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Frau Lehmann und der Spitzenstrumpf

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21.04.2015
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Frau Lehmann und der Spitzenstrumpf

„Das ist ja seltsam“, murmelte Frau Lehmann, als sie die Tassen aus der Spülmaschine zurück in den Schrank stellte. „Frau Koraskes Tasse steht nun schon seit zwei Tagen genau am selben Platz. Ob sie wohl im Urlaub ist? Oder krank?“
Während sie sich wieder der offenen Maschine zuwandte, hielt sie sich das Kreuz und sog zischend die Luft ein. Ihr Rücken machte seit Wochen Probleme. Aber sie beschwerte sich nicht, denn abgesehen von diesem gelegentlichen Ziehen war sie mit ihren 63 Jahren noch gut in Schuss.
Sie wischte sich eine weißblonde Haarsträhne aus dem Gesicht und räumte das restliche Geschirr auf. Jetzt schnell die Arbeitsflächen abwischen und sie war fertig für heute. Es blieben noch zehn Minuten, bis die ersten eintrudeln würden. Das war genug Zeit, um die Putzutensilien in der Abstellkammer zu verstauen, sich gründlich die Hände zu waschen und es sich am Küchentisch mit einer Tasse Kaffee und einem Keks gemütlich zu machen.
Seit zwanzig Jahren war sie bereits als Reinigungskraft – das Wort „Putzfrau“ war ihr zuwider – bei der Firma Jahn & Janssen angestellt und genoss noch immer das Gefühl, Feierabend zu haben, wenn alle anderen gerade erst mit der Arbeit begannen.

Der Pünktlichste von allen war Herr Krause, er betrat die Büroetage meistens gegen halb neun. Er arbeitete in der Buchhaltung, ein schmächtiger Kerl mit herabhängenden Schultern. Wenn er sprach, dann nur sehr leise. Ihm gehörte die graue Tasse mit den weißen Querstreifen. Frau Lehmann platzierte sie immer vorne am Regalrand, damit Herr Krause leicht nach ihr greifen konnte. Er schien ein einsamer Mann zu sein, da musste sie ihm nicht noch jeden Morgen vor Augen führen, wie klein er war. An Montagen fragte sie ihn oft, was er am Wochenende unternommen habe, aber seine Antwort lautete immer gleich:
„Nichts Besonderes.“
Einmal hatte sie beim Putzen seines Schreibtisches ein Magazin gefunden – sie hatte nicht herumgeschnüffelt, es hatte offen in einem seiner Ablagefächer gelegen! – mit Drachen und seltsam verkleideten Menschen auf der Vorderseite. Von ihrem Enkel wusste sie, dass es Leute gab, die sich trafen und in mittelalterlichen Kostümen merkwürdige Rollenspiele durchführten. Vermutlich war Herr Krause einer von denen.

Frau Lehmann öffnete die Tür zur Abstellkammer und stellte Eimer und Wischmob in die Ecke. Beim Hinausgehen streifte ihr Blick das Regal mit den Putzmitteln und sie stockte.
„Moment mal.“ Sie griff nach dem Plastikbehälter, in dem sich das Reinigungsspray für die Toiletten befand. Leer.
„Das gibt’s doch nicht! Da hab’ ich doch erst vorgestern ein volles hingestellt.“
Und da fiel es ihr wieder ein. Hatte nicht gestern früh die Küche so aufdringlich nach Chlor gerochen? Sie hatte das Fenster aufgerissen und den Gestank bald wieder vergessen, aber nun wunderte sie sich doch sehr. Sie tastete mit den Augen erneut das Regal nach Unregelmäßigkeiten ab und entdeckte in der hintersten Ecke einen zusammengeknüllten Lappen. Als sie ihn näher betrachten wollte, verzog sie das Gesicht, weil ihr ein Schwall beißenden Chlorgeruchs in die Nase stieg.
„Ja, pfui Teufel! Welcher Dummkopf hat denn … Der ganze Lappen ist zerrupft. Den kann ich wegschmeißen.“ Verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Komisch, dass mir das gestern nicht aufgefallen ist. Oder lag er da noch gar nicht in der Ecke?“ Frau Lehmann hob den Fetzen mit spitzen Fingern hoch und betrachtete ihn nachdenklich. „Das leere Putzmittel. Der Lappen. Da hat wohl einer Dreck gemacht. Dreck, den keiner sehen sollte.“
Grübelnd fuhr sie mit der rechten Hand in die Kitteltasche und berührte ein störrisches Stück Stoff. Ein Zucken durchlief ihren Körper. Wie hatte sie daran nicht mehr denken können? Langsam griff sie danach und zog es heraus. Spitze. Schwarze, glänzende, gut verarbeitete Spitze. Nicht groß, ein paar Zentimeter und an den Rändern ausgefranst. Frau Lehmann hatte es gestern an einem der Küchenstühle entdeckt, eingeklemmt in dem kleinen Schlitz zwischen Sitzfläche und Stuhlbein, in dem auch sie schon einmal mit ihrem Kittel hängengeblieben war. Sie hatte es in ihre Tasche gesteckt, um es später zu entsorgen und es schlichtweg vergessen. Nun inspizierte sie es genauer. Es sah aus, als sei es aus etwas herausgerissen worden. Aus einem Strumpf vielleicht. Aber kein normaler, nein, sondern so ein feiner Spitzenstrumpf. So einer, den Männer gerne an Frauen mochten. Wie der an dieser Stelle hängen bleiben konnte, wo er doch eigentlich von einem Rock bedeckt sein müsste, war Frau Lehmann ein Rätsel.
Es sei denn … Es sei denn, jemand säße auf diesem Stuhl und hätte gar keinen Rock mehr an! Das war ja ein Ding! Ein Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus, so wie immer, wenn sie etwas entdeckte, das unter dem aufregenden Mantel des Heimlichen versteckt lag. Eilig versteckte sie den zerknüllten Lumpen und den leeren Plastikbehälter hinter der Tür, verstaute das Stück Spitze in dem kleinen Innenfach ihrer Handtasche und hängte ihren Kittel an den Haken neben der Tür.
Zurück in der Küche goss sich Frau Lehmann mit zittrigen Händen einen Kaffee ein, holte einen Keks aus der Dose und setzte sich. Mit verschränkten Armen und klopfendem Herzen wartete sie. Tasse und Gebäck waren nur Tarnung, ihr Magen war flau vor Aufregung und sie hätte keinen Bissen herunterbekommen. Aber alles musste so sein wie immer, sie durfte sich nichts anmerken lassen.

