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Grillabend

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06.11.2002
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Grillabend

Es ist der erste laue Sommerabend. Über den Gärten hängt der Geruch von Holzkohle und hier und da erschnuppert die emfpindliche Nase auch schon den Duft gegrillten Fleisches. Die Männer stehen vor ihrem Grill, den Nachbarn stets im Auge. Sind seine Flammen höher? Riecht sein Fleisch besser? Es ist mehr als nur Grillen. Es ist die letzte Möglichkeit für die domestizierte Männlichkeit herauszubrechen. Das Feuer, der Schweiß und das rohe Fleisch mischen sich zu einer explosiven Mischung. Drohend wird der Grillhandschuh geschwungen, das Imponierritual hat begonnen. Durch gekonntes Grillen und hohe Flammen, durch brutzelndes Fleisch und Mengen von Brennspiritus wird versucht den Nachbarn einzuschüchtern, den Konkurrenzgriller.
Ungeduldig wird bereits am Nachmittag dem Ereignis entgegen gefiebert. Die männlichen Instinkte erwachen, die Augen gleiten aufmerksam immer wieder zur Terrasse des Nachbarn hinüber, um ihm ja keinen Vorsprung zu geben. "Ist das Fleisch fertig?" zischt der Ehemann gehetzt und angespannt, während er sich hinter dem Vorhang versteckt, um nicht gesehen zu werden. "Er soll nicht wissen, dass ich ihn beobachte!" denkt der wiedererwachte Mann im Mann. Man(n) will keine Schwäche zeigen.
Und dann die Eskalation. Einer der Griller öffnet unbedacht die Terrassentür und gibt damit das Startsignal. Augenblicke später schiessen die Männer aus den Häusern und der Grill wird aufgebaut. Es geht um Sekunden. Die Schnelligkeit zählt. Das Fleisch soll schnell fertig werden und lecker schmecken. Ist einer der Griller nicht richtig vorbereitet und fehlt z.B. der Brennspiritus, so hat er wenig Chancen. Muss er erst in die Garage laufen um ihn zu holen, ist der Vorsprung der anderen kaum noch aufzuholen.
Es ist eine Wissenschaft für sich und man mag sich fragen was rätselhafter ist: Die Kunst des Grillens, oder die Wildheit der bierbäuchigen, Fußball guckenden, Sofa liegenden Teddybären, die sich sonst durch den Alltag bewegen.
Da werden Finanzbeamte zu Feuerkünstlern, Ärzte zu Jägern und Bauarbeiter zu Nahrungsbeschaffern und für eine Weile kehren die primitiven Instinkte in die ausgelaugten Körper unserer Haus-Männer zurück...
Innerlich brüllen und tosen die Griller zu ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit, schüchtern ihre Konkurrenten mit der gewaltigen Kraft ihrer Stimme ein. Der kleine Buchhalter ist nicht mehr klein und verschüchtert. Er ist ein Tier und bereit zu töten. Das Fleisch liegt vor ihm auf dem Feuer und er ist der alleinige Ernährer seiner Familie. Der Erhalter seines Stammes und die einzige Bedrohung ist die der anderen Stammesführer.
Sie machen ihm das Weibchen streitig. Sollte sein Nachbar besser grillen, wäre er also der bessere Ernährer, würde sein Weib dann noch bei ihm bleiben?
Schweiß tritt auf die Stirn der Griller. Es geht um mehr als nur das beste Fleisch und die höchsