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Gedanken um Joshua

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11.10.2001
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Gedanken um Joshua

Joshua - dieser Name klang schon immer wie Musik für mich. Ein ganz besonderer Klang, den ich noch nie beschreiben konnte. Und schon immer hatte ich mir einen Sohn mit diesem Namen gewünscht.
Joshua ist jetzt sieben Jahre alt. Er sitzt gerade vor dem Fenster und seine kleinen Hände tasten langsam über die Scheibe, als wolle er etwas erfühlen was unerreichbar ist. Sein Blick ist forschend und nachdenklich zugleich. „Mama, wie sehen die Schneeflocken aus? Wie groß sind sie? Wie sehen sie aus, wenn sie auf die Erde fallen? Was passiert genau mit ihnen? Wieso.......“
Liebevoll lächelnd sehe ich mein Kind an. Joshua hat schon viel von Schnee gehört. Wir waren schon oft mit ihm draußen, so dass er den Schnee fühlen und schmecken konnte. Wir haben Schneeballschlachten gemacht und Schneemänner gebaut. - Nur gesehen hat Joshua den Schnee noch nie. Joshua ist blind.
Manchmal habe ich das Gefühl, mein Herz zerspringt, wenn ich sehe auf was alles mein Sohn verzichten muss. Dann wiederum bin ich glücklich, wenn ich ihn nur anschaue. Er selber scheint ganz gut mit seiner Krankheit klarzukommen.
Das war auch schon einmal anders. Es gab eine Zeit der unendlichen Traurigkeit bei ihm. Jeden Tag sah ich in seine dunkelbraunen Augen und fühlte geradezu den Schmerz in seiner kleinen Seele.

Jedoch eines Morgens, als ich in Joshuas Kinderzimmer kam, um ihn zu wecken, war er schon wach und sagte zu mir:“ Mama, weißt du eigentlich, dass alles im Leben einen Sinn hat? Auch dass ich blind bin?“
Tränen traten in meine Augen. Ich musste schlucken ehe ich etwas erwidern konnte. Er sollte nicht das Beben in meiner Stimme hören. Mit gezwungener Heiterkeit sagte ich: „ Na, wo hast du denn diese schlauen Sachen her?“
Die Antwort werde ich wohl nie in meinem Leben vergessen:“ Das hat mir der Engel erzählt.“
„Welcher Engel denn, mein Schatz“, fragte ich während ich geschäftig das Fenster öffnete und in Joshuas Kleiderschrank nach seinen Sachen suchte.
„Der, der heute Nacht bei mir war. Er sagte, er sei mein Schutzengel und ich brauchte keine Angst zu haben, und er sagte auch, ich würde nicht immer blind bleiben.“
Nach diesen Worten setzte ich mich betroffen zu Joshua aufs Bett und blickte in das ruhige, aus einem inneren strahlenden Gesicht meines Kindes. Wir nahmen uns in die Arme und hielten uns ganz lange fest. Danach haben wir nie wieder darüber geredet. Aber von da an war Joshua nicht mehr so traurig wie zuvor.

Das Bellen unseres Hundes reißt mich aus meinen Gedanken. Pluto hat auf die Türklingel reagiert, die ich vor lauter nachdenken wohl völlig überhört habe.
„Mama, ich mache auf“, höre ich nur noch, als Joshua auch schon um die Ecke verschwindet. Er ist erstaunlich schnell und kennt mittlerweile jede noch so verborgene Ecke unseres Hauses. Ich gehe auch zur Haustür und begrüße Holger, unseren Nachbarjungen. Er ist auch sieben Jahre alt. Seine kurzen dunklen Haare stehen wieder einmal kreuz und quer. Seine Wangen sind gerötet. Gut sichtbar hat er einen Schlitten neben sich aufgestellt und sagt nun stolz:“ Das ist mein neuer Rennschlitten. Darf Joshua mit mir hinter dem Haus rodeln?“
„Ja, natürlich darf er.“ Ich habe den Mund noch nicht ganz geschlossen, da ist Joshua schon dabei nach seinen Stiefeln zu tasten. Er will keine Hilfe, also lasse ich ihn machen, auch wenn es etwas dauert. Holger wartet ebenfalls geduldig. Er kennt das schon.
Dann sind die beiden Jungs hinter dem Haus verschwunden. Pluto natürlich auch, denn ohne Joshua will er nicht im Haus bleiben. Sie sind richtig gute Freunde.
Ich gehe in die Küche. Dort kann ich beim Spülen immer etwas entspannen. Und wenn ich aus dem Fenster sehe, kann ich manchmal auch die Kinder beim Schlitten fahren beobachten. Wie sagt man so schön: Zwei Fliegen mit einer Klappe.
Nun stehe ich am Fenster und das leise Rauschen des Wassers in das Spülbecken lässt meine Gedanken wieder auf Wanderschaft gehen, wieder in die Vergangenheit.

Es war ein warmer Frühlingstag. Wir beschlossen spontan ein Picknick zu machen. Irgendwo.
Also packten wir schnell alles Nötige zusammen und machten uns auf den Weg. Joshua war furchtbar aufgeregt. Er konnte es kaum erwarten. Wir fanden eine schöne Stelle am See. Sehr romantisch und ruhig. Wir lagen nebeneinander auf einer Decke und ließen uns von der Sonne bescheinen. Joshua meinte sie würde so schön in der Nase kitzeln. „Mama, hör einmal wie die Vögel singen. Es muss hier mehrere verschiedene Vogelarten geben. Hör doch mal.“ Ich musste mich richtig konzentrieren, um die verschiedenen Vogelstimmen wahrzunehmen. Joshuas Gehör war besser ausgeprägt als meines.
„Und es duftet so toll. Was ist das alles. Wie sieht es aus. Ist hier noch mehr außer Wasser, Wiese und Bäume?“
Wieder einmal so viele Fragen. Manchmal glaube ich, mein Kind ist wissbegieriger als andere
Kinder in diesem Alter. Manchmal nachdenklicher und manchmal viel älter als er eigentlich ist. Das war jetzt ein Moment der Neugierde. Ich gab mir große Mühe ihm alles zu erklären.
Er ertastete die Baumrinden, roch an fast jeder Blume und tauchte die Hände ins Wasser, um die feuchte Kälte besser spüren zu können. Die Zeit verging viel zu schnell.
Gut erholt und zufrieden kamen wir am späten Nachmittag heim. Beim Abendessen war Joshua sehr still. Ich bekam eine nachdenkliche Falte auf meiner Stirn. „Was ist los mit dir, mein Schatz?“, fragte ich. Joshua tastete nach meiner Hand und antwortete:“ Mama, das war ein schöner Tag, aber könnten wir das nächste Mal dorthin gehen, wo andere Kinder sind. Wo was los ist?“ Tja, da saß ich nun, blickte still auf die kleine Hand, die in meiner ruhte. Schließlich drückte ich sanft seine Hand und strich ihm mit der anderen übers Haar. Ein Kuss auf die Wange folgte, als hätte ich etwas gut zu machen. Joshua war anders als andere Kinder. Aber vielleicht gerade deshalb sollte ich ihn nicht anders behandeln als andere Kinder. Wir hatten ab diesem Zeitpunkt mehr Trubel um uns herum als sonst. Wir luden mehrere Kinder zu uns ein, machten woanders mehr Besuche, gingen öfter auf die Kirmes und vieles mehr. Joshua hatte recht. Später hat er auch noch Zeit genug, um ruhiger zu werden.

Ich schrecke auf, als Joshua mit erhitztem, aber glücklichem Gesicht hereinstürmt. Hinter ihm Holger und Pluto. „Mama, Mama, es ist so schön draußen. Kommst du auch raus? Wir wollen einen Schneemann bauen und brauchen deine Hilfe!“
Ich sehe in mein volles Spülbecken, sehe all das dreckige Geschirr. Dann sehe ich in die erwartungsvollen Augen der beiden Kinder. Sogar Pluto hat abwartend den Kopf schief gelegt. Na ja, ich hatte sowieso keine Lust zum Spülen. „Auf geht`s Jungs“. Und mit lautem Juchuuu! stürmen die Kinder mir voran aus der Tür. Im Laufen werfe ich mir eben noch die Jacke um und greife mir die Handschuhe.
Dann stehe auch ich mitten im winterlichen Garten. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Im Schnee glitzern viele, viele gold-silberne Punkte. Ich laufe zu den Jungs als Joshua ruft:
“ Mama, nun komm doch endlich.“
Liebevoll blicke ich Joshua an, dann schaue ich noch einmal in den wolkenlosen Himmel. Ich stelle mir einen Engel vor, der jetzt vielleicht gerade da oben irgendwo in der blauen Weite sitzt, auf uns herunterblickt und lächelnd sagt: „Alles hat einen Sinn. Nur Mut. Es bleibt nicht immer so.“ Ich nehme einen Schneeball, ziele, - und freue ich mich noch mehr auf einen weiteren Tag mit Joshua.

 

Hallo sternchen,
Deine Geschichte ist ganz nach meinem Geschmack.
Mich stört ein wenig, dass die Mutter ihren Sohn "überbehütet". Der Junge ist fit, wird sein Leben meistern trotz aller Schwierigkeiten, aber Mama muss ihn auch lassen!
Sicher, leichter gesagt als getan, aber dennoch!
Schön gefühlvoll geschrieben.
Herzlicher Gruß
Heidi :)

 

Hallo sternchen.
Deine Geschichte hat mir auch gut gefallen, vor allem die Art und Weise, wie du schreibst. Meinem Vorredner muss ich hier mal widersprechen, weil Eltern bei sowas immer sehr vorsichtig sind, also wenn die Kinder so alt werden und bei einem blindem Kind sowieso. Was mich ein wenig iritiert hat ist: Wocher weis das kind, das es sowas wie Sehen gibt??
Also für ihn persönlich gibt es das nicht aber er ist trotsdem so begierig zu erfahren, wie die Dinge aussehen, warum ist es so wichtig für ihn?

Claudius Wak

 

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