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Grüße aus Russland

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12.11.2001
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Grüße aus Russland

Die braune Flüssigkeit plätscherte langsam in die blaue Tasse, von der Micky Mouse herablachte. Petrow legte beide Hände um den Wärmespender und hielt ihn einige Sekunden fest. Seit 22 Uhr – fast zwei Stunden – liefen die Heizungen nicht mehr und das Ende September. Alle froren, doch keiner sagte etwas – schließlich war man froh, diesen ruhigen Job zu haben. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Wieder einmal fragte er sich, wie er es hier aushalten konnte. Alles war vollgestopft mit Computern und Monitoren, vor denen auf engstem Raum, hundert Experten saßen und leise froren. Petrow rückte seine Armeemütze zurecht und trat vor seinen Monitor. Das war sein Reich, die Leitzentrale zur Überwachung strategischer Raketenangriffe. Ein enger Raum im Stützpunkt Serpuchow-15 – offiziell eine Sternwarte. So eintönig wie die Inneneinrichtung war auch seine Aufgabe. Er musste nur alle sechs Stunden die Satelliten, die in 40000 Kilometer Höhe die Amerikaner beobachteten, in eine neue Position bringen lassen. Dazu gab er den entsprechenden Befehl und kontrollierte die Ausführung durch einen Blick auf seine Anzeigetafel. Es war kalt und langweilig aber der Sold kam jeden Monat.

„Genosse, auf meinem Monitor tut sich etwas.“ In diesem Moment erwachten die Sirenen mit einem Heulen aus ihrem langen Schlaf und die roten Lampen machten sich ebenso auffällig bemerkbar.

Vor diesen Moment hatte sich Petrow immer gefürchtet. Er blickte auf die strategische Karte der USA, vor ihm an der Wand. An der Ostküste erkannte er ein blinkendes Lämpchen. Dann noch eins. Und noch eins, weiter im Westen. Alle waren geschockt. Auch wenn dieser Schock nur wenige Sekunden andauerte, so waren es lebenswichtige Sekunden, denn jedes Lämpchen stand für einen Raketenstart und insgesamt waren es fünf. Dann änderten die Sirenen ihren Ton. Nun schienen sie zu schreien. Es waren nicht nur Raketenstarts, es waren Angriffe. Irgendwer hatte den Knopf gedrückt.

„Los, checkt die Systeme!“ Sein Land hatte maximal 40 Minuten bis zum Einschlag, also eine knappe halbe Stunde für einen Gegenschlag und ihm blieben fünf, höchstens zehn Minuten, zu entscheiden, ob der Alarm echt war und um die entsprechenden Schritte einzuleiten. „Was ist? Ist das Computerprogramm okay?“

„Alles im grünen Bereich, Genosse.“
„Verdammt noch mal, checkt die Satelliten!“

Die verwirrte Menge tat ihr Bestes, doch keiner hatte mit dem Ernstfall gerechnet. „Satellit ist online und die Werte stimmen. Der zweite Satellit bestätigt die Werte.“

Petrow riß sich die Mütze vom Kopf und wischte den Schweiß von der Stirn. Auf seinem Monitor sah er die amerikanischen Basen. Es waren Videobilder direkt von den Satelliten im Orbit. Theoretisch müßte man den Start einer Rakete sehen können, doch Petrow sah nichts dergleichen. Eigentlich erkannte er bestenfalls die Umrisse der Raketenbasen. „Fragt beim Visuellen Dienst, wie die Lichtverhältnisse sind. Sergej, kümmere du dich darum!“ Petrow kannte Sergej schon seit seiner Zeit als Rekrut, wenn er sich auf jemanden verlassen konnte, dann auf ihn. Es blieb nur zu hoffen, daß diese Kerle, die in ihrem dunklen Zimmer auf kleine Monitore starrten, weiterhelfen konnten.

Sofort eilte der stämmige Sibire aus dem Raum. Während die anderen nur umherirrten und versuchten etwas sinnvolles zu tun. Sie trugen die Verantwortung für ihr ganzes Land.

„Sie da.“ Petrow sprach einen jungen Soldaten an, der orientierungslos vor der Kaffeemaschine stand. „Wissen sie, wie man die Leitung zum Oberbefehlshaber prüft?“ Der junge Mann nickte verstört. „Los, dann tun sie es.“

„Petrow, die meinen, die Lichtverhältnisse seien miserabel. So miserabel, daß vor unseren Augen die Ostküste im Meer versinken könnte, ohne das wir es merken.“

Petrow faßte sich verzweifelt an den Kopf und raufte sich die Haare. Er mußte jetzt handeln. Die Uhr an der Wand zeigte 0.19 Uhr. Es waren vier Minuten seit der Starts vergangen, wenn es denn auch nur einen Start gab. Von seinen nächsten Befehlen hing die Zukunft der Sowjet Union ab. „Sergej, die sind sich sicher, daß man nichts erkennen kann?“ Sergej nickte. Sichtverbindung war also nicht vorhanden, aber alle anderen Werte waren eindeutig. Es hing alles an ihm. „Soldat, ist die Leitung bereit?“

Einige Sekunden hörte man nichts, dann stammelte er: „Alles bereit, Genosse, aber...“

„Seien sie still Soldat, ich bin der Diensthabende.“ Auf diesen Fall hatte man ihn vorbereitet. Wenn man die entscheidende Meldung machen mußte, gab es immer Personen die sich unsicher waren. Doch Petrow verstand ihn, er war selbst nicht ganz überzeugt, doch ein Irrtum war in jedem Fall tödlich. Also durfte er sich nicht irren.

