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Geld oder Zeit

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26.03.2006
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Geld oder Zeit

Geld oder Zeit

Es regnet, aber Lovisa lässt sich nicht beirren und tritt in die Pedalen.
Wäre nicht alles organisiert gewesen, wäre sie vielleicht zu Hause geblieben. Aber jetzt ist das Kindermädchen wie vereinbart gekommen. Zwei Stunden wird es bleiben.

Allein diesen fürchterlichen Weg zum Schwimmbad muss ich schon mitbezahlen, denkt Lovisa ein bisschen verärgert. Teure Zeit! Man kämpft sich durch den Regen und zahlt auch noch drauf!

Der Regen tropft Lovisa von der Kapuze auf die Brille. Sie muss sich darauf konzentrieren, durch den Vorhang von Wasserperlen zu blinzeln. Dann kommt der nächste Gedanke:

Früher wusste ich nichts davon, dass Zeit Geld ist, denkt sie. Ich hatte viel Zeit und wusste nicht wie reich ich war. Ich spielte. Wer spielt, weiß nicht, wie kostbar die Fähigkeit zu spielen ist: Die Fähigkeit, nicht über Zeit nachzudenken; sich mit ganzem Ernst zu versenken ins Spiel. Schade, dass ich das gar nicht mehr richtig kann. Jetzt sind es meine Kinder, die spielen. Und ich muss auf die Zeit achten, besonders wenn die Babysitterin da ist.

Der Regen lässt ein wenig nach. Lovisa hält kurz an und streift die Kapuze ab. Sollte sie nicht schnell ihre Brille putzen? Aber nein, es ist doch wichtiger, im Schwung zu bleiben und anzukommen!

Wenn ich heutzutage alleine schwimmen gehen will, was früher kein Luxus war, bezahle ich für die anderthalb Stunden den Eintritt für Erwachsene UND die Betreuung der Kinder, denkt sie wieder. Es ist wirklich ein teurer Spaß geworden. Muss ich denn unbedingt schwimmen gehen? Nur um einmal in der Woche etwas für mich zu tun?

Der Weg zur Schwimmhalle ist ziemlich lang. Lovisa fährt und fährt und verliert sich weiter in Gedanken.

Bald kommt auch mein Kleiner in den Kindergarten. Dann brauche ich jedenfalls die Babysitterin nicht mehr am Vormittag. Aber...
habe ich dann noch eine Rechtfertigung, die Putzhilfe kommen zu lassen?
Es sind zweieinhalb Stunden in der Woche. Diese Zeit werde ich ja wohl selbst erübrigen können, wenn es soweit ist; damit spare ich Geld.
Aber was ist mir meine Zeit wert und womit will ich sie füllen? Will ich sie denn mit Putzen verbringen?
Und die Gardinen - ich bin kein Typ für die Nähmaschine... Bis ich Gardinen genäht habe, gehen Monate ins Land und meine Nerven liegen blank. Ein Glück, dass ich die Schneiderin kenne, die mir das Nähen abnimmt, sobald ich die Stoffe ausgesucht habe. Auch das kostet Geld. Aber andererseits habe ich dann mehr Zeit für mich!

Eine rote Ampel zwingt Lovisa zum Stoppen, und sie bemerkt, dass sie die vorigen zwei Ampeln gar nicht registriert hat. Man kann nur hoffen, dass die grün waren. Weiter geht´s.

Sind Zeit und Geld denn genau gleich viel wert?, denkt Lovisa. Oh nein, die Zeit ist viel kostbarer. Wenn sie gut genutzt wird.
Ich muss mir klar machen, was ich mit meiner Zeit will. Ich will nicht nähen und nicht putzen, soviel steht fest. Wenn es jemanden gibt, der das gerne für mich tut, dann gebe ich dafür Geld aus. Und woher nehme ich dieses Geld? Ich arbeite - gerne - in einer Klinik und lasse mich dafür bezahlen. Das erscheint sinnvoll: Jeder tut seine Sache gerne und bekommt dafür Geld.

In dem Moment, wo Lovisa klar wird, WARUM sie ihr Haus putzen, die Kinder betreuen und ihre Gardinen nähen lasse, macht es ihr nichts mehr aus, dafür zu bezahlen:

Dafür dass ich selber arbeiten gehe, kann ich mir ein Kindermädchen, eine Putzhilfe und eine Schneiderin leisten. Allerdings bleibt dann kaum Geld übrig. Ich kann froh sein, dass ungefähr Null dabei heraus kommt. -
Noch einmal abbiegen, dann bin ich da. Schade eigentlich, ich bin doch noch mitten im Denken!

Lovisa stellt das Rad ab. Beim Öffnen der schweren Hallentür strömen ihr wie immer sehr warme Luft und der vertraute Chlorgeruch entgegen. In einer Stunde wird Lovisa keine Rückenschmerzen mehr haben. Ist das nicht viel mehr wert als das Eintrittsgeld? Jede Woche dasselbe Phänomen.
Während sie sich umzieht, denkt es in ihr weiter.

Wofür braucht man denn eigentlich Geld? Von irgendwo nimmt man es ein, nach irgendwo gibt man es wieder ab. Es fließt so zwischen den Menschen herum. Ein unangenehmes Fluidum. Warum kann nicht jeder den anderen dienen, indem er das gibt, was er kann und hat, und dafür nehmen darf, was er braucht?
Ich wünschte, man könnte in dieser Welt ohne Geld leben.
Aber dazu sind die Menschen wohl doch zu schlecht. Irgend jemand würde immer alles haben wollen, ohne etwas zu geben. Nur, wenn man es so bedenkt: Ist das MIT Geld anders? Für Gerechtigkeit sorgt Geld jedenfalls nicht. Die einen haben viel, die anderen wenig.
Zeit ist gerechter aufgeteilt, einmal abgesehen von der gesamten Lebenszeit: Jeder hat seine 24 Stunden am Tag. Reich ist, wer sie füllen kann mit Leben!

Lovisa kommt zu dem Schluss, dass das wohl der wesentliche Unterschied ist: Geld kann man nicht mit Leben füllen.
Wer wenig Geld hat, kann trotzdem erfüllt leben. Wer keine Zeit hat, kann keine Erfüllung finden. Lovisa hat jetzt eine ganze kostbare Stunde Zeit.

Endlich springt sie ins Wasser und schwimmt.
Ja, so ist es: Zeit ist nicht Geld.
Ein Glück.

 

War angenehm zu lesen.

Zeit ist gerechter aufgeteilt. Jeder hat seine 24 Stunden am Tag. Reich ist, wer sie füllen kann mit Leben!

...wobei eine kleine Kreuzfahrt das Leben ziemlich bereichern kann, aber leider einiges an Geld kostet. :)

 

Kreuzfahrt? Wo die Senioren von einem Buffet zum anderen wandeln? Muss ich mal ausprobieren, später, wenn ich mal Geld hab!

 

pmaktiub schrieb:
Kreuzfahrt? Wo die Senioren von einem Buffet zum anderen wandeln? Muss ich mal ausprobieren, später, wenn ich mal Geld hab!
Sie *kann* das Leben bereichern. Aber jedem das Seine. Den einen die Zeit, den anderen das Geld, um die Zeit auszugestalten. Schade, dass man nicht genug von beidem haben kann - wenn man nicht genügsam genug ist.

 

Du hast völlig recht. Es geht mir auch nicht darum, Geld völlig zu verdammen. In der Geschichte wird hoffentlich klar, dass die Protagonistin keine Askese betreiben will; sie lebt ja auch im eigenen Haus und kann sich dies und jenes leisten. Vielmehr sucht sie für ihre alltäglichen persönlichen Bedürfnisse und Freiräume eine Rechtfertigung, und die lautet in etwa: Dass es mir gut geht, lasse ich mir etwas wert sein. Eine Putzfrau zu haben und sich die Gardinen nähen zu lassen, ist keine Schande, wenn es dazu beiträgt, dass man dafür Beschäftigungen nachgehen kann, die sowohl der Selbstverwirklichung als auch dem Gemeinwohl zuträglich sind.
Extrem und eben nicht mehr alltäglich fände ich es schon, wenn sie nun die Kinder abgäbe, um auf ein Kreuzfahrtschiff zu steigen. Aber wenn es denn sein muss, damit sie glücklich wird - meinetwegen! Dann hoffe ich aber im Interesse der Familie, dass das getankte Glück ein Weilchen vorhält!
Ich danke Dir für Deine Kommentare!
pmaktiub

 

Hi,

Aber dafür hat sie selbst dann mehr Zeit!