Um halb neun betrat Herr Krause die Küche.
„Guten Morgen“, nuschelte er und schenkte Frau Lehmann ein scheues Lächeln.
„Guten Morgen, Herr Krause.“ Sie nahm einen Schluck Kaffee, den Keks rührte sie nicht an. Atmete tief ein und aus.
„Sagen Sie, Herr Krause, die Frau Koraske, ist die im Urlaub?“
Er ließ zwei Stückchen Zucker in sein dampfendes Getränk fallen und drehte sich zu ihr um. War da eben ein kurzes Stocken in seinen Bewegungen gewesen?
„Nein, ähm, nicht dass ich wüsste.“ Sein Blick zuckte kurz zur Seite. „Warum fragen Sie?“
Frau Lehmann strich über die Tischplatte und antwortete so unbekümmert wie möglich: „Ach, wissen Sie, mir ist nur aufgefallen, dass ihr Mülleimer seit zwei Tagen leer ist und ihre Tasse nicht benutzt wurde, da dachte ich, vielleicht hat sie ja frei. Aber anscheinend ist die Ärmste wohl krank geworden, wenn Sie von Urlaub nichts wissen.“
„Hören Sie, ich habe keine Ahnung.“ Lag da ein gereizter Unterton in seiner Stimme? „Ich habe nur sehr wenig mit ihr zu tun. Entschuldigen Sie mich, bis morgen, Frau Lehmann.“
Nein, sie hatte sich verhört, da war nur der leise Herr Krause, der mit gesenktem Kopf die Küche wieder verließ.
„Na, das war wohl nichts“, brummelte Frau Lehmann, während sie sich den Keks in den Mund schob. Ihr Herzschlag hatte sich wieder beruhigt. Sie musste nun systematisch vorgehen. Ganz langsam ihren Kaffee schlürfen, damit sie Herrn Link noch erwischte, und anschließend auf einen kurzen Schwatz bei Frau Sumser, der Empfangsdame, vorbeischauen.
Die Minuten vergingen und der Boden ihrer Tasse war schon fast zu sehen. Frau Lehmann zögerte den letzten Schluck hinaus, sie wollte sich nicht eingestehen, dass ihr Plan nicht funktioniere. Doch als es schließlich keinen Tropfen mehr zu trinken und keinen Kekskrümel mehr aufzupicken gab, musste sie sich geschlagen geben. Sie trug ihr Geschirr zur Spülmaschine. Immerhin blieb ihr noch Frau Sumser.
Doch da! Schritte näherten sich der Küche und als sie sich umdrehte, stand er in der Tür. Herr Link.
„Morgen.“
So umwerfend er auch aussah mit seinen perfekt sitzenden Anzügen und dem kantigen Gesicht, so unhöflich war er. Frau Lehmann dachte sich oft, dass sie in ihren jungen Jahren sicher für ihn geschwärmt hätte. Er hatte eine tiefe Stimme, dunkle Augen und bei den Damen – speziell bei einer – konnte er mit seinem charmanten Lächeln und den frechen Sprüchen durchaus punkten. Aber die Reinigungskraft interessierte ihn nicht und das ließ er sie spüren. Kein Lächeln und so wenig Worte wie möglich. Das hielt sie an diesem Morgen jedoch nicht davon ab, ihre Nachforschungen fortzuführen.
„Guten Morgen, Herr Link.“
Sie räusperte sich. Er hatte bereits den Knopf der Kaffeemaschine gedrückt und die Bohnen wurden rasselnd zermalmt, während er mit den Fingern auf die Arbeitsfläche trommelte. Ihr blieb nicht viel Zeit. Frau Lehmann erhob ihre Stimme und warf ihre Frage seinem abweisenden Rücken entgegen: „Wissen Sie zufällig, ob die Frau Koraske im Urlaub ist? Mir ist aufgefallen, dass sie die letzten beiden Tage nicht da war und da Sie zwei sich ja so gut verstehen, da dachte ich …“
Ruckartig drehte Herr Link sich um und funkelte sie an.
„Was Ihnen immer alles so auffällt.“ Er lachte verächtlich. „Frau Koraske ist nicht im Büro, das ist richtig. Ich glaube, sie hat sich krank gemeldet. Wollen Sie ihr vielleicht eine Genesungskarte schicken?“ Er warf Zuckerstücke in seine Tasse und der Kaffee schwappte über. „Oder wollen Sie sich wieder einmal darüber beschweren,
dass sie den Müll an ihrem Platz nicht richtig getrennt hat?“
Frau Lehmann schnappte nach Luft. „Also, na hören Sie mal, ich wollte doch nur ...“
„Nein, Sie hören mir zu, Frau Lehmann. Ich beobachte das schon eine ganze Weile, wie Sie hier jeden abfangen und immer ein bisschen Buschfunk erhaschen möchten. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, denn ich weiß, Sie arbeiten schon sehr lange hier, ein Urgestein sozusagen. Aber deshalb müssen Sie nicht überall Ihre Nase reinstecken! Einen schönen Tag noch.“
Sie sah ihm nach, als er den Raum verließ, und schüttelte sprachlos mit dem Kopf. Was bildete sich dieser unverschämte Mann eigentlich ein? Gut, sie wies die Angestellten darauf hin, den Müll ordentlich zu trennen, war das denn so falsch? Und ja, sicher fiel ihr Blick hin und wieder auf die Unterlagen, wenn Sie die Schreibtische abwischte. Sie war nun einmal gewissenhaft und sorgte auf dieser Etage schon seit Jahren für Ordnung, da sollte schließlich nichts durcheinander kommen. Aber deswegen war sie noch lange keine indiskrete Person.
Nein, etwas ganz anderes hatte Herrn Link aus der Haut fahren lassen, dessen war sich Frau Lehmann sicher. Sie trat auf den Flur und bog nach links ab, um Mantel und Hut aus der Garderobe zu holen.

***

Hier hatte sie das erste Mal Verdacht geschöpft. Vor ein paar Wochen. Herr Link – ebenso wie ein paar weitere höhere Angestellte – hängte hier seine Ersatzhemden auf. Zur Sicherheit, man wusste ja nie, wann ein Spritzer Mittagessen voll ins Weiße traf. Herrn Links Hemden waren leicht zu erkennen, sie trugen im Nacken seine eingestickten Initialen. An jenem Morgen hatte Frau Lehmann gerade ihren Hut aufgesetzt, da war ihr Blick an einem der weißen Kragen hängengeblieben. Sie hatte sich ganz nah heran gebeugt und es deutlich erkannt. Eine winzige Spur roten Lippenstiftes. Und der konnte nur zu einer Frau gehören, das war ihr mit klopfendem Herzen sofort klar gewesen. Nur eine konnte man jeden Morgen an dem Klackern der Absätze, dem süßen Parfüm und den knallig roten Lippen erkennen: Frau Koraske!

Die Blicke, die sie sich zuwarfen. Ein Augenzwinkern hier und da. Flüchtige Berührungen, ein Streichen der Hand an Hüfte oder Po. Und nun diese verräterische Spur an seinem Hemdkragen, die all die Vermutungen in Frau Lehmanns Kopf bestätigte: Die Koraske und der Link hatten eine Affäre.
„Das passt zu ihr“, hatte Frau Lehmann damals mit zusammengezogenen Augenbrauen gemurmelt. Klaudia Koraske war eine jener gutaussehenden Frauen, die ständig ihre langen Haare hinter die Schulter warf, schallend über jeden Witz der männlichen Kollegen lachte und ihren Allerwertesten besonders gut in Szene zu setzen wusste, wenn ihr aus Versehen etwas hinunterfiel. Für ihre Kolleginnen hingegen hatte sie nur musternde Blicke und ein falsches Lächeln übrig. Für Frau Lehmann sogar noch weniger, seit diese eines Morgens mit dem Putzlappen in der Hand gefragt hatte, ob Frau Koraske denn wisse, dass Herr Link seit fünf Jahren verheiratet sei.
Sie trat ins Treppenhaus und begab sich ein Stockwerk tiefer, wo sich der Empfang befand. Sie ging alle Fakten noch einmal durch. Die Koraske und der Link schmusten also schon länger miteinander herum. Seit zwei Tagen fehlte sie im Büro, ob sie krank oder im Urlaub war, hatte Frau Lehmann nicht eindeutig herausfinden können.
An genau dem Tag, an dem die junge Dame nicht zur Arbeit erschien, stank die Küche nach Chlor und es war offensichtlich, dass jemand sehr gründlich den Putzlappen geschwungen hatte. Und dann noch dieser Fetzen feiner Spitze. Was, wenn das alles zusammenhing? Hatte die Koraske vielleicht keine Lust mehr gehabt, nur die Geliebte zu sein und Ansprüche an den Link gestellt? War in ihm die blanke Panik ausgebrochen, weil sein Doppelleben drohte, kompliziert zu werden? Frau Lehmanns Herz klopfte schneller. Sie sah alles genau vor sich …

***

Montagabend, alle Kollegen sind schon gegangen, nur die beiden sind noch da. In der Küche. Hier kann sie keiner aus den Nachbargebäuden entdecken, denn die Fenster führen auf einen stillgelegten Güterbahnhof hinaus.
Leidenschaftlich machen sie sich übereinander her. Die Koraske sitzt auf dem Stuhl, spreizt lasziv ihre Beine, um den Link scharf zu machen. Ihr Rock rutscht nach oben, er packt sie und zieht sie an sich. Ein Stück Spitzenstrumpf bleibt in dem kleinen Schlitz zwischen Sitzfläche und Stuhlbein hängen und wird herausgerissen. Doch keiner der beiden merkt es im Eifer des Gefechts.
Als sie fertig sind, knöpft sich die Koraske die Bluse zu und fragt: „Sag mal, wann willst du es denn nun endlich deiner Frau sagen?“
Er starrt sie an. Sein Blut braucht eine Weile, um wieder im Gehirn anzukommen. „Das hatten wir doch besprochen, Klaudia. Ich mach’ das schon noch. Dein ständiges Nachfragen macht es aber auch nicht leichter.“
„Wie bitte? Hör mal, ich lasse mich von dir nicht verarschen! Seit Monaten vertröstest du mich, mir reicht es so langsam.“ Ein hinterlistiges Lächeln entstellt ihr Gesicht. „Vielleicht sollte ich ja einfach mit ihr sprechen. Was meinst du?“
Er fährt herum. Schlagartig wird ihm bewusst, dass sein Betthäschen nicht mehr so pflegeleicht ist, wie es einmal war. Seine Ehe steht auf dem Spiel. Sie will die Regeln nicht mehr einhalten. Er sieht rot, wird laut. Sie schreien sich an. Sie lacht ihn aus, nennt ihn eine Memme. Er verpasst ihr eine schallende Ohrfeige, sie kreischt, wehrt sich, will die Küche verlassen. Er hält sie fest, presst sie gegen die Wand und legt seine Hände um ihren Hals. Drückt fest zu, spürt ihr Herz schneller schlagen, sieht kleine Adern in ihren Augen platzen. Anfangs windet sie sich, will seinem Griff entkommen. Doch er ist stärker. Plötzlich wird ihr Herzschlag langsamer und ihre Augen quellen hervor. Sie wird bewusstlos, doch er drückt weiter zu. Es kommt ihm vor wie eine Ewigkeit. Er kann einfach nicht loslassen.
Plötzlich verfliegt seine Wut und er lässt sie los. Sieht, wie sie leblos zu Boden sackt. Wie sie ihn anstarrt mit ihren aufgequollenen Augen.
„Scheiße! Was habe ich getan?“
Er rauft sich die Haare, Tränen laufen ihm die Wangen hinunter. Aber ihm ist klar, dass er sie verschwinden lassen muss. Er benutzt das hintere Treppenhaus, schleppt sie in die Tiefgarage und verfrachtet sie in seinen Kofferraum. Dann rennt er wieder hinauf und schrubbt die Küche. Jeden Winkel, jede Fläche. Nichts soll darauf hinweisen können, was hier passiert ist. Den kleinen Stofffetzen übersieht er jedoch.

***

„Ach du meine Güte!“
Frau Lehmann stützte sich an der Wand ab. Heiße und kalte Wellen schwappten über ihren Körper. Sie musste sich beruhigen.
„Was mache ich denn bloß, wenn das tatsächlich stimmt?“
Sie stellte sich vor, wie sie zur Polizei ginge, um denen alles zu berichten. Die Forensiker, die sie so oft in den Krimiserien bewunderte, untersuchten die Küche mit ihren Pulvern und speziellen Geräten. Herr Link, der im Verhör zusammenbräche. Und dann die Schlagzeile:
TAPFERE REINIGUNGSKRAFT KLÄRT MORDFALL AUF!
Aber eins nach dem anderen. Sie öffnete die Tür und trat ein. Hinter dem Empfangstresen empfing Frau Sumser sie mit einem strahlenden Lächeln.
„Guten Morgen Frau Lehmann, das freut mich aber, dass Sie mal wieder bei mir vorbeischauen. Wie geht es Ihnen denn?“
Frau Lehmann lehnte sich an die moderne Theke aus schwarzem Plexiglas.
„Ach wissen Sie Kindchen, man wird nicht jünger. Aber danke, es geht mir gut. Und Ihnen, was machen denn die Hochzeitsvorbereitungen?“
Die Empfangsdame klatschte in die Hände und ergoss einen Wasserfall an Informationen auf Frau Lehmann. Die hörte geduldig zu, tätschelte ab und zu die Hand der anderen. Wenn sie es richtig anstellte, würde sie alles von Frau Sumser erfahren. Als der Redeschwall abebbte, beugte sich die ältere Dame über den Tresen und winkte die junge Frau zu sich heran. In den Augen beider Frauen funkelte es, denn nun wurde es vertraulich. Verschwörerisch.
„Sie, Frau Sumser, könnten Sie mir vielleicht einen Gefallen tun? Es ist ein wenig pikant und ich bitte Sie wirklich nur ungern darum, aber in dieser Firma vertraue ich einfach niemandem so wie Ihnen.“
Frau Sumsers Wangen färbten sich rosa. „Ja natürlich, was brauchen Sie denn?“
„Ich mache mir Sorgen um Frau Koraske. Nun ja, wie Sie wissen, verstehen wir uns nicht allzu gut, aber dennoch ist das schon seltsam ...“
Die junge Frau rückte noch ein Stück näher. „Was denn?“
„Die Frau Koraske ist seit zwei Tagen nicht mehr im Büro und keiner kann mir sagen, ob sie krank oder im Urlaub ist, die Kollegen oben weichen mir aus. Und das macht mir Bauchschmerzen. Könnten Sie vielleicht einen kurzen Blick in Ihre Übersicht werfen, ob da irgendetwas vermerkt ist? Das würde mir wirklich helfen.“
Frau Sumsers Blick huschte nach links in den Gang. Niemand war zu sehen. „Na gut, weil Sie es sind.“
Ihre Finger flitzten über die Tastatur und es öffnete sich ein neues Fenster auf ihrem Computerbildschirm. Sie studierte kurz die dargestellte Tabelle und drehte sich um.
„Das ist wirklich seltsam. Frau Koraske hat sich weder krank gemeldet, noch ist bei ihr Urlaub eingetragen.“
Frau Lehmann krallte sich an der Theke fest. „Was? Und jetzt? Warum ist das denn niemandem aufgefallen?“
„Naja, wissen Sie, normalerweise melden sich die Leute bei ihrem Abteilungsleiter krank und der sagt uns dann Bescheid.
Von Herrn Link haben wir nichts gehört, daher ist hier auch kein Vermerk vorhanden.“
„Hören Sie, Frau Sumser, ich bin wirklich beunruhigt. Sowas ist doch nicht üblich, oder? Ich arbeite schon so lange hier und das ist noch nie passiert. Könnten Sie vielleicht kurz bei ihr anrufen und fragen, ob alles in Ordnung ist? Ich meine, Sie müssen doch sowieso herausfinden, was da los ist. Für Ihre Übersicht, oder?“
Die Empfangsdame zog eine Augenbraue hoch und musterte Frau Lehmann. Dann seufzte sie und griff zum Telefonhörer. „Es kann ja nicht schaden.“
Die ältere Dame trat von einem Fuß auf den anderen. Was, wenn die Koraske nicht abnähme? Sie müsste die Adresse herausfinden und vorbeifahren. Nachsehen, ob sie zu Hause sei. Und wenn nicht? Wie sollte sie die Polizei davon überzeugen, dass hier etwas Verdächtiges vor sich ginge? Vielleicht müsste sie den Täter selbst überführen. Sie könnte dem Link von dem Stofffetzen erzählen, so ganz nebenbei. Und dann diese winzige Kamera von ihrem Enkel in der Küche verstecken und darauf hoffen, dass sie ihn auf frischer Tat dabei ertappte, wie er nach weiteren Spuren suchte, die es zu beseitigen gälte. Ja, das war ein guter Plan, so würde sie es machen!
„Frau Koraske?“
Frau Lehmann zuckte zusammen.
„Schön, dass ich Sie erreiche. Wir haben uns ein wenig Sorgen gemacht, da Sie nicht zur Arbeit erschienen sind und wir keine Krankmeldung von Ihnen erhalten haben. Was? Achso, Sie ziehen gerade um? Aber haben Sie denn keinen Sonderurlaub beantragt? Wie bitte? Aha. Okay, ich sehe gleich mal nach. Entschuldigen Sie die Störung, wir sehen uns dann morgen.“
Frau Sumser blickte auf. „Sie hat ihren Sonderurlaub erst vorgestern abgegeben, weil sie es vor lauter Stress einfach vergessen hat. Ich vermute, er liegt oben im Personalbüro und wurde von der Kollegin noch nicht eingegeben. Sie müssen sich also keine Sorgen mehr machen, es ist alles gut.“
„Aber der Chlorgeruch ...“, murmelte Frau Lehmann mit gesenktem Kopf.
„Was meinen Sie?“
„Der Chlorgeruch. Die ganze Küche hat gestern gestunken, als ob da jemand wie wild geputzt hat.“
„Ach, das hatte ich ganz vergessen, Ihnen zu erzählen. Die Kollegen haben abends gefeiert und Herr Schneider hatte leider ein wenig zu viel und hat es nicht mehr auf die Toilette geschafft.“ Sie kicherte und wedelte mit der Hand vor ihrer Nase herum. „Und Sie können sich ja vorstellen, wie das gestunken hat. Da haben die Kollegen das Reinigungsmittel genommen und die Küche geschrubbt. Der Chlorgeruch übertüncht wirklich alles! Aber was hat das denn mit Frau Koraske zu tun?“
Frau Lehmann griff nach ihrer Tasche und stammelte: „Nichts. Gar nichts. Ich habe da etwas durcheinander gebracht. Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe. Ich muss nun aber gehen, mein Bus kommt gleich.“
„Geht es Ihnen gut? Sie sehen plötzlich so blass aus?“
„Ja ja, es geht schon. Auf Wiedersehen.“
Die ältere Dame zog die Tür hinter sich zu. Mit hängenden Schultern schlurfte sie zurück in ihren Alltag.

 

Hallo Rina Wu,

was mir beim Lesen aufgefallen ist:

wenn alle anderen gerade erst mit der Arbeit begannen.

ansonsten: Krimi nach bewährtem Muster - die eifrige Putzfrau deckt einen Mord auf, der gar nicht geschehen ist. Gut geschrieben mit Humor (muss ja auch nach dem tag).

Glücklicherweise ist Frau Lehmann ja verschwiegen genug, um keinen Aufruhr anzuzetteln. Mein Rezept gegen ihre Einsamkeit: Jeden Monat einige verdächtige Spuren hinterlassen (muss ja nicht immer ein Tötungsdelikt sein).

Gerne gelesen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Jobär,

vielen Dank für deine Anmerkungen und dass du dir Zeit für Frau Lehmann genommen hast.

Au weia, den Fehler habe ich gleich verbessert :shy:

Ja, da hast du Recht, ein Krimi nach bewährtem Muster. Ich wollte mich daran mal versuchen, umso mehr freut es mich, dass du die Geschichte gerne gelesen hast und dass ich rüberbringen konnte, dass meine Frau Lehmann eigentlich sehr einsam ist.

Danke dir und liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo Carduela,

vielen Dank für deine Kritik und dass du meinen Text gelesen hast.

vielleicht an einigen Stellen ein wenig zu ausführlich (ich wüsste allerdings im Moment nicht, wo genau man kürzen sollte)
Okay, da ich oft meine Geschichten kürzen muss, ist deine Anmerkungen sicher gerechtfertigt :) Allerdings hilft mir das nicht wirklich weiter, da du keine konkreten Stellen nennst, an denen es dir zu langatmig war. Ich werde aber natürlich den Text generell nochmal auf mögliche Kürzungen prüfen.

Oha, du hast natürlich recht, sie heißt Klaudia, das bessere ich gleich aus. Keine Ahnung, warum da auf einmal eine Susanne draus wurde :Pfeif: Danke für das aufmerksame Lesen!

Zu deinem zweiten Punkt: Oh ja, glaube mir, das ist realistisch. Meine Geschichte wurde inspiriert von einer real existierenden Dame, die einfach alles weiß. Das hat mich so fasziniert, dass ich mir eine Geschichte über sie ausgedacht habe.