„Genosse, ich meine nur...“

„Halten sie ihre Schnauze, Soldat! Ansonsten lasse ich sie entfernen und nun geben sie mir den Hörer!“

Der junge Mann zitterte. „Genosse, ich kann nicht.“ Bevor Petrow noch etwas sagen konnte, zog er seine Kalaschnikow. „Es tut mir leid, Genosse.“

Petrow hörte das leise Klicken der Sicherung. Um sie herum war es jetzt absolut still. Er mußte so schnell wie möglich Meldung machen und dabei durfte ihm niemand im Weg stehen. „Mir tut es auch leid, Soldat.“ Er nickte Sergej zu. Dieser sprang nach vorne, wobei er seine Waffe zog und entsicherte. Er trat dem Jungen in den Magen und jagte ihm dann ein Projektil durch das Genick. Er hatte keine Chance gehabt.

„Danke, Sergej.“

„Für Russland.“ Sergej salutierte und packte dann den Toten bei den Füßen, um ihn aus dem Raum zu entfernen. Dabei hinterließ er eine blutig rote Spur.

Während Petrow den schwarzen Hörer aufhob, hörte er hinter sich, wie sich einige übergaben. „Hier spricht Oberstleutnant Stanislaw Petrow, verbinden sie mich sofort mit Staatschef Andropow.... Mir ist scheißegal, ob er noch schläft, wir haben ‚roten Winter‘, klar? ... Genosse? Entschuldigen sie die Störung, aber wir haben ‚roten Winter‘.... Genau! Fünf Raketen, alle Daten wurden bestätigt. Die Sicht ist unzureichend, an der Ostküste ist gerade Sonnenaufgang. Alles weitere liegt an ihnen, wir haben höchstens noch zwei Minuten für einen Gegenschlag, der Einschlag ist in ...“ Petrow blickt nach rechts. Der hagere Soldat an der Flugüberwachung zeigte ihm erst zwei, dann fünf Finger. „... 25 Minuten.... Exakt! Danke, Genosse. Für Russland.“ Petrow legte den Hörer auf die Gabel. Dann blickte er hilfesuchend zu Sergej, der neben ihn getreten war. „Genossen! Der kalte Krieg ist soeben heiß geworden. In diesem Moment werden unsere Atomraketen gezündet. Möge der Herr uns beistehen.“ Petrow schickte ein letztes Stoßgebet zum Allmächtigen, dann drehte er sich weg von den Gesichtern, in denen er nur Angst sah.

„Oberstleutnant Petrow, ich hoffe sie haben keine Probleme bekommen.“ Ein blasser Mann in einem braunen Overall kam keuchend in den Raum gestürzt. Er hielt etwas zwischen Daumen und Zeigefinger „Wir hatten einen BUG im System.“


Diese Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten,
ihr Ende ist allerdings rein fiktiv.
Am 29. September 1983
entschied der Diensthabende Petrow,
daß es sich um falschen Alarm handeln müsse.
Andropow wurde nicht einmal geweckt.

(Im Namen des Herrn verkünde ich ein frohes Fest.
Ich widme diese Geschichte Albert Einstein, der all dies erst möglich gemacht hat.)

[Beitrag editiert von: Mr.Anderson am 17.12.2001 um 21:13]

 

Hiermit habe ich meine erste Kurzgeschichte veröffentlicht, mit der am 09.12.98 zum ersten Mal die Kreativität die Kontrolle über mich übernahm.
Sollte es Zweifler geben - in Bezug auf den Wahrheitsgehalt - , so empfehle ich das Archiv des STERNs.

 

Hallo Mr.Anderson,

es mag sein, dass dies deine erste Kurzgeschichte ist - du hättest sie trotzdem bzgl. der Rechtschreibung überarbeiten können.

Was der Geschchte - meiner persönlichen Meinung nach - das Genick bricht, ist dass die russischen Soldaten sich mit "Sir" anreden.

Klaus

 

Mir - und Word - sind leider keine weiteren Rechtschreibfehler aufgefallen.

Das mit dem "Sir" ist ein Punkt, der mir bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen ist - und auch sonst niemandem, der sie gelesen hat.
Danke, wird sofort geändert.

Wenn das alles war, was Dich stört...

 

hi mr. anderson
ich finde du hast hier, was den erzählstil angeht, ordentliche arbeit geleistet. das mit dem "sir" ist mir auch aufgefallen doch es bricht meiner meinung nach der geschichte nichts ab.
wohl aber das es sich hier nicht um eine story handelt, die deiner fantasie entspringt sondern die sich, wie du ja auch stark betontst, wirklich zugetragen hat. schade eigentlich. ich habe einen bericht über diese vorkommnisse im fernseher gesehen. du erzählst folglich "nur" eine wahre begebenheit nach, was ich persönlich für zu billig halte, sorry.
was diese geschichte mit science fiction zu tun hat hab ich leider auch nicht richtig verstanden.
greetnix krebs

 

Der Erzählstil ist von da an zum Glück gereift - siehe spätere Texte.

Meiner Fantasie entspringt dennoch die Atmosphäre ( in diesem Fall zwar nicht so ausgeprägt) und der Charakter der Figuren. Segej, der Soldat und der ganze Abschluss ist schließlich fiktional - sonst gäbe es uns alle nicht mehr. :sick: :engel:

Damit begründe ich auch die Science Fiction. Denn auch deralternative Verlauf von historischen Ereignissen fällt darunter.

 

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