz-Schwingung bezeichnet. Bette hatte einen unermesslichen Reichtum an Geschichten, Sagen, Gedichten, Legenden gehabt, kurzum, er weiss nicht ob sie für Etwas oder Jemanden jemals kein wunderbares Wort übrig gehabt hat. Es ist einfach ihre Art gewesen.
Wie er sich da so anlehnt, träumen sich seine Gedanken mehr und mehr in seine Kindertage als die Welt noch duftender, noch grüner, schöner, schneller, aufregender gewesen ist.
Wo Grossmutter Bette noch da gewesen ist.
Was hat sie immer gesagt? Immer zur Frühlingszeit kamen immer dieselben Worte von ihren Lippen.
Genau.

Frühling, Anfang, Neubeginn.
Das Leben erwacht, Willem. Hör doch wie der Wind mit den frischen Blättern spielt, ihnen ein erstes Flüstern abgewinnt. Der Kreislauf beginnt von neuem und ist doch anders.
Was schön ist für den einen mag schlecht sein für den anderen. Jedoch Leben zu schaffen und zu erhalten ist immer unbeschreiblich. Die Erde gibt gerne aber vergiss nie ihr auch etwas zu geben. Ein karger Boden kann dir nicht den Duft schöner Blumen schenken, dir nicht den unvergleichlichen Geschmack scharfer Radieschen auf die Zunge zaubern.
Was du der Welt gibst, gibt die Welt dir. Und alles ist gut. Merke dir dies. Vergiss es nie. Vergiss nie...nie...


Floras Lächeln

Mit all ihren Kindern erwacht sie. Die ersten Sonnenstrahlen streichen zart über jedes Blatt, jede Blüte, jedes geschlossene Augenlid. Frisch ist es noch um diese Stunde, die Erde gähnt noch mit weitem Schlund. Diese Zeit wird von den Menschenwesen als die Friedlichste bezeichnet. Aber es gibt Blumen die nur in dieser ruhigen Zeit blühen, jeden Tag neu und es gibt Düfte die man nur bei den ersten zaghaften Sonnenstrahlen riechen kann. Und mehr. Es gibt noch so vieles mehr, was nur zu einer bestimmten Stunde möglich ist.
Wie schnell ist ein Moment vorbei und man weiss, in diesem Moment hätte die Tat, das Wort, fallen müssen um Kraft, Gewicht, zu haben um Wirkung zu entfalten. Kein Moment der dann noch kommen mag wird diese Einmaligkeit auf dieselbe Weise spiegeln.

Sie tritt auf den Weg. In ihren Augen ist der Sonnenaufgang zu sehen; kleine Sonnen in kleinen Himmeln.
Schon lange ist sie unterwegs. Die Luft hat sich gewandelt und mit ihr auch die Landschaft. Warm ist nun der Morgen, die Vögel kümmern sich um ihre Jungen, lernen ihnen das Fliegen.
Das Heidegras raschelt zum Abschied und die ersten Grillen lassen ihren Morgengruss erklingen. Unter ihren Fusssohlen spürt sie den Boden, ihren eigenen Leib. In der morgendlichen Frühe knirscht jeder Schritt einsam unter ihr.
Noch ist sie keinem Menschen begegnet. Hat keinen in der nahen Umgebung erfühlen können. Auch die Obstbäume, die Äste schwer von Früchten am Wegesrand berichten, dass in letzter Zeit kein menschliches Wesen an ihnen vorüber gegangen ist.
Neugierig ist sie ob sich die Menschheit während eines Jahres verändert hat. Wenn sie nicht umherstreift mit dem Wind, wie jetzt, nicht tanzt und springt über kleine Bäche und Hügel kann sie die Schritte spüren, die vielen Fahrzeuge die rumpelnd auf ihr schwarzen Rauch spucken. Die Gedanken der Erdenwesen kann sie jedoch nicht lesen. Manchmal fühlt sie, wenn ein Mensch wütend ist, auf ihr stampft, seinen Gefühlen Ausdruck gibt und wenn sie so wie jetzt mit blitzenden Augen geht, kann sie die Gefühle auf den Gesichtern, in der Bewegung, erkennen.
Wie glücklich sich die Menschen schätzen, dass sie Augen haben die so viele Dinge sehen können, denkt sie.
Wenn sie wüsste...

