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Geld stinkt nicht

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12.04.2007
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Geld stinkt nicht

Geld stinkt nicht - erweiterte Fassung

Als Werner Sombart auf dem Sterbebett lag, bemerkte sein Eckermann, dass der Ökonom sehr heiter wirkte und entspannt.

Nun ja, sinnierte Eckermann in stiller Freude vor sich hin, wer auf einem langen und beschwerlichen Wege der Erkenntnis hinabsteige von eiseskalten Höhen des Allgemeinen und Abstrakten in sonnendurchflutete fruchtbare Zonen des Besonderen und Konkreten und der dann seine eigene Anschauung, wie die Welt sei, aufs Schönste bestätigt finde, der hinterlasse ein Lehrgebäude wie eine feste Burg, die auf lange Zeit uneinnehmbar bleibe. Der könne mit sich selbst und der Welt zufrieden sein.

Es freute Eckermann, dass der Alte keine Angst vorm Tode zu haben schien und es somit ein leichtes Dahinscheiden würde.

Draußen in den Straße seines geliebten Berlin der Maien Wonne pflegte man derweil fleißig einen permanenten Karneval in schickster Maskerade mit feinem und gesitteten Tschingderassabum von Blechtrommeln und Schellenbaum, während fernab – und wär’s am Hindukusch - die Heimat verteidigt wurde und wie nebenbei der Wirtschaft neue Absatzmärkte erschlossen wurden.

Es galt, den demonstrativen Konsum, den ein amerikanischer Kollege seinerzeit bei den Kwakiutl beobachtet hatte, auf zivilisierte Weise und höchstem Niveau zu verwirklichen. Denn was nützt einem all der Reichtum, wenn man ihn nicht nutzanwendend zur Schau stellt!

Wenn einer nicht wirklich reich wäre, würde der dann seinen Reichtum demonstrativ vor aller Welt vernichten? Bewies nicht allein die Tatsache, dass ein angelernter Pinselquäler zum Kanzler und Führer der Gröhlfatzkes aufsteigen konnte, dass die liberale Chancengleichheit aufs Schönste verwirklicht würde?

Nun ja, dieser Mann war zweifellos der personifizierte Luxus und hatte sinnliche Freude am Genuss. Was alle Sinne reizt, vergegenständlicht sich in den Warenlagern und dem geschlechtlichen Gebaren. "Sinnenlust und Erotik sind letzten Endes ein und dasselbe“, war eine zentrale Aussage des großen Nationalökonomen. Liebe ist Verschwendung, und wer wollte behaupten, dass die Gröhlfatzkes nicht ihr Land mitsamt seiner florierenden Nationalökonomie liebten! So bedeutet denn ein freies Liebesleben Luxus wie Verschwendung, ein verkümmerndes Liebesleben dagegen führt allemal zum Sparstrumpf und zur sinnlosen Häufung von Gütern bis hin zu ihrer abstraktesten Form in Edelmetallen oder Buchgeld ...

... als, plötzlich und unerwartet, der alte Körper von einem heftigen Lachanfall geschüttelt wurde. Nun war Eckermann wieder in großer Sorge um den großen alten Mann der Sozialwissenschaft.

Es dauerte nur eine geringe Zeit, bis der Alte sich wieder beruhigte und erholte. Er streckte die Hand aus und suchte die Eckermanns. Der fasste nach der suchenden Hand und fühlte, sie war angenehm warm, wenn auch rau und trocken. Sombart fasste Eckermanns Hand fest und sprach mit leiser Stimme: “Eckermann, ich muss Ihnen etwas erzählen, was mir gerade eingefallen ist. -

Behalten Sie’s bitte für sich, denn weder ich habs jemals preisgegeben noch Marianne in der Lebensbeschreibung Maxens. Allein Ihnen will ich verraten, wie und wo ich Max kennen gelernt habe. Ob ers preisgegeben hat, weiß kein Mensch. Zuzutrau’n wär’s ihm, so verrückt wie er war.“

