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Gott will es

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04.11.2003
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Gott will es

Die Straße schien endlos zu sein. Sein Durst war schon lange ins Unerträgliche gestiegen und seine Zunge fühlte sich an wie ein pelziger Fremdkörper, der es sich zusammen mit dem Straßenstaub in seinem Mund bequem gemacht hatte. Bei jedem Schritt fühlte er die Kieselsteine überdeutlich, wie sie sich durch seine Schuhsohlen in seine von Blasen übersäten Füße gruben. Die Wunde an seiner Seite schmerzte höllisch, aber zum Glück hatte sie aufgehört zu bluten.
Das heilige Land... wenn dieses Land heilig war, dann graute es ihm wirklich davor zu wissen, wie der Himmel war. Dieses heilige Land war nichts anderes als ein riesiger Backofen voller Sand und Staub. Er war hier mit einer kleineren Gruppe angekommen um sich dem großen Heer anzuschließen, welches die heilige Stadt zurück erobern wollte. Die heilige Stadt… wenn schon das heilige Land der Hölle so ähnlich war, wie würde dann bloß die heilige Stadt aussehen?
Kraftlos setzte er weiter einen Fuß vor den anderen, es konnten nur noch ein oder zwei Meilen sein… einfach weitergehen… nur nicht aufgeben. Während er mit dem Handrücken versuchte sich den Staub von seinen ausgetrockneten Lippen zu wischen wanderte sein Blick nach oben, die Sonne strahlte wie ein böses unbarmherziges Auge auf ihn herab.
Er verstand sowieso nicht, warum er hier war. Als er in England zusammen mit seinen Kameraden auf das Schiff gestiegen war, schien alles noch so deutlich. Der Pater hatte eine flammende Rede gehalten, es wäre Gottes Wille die Heiden aus dem gelobten Land zu vertreiben. Sie würden rauben, morden und Frauen schänden. Aber wenn Gott so allmächtig war, wieso verjagte der die Heiden dann nicht selber? In seinen Kopf tauchten Erinnerungen an viele Predigten auf, über Engel, die Städte niederbrannten und an die Geschichte über die Sintflut… Aber auch die Erinnerung an den Überfall der Heiden, es war ein aussichtsloser Kampf gewesen, sie waren alle Bauern und einfache Leute, deren einzige Stärke ihr blinder Glaube war. Sie wurden abgemetzelt wie Vieh, hätte er sich nicht tot gestellt, dann wäre er es jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch.
Geräusche… er sah aus seinen Gedanken auf. Vor sich sah er eine Stadt… Jerusalem? Und das Heer, zu dem er wollte. Hatte er es endlich geschafft? Dort gab es Wasser… Wasser! Seine Schritte beschleunigten sich, schließlich rannte er. Wasser! Seine Beine gaben nach, er strauchelte, überschlug sich ein paar Mal und blieb am Eingang des Lagers liegen. Eine wohlige Schwärze umhüllte sein Bewusstsein und löschte gnädig alle Schmerzen und den Durst aus.