Ein Vogel fliegt tief über sie hinweg, trällert fröhlich. Ihr Lachen folgt ihm.
Leichtfüssig rennt sie bis auf den vor ihr aufragenden riesigen Hügel.
Dann liegt unter ihr ein grösseres Dorf dessen Häuser sich an einer Flussbiegung entlang schmiegen.
Das Ende des Dorfes kann sie nicht sehen, eine kleine Waldgruppe nimmt ihr die Sicht.
Ihre ersten Menschen in diesem neuen Jahr. Neubeginn.
Sie dreht sich um sich selbst, die Arme von sich gestreckt. Der Wind zupft wie fragend an ihrem Haar und ihrem Kleid.

Was wirst du tun.
Lippen so rot wie Erdbeeren lächeln nachsichtig.
Ich weiss es nicht, Wind mein Freund. Es wird sich zeigen. Es zeigt sich immer. Immer.

Mahnend begleitet er sie hinunter. Immer so stürmisch, ohne Gedanken an Morgen.
Ein jedes Mal.

Da. Der Geruch. Hier ist es, das was sie lockt.
Mit ihren Händen streicht sie durch das hohe Gras, geniesst das kitzelnde Gefühl an den Fingerspitzen. Ihre Füsse tragen sie zum Flussufer.
Wasser ist Leben. Es sprudelt, gluckst über grosse und kleine Steine. Kühl platscht es an ihre Füsse. Wenn die Menschen doch auch so klar wären. In den vergangenen Jahren, so erinnert sie sich, sind die Menschen die ihr begegnet sind des Öfteren ganz verschlossen ohne Lebendigkeit gewesen. Kein Plätschern und Glucksen. Keine Wirbel um andere Menschen, man ist kein Fisch der einen anderen anstupst und mit Blubberblasen zum Blubbern einlädt. Es ist still um die Menschen gewesen. Keiner hat mehr mit dem anderen reden wollen.
Was sind Worte anderes als der Ausdruck der Seele.
Sie schaut ins Wasser, sucht nach Fischen, folgt einem mit den Augen den Fluss hinunter. Wenn sie dem Fluss entlanggeht so wird sie auf den Ursprung des Geruchs treffen der sie anzieht. Hinter der kleinen Waldgruppe.
Manchmal so weiss sie, folgen die Menschen ohne Gedanken ihrer Natur.
Spontan. Leidenschaftlich. Kraftvoll.
Wie schwer ist es dann für die Natur selbst diesem Ruf nicht auf der Stelle zu folgen. Aber sie ist unter Menschen auch wenn sie kein Mensch ist. Sie ist in ihrer eigenen Welt eine Fremde und muss sich den gegebenen unsichtbaren Regeln anpassen. Das ist eine Art Gesetz. Eine Regel die sie für sich selbst jedes Jahr aufstellt. Es ist ein bisschen so für sie, wie wenn man einer Blume verbieten würde der Sonne entgegen zu wachsen. Die Natur hält ihre Natur ein bisschen zurück.
Ihre Finger kämmen durch ihr Haar, während ihr Blick ins Leere geht. Hinter ihr werden die Menschen dieses Dorfes langsam wach; sie hört das ratternde Geräusch einer Maschine, allgemeines Geklapper in der Küche, das Grummeln eines Morgenmuffels der auf dem Weg die Treppe hinunter in die Küche, widerwillig die Vorhänge öffnet, das Miauen einer noch jungen Katze. In jedem Haus beginnt das Leben nach dem Schlaf anders, was für herrliche Musik am Morgen! Eine Weile hört sie zu ohne sich zu bewegen.
Steine zeigen dieselbe Ruhe, wenn auch Regen oder Sturm an ihnen rütteln mögen.