Eckermann versprach’s und Sombart erzählte mit ruhiger Stimme: "Es ist bekannt, dass ich öffentliche Bedürfnisanstalten meide, da verabscheue. Ich ekele mich vor Brillen, die von jedermann besessen werden können und den Schmierereien, die sich an den Wänden der beengten Räumlichkeiten zeigen. Dabei ist der Ekel nicht an der Aktualität, sondern der reinen Potentialität gebunden Ich ekelte mich immer schon vor der Vorstellung, jemand anderes als ich könnte die Brille genutzt haben, auf die ich mich hätte setzen müssen. Um alle meine Geschäfte im Stehen zu verrichten, bin ich zu wenig Athlet oder Artist. –

Ich war jung und studierte Juristerei. Den genauen Tag weiß ich nicht mehr, aber es war im letzten Studienjahr hier in Berlin. Der Tag war anstrengend gewesen und in meinem Darm hatte sich ein solcher Druck aufgebaut, dass ich es nicht mehr bis Zuhause geschafft hätte. Also blieb mir nichts, als die Toiletten für Studenten der juristischen Fakultät aufzusuchen.“

Mit den letzten Worten wurde die Sprache des Nationalökonomen heftiger und die Hand zitterte nun, dass Eckermann sich wieder sorgte.

Aber Hand und Stimme beruhigten sich wieder, so auch Eckermann: "Sie kennen es: Sie gehen eine Treppe hinab und sehen rechts und links an den Wänden Schmierereien rechtlich bedenklichen Inhalts.

Es schüttelte mich! Dann stand ich vor beschmierten Türen. Bis auf eine waren alle Toiletten als besetzt gezeichnet. Auf dieser einen Tür stand nichts gegen Gott, Kaiser oder Vaterland, sondern Ohne Moos nix los! Die Schrift erschien mir ziemlich frisch zu sein. Endlich eine von ihrem Inhalt her reichserhaltende Inschrift! –

Ich riss die Tür in meiner Not auf und erschauderte: da stand ein etwa gleichaltriger Bursche im Hemd und mit heruntergelassener Unterhose. Die Montur der Burschenschaft Allemania hing an der Wand hinter ihm. In der Hand hielt er einen feinen Pinsel. Er bemalte mich in Blitzesschnelle mit wenigen Schriftzeichen und erschrak erst dann. Es war Maximilian Carl Emil, den ich flüchtig durch seinen Bruder Alfred kannte.

Max ein Staatsfeind! - ich war getroffen und machte mir fast die Hosen voll.

Aber Max zeigte schon damals seine Überlegenheit gegenüber jedermann:
Er setzte sich nieder und forderte mich auf, herein zu kommen und die Türe zu schließen. Wischte sich dann den Hintern ab, zog sich wieder an und sagte gleichzeitig, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, er habe sich nur Notizen gemacht, da er vorhabe, über Geld und Kapital zu promovieren wenn nicht grundsätzlich zu arbeiten.

Während er sich die Hände wusch, bemerkte ich, dass der Druck in meinem Darm nachgelassen hatte, so dass ich mir die Schmiererei an der Tür anschauen konnte.

Lieber Ackermann,“ – Eckermann merkte, dass Sombarts Konzentration nachließ, "es stand dort in feiner Schrift ‚Ohne Moppen nix zu’ worauf ich mir keinen Reim machen konnte. Aber auf solchen Zitaten haben Max und ich unsere gesamt Philosophie des Kapitalismus aufgebaut…“

Werner Sombart starb kurz darauf.

Ein Leben lang hatte er Sterbezimmer gemieden und wenn es aus Konvention nicht möglich war, flüchtete er sich in Unpässlichkeit und Krankheit. So gab er sich der Illusion hin, dem Tod aus dem Weg gehen zu können bis zu dem Tag, da er selbst in seinem Schlafzimmer recht friedlich ans Sterben kam. Draußen tobte der braune Terror & ein Weltkrieg.