Nein, hat sie nicht. Ich weiß, es ist umgangssprachlich üblich, hier von "mehr Zeit" zu sprechen, wenn man eigentlich nur eine andere Nutzung der vorhandenen Zeit meint ...

Sind Zeit und Geld denn genau gleich viel wert? Oh nein, die Zeit ist viel wertvoller.

Das ist schief. Wertvoller als wieviel Geld denn? Geld ist für sich genommen doch kein vergleichbarer Wert. Man könnte genausogut fragen, ob ein Stuhl und Geld genau gleich viel wert sind.
Wenn eine Stune zehn Euro kosten würde, wäre dann das Geld mehr wert, oder die Zeit? ;)
Ich kann mir schon denken, wie du es gemeint hast, es ist nur etwas unglücklich ausgedrückt.

Wenn es jemanden gibt, der GERNE für sie näht oder putzt, dann gibt sie dafür Geld aus.

Warum muss es jemand sein, der es gerne tut? Wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe, frage ich doch auch nicht vorher, ob der Mechaniker wirklich gerne meine Zündkerzen austauscht oder den Job schlicht und ergreifend nur macht, weil er dafür bezahlt wird.

In dem Moment, wo ihr klar wird, WARUM sie ihr Haus putzen, die Kinder betreuen und ihre Gardinen nähen lasse, macht es ihr nichts mehr aus, dafür zu bezahlen, auch wenn am Ende kein finanzieller Gewinn entstehen sollte.
Sie kann froh sein, dass ungefähr Null dabei heraus kommt.

Das verstehe ich nicht. Wie könnte überhaupt ein Gewinn dabei herauskommen, wenn ich für etwas bezahle? Das ist doch nicht Sinn der Sache ...

Zeit ist gerechter aufgeteilt.

Nein, ist sie nicht. Wenn sie es wäre, müsste jeder Mensch genau achtzig Jahre alt werden. Oder auch fünfzig, siebzig oder hundertzwei. Solange nicht jeder Mensch genauso lange lebt, wie jeder andere auch, ist sie auch nicht "gerecht aufgeteilt".
Außerdem: was ist "Zeit" überhaupt? Mit Sicherheit nicht die Bewegung der Uhrzeiger ...

Geld kann man nicht mit Leben füllen.

Richtig. Zeit kann man aber genausowenig mit Leben füllen. Man kann versuchen, die Jahre, die man hat, möglichst "sinnvoll" zu nutzen. Leben ist dafür aber die Grundbedingung. Biologische Systeme entstehen, bestehen und erhalten sich durch ihre Operation. Und diese Operation heißt "Leben".

LG,

Tobias

 

Ha! Meine Geschichte regt zum Philosophieren an! Genau das sollte sie!
Nein, ich will keineswegs triumphieren und finde auch Deine Kritik, lieber Tobias, angebracht und vor allem sehr bedenkenswert.

- Dafür hat sie dann selbst mehr Zeit - soll natürlich heißen, dass sie dann mehr Zeit FÜR SICH hat. Ich werd es gleich einfügen.

- Ich werde schreiben, dass Zeit KOSTBARER ist als Geld, falls dadurch das deutlicher wird, was Du sowieso schon verstanden hast.

- Nicht jeden, der einem eine Dienstleistung erbringt, fragt man, ob er es gerne tut. Da hast Du recht. Die Protagonistin geht aber davon aus, dass jemand, der sich z.b. für den Job als Putzhilfe entschieden hat, diese Tätigkeit mit größerer Selbstverständlichkeit als sie selbst oder sogar mit Elan ausführt. Zumal wenn man die Putzhilfe privat einstellt und ihr angenehme Bedingungen schaffen kann.