Die Tage im Krankenlager hatten ihn viel über Gottes Gnade gelehrt, er war nicht der Einzige, der in den letzten Tagen verwundet und mehr tot als lebendig hier ankam. Jerusalem wurde belagert, das schon seit einiger Zeit. Es war grauenhaft, das Einzige was man für die Kranken und Verletzten tat, war für sie zu beten und ihnen Lappen mit schmutzigem Wasser zu reichen. Er erinnerte sich noch an den Knaben, der neben ihm gelegen hatte, man hatte ihm beide Beine abgenommen… Abgenommen… ein schönes Wort, abgehackt hatte man sie und die Wunde dann mit einer Fackel ausgebrannt. Die Schreie hallten jetzt noch in seinen Ohren. Dieser Knabe hatte in seinen wachen Momenten von nichts anderem gesprochen als von der Liebe und Gnade Gottes. Jetzt war er tot.
Die Belagerung Jerusalems hielt schon seit 5 Wochen an, hatte er erfahren, jetzt nahm auch er daran Teil. Vor kurzem waren die Belagerungsmaschinen fertig gestellt worden, welche den Kampf in eine völlig andere Richtung lenkten. Auch die Schiffsbarrikade vor Jerusalem war erfolgreich gewesen, die Heiden waren von der Versorgung abgeschnitten worden. Sie hatten eine Chance die Stadt zu erobern. Noch ein paar Minuten, und die nächste Angriffswelle würde sich auf die Mauern der heiligen Stadt ergießen, und er war mittendrin. Da… es war so weit. „Gott will es!“ Ein Ruf aus tausenden Kehlen breitete sich über das Schlachtfeld aus. „Gott will es!“ Er war wie im Rausch, seine Gedanken schalteten sich aus. Gemeinsam mit den anderen stürmte er auf die Stadt zu. Vor sich sah er, wie eine der Mauern nachgab und einstürzte. Das Kreuzfahrerheer ergoss sich in die Stadt… „Gott will es!“ Der Schlachtruf hallte in den Strassen wieder. Neben ihm sank ein Kamerad von einem Pfeil getroffen zu Boden. Er rannte weiter .„Gott will es!“. Die Besatzer der heiligen Stadt wehrten sich verbissen, aber sie hatten keine Chance gegen die zahlenmäßige Übermacht der Kreuzfahrer, so dass sie schließlich die Flucht ergriffen. Aber der Kampf hörte nicht auf. Er sah wie als nächstes die Juden vom Heer der Kreuzfahrer angegriffen wurden, und er stürmte mit. „Gott will es, schließlich haben sie den Heiland getötet“, redete er sich immer wieder ein. Und stieß sein Schwert einer Frau bis ans Heft in ihre Brust, worauf diese mit einem gurgelnden Laut zusammenbrach. Sie stürmten weiter durch die Stadt, ein Spur aus Mord und Tod hinter sich lassend und kamen an eine Kirche, die Tür wurde aufgebrochen und er stürmte mit einigen Anderen in das Gebäude. Ein Priester kam auf sie zu, doch ehe dieser ein Wort sagen konnte wurde er von mehreren Lanzen und Schwertern durchbohrt. Mit gezogener Waffe stiegen sie über den Leichnam des Priesters, unter welchem sich eine langsam größer werdende rote Lache bildete, hinweg. Er sah, wie seine Gefährten die die betenden Leute abschlachteten „Gott will es!“ hörte er seine Kameraden rufen „Gott will es?“ brannte es hinter seiner Stirn „Ja er will es, schließlich haben sie den Fehler gemacht ihn anzubeten“, und sein Schwert halbierte einen Säugling in den Armen seiner Mutter und trennte ihr mit einer beinahe liebevollen Bewegung den Kopf von den Schultern. Ihr Blut ergoss sich auf seinen Körper. Er wandte sich um und mit aufgerissenen Augen, in denen der Wahnsinn und die Mordlust glänzten und einem blutverschmierten Gesicht, rannte er durch die Straßen Jerusalems, denn er wußte jetzt endlich: „GOTT WILL ES!“

 

Friedvolle Grüße

Du versuchst Dich an einem schweren, durch den "Kreuzzug gegen den Terror" aber aktuellen Thema. Religöse Verblendung, alles tun im Namen Gottes. Leider kann ich außer guter Absicht wenig Positives an Deiner Geschichte entdecken.

Die Geschichte ist Dir gleich in mehrfacher Hinsicht mißglückt. Da ist zunächst mal die Abwesenheit jedweder Charaktere, Atmosphäre und Spannung. Du berichtest mehr, als das Du erzählst, der Leser kommt Deinem Protagonisten niemals nahe, und das, obwohl Du in der ersten Perspektive schreibst. Hier mußt Du den Leser viel mehr in die Gefühlswelt Deines Charakters einbinden, viel mehr aus seiner Perspektive schildern.