Eckermann war darum froh, dass der Alte seinen letzten Gang mit Humor ertrug.
Oder hatte er sich nur ablenken wollen?
Selbst Eckermann weiß es nicht und er weiß auch nicht, ob der Alte wusste, welches Wort Max Weber ihm aufs Hemd gezeichnet hatte.
In jedem Falle hielt Eckermann das Versprechen gegenüber Sombart ein, solang er konnte. Bis zu dem Tage, an dem nach dem Genuss einer Flasche roten Portweins sich seine Zunge löste und er Anekdoten aus den Weltkriegen erzählte.

 

Hallo Friedrichard

Nun war Eckermann wieder in großer Sorge um den großen Mann der Nationalökonomie.

hm, natürlich musst du irgendwie einbringen wer der Mann war, allerdings empfinde ich den Satz irgendwie als unpassend. Ich glaube halt das Eckermann in diesem Moment nicht an den Nationalökonom, sondern an den Menschen Werner Sombart denkt...


Er streckte die Hand aus und suchte die Hand Eckermanns. Der fasste nach der suchenden Hand und fühlte, sie war angenehm warm, wenn auch rau und trocken. Sombart fasste die Hand Eckermanns fest und sprach mit leiser Stimme:

Wortwiederholung von "Hand" (und zwar faszinierend häufig)

Behalten Sie’s bitte für sich, denn weder ich habs jemals preisgegeben in meinem Werke über den modernen Kapitalismus noch Marianne in der Lebensbeschreibung Maxens.

Das wird ein fundamentales Problem glaub ich: Es wirkt auf mich abselut nicht authentisch wie der Mann auf dem Sterbebett redet. Klar, du willst Informationen einfließen lassen, ist ja auch notwendig, aber Sombart redet ja hier mit einem Vertrauten der sicher seine Werke gelesen hat, ich glaube also nicht, dass er deren Titel nochmal explizit erwähnen würde (zumal es ihm ja nicht mehr so rosig geht und ihm das sprechen sicher Mühe bereitet)

„Es ist bekannt, dass ich öffentliche Bedürfnisanstalten meide, da verabscheue.

"ja" schätz ich mal

„Es ist bekannt, dass ich öffentliche Bedürfnisanstalten meide, da verabscheue. Ich ekele mich vor Brillen, die von jedermann besessen werden können und den Schmierereien, die sich an den Wänden der beengten Räumlichkeiten zeigen.

lol, liegt das an mir? Ich hab sehr lange gebraucht bis ich begriffen habe was er mit "Bedürfnissanstalt" und "Brille" meint...


Der Tag war anstrengend gewesen und in meinem Darm hatte sich ein solcher Druck aufgebaut, dass ich es nicht mehr bis Zuhause geschafft hätte. Also blieb mir nichts, als die Toiletten für Studenten der juristischen Fakultät aufzusuchen.“

Fäkalanekdoten auf dem Sterbebett... mal was neues :lol:. Da würd mich jetzt mal interessieren woher du die Idee zu der Geschichte hast. Ich weis nur sehr grob über Sombart bescheid, gibts Belege für dieses Gespräch oder ist es rein fiktiv?

“Sie kennen es: Sie gehen eine Treppe hinab und sehen rechts und links an den Wänden Schmierereien rechtlich bedenklichen Inhalts.

wenigstens hatten die Schmierereien damals noch Inhalt... die heutigen kann ich nicht mal entziffern. :D

Max ein Staatsfeind, - ich war getroffen und machte mir fast die Hosen voll.

Da is der Umsturz ja vorprogrammiert...

Aber auf diesen Zitaten haben Max und ich unsere gesamt Philosophie des Kapitalismus aufgebaut…“
Werner Sombart starb an diesem Tage. Selbst Eckermann weiß nicht, ob der Alte wusste, welches Wort Max Weber ihm aufs Hemd gezeichnet hatte.

Da täte noch ein Absatz gut.