- Du verstehst nicht, wie ein Gewinn entstehen kann, wenn man jemanden bezahlt:
Wenn man selber arbeiten gehen möchte, was aber nur unter der Bedingung möglich wäre, dass man seine Kinder z.B. in einen teuren Ganztagskindergarten steckt, beginnt man zu rechnen, ob sich das Arbeiten überhaupt lohnt. Ob man nicht lieber zu Hause bleiben, vom Gehalt (falls vorhanden) des Ehemannes (falls vorhanden) leben und die Kinder selber hüten sollte. Ein Gewinn KANN entstehen, wenn man mehr verdient als der Kindergarten kostet. Entsteht kein Gewinn, ist die Frage, warum sonst einem das Arbeiten wichtig ist. Z.B. aus "Selbstverwirklichungsgründen"...

- Zeit ist nicht gerecht aufgeteilt, wenn man auf das ganze Leben blickt, das stimmt. Aber ich schreibe doch gleich darauf, dass sich dies auf die Länge eines Tages bezieht. Es wäre doch auch einigermaßen schrecklich, wenn man genau wüsste, wieviele Tage einem noch blieben... Es geht also darum, das JETZT zu füllen mit Leben, egal wie lang das Leben insgesamt ist.

- Ich finde, dass man Zeit mit Leben füllen kann i.S.v. Lebendigkeit. Spreche ich von jemandem, der eine lebendige Art hat, bezieht sich das doch auf seine Art zu leben. Natürlich sind auch Amöben lebendig. Ob sie eine Seele haben, sei dahingestellt. Für mich sind sie biologisch, aber nicht charakterlich lebendig.

Bevor ich die Geschichte neu- oder umschreibe, warte ich erst einmal ab! Es freut mich, dass sie so provozierend gewirkt hat! Hätte Lust auf mehr Gespräch in dieser Art! Das ist so- lebendig!

pmaktiub

 

pmaktiub schrieb:
- Du verstehst nicht, wie ein Gewinn entstehen kann, wenn man jemanden bezahlt:
Wenn man selber arbeiten gehen möchte, was aber nur unter der Bedingung möglich wäre, dass man seine Kinder z.B. in einen teuren Ganztagskindergarten steckt, beginnt man zu rechnen, ob sich das Arbeiten überhaupt lohnt. Ob man nicht lieber zu Hause bleiben, vom Gehalt (falls vorhanden) des Ehemannes (falls vorhanden) leben und die Kinder selber hüten sollte. Ein Gewinn KANN entstehen, wenn man mehr verdient als der Kindergarten kostet. Entsteht kein Gewinn, ist die Frage, warum sonst einem das Arbeiten wichtig ist. Z.B. aus "Selbstverwirklichungsgründen"...

Ah, ok, ich verstehe. Finde nur, dass das im Text nicht so rüber kommt, sondern eher verwirrend wirkt.

 

hallo pmaktiup

[damit spart Geld./QUOTE]

da fehlt was zum satz


Sind Zeit und Geld denn genau gleich viel wert?
erste sehr interessante Frage


Die Quintessenz des GAnzen gefällt mir sehr gut.

Die Art, in der du diesen Text verfasst hast, ist sicherlich üblich für philosophische Texte, allerdings hätte ich es fein gefunden, wenn du die Aussagen, die du machen wolltest, in eine Geschichte gepackt hättest.

laß deine Prot doch vor dem Schwimmbecken, oder See, stehen und nachdenken, oder so etwas.

zudem sind mir viel zu viele sies im text. das solltest du vermeiden. und könntest du, wenn du es in eine geschichte packst.

gruß

 

Deine Idee ist gut. Ich könnte noch eine (kurze) Rahmenhandlung oder eine Gedanken auslösende Situation beschreiben. Die habe ich schon im Sinn. Jetzt brauche ich nur noch - Zeit! Kommt Zeit, kommt... Geld? Nee, leider nicht, aber vielleicht Rat.
Bis dann,
pmaktiub

 

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