Dann hapert es auch mit der historischen Genauigkeit. In Deinem Versuch, die Zeit der Kreuzzüge als möglichst grausam darzustellen, schießt Du etwas zu sehr über das Ziel hinaus. Die heutigen Operationsmethoden beruhen zum Beispiel auf Techniken, die man schon zu Zeiten der Römer kannte. Knochenfunde in England haben gezeigt, das Ärzte während der Rosenkriege in der Lage waren, Verletzungen zu heilen, die heute tödlich sind. Das da in einem Lazerett einem die Beine abgehackt und dann mit einer Fackel verödet werden, ist fernab aller Realität.
Der Brutalität in der Schlacht will ich einen gewissen Realismus nicht absprechen, aber da das ohne echte Bezüge zu einem Charakter kommt, scheint es mir ein wenig aufgesetzt. Anliegen mit dem Holzhammer durchsetzten, nennt man das gemeinhin.
Dazu kommt, das die Region um Jerusalem zwar trocken und warm, aber ebensowenig eine Wüste ist wie die Region um Rom.

Mein Rat an Dich ist, die Geschichte auszubauen, Tiefe und Charakter zuzufügen. Deine Qualitäten als Schriftsteller sind durchaus erkennbar. Aber zum Schreiben gehört eben mehr, als nur heiße Eisen anzupacken und leicht zu lesende Sätze zu formulieren.

Kane

 

Oh...
Hier mußt Du den Leser viel mehr in die Gefühlswelt Deines Charakters einbinden, viel mehr aus seiner Perspektive schildern- du meinst, mehr auf sein Inneres eingehen? Ok
Gut, mit den Operatinsmethoden hab ich mich wohl zuviel vom Fernsehen beeinflussen lassen, gebe ich auch gerne zu, ich werd mich mal in der Wikipeda schlau machen was das betrifft.
-Der Brutalität in der Schlacht will ich einen gewissen Realismus nicht absprechen, aber da das ohne echte Bezüge zu einem Charakter kommt, scheint es mir ein wenig aufgesetzt- ok, das wird schwierig... da werd ich wohl einiges umschreiben müssen und mich hier noch etwas umsehen um Anregungen zu erhalten.
Dazu kommt, das die Region um Jerusalem zwar trocken und warm, aber ebensowenig eine Wüste ist wie die Region um Rom- Das wusste ich nun überhaup nicht, ich bin von dem Buch "das Siegel" von Hohlbei ausgegangen was das Klima betrifft, mal sehen wie ich das einigermassen umschreiben kann, ohne das die Einführung zu sehr leidet.

Vielen Dank dass du dich so ausfürlich mit meiner Geschichte befasst hast, jetzt hab ich einiges zu tun um die Geschichte noch richtig hin zu biegen. Vielen Dank für die Tipps :)

 

Seid gegrüßt,
ich muss sagen, dass Dir die Beschreibung der Umgebung und das Einwirken der Umwelt auf deinen Protagonisten gut gelungen ist. Ich habe mich schon vor der Mauer im Heer stehen sehen, aber ich finde persönlich die Geschichte zu blutig, weil Du meiner Meinung nach alles ein bisschen zu genau beschreibst.
Was Dir gut gelungen ist, ist die Beeinflussung und Verblendung der Männer durch Gott.

Ein formvollendeter Hofknicks
Jussi

 

Wie Kane es schon ähnlich sagte, Demon_Wolf, du hast dich hier eines Thema angenommen, das erstens aktuell, und zweitens ewig ist. Das Sprichwort „Glaube versetzt Berge“ zeigt, wie mächtig eine Idee sein kann. Und nichts anderes als eine Idee ist auch der Glaube an Gott, an welchen auch immer. Und je mehr man an Gott glaubt, desto mehr fühlt man sich mit ihm einig, meint, ihn zu verstehen und – als Konsequenz daraus - in seinem Sinne zu handeln.