Tja, fällt mir schwer noch was zu der Geschichte zu sagen (vielleicht der Grund warum sie bisher auch unbeantwortet geblieben ist?). Ist halt eine kleine Annekdote, mit der ich aber wenig anfangen kann. Wie gesagt, ich weis nicht viel über Sombart und da fällt es mir schwer der Begegnung der beiden Prots auf dem Uniklo was Bedeutendes abzugewinnen. Die Protgonisten bleiben letztlich farblos und die Handlung plätschert so dahin ohne ersichtlichen Spannungsbogen... na ja, eine Annekdote halt.
Schlecht nicht, aber meinen Geschmack triffst du nicht.

schöne Grüße, Skalde

 

Hallo Friedrichard,

vom Stil her triffst Du meinen Geschmack. Die Geschichte wäre noch besser, wenn es sich um die Entwicklung eines wirklich interessanten Gedankens handeln würde. "Ohne Moppen nix zu ..." ist ja nicht gerade ein Kalenderspruch. ;)

Formal: Bitte mehr Absätze! Die Kürze des Textes empfinde ich als sehr wohltuend.

Grüße,

Fritz

P.S.: poppen :D

 

Hallo Friedrichard

Ja, ich kann mich Skalde im Großen und Ganzen anschließen, Absätze wären natürlich auch nicht schlecht.
Mit dem Mann kenne ich mich auch nicht aus, aber eine Kg bleibt eine Kg, und es ist egal, um wen es geht. Es kann sein, dass der Mann stinklangweilig war, aber deine Geschichte muss es nicht sein. Auch wenn wir in Historik sind, und man hier wert auf Authentizität legt, bin ich dafür, dass du einen Spannungsbogen einarbeiten solltest. Es bietet sich ja gerade zu an: Dein Prot. liegt im Sterben und ein Bekannter ist bei ihm und erlebt seinen Tod.
Du musst dabei nicht in irgendwelche überdrüssige Gefühlsbeschreibungen verfallen, aber mehr Emotionen würden die Geschichte um einiges lebendiger machen.

Cu JoBlack

edit: Berg, das hätte ich jetzt nicht gedacht. :p

 

Hallo,Skalde, Fritz Berg (?)& JoBlack,

hab Eure Nachricht(en) gelesen und werd die fiktive Anekdote nicht heut & auch nicht morgen, aber doch in nächster Zeit ein wenig abändern.
Was mich (wirklich, kein Scherz)freut, dass jemand den Grundriss der Politisachen Ökonomie noch liest!

Gruß an Euch alle!

Friedrichard

 

Hallo Friedrichard,
Wenn es eine Pointe gab, dann habe ich sie nicht kapiert. Darann liegt für mich die Schwachstelle der Geschichte. Es kommt nicht klar heraus, waum er jetzt so lacht. Ds er eine Theorie über Kapitalismus auf solche Sprüche aufgebaut hat, wirkt für mich infach zu weit her geholt, als das ich es glauben könnte.
Der letzt Absatz wirkt überhaupt wie ein Anhängsel., Da hätte die Geschichte besser mit

Max und ich unsere gesamt Philosophie des Kapitalismus aufgebaut…“
Werner Sombart starb kurz darauf.
habe sich nur Notizen gemacht, da er vorhabe, über Geld und Kapital zu promovieren wenn nicht grundsätzlich zu arbeiten.
das wirkt recht umständlich. Hab den Satz nicht kapiert. Meinst du, er will promovieren oder sogar arbeiten???

lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

dass ich das noch erleben darf … Nach mehr als einem halben Jahr tauchen Werner Sombart und Max Weber wieder in meinem Umfeld auf.

Nun, um es vorweg zu nehmen, Sombart und Weber waren in der Tat befreundet und während Weber in relativ jungen Jahren verstarb, so starb Sombart in hohem Alter im Berlin des Weltkriegs. Tatsächlich haben beide über den Kapitalismus grundlegende Werke geschaffen, womit auch schon der Bezug zur Wirklichkeit und somit Historie abgehakt wäre. Alles andere ist reine Erfindung, aus dem hohlen Bauch erstunken und erlogen und damit hast Du auch recht, die Geschichte nicht zu glauben. Sie ist unglaublich, eine Fingerübung, sozusagen.