Viele Grüße
RinaWu

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe RinaWu,

auch hier lieferst du wieder eine flüssig geschriebene Geschichte ab. Deine Texte liest man in einem durch. Die Sätze passen und auch die Dialoge.
Mit dem Inhalt habe ich da schon eher meine Schwierigkeiten. Er ist mir zu sehr konstruiert und auch vorhersehbar. Spannung kam bei mir beim Lesen nicht so recht auf. Ich hatte schon sehr früh das Gefühl, dass da eine simple Erklärung kommen wird – und so war es dann ja auch. Ein bisschen eklig, aber ok.

Ein Problem hatte ich mit dem Titel:

Frau Lehmann und der Spitzenstrumpf
Einen Spitzenstrumpf gibt es ja allenfalls in der Phantasie der Frau Lehmann.

Spitze. Schwarze, glänzende, gut verarbeitete Spitze. Nicht groß, ein paar Zentimeter und an den Rändern ausgefranst. Frau Lehmann hatte es gestern an einem der Küchenstühle entdeckt, eingeklemmt in dem kleinen Schlitz zwischen Sitzfläche und Stuhlbein, in dem auch sie schon einmal mit ihrem Kittel hängengeblieben war. Sie hatte es in ihre Tasche gesteckt, um es später zu entsorgen und es schlichtweg vergessen. Nun inspizierte sie es genauer. Es sah aus, als sei es aus etwas herausgerissen worden. Aus einem Strumpf vielleicht.

Der Fetzen ist natürlich der Ausgangspunkt für die ausufernde Phantasie von Frau Lehmann und bleibt es.
Eine Auflösung, worum es sich aber dabei handelt, gibt es m.M.n. nicht, oder habe ich da etwas überlesen? Da führst du den Leser in eine falsche Richtung und lässt ihn dort stehen.

Auch die Auflösung ist fast wortwörtlich vorher schon vorhanden:

Vielleicht haben die wieder so ein Abteilungsbesäufnis veranstaltet und einer hat’s mit dem Magen bekommen und nicht mehr auf’s Klo geschafft.“

vermutet Frau Lehmann.

Und so ist es dann ja auch:

Die Kollegen haben abends gefeiert und Herr Schneider hatte leider ein wenig zu viel und hat es nicht mehr auf die Toilette geschafft.“

Das finde ich insgesamt nicht so richtig prickelnd.

Viel besser finde ich deine Charakterisierung der Frau Lehmann. Die ist über den ganzen Text verteilt, aber der Leser kann sie sich zum Schluss richtig gut vorstellen mit all ihren Eigenschaften:
Eine ganz normale Sechzigerin mit ein paar Wehwehchen, aufmerksam, fürsorglich, aber eben auch neugierig und sensationslüsternd.

Mit hängenden Schultern schlurfte sie zurück in ihren Alltag.
Sehr schön.
Ihr Alltag, in den sie nach aller Aufregung wieder zurück muss, ist eben recht langweilig und ohne größere Aufregungen. Die holt sie sich in ihrer Phantasie und wahrscheinlich auch aus der Regenbogenpresse. Das hast du sehr schön beschrieben und so funktioniert deine kleine Geschichte. Als Krimi finde ich sie nicht gelungen, aber als Studie einer einfachen Frau schon.

Auch wenn mir diesmal deine Geschichte nicht so richtig gefallen hat, finde ich, dass du Potential hast. Wie schon beim letzten Mal gesagt: Bring etwas mehr Brisanz in deine Geschichten, sonst geraten sie leicht in eine zu seichte Ecke. Lies vielleicht mal die Geschichte von Ilse Aichinger „Das Fenstertheater“. Vielleicht kann dir das vermitteln, was ich so meine.

Ein paar Kleinigkeiten zum Schluss:
„Nichts besonderes.“
Nichts Besonderes (Schau dir mal die Großschreibung von Adjektiven an)

Frau Lehmann bemühte sich um einen plappernden Tonfall.
Was ist ein plappernder Tonfall ?

Sie sah ihm nach, wie er im Stechschritt den Raum verließ

Weißt du, wie ein Stechschritt aussieht ?


Ich wünsche dir einen schönen Sonntag

barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo barnhelm,

lieben Dank, dass du dich erneut mit einem meiner Texte auseinandergesetzt hast. Erst einmal freue ich mich, dass dir meine Art zu schreiben gefällt. Das ist mir viel wert.

Zu deinem Problem mit dem Titel. Du schreibst:

Der Fetzen ist natürlich der Ausgangspunkt für die ausufernde Phantasie von Frau Lehmann und bleibt es. Eine Auflösung, worum es sich aber dabei handelt, gibt es m.M.n. nicht, oder habe ich da etwas überlesen? Da führst du den Leser in eine falsche Richtung und lässt ihn dort stehen.
Das sehe ich anders. Richtig, der Fetzen ist Ausgangspunkt und ja, da gibt es keine eindeutige Auflösung. Aber das finde ich nicht schlimm. Meiner Meinung nach ist es durchaus möglich, dass sie mit ihrer Vermutung, dass die Koraske und der Link eine Affäre miteinander haben, recht hat. Das einzige, was nicht stimmt, ist, dass die Koraske ermordet wurde. Alles andere kann durchaus der Wahrheit entsprechen. Daher finde ich es nicht schlimm, dass ich das im Titel verwende.

Du hast recht, Frau Lehmann sollte nicht gleich am Anfang die Vermutung äußern (die saufenden Kollegen), die am Ende zutrifft. Ich habe diese Stelle geändert.

Ihr Alltag, in den sie nach aller Aufregung wieder zurück muss, ist eben recht langweilig und ohne größere Aufregungen. Die holt sie sich in ihrer Phantasie und wahrscheinlich auch aus der Regenbogenpresse. Das hast du sehr schön beschrieben und so funktioniert deine kleine Geschichte. Als Krimi finde ich sie nicht gelungen, aber als Studie einer einfachen Frau schon.
Auch hier gebe ich dir recht. Ich habe ein paar Elemente des Krimi verwendet, aber nicht vollständig zu einem gemacht, das stimmt. Es ist sehr interessant, es als "Studie einer einfachen Frau" zu betrachten. Das trifft wirklich eher das, was meine Geschichte transportiert.

Auch deine anderen Anmerkungen (nichts Besonderes, der "plappernde" Tonfall & der Stechschritt) sind nun ausgebessert, vielen Dank, das war nicht so passend.

Generell möchte ich noch etwas loswerden. Du schreibst:

Wie schon beim letzten Mal gesagt: Bring etwas mehr Brisanz in deine Geschichten, sonst geraten sie leicht in eine zu seichte Ecke. Lies vielleicht mal die Geschichte von Ilse Aichinger „Das Fenstertheater“. Vielleicht kann dir das vermitteln, was ich so meine.
Du suchst dir aber auch immer die Geschichten von mir heraus, in denen ich leichtere Kost präsentiere ;) "Sie kriecht aus den Zeilen" hatte für mich persönlich durchaus eine andere Substanz, als "der Bullshit-Reflektor" und Frau Lehmann. Und auch "Frau Sonne hat einen Nervenzusammenbruch" war ganz anders, das ist aber nicht mehr hier zu finden, da ich es veröffentlicht habe. Was ich sagen will: Ich probiere mich in vielem aus und habe oft einfach Lust, etwas Unterhaltsames zu schreiben, was nicht unbedingt eine "Brisanz" beinhaltet. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade frisch verlobt bin und ich mich daher nicht in der Stimmung für ernste oder brisantere Themen befinde. Ich hoffe, das kann man mir nachsehen :D
Generell bin ich aber der Meinung, dass Geschichten nicht immer brisante Themen aufgreifen müssen. Aber da sind die Geschmäcker durchaus verschieden und ich verstehe, was du meinst. Ich werde mit Sicherheit auch mal wieder in eine ganz andere Richtung schreiben und bin gespannt auf deine Meinung.
Die von dir empfohlene Geschichte habe ich mir eben durchgelesen. Sie ist toll. Leider verstehe ich aber nicht so ganz, was diese Geschichte so brisant macht. Sie ist super geschrieben und hat eine tolle Auflösung, aber mir ist nicht ganz klar, was ich daraus ziehen soll. Aber auf jeden Fall eine Bereicherung, der Text ist super.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Generell bin ich aber der Meinung, dass Geschichten nicht immer brisante Themen aufgreifen müssen.

Liebe RinaWu,
da stimme ich dir voll zu.
Ich mag Liebesromane, Krimis, Alltagsgeschichten, Biographien, die mich unterhalten, zum Schmunzeln, zum Lachen, zum Weinen, zum Nachdenken bringen. Die müssen nichts anderes sein, als sie vorgeben. Aber ich liebe auch Geschichten, die auf etwas Übergeordnetes oder Allgemeineres verweisen. Und das meine ich mit Brisanz. Die Aichinger-Geschichte verweist auf die Einsamkeit und Isoliertheit in der Großstadt. Und das macht sie für mich literarisch interessant.
Aber lass dir von mir die
Lust, etwas Unterhaltsames zu schreiben
nicht nehmen. Du kannst es.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,

vielen Dank für deine netten Worte. Ich habe nachgedacht und bin immer mehr deiner Meinung, dass es sich bei meiner Geschichte eher um eine Art Charakterstudie handelt, vielleicht sogar eine Beispieldarstellung von Einsamkeit (hochgetrabt, aber ich hoffe, du weißt, was ich meine). Ich hätte meine Geschichte nicht unter "Krimi" kategorisieren sollen. Das rührt daher, dass es ursprünglich einer werden sollte, ich wollte Frau Lehmann tatsächlich einen Mord aufklären lassen. Aber während ich schrieb, merkte ich, dass es mir viel mehr um Frau Lehmann ging, dass meine Geschichte in eine andere Richtung lief und ich ließ sie daher ihrer Phantasie in die Falle gehen.
Vielen Dank für deine Gedanken,
RinaWu

 

Guten Morgen zusammen,

ich habe gestern Nacht nochmal gelesen und gelesen und ein paar Feinheiten ausgebessert oder gekürzt.

Viel Spaß damit, ich bin gespannt auf eure Kommentare.

Viele Grüße
RinaWu

 

Wie der an dieser Stelle hängen bleiben konnte, wo er doch eigentlich von einem Rock bedeckt sein müsste, war Frau Lehmann jedoch ein Rätsel.

Ja,
gern oute ich mich als Criticus der literarischen Gattung Krimi, wird sie doch gemeinhin von der falschen Prämisse beherrscht, Verbrechen wollten aufgeklärt werden. Da ist es gut, mutmaßliche Verbrechen als die Verschwörungstheorie des kleinen Mannes, und sei es eine schlichte Reinigungskraft, die aus eher zufälligen Belegen sich eine eigene Theorie zurechtzimmert, und -

liebe Rina, sehr geehrte Mme. Wu -

es könnte auch ein beliebiger kleiner Angestellter (quasi ein Leh-Mann), der wahrscheinlich als Lieblingslektüre Krimis läse (weniger Highsmith als Leon etwa) und für den der letzte Tukur-Tatort zu viel Shakespeare zeigte.

Ich bin amüsiert, ohne Lehmanns (und wär's seine Frau) auslachen zu wollen. Aber es gehört inzwischen ein gewisses – ich will nicht behaupten, kriminalistisches – Talent dazu, Flusen auf Deinen Geweben zu finden. Die sind fein verborgen, wie etwa die wenigen Flüchtigkeiten in dieser Geschichte

Sie sah ihm nach, als er den Raum verließ[,] und schüttelte sprachlos mit dem Kopf.
… von Ihnen erhalten haben. Was? Achso, ie ziehen gerade um? Aber haben …
…, stank die Küche nach C[h]lor und …

Aber ich hätt dann doch noch eine Frage hierzu
Sie wischte sich eine weißblonde Haarsträhne aus dem Gesicht und verräumte das restliche Geschirr.
Und zwar zum Verb „verräumen“, ist doch die Vorsilbe „ver…“ eigentlich ein Hinweis, dass ein Ziel nicht erreicht wird (verirren, …laufen z. B.) oder eher negativ besetzt ist (veralten, …achten) usw. Nun gut, wegräumen käme dem nahe, aber auch aufräumen o. a.

Hier klingt mir das „gibt’s doch nicht!“ eher wie ein Ausruf als eine einfache Aussage

„Das gibt’s doch nicht. Da hab’ ich doch erst vorgestern ein volles hingestellt.“
Hier stutzte ich ein wenig
…, da war ihr Blick an einem der weißen Krägen hängengeblieben.
Kommstu aus oder spielt die Handlung in dem süddeutschen Raum, wie mir gerade der Duden zu den „Kragen“ verrät?

Gelegentlich könnte noch der Konjunktiv, den Du i. d. R. gekonnt verwendest, etwas mehr verwendet werden. Hier fiel’s mir auf wegen der zwo „war“

Er war ein einsamer Mann, da musste sie ihm nicht noch jeden Morgen vor Augen führen, wie klein er war.
(Er war … , … er war. Warum nicht, „wie klein er sei/wäre“?) Ähnlich hier, wo ja schon Konj. I genutzt wird
Es sei denn, jemand saß auf diesem Stuhl und hatte gar keinen Rock mehr an!
Besser „säße“ und „hätte“

Seit zwei Tagen fehlte sie im Büro, ob sie krank oder im Urlaub war, hatte Frau Lehmann nicht eindeutig herausfinden können.
(statt „war“ wenigstens „sei“)

Hier wäre der ganze Absatz abzuklopfen, ob ihm nicht insgesamt der Konjunktiv zustünde ab dem „zu Hause“, beginnt und endet er doch im Konj.

Die ältere Dame trat von einem Fuß auf den anderen. Was, wenn die Koraske nicht abnähme? Sie müsste die Adresse herausfinden und vorbeifahren. Nachsehen, ob sie zu Hause war. Und wenn nicht? Wie sollte sie die Polizei davon überzeugen, dass hier etwas Verdächtiges vor sich ging? Vielleicht musste sie den Täter selbst überführen. Sie könnte dem Link von dem Stofffetzen erzählen, so ganz nebenbei. Und dann diese winzige Kamera von ihrem Enkel in der Küche verstecken und darauf hoffen, dass sie ihn auf frischer Tat dabei ertappte, wie er nach weiteren Spuren suchte, die es zu beseitigen galt. Ja, das war ein guter Plan, so würde sie es machen!

Gern gelesen vom

Friedel

 

Friedel!

Ich freue mich, von dir zu lesen. Immer wieder ein Genuss :shy:

gern oute ich mich als Criticus der literarischen Gattung Krimi, wird sie doch gemeinhin von der falschen Prämisse beherrscht, Verbrechen wollten aufgeklärt werden. Da ist es gut, mutmaßliche Verbrechen als die Verschwörungstheorie des kleinen Mannes, und sei es eine schlichte Reinigungskraft, die aus eher zufälligen Belegen sich eine eigene Theorie zurechtzimmert, (...)
Ui, dann bin ich ja froh, dass ich unter’m Schreiben ein wenig die Richtung geändert habe und eben nichts aufgeklärt habe ;) Es ist schon interessant, wie eine Geschichte manchmal wie von selbst die Richtung ändert. Ich stellte mir Frau Lehmann erst als nervige, ältere Dame vor, die überall ihre Nase reinsteckt und dabei tatsächlich etwas aufdeckt. Und dann war da auf einmal doch eine große Portion Sympathie und ein bisschen Mitleid, so dass ich die Geschichte eher um sie, als um den "Kriminalfall" gesponnen habe. Freut mich sehr, dass es dir gefallen hat.

Die Flüchtigkeiten habe ich sofort ausgebessert. Den Ausdruck "Geschirr verräumen" gibt es tatsächlich, aber ich glaube, das ist eher umgangssprachlich in den südlichen Regionen Deutschlands (du hast also richtig vermutet und mich an den Krägen erkannt!). Ich habe es in "aufräumen" verändert und bin damit auch zufrieden.

Gelegentlich könnte noch der Konjunktiv, den Du i. d. R. gekonnt verwendest, etwas mehr verwendet werden.
Friedel, da freue ich mich. Wirklich. Als ich meine ersten Geschichten hochgeladen habe, war der Konjunktiv meine große Schwäche, ich möchte sogar behaupten, er kam fast gar nicht vor. Ich habe da echt dazugelernt und bemühe mich jetzt, immer darauf zu achten. Ein wenig schwer fällt es mir nach wie vor, daher habe ich auch hier nicht alle erwischt. Vor dem Absatz, den du zitiert hast, saß ich immer wieder und schwankte hin und her. Vollständig Konjunktiv oder nicht. Jetzt klingt es runder, vielen Dank!

Einen schönen Abend wünscht
RinaWu

 

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