Du hast dir als Titel deiner Geschichte den Schlachtruf der christlichen Kreuzfahrer ausgesucht, den der Papst Urban II. bei einem Konzil in Clermont, Frankreich, am 27.November 1095 vor 300 Bischöfen und Äbten ausrief: „Deus le volt.“ Um das Blut der Gläubigen in Wallung zu bringen, schilderte der Papst zuvor die Greueltaten der anderen: „Sie beschneiden die Christen und das Blut der Beschneidung gießen sie auf den Altar oder in die Taufbecken. Es gefällt ihnen, andere zu töten, in dem sie ihnen die Bäuche aufschneiden, ein Ende der Därme herausziehen und an einen Pfahl binden. Unter Hieben jagen sie sie um den Pfahl, bis die Eigenweide hervordringen und sie tot auf den Boden fallen.“ Das war am letzten Tag des Konzils, die Bischöfe trugen diese Worte des Papstes in die Welt und das Unglück nahm seinen Lauf.*

Ich habe hier aus den Aufzeichnungen des Robert dem Mönch zitiert, der behauptet, beim Konzil dabei gewesen zu sein, allerdings hat er dies erst 10 Jahre später aufgeschrieben. Trotzdem ist er als Quelle wesentlich besser als Trivialliteratur vom Typ Hohlbei, wie du sie benutzt hast. Obwohl es nicht so aussieht, aber das Schreiben historischer Geschichten, zumal sie sich wie bei dir auf tatsächliche Geschehnisse beziehen, ist ein mühsames Geschäft, wesentlich schwieriger jedenfalls, als wenn man über das Heutige schreibt.

Um diese Geschichte zu retten, würde ich dir empfehlen, in der Uni-Bibliothek und/oder Internet nach Schriften zu suchen, die Autoren aus der damaligen Zeit zitieren. Hier ein paar Namen von Chronisten, die an dem von dir geschilderten 1.Kreuzug teilgenommen haben: Der Autor der Gesta Francorum, Raimund von Aguilers, Fulcher von Charters. Dann die Namen derjenigen, die nicht selbst an dem Kreuzzug teilgenommen, aber die Augenzeugenberichte benutzt haben: Albert von Aachen, Robert der Mönch, Anna Comnena.

Was deiner Geschichte auch fehlt, ist die Darstellung der Motivation deines Protagonisten, an dem Kreuzzug teilzunehmen. Neben der Aussicht auf Reichtum war eine der stärksten Antriebsfedern, der versprochene vollkommene Ablaß der Sünden: „Allen jedoch, die dorthin gehen, wird die sofortige Vergebung der Sünden zuteil, wenn sie auf dem Marsch, bei der Überfahrt oder im Kampf gegen die Heiden die Fesseln das Erdenlebens ablegen“. (Fulcher von Charters) Laß’ also deinen Protagonisten mit dem Blut der Heiden eine Sünde reinwaschen wollen, die er sich in seiner Heimat aufgeladen hat, vielleicht eine Tat, die nur damals als Sünde galt – so wird die Absurdität solcher Kriege noch deutlicher hervortreten.

Dion

* Wie gleichen sich die Bilder: Vor dem Irakkrieg 1991, schilderte eine kuwaitische Krankenschwester vor dem UN-Sicherheitsrat, daß irakische Soldaten ihr Krankenhaus überfielen und die Babies aus den Brutkästen warfen, um eben diese Brutkästen nach Irak zu bringen. Der Sicherheitsrat beschloß daraufhin, Irak mit militärischen Mitteln zur Herausgabe Kuwaits zu zwingen. Erst viel später stellte sich heraus, daß die angebliche Krankenschwester die Tochter des kuwaitischen Botschafters war und ihr Bericht völlig erfunden.

 

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