Um Deine Anfrage korrekt beantworten zu können, müsst’ ich zum Vergleich die Ursprungsfassung haben, um die Änderungen nachvollziehen zu können, aber die ist mir abhanden gekommen durch die Korrektur nach ca. einem Monat und ohne ursprüngliches Manuskript erscheint mir das Problem nahezu nicht zu lösen. Ich will dennoch versuchen, einige offene Fragen anzusprechen:

Der letzte Teil (E.s gelöste Zunge betreffend) ist nachträglich angefügt und sicherlich entbehrlich und sollte nur erklären, wie dieses Geheimnis der Männerfreundschaft gelüftet werden konnte.

Warum lacht man? Weil einem ein belustigender Gedanke/eine Erinnerung kommt – oder man ist ein bisschen verrückt (wer ist das hier heute nicht und erst recht morgen?).

Dass die theoretische Beschreibungen/Theorie(n) über den Kapitalismus auf Scheißhausparolen gründet, wäre wirklich sehr gewagt. Dass der soziale Friede etwa bei VW auf Bordellbesuchen in Brasilien (interessanter Stabreim) gründete, wird uns in einigen Jahren auch keiner mehr so recht glauben. Dass nun ein entscheidender Mann in dieser Affaire zugleich mit großer moralischer Kraft Millionen von Leuten an den Rand der Armut schickt gründet schon fast an Peterchens Mondfahrt. Wie schon gesagt, ohne Poppen, nix zu …, ohne Moos, nix …

Tatsächlich gründen die Theorien der beiden in Analysen von Bürokratie/Macht + Herrschaft, ja selbst dem Einfluss der protestantischen Ethik etc.

Was aber real ist (und zuvor ja anklingt): Beide haben ein Lebenlang übern Kapitalismus gearbeitet und Sombart stellte – im Gegensatz zu Marx Jahrzehnte zuvor – die Prognose, dass der Kapitalismus mit dem Abbau und Verschwinden der Bodenschätze zu Grunde gehe. Die jüngeren unter uns werden’s verifizieren oder falsifizieren können …

Wie sagte doch MRR im lit. Quartett in Anlehnung an Brecht

„Wir sitzen hier enttäuscht und sehn betroffen
Die Klappe zu und alle Fragen offen!“

Gruß

friedel

 

Hallo Friedel,

ich finde die Anekdote sehr witzig. Aber als komplette Geschichte fehlt noch was. Ich denke, Jo bringt es weiter oben auf den Punkt.

Ciao

MiK

 

Danke fürs Lesen.

Einen Spannungsbogen einzubauen ist mir bisher schwergefallen: soll ich den Sterbenden daran erinnern, dass er in der Eile die Klotreppe hinunterstürzte und gleichzeitig aus dem Sterbebett? Das wäre pietätslos und slapstick.

Ich überleg immer noch ...

Tschüss

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Friedel,

also neben der spannenden Nationalökonomie habe ich mich gefragt, wie er mit der vollgeschissenen Hose nach Hause gekommen ist. Ganz ohne fremde Hilfe nicht einfach, und sehr hilfsbereit scheint das Umfeld ja nicht zu sein. Mag sein, dass ich das sehr vordergründig gelesen habe, aber hier ist für mich eine unaufgelöste Spannung. Ich möchte Dich allerdings nicht auf den Weg des "Campus" bringen, das wäre zu platt.

Gruß Setnemides

 
Zuletzt bearbeitet:

Zum Spannungsbogen hab ich schon was geschrieben, Deine Frage,

lieber S.,

ist jedoch äußerst interessant. Wär's aber nicht ungehörig, dieses Geheimnis zu lüften, wissen wir doch, dass er wohl (oder übel?) nach Hause gekommen sein wird. Ich geb allerdings zu bedenken, dass der geborene Kleinbürger, selbst wenn er als Bourgois daherkommt, seit frühester Kindheit gelernt hat, das, was er einmal besitzt, für sich behalten zu wollen, sei's auf'm Thrönchen oder im Chefsessel. Und früheste Übung erfolgt hierzu mit der Schließmuskulatur, die bei den meisten Kleinbürgern vorzüglich funktioniert. Nicht jede Verklemmung ist unerwünscht/ungewollt.

Eine andere Antwort stänke mir ...

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

du beachtest, was sonst in der Historik leider oft unter geht: Die Ökonomie als wesentlicher Bestandteil unseres Lebens (ein weiteres Waisenkind ist, verständlicherweise, die Naturwissenschaft).

Aber warum lässt du das Samenkorn nicht wachsen? Beim Heranwachsen wird man schon merken – und mit Spannung verfolgen – was Weizen ist oder sich als Unkraut herausstellt! Soviel Satz- und Wortgebrauch um auf die fäkalanekdotische Schlüsselszene der Wandschmiererei zu kommen? Du weißt doch zu viel, um dem Leser solch ein inhaltliches Sparprogramm anzubieten.

Du erklärst die fiktive Ursache, zeigst aber nicht die Wirkung, die doch real, bis zu mancher Qual, geführt hat.


„Endlich eine von ihrem Inhalt her reichserhaltende Inschrift!“

„Lieber Ackermann,“ – Eckermann merkte, dass Sombarts Konzentration nachließ“

Solche Ideen sind treffend und angebracht reichen meiner Ansicht nach aber nicht über die versäumte Reichhaltigkeit des Themas hinwegzutäuschen.

„Dabei ist der Ekel nicht an der Aktualität, sondern der reinen Potentialität gebunden Ich ekelte mich immer schon vor der Vorstellung …“

Jetzt mach aber mal ‘nen Punkt!

Etwas enttäuscht mache ich jetzt einen, nämlich den Schlusspunkt …

L. G.,

Woltochinon

 

Das scheint die Zeit der Altertümer zu sein,

lieber Wolt,

und in diesem Fall muss ich mir die Geschichte selbst noch einmal zu Händen nehmen. Aber recht wirstu haben, es war seinerzeit eine kleine Arbeit zur Belustigung der Schreibwerkstatt zu Lingen, immerhin konnte damals (war's Vor- oder doch schon Nachkriegszeit?) der eine oder andere lachen, nur ich nicht, der Vorleser, und musste dann noch Fragen wie wer denn dieser Sombart sei gefallen lassen (da wusste dann eine ehemalige DDR-lerin haarklein Bescheid, dass ich wiederum baff war).

Aber recht hastu, der Text schreit nach Überarbeitung, was einem, der eh nie fertig wird, umso leichter fallen wird als einem, der sich für fertig hält. Lass ich also

das Samenkorn ... wachsen

Jetzt mach [ich] aber mal ‘nen Punkt!

Ich hoffe, Dich in absehbarer Zeit (bissken dauern wird's schon, schließlich ist der 31. Mai nicht mehr allzu fern, und die meisten können nicht bis September warten ...) ent-enttäuschen und befriedelgen zu können. Ich denke, es wird gelingen!

Gruß aus der griechischsten Stadt Mitteleuropas vom

Friedel

 

Nun ist das Samenkorn,

lieber Wolt,

schneller und eher als erwartet aufgegangen. So geht's, wenn der Blitz einschlägt,

liebe Leute,

wenn einer nie fertig wird. Nun bietet sich auch den Freunden des Horrors ein wenig Freude. Man braucht mir nicht zu danken, so bin ich halt!

Die Änderungen sind vor allem zu Anfang der Geschichte. Hier nun die alte Version:

GELD STINKT NICHT

Als Werner Sombart auf dem Sterbebett lag, bemerkte sein Eckermann, dass der Ökonom sehr heiter wirkte und entspannt. Es freute Eckermann, dass der Alte keine Angst vorm Tode zu haben schien und es somit ein leichtes Dahinscheiden würde.
Dann, plötzlich und unerwartet, wurd’ der alte Körper von einem heftigen Lachanfall geschüttelt. Nun war Eckermann wieder in großer Sorge um den großen alten Mann der Nationalökonomie.
Es dauerte nur eine geringe Zeit, bis der Alte sich wieder beruhigte und erholte. Er streckte die Hand aus und suchte die Eckermanns. Der fasste nach der suchenden Hand und fühlte, sie war angenehm warm, wenn auch rau und trocken. Sombart fasste Eckermanns Hand fest und sprach mit leiser Stimme:
“Eckermann, ich muss Ihnen etwas erzählen, was mir gerade eingefallen ist. -
Behalten Sie’s bitte für sich, denn weder ich habs jemals preisgegeben noch Marianne in der Lebensbeschreibung Maxens. Allein Ihnen will ich verraten, wie und wo ich Max kennen gelernt habe. Ob ers preisgegeben hat, weiß kein Mensch. Zuzutrau’n wär’s ihm, so verrückt wie er war.“
Eckermann versprach’s und Sombart erzählte mit ruhiger Stimme:
„Es ist bekannt, dass ich öffentliche Bedürfnisanstalten meide, da verabscheue. Ich ekele mich vor Brillen, die von jedermann besessen werden können und den Schmierereien, die sich an den Wänden der beengten Räumlichkeiten zeigen. Dabei ist der Ekel nicht an der Aktualität, sondern der reinen Potentialität gebunden Ich ekelte mich immer schon vor der Vorstellung, jemand anderes als ich könnte die Brille genutzt haben, auf die ich mich hätte setzen müssen. Um alle meine Geschäfte im Stehen zu verrichten, bin ich zu wenig Athlet oder Artist. –
Ich war jung und studierte Juristerei. Den genauen Tag weiß ich nicht mehr, aber es war im letzten Studienjahr hier in Berlin. Der Tag war anstrengend gewesen und in meinem Darm hatte sich ein solcher Druck aufgebaut, dass ich es nicht mehr bis Zuhause geschafft hätte. Also blieb mir nichts, als die Toiletten für Studenten der juristischen Fakultät aufzusuchen.“
Mit den letzten Worten wurde die Sprache des Nationalökonomen heftiger und die Hand zitterte nun, dass Eckermann sich wieder sorgte.
Aber Hand und Stimme beruhigten sich wieder, so auch Eckermann:
„Sie kennen es: Sie gehen eine Treppe hinab und sehen rechts und links an den Wänden Schmierereien rechtlich bedenklichen Inhalts.
Es schüttelte mich! Dann stand ich vor beschmierten Türen. Bis auf eine waren alle Toiletten als besetzt gezeichnet. Auf dieser einen Tür stand nichts gegen Gott, Kaiser oder Vaterland, sondern Ohne Moos nix los! Die Schrift erschien mir ziemlich frisch zu sein. Endlich eine von ihrem Inhalt her reichserhaltende Inschrift! –
Ich riss die Tür in meiner Not auf und erschauderte:
da stand ein etwa gleichaltriger Bursche im Hemd und mit heruntergelassener Unterhose. Die Montur der Burschenschaft Allemania hing an der Wand hinter ihm. In der Hand hielt er einen feinen Pinsel. Er bemalte mich in Blitzesschnelle mit wenigen Schriftzeichen und erschrak erst dann. Es war Maximilian Carl Emil, den ich flüchtig durch seinen Bruder Alfred kannte.
Max ein Staatsfeind! - ich war getroffen und machte mir fast die Hosen voll.
Aber Max zeigte schon damals seine Überlegenheit gegenüber jedermann:
Er setzte sich nieder und forderte mich auf, herein zu kommen und die Türe zu schließen. Wischte sich dann den Hintern ab, zog sich wieder an und sagte gleichzeitig, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, er habe sich nur Notizen gemacht, da er vorhabe, über Geld und Kapital zu promovieren wenn nicht grundsätzlich zu arbeiten.
Während er sich die Hände wusch, bemerkte ich, dass der Druck in meinem Darm nachgelassen hatte, so dass ich mir die Schmiererei an der Tür anschauen konnte.“
Lieber Ackermann,“ – Eckermann merkte, dass Sombarts Konzentration nachließ, „es stand dort in feiner Schrift ‚Ohne Moppen nix zu’ worauf ich mir keinen Reim machen konnte. Aber auf solchen Zitaten haben Max und ich unsere gesamt Philosophie des Kapitalismus aufgebaut…“
Werner Sombart starb kurz darauf.
Ein Leben lang hatte er Sterbezimmer gemieden und wenn es aus Konvention nicht möglich war, flüchtete er sich in Unpässlichkeit und Krankheit. So gab er sich der Illusion hin, dem Tod aus dem Weg gehen zu können bis zu dem Tag, da er selbst in seinem Schlafzimmer recht friedlich ans Sterben kam. Draußen tobte der braune Terror & ein Weltkrieg.
Eckermann war darum froh, dass der Alte seinen letzten Gang mit Humor ertrug.
Oder hatte er sich nur ablenken wollen?
Selbst Eckermann weiß es nicht und er weiß auch nicht, ob der Alte wusste, welches Wort Max Weber ihm aufs Hemd gezeichnet hatte.
In jedem Falle hielt Eckermann das Versprechen gegenüber Sombart ein, solang er konnte. Bis zu dem Tage, an dem nach dem Genuss einer Flasche roten Portweins sich seine Zunge löste und er Anekdoten aus den Weltkriegen erzählte.

 

Hallo Friedrichard,

so ein Blitz hat einige ‚Wolt‘ und noch ein paar mehr – seine Wirkung kommt aber erst bei Erdung zustande – erstaunlich, wie schnell ich jetzt als Ergebnis den entstandenen „sonnendurchflutete(n)“ Fulguriten betrachten kann: Er blitzt hier und da sprachlich auf:

„Nun ja, sinnierte Eckermann in stiller Freude vor sich hin, wer auf einem langen und beschwerlichen Wege der Erkenntnis hinabsteige von eiseskalten Höhen des Allgemeinen und Abstrakten in sonnendurchflutete fruchtbare Zonen des Besonderen und Konkreten und der dann seine eigene Anschauung, wie die Welt sei, aufs Schönste bestätigt finde, der hinterlasse ein Lehrgebäude wie eine feste Burg, die auf lange Zeit uneinnehmbar bleibe. Der könne mit sich selbst und der Welt zufrieden sein.“

Ja, eine feste Burg ist dann nicht mehr göttlich (und weit weg), sondern die eigenen Bestätigung, da kann man mit der „Welt (der eigenen) zufrieden sein“, das Hemd ist einem doch näher, als der Rock.

„Wenn einer nicht wirklich reich wäre, würde der dann seinen Reichtum demonstrativ vor aller Welt vernichten? Bewies nicht allein die Tatsache, dass ein angelernter Pinselquäler zum Kanzler und Führer der Gröhlfatzkes aufsteigen konnte, dass die liberale Chancengleichheit aufs Schönste verwirklicht würde?“

Wenn es beim Geld vernichten geblieben wäre … vielleicht (bis jetzt noch) der Fortschritt unserer Zeit, es in unseren Regionen zumindest, beim Geld zu belassen?

‚Bezohle, wenn ma Geld hot, is kaa Kunst‘ (Datterich) ist eine Wahrheit, so war es auch dem Pinsler leicht möglich auf sein Reichskanzlergehalt vorübergehend zu verzichten, als Buch-Millionär, mit Spenden und Parteikasse im Rücken.

Das Ganze ist etwas farbiger und weniger abstrakter geworden,
nun, bei dir muss man immer noch etwas genauer hinschauen, mit der Zeit gewöhnt man sich daran.

Gruß Woltochinon

 

Man muß meine Arbeiten zweimal lesen, um ihnen nahe zu kommen. Aber ich habe auch nichts dagegen, daß man sie dreimal liest. Lieber aber ist mir, man liest sie überhaupt nicht, als bloß einmal ... sage ich mit Karl Krauss, um hier das Zitat abzubrechen, weil das Weitere sich - nicht nur gegenüber dem hieisgen (oder sollt' ich besser sagen:) "diesigen" Leser nicht gehört,

lieber Wolt,

und mit dem Datterich bereitestu mir - kann es anders sein? - eine Riesenfreude, gibt's doch auch für mich immer wieder was zu entdecken.

Dank Dir für's noch malige Lesen & Kommentieren, ohne dass ich garantieren könnte, dass nicht doch noch das eine oder andere eingefügt wird.

Gruß vom

Friedel

Da hat das System mir doch einen Smile - Eye ins Nest gelegt ...
Keine Bange, ich leide selten unter Verfolgungswahn ...

 

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