Dann, plötzlich, springt sie auf und hüpft auf die andere Seite des Flusses. Einfach so. Und wieder zurück.
Unmöglich, unberechenbar, unbegreiflich.
Das Flussufer ist feucht und nass, durchsetzt von abgerundeten Steinen schmatzt und knirscht es leicht unter jedem Schritt. Die Arme um den Körper schlenkernd läuft sie dem Neuen, da, hinter dem kleinen Wäldchen entgegen.
Mit ganzer Kraft entfaltet sich hier die Erde, ihre Welt. Hier ist in verschiedenen Schattierungen alles Grün. Moos verschluckt das Braun der Stämme, dämpft die Schritte. Efeu rankt sich zuerst leis’ und schmächtig, später in voller Kraft und mächtig um die Bäume. Menschliche Augen können Nichts und Niemanden erkennen wenn sie versuchen in die Weite zu schauen; ein dunkelgrünes Loch blickt ihnen ein jedes Mal entgegen.
An manchen Stellen kämpft sich das Licht durch das dichte Blätterwerk und scheint in grünlichem Gelb auf den Waldboden. Überall raschelt es, huscht es., spinnt sein Leben.
Alle Augen die auf sie gerichtet sind grüsst sie. Die durchsichtigen Fäden der Spinnenetze stören sie nicht hüllen sie vielmehr in ein Kleid mit perlenden Wassertropfen aus Morgentau, die wie grüne Diamanten schimmern, funkeln, wenn ein Sonnenstrahl erfolgreich durch das dichte Grün sich gekämpft hat.
So geht sie weiter, auf das Ende des Wäldchens zu, auf allen Seiten das Grün, die Farbe der Hoffnung.
Auf was kann sie hoffen? Gibt der Mensch der Erde in Zukunft mehr als nur Verschmutzung, bringt er ihr irgendwann gegenüber Achtung auf? Wird es dieses Jahr anders für sie sein, wird etwas Besonderes geschehen? Was wird kommen?
Ein letzter Schritt und sie steht ausserhalb der dunkelgrünen Welt.


Willem

Beim Aufwachen ist der Geschmack Grossmutter Bette’s Erdbeertörtchen noch da. Er ist wohl doch ein bisschen im Traumland gewandert.
Die liebe Bette hat das immer gesagt: im Traumland wandern gehen.
Sie hat auch gesagt, dass manch ein Träumer von der Vergangenheit die Echos der Erinnerungen, von der Gegenwart die Stimme der Tat und das Flüstern der Möglichkeiten in der Zukunft, im Winde des Traumlandes hören kann.
Heute hat der Wind geflüstert, ganz leise.
Von dem schönsten und seltsamsten Geheimnis der Welt wisperte er.
Alle Jahre wandert dieses durch das Land, über seinen eigenen Leib.
Es ist auf der Suche und findet doch nie.
In diesem Jahr wird es seine Suche zu dir, dem Mann führen. Und es wird sich verändern durch dich und du wirst verändert durch es.
Hab’keine Furcht vor dem Neuen, Gärtner, du kennst es doch schon, haucht der Wind am Ende des Traumes.
Willem schüttelt den Kopf. Dieser letzte Satz will einfach nicht verschwinden.
Einem Stück aus einem Traum soll man nicht allzu grosse Bedeutung geben, - und dennoch...
Dennoch, er weiss nicht warum, lässt es ihn nicht los.
Er ist kein Mensch der von sich behaupten würde vor nichts Angst zu haben.
Aber vor Neuem, hatte er vor dem Neuen Angst? Zugegeben er hat sich sein Leben genau so eingerichtet, wie er es schon immer wollte und er mag keine Überraschungen, die seine Pläne durcheinander bringen.
Trotzdem hätte er nie behauptet, dass er Angst vor dem Neuen hat.
Er nimmt sein Glas und den Krug und geht, den Traum beiseite schiebend ins Haus hinein.
Am Sonnenstand kann er erkennen, dass es bald Abend sein muss. Das Mittagsschläfchen scheint doch etwas länger gewesen zu sein.
Am Horizont stehen dunkle Wolken. Vielleicht wird ein Gewitter aufziehen. Die Fensterläden sollte er sicherheitshalber schliessen, sonst lässt sie der Wind und Regen nur die ganze Nacht klappern.

Der letzte Fensterladen ist geschlossen, alle Dinge rund um das Haus sind versorgt oder gesichert als der Wind auch schon beginnt Blüten durch die Luft zu wirbeln, zwischen die Äste der Bäume fährt und das Rauschen anschwellt. Die dunklen Wolken sind schon ganz nah.
Wo ist nur Bäumchen, die Katze? Willem läuft einmal ums Haus, durch den Garten, beschwörend den Namen rufend. Die Süssmunds sind wirklich speziell. Bäumchen, wer kann seine Katze nur Bäumchen nennen? Allerdings haben sie gar nicht so Unrecht. Bäumchen ist schon ein Bäumchen. So eine stämmige Katze gibt es im ganzen Dorf nicht noch einmal.
Wo kann sie bloss sein? Frustriert fährt er sich durch die Haare.
Er geht ohne grosse Hoffnung auf das mit wilden Wein überwachsene Zauntor zu. Vielleicht ist sie irgendwo auf der Strasse, wälzt sich auf dem Boden herum, jagt Schmetterlinge vom Rücken aus, hypnotisiert mit ihren grossen gelben Augen die umherschwirrenden Bienen. Das Tor quietscht nicht, Herr Süssmund ist sehr gewissenhaft in solchen Dingen.
Der Himmel ist geteilt. Das Orange der untergehenden Sonne kämpft noch gegen das Grau der dicht geballten, alles verschlingenden Wolken auf der anderen Seite. Das sieht gar nicht gut aus.
Bäumchen wird sich nicht wohl fühlen wenn sie bei diesem Wetter draussen bleibt. Aber wo kann sie nur sein?

Was ist das? Was ist da im Baum? Bäumchen ist zwar eine riesige Katze aber das ist etwas anderes, etwas Grösseres. Hoffentlich ist es nicht eines dieser überdimensionalen Bettlaken von Frau Handeln. Schon beim letzten Unwetter ist eines von den Dingern in dem Baum vor dem Haus, vom Regen voll gesogen gelandet. Die weissen Laken sind nicht einmal das Schlimmste, das Schlimmste ist es Frau Handeln bei der Rückgabe zu begegnen.
Aber heute ist es kein Bettlaken. Es ist ein Mensch. Eine Frau.
Ein paar Schritte entfernt bleibt Willem stehen. Er ist von der ganzen Situation zu erstaunt um sich zu bewegen, etwas zu denken oder zu sagen.
Eine Frau in einem wehenden weissen Kleid, ohne Schuhe streckt einen Arm Bäumchen entgegen und gibt lockende Laute von sich. Die Frau ist Willem unbekannt und er glaubt nicht, dass sie eine Dorfbewohnerin ist. Unmöglich. An so Jemanden würde er sich doch erinnern.

Auch als sie vom Baum beginnt herunterzuklettern, mit Bäumchen auf dem Arm, bewegt sich Willem nicht.
Braunes Haar, schimmernd wie Wasser das über Holz fliesst, in leichten Wellen auf ihren Schultern fallend, gibt den Rahmen für ein Gesicht aus welchem die grünsten Augen blitzen, die je ein Mensch gesehen hat.
Sie läuft, nein schreitet langsam auf ihn zu. Ihre Bewegungen sind unwirklich, kein Mensch besitzt diese Leichtigkeit und tänzerische Ruhe, die dich vergessen lässt das du auf festem Grund stehst.

Willem ist im Bann der Elbenprinzessin gefangen. Grossmutter Bette würde das ungeheuer romantisch finden.
Ganz nah vor ihm bleibt sie stehen, Ebyia aus dem geheimen Land, aus den Geschichten von Bette entstiegen.
Die Augen geniesserisch zu Schlitzen verengt schnurrt Bäumchen auf ihren Armen. Die Riesenkatze scheint der Prinzessin nicht zu schwer oder zu warm zu sein. Unberührt von dem hervorquellenden Bauchfell und den vielen Haaren überall, steht sie da. In ihrem Haar stecken kleine Äste und Blätter und ein paar Schmutzflecken verzieren Gesicht und Kleid. Wie aus einem Traum, aus einer Phantasie.

Ein, zwei, oder vielleicht drei Minuten sehen sie sich an. Eine lange Zeit des äusseren Schweigens. Nur die Gedanken sprechen.
Wer bist du? Was geschieht hier? Ist das wirklich?
Mit einem ungeduldigen Miauen unterbricht Bäumchen das aufkommende Chaos in seinem Kopf.
Sein Blick erfasst schnell dass die schwarz-grauen Wolken, welche gefährlich nahe sind und die Bäume die sich schon unheimlich unter dem starken Wind biegen.
Doch bevor er der Geheimnissvollen für die glückliche Findung von Bäumchen danken und ihr die Katze abnehmen kann, ist diese schon auf dem Weg zum Hause der Süssmunds, - streckt eine Hand nach ihm aus und Bäumchen wirft ihm über die braunen Haare hinweg einen irgendwie triumphierenden Blick zu.

Diese Katze. Manchmal hat sie fast zu viele menschliche Eigenheiten und jede von ihnen lässt Willem sich fragen, was das nun soll.
Noch einmal wirft er einen Blick über seine Schulter auf die schwarze Front am Himmel, bevor er der ausgestreckten Hand folgt, sie in seine nimmt.

Ein einziger Wimpernschlag, - nein, die Schnelligkeit eines Gedanken oder das Verschwinden einer Katze, kann alles verändern.
Durch diesen Schlag; - so ist es möglich zu sagen, ist nun etwas Vertrautes nicht mehr da.
Und vielen Menschen fällt es schwer sich mit Veränderungen zurechtzufinden.

Was ist das denn was nicht bekannt ist? Werde ich damit zurechtkommen? Oder wird es mich überrollen mit aller Macht? Werde ich ein Anderer werden?

Das man jemand Anderer wird, dies ist wohl die grösste, unbewusste Angst der Leute.
Der Mensch muss sich in der Welt schon mit so vielen unbekannten Dingen herumschlagen da möchte er sich doch ganz gerne nie aus den Augen verlieren. Nie will er das Wissen um seine Person verlieren um wenigstens einen festen Punkt auf dieser sich ständig rotierenden Kugel zu haben.

Ein anderer Teil von ihm beobachtet die vom Wind aufwirbelnden Blütenblätter. Rosa vor schwarzem Grund.
Er hält hier etwas in der Hand, etwas Besonderes.
Man weiss, erkennt, auch wenn zuvor niemals das Schönste durch das eigene Leben geglitten ist, dich berührt, dir dieses innere Strahlen schenkt: das hier ist etwas Besonderes -einzig da für mich.

Folge dem Frühling, du, von dem besonderen Moment der Erkenntnis Erfasster, dem Anfang, beginne es. Laufe, laufe mit dem Wind, sieh neue Dinge, mach sie zu deiner Gegenwart und halte sie fest in deiner Erinnerung. Laufe, laufe hör sein Flüstern, hör sein Wispern. Fühle sein Lied das dein Herz gleich einem Finger der eine Saite anschlägt, berührt. Vielleicht findest du das, was du nie erahnt und nie geglaubt hättest...So folge, folge, folge...


Floras Lächeln

So anders.
Die Katze hat es ihr gesagt. Ein ruhiger stiller Mann ist er. Niemals kann er wie der plätschernde Bach draussen über die Steine fliessen und einfach neue Orte berühren, mit fremden Fischen sprechen oder wie der Wind spielerisch an Haarsträhnen zupfen die er nicht kennt, ohne vorher lange und in Ruhe darüber nachgedacht zu haben.
Aber gut und stark, wie Stein der Berge stehen lässt.
Er streicht dir meist gedankenverloren über den Rücken, kitzelt dich mit einem Stängel aus trockenem Gras, und gibt dir etwas zu Essen und manchmal, ja manchmal redet er mit dir über seine Blumen. Und in der Nacht lässt er es zu, dass du zusammengerollt auf seiner Brust liegen darfst.
Was willst du mehr, hat die Katze zufrieden in ihren Armen geschnurrt.
Was willst du mehr.
Was will Flora.
Bis jetzt ist sie nur immer auf der Suche gewesen. Der Duft hat sie geführt, der Wind hat sie getragen und vieles hat sie gesehen und erlebt.
Das Wahre sucht sie. Was ist das Wahre? Hier ist das Ziel des Duftes, dennoch wird alles was nun kommt, nicht geführt vom Winde.

Alle die Kinder der grünen Welt sprechen zu ihr, mit dem Wind, den Geräuschen, Gerüchen teilen sie sich ihr mit.
Sie und ihre Schwester sind im hohen Grass, in dem Falken über den Baumwipfeln und hören in den Wind, fühlen in die Erde, sprechen zu allen die sie spüren können. Eine Einheit sind sie.
Der Frühling ist ihre Zeit. Die Erde, - das Leben.
Die Menschen jedoch, ihre Gründe und Motive, für ihre Handlungen bleiben vor ihnen verborgen, verstehen sie nicht in ihrem Innern.
Floras Sein ist mit allem Lebenden der Erde verbunden, dennoch entzieht sich ihr der Mensch.
Sie laufen auf ihr, oft kann sie ihre Gefühle in ihren Schritten erkennen, erahnen wenn sie fest, wütend, auf ihr traben, schleichend beim Versteck-Spielen, stolpernd bei Übermut, aber ihre Gedanken, die hört sie nicht, sind ihr fremd.

Wie nah und doch so, so fern.
Die Erde ist in Aufruhr. - Sie ist in Aufruhr, wie der Sturm der hinter ihren Köpfen sich weiter weg bereits mit Donner und Blitz austobt. Alles ist lebendig, Spannung liegt in der Luft.

Sie wird das tun was ihre Natur ist.

Das Lied des Sturms zerrt an ihrem Haar, peitscht durch die Äste. Es ist die Melodie ihrer eigenen Seele, dass sie da umbraust, ein Lachen hervorsprudeln lässt.


Willem

Wundersam. Seltsam. Schön.
Wunder - Schön.
-So jemand wie diese Frau, ist ihm noch nie begegnet.
Er hat gedacht er hat schon alles Wissenswerte über jede Art von Mensch erfahren. Und doch: Vor seinen Augen mit einer Gewissheit die er selbst nicht verstehen kann und nicht begreift, sieht er hier ein Mensch-Sein das ihm fremd ist.

Menschen. Menschen schaffen nur Probleme, das ist seine Sicht. Sie erwarten immer so viele Dinge. Nie können sie das geniessen was sie haben.

Ihr Lachen. Ist es das was ihm gefehlt hat?
Obwohl er ihren Namen nicht kennt, nicht weiss woher sie kommt oder wohin sie gehen mag, in diesem Moment ist sie das schönste Leben das je unter seiner Hand geblüht hat.
Wie sehr man durch einen Moment, durch etwas oder jemanden verändert wird kann man nicht vorher bestimmen. Erst wenn man damit lebt, damit in Berührung kommt, begreift man.

Der Gärtner ist ein Hüter des Lebendigen, des Grünen. Aber schon lange hat er nicht mehr begriffen dass das wahre Leben nicht nach dem eigenen Plan abläuft. Es will so gelebt werden wie es seine Natur ist und Irrwege und mögliche falsche Entscheidungen sind einfach ein Busch der an einer Stelle wächst wo man es in diesem Moment nicht wünscht, nicht mehr und nicht weniger.

Und der Gärtner erwacht unter der Blutbuche aus einem Traum den er Leben genannt hat.
Er fährt über seine Wange, berührt rosarote Blütenblätter.
Der Frühling, der Beginn des Lebens, Flora selbst hat ihn wie Dornröschen für das richtige Leben wachgeküsst.
Er schaut zum blauen Himmel hinauf, sieht kleine weisse Wölkchen vorüberziehen und hört das Lachen, das ihn so sehr berührt hat in seinem Ohr und weiss nun dass es wirklich das Wahre gibt, wie Grossmutter Bette immer behauptet hat, und er wird die Blüten die das Leben treibt niemals wieder verhindern...

 

Hallo Jezabelle Lijven.


Den Anfang finde ich sehr schön. Da wir in der Fantasy-Rubrik sind, erwarte ich irgendwas mit Dryaden. *g*

die Vögel kümmern sich um ihre Jungen, lernen ihnen das Fliegen.
lehren sie das Fliegen

Auch die Obstbäume, die Äste schwer von Früchten
Eben war es doch noch Frühling oder alle Bäume voller Blüten? Und im nächsten Abschnitt ist es plötzlich der Anfang des Jahres?

das Schlimmste ist es Frau Handeln bei der Rückgabe zu begegnen.
Ich verstehe nicht, was das bedeuten soll.

Willem ist im Bann der Elbenprinzessin gefangen.
Oben waren es noch Elfen. Entscheide dich bitte.

Und: Huch, ich dachte, die Frau hieße Flora (wegen der Überschrift) und wäre Mutter Natur. ^^ Okay, heißt sie eben Elbyia.

Was willst du mehr.
Was will Flora.
Also doch 'Flora'?


Vergiss das, was ich über den Anfang sagte. Die ganze Geschichte ist schön, als wolltest du ein Gedicht schreiben. Es wundert mich, dass ich keine Spannung entdecken konnte, aber ich habe weiter gelesen, weil die Worte schön klingen, sich gut anfühlen. Bist du vielleicht doch eine Dryade? ;)

Ein paar kleine Schreibfehler sind drin.

Umweltverschmutzung ist eine alte Leier. Gut, dass du sie kurz gehalten hast.

Bemerkenswert finde ich, dass die Katze ein Individuum ist. Dagegen erscheinen die Elbenprinzessin (oder was auch immer) und der Mann etwas flach.


Wie gesagt, ich mag die Geschichte sehr. :)


Grüße von Jellyfish

 

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