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Gedanken/Regentherapie

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09.12.2001
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Gedanken/Regentherapie

Draußen regnet es fürchterlich. Die Scheinwerfer eines Taxis blenden mich durch das Fenster des Cafés. Den Cappuchino der vor mir steht schmeckt gut, die Zigarre, die zwischen meinen Fingern qualmt, trägt passend zur melancholischen Stimmung bei. Ein trauriges, altes Lied von einer Band aus den Siebzigern lässt meine Gedanken schließlich von dem Regen vor den Taxischeinwerfern abschweifen und an dich denken.
Immer wollte ich dir erzählen, dass ich dich wunderschön finde. Dass ich bei dir sein wollte, es wundervoll war, sich mit dir zu unterhalten. Niemals hatte ich etwas dagegen allein zu sein. Ich war gerne bei meinen eigenen Gedanken und Problemen, bis ich dich getroffen habe. Du hast mich verrückt gemacht. Ich habe alles an dir geliebt. Deine Augen und der glasige Schimmer darin, deine Stimme, dein Haar und seine Farbe, deine Art zu lächeln, deine Haut, dein Geruch, deine Art zu essen und zu trinken, deinen Körper, einfach alles. Wenn ich neben dir gestanden bin, wollte ich dich nur noch fest umarmen, um wahrzunehmen ob du wirklich da, oder nur eine Täuschung meines Geistes bist. Geschmolzen bin ich dabei, wenn du mit mir gesprochen hast. Alles an dir hat dann für mich gestrahlt. Niemals hätte ich mir ausmalen dürfen, dich zu küssen. Ich wäre an dem Schmerz gestorben, dass dies nur eine Vorstellung ist.
Die Cappuchinotasse ist leer und von der Zigarre ist auch nur noch ein Stummel übrig. Ich drücke ihn aus und bestelle einen Scotch mit Eiswürfeln bei der hübschen Kellnerin. Als sie mir aus ihrem zarten Gesicht heraus bestätigend zulächelt, muss ich wieder an dich denken.
Ich wollte dir nicht zur Last fallen, wollte dich nicht in eine peinliche Situation bringen und zog es deshalb vor, meine Gefühle für mich zu behalten. Ich bin gelassen geblieben und konnte diesen Zustand zur Not auch gut schauspielern. Oft war ich dennoch kurz davor, dir etwas Aufdringliches zu sagen. Zum Beispiel, dir von dem Zauber deiner Augen zu berichten. Wie er mich in einem Strudel aus Angst und Freude meiner Gefühle gefangenhält. Oder warum ich dir bisher nichts davon erzählen konnte. Warum ich Furcht hatte, ich könnte dich kränken und deine Sympathie für immer verlieren. Lieber wollte ich weiterhin mit dem Schmerz eines blutenden Herzens weiterleben, als von dir für immer verächtlich und verängstigt ignoriert zu werden. Unser Leben hat uns nun auseinander gebracht. Wir werden uns vielleicht nie wieder sehen, wenn ich nicht einen Schritt in deine Richtung mache. Ohne Zweifel, ich habe mich in dich verliebt, schwärme von dir. Ich würde mein Leben geben, nur um einmal zu erfahren, wie du über mich gedacht hast.
Auch das Scotchglas habe ich inzwischen leer getrunken. Es ist spät geworden und vielleicht habe ich Lust, mich deinetwegen zu betrinken. Dann entscheide ich mich aber anders und beschließe, dass der fallende Regen meine Sorgen lindern wird. Ich bezahle und trete aus dem Café in die feuchte, herabschnellende Flüssigkeit und freue mich, als sie meine brennenden Augen löscht und den Schmerz in meinen Gedanken ertrinkt.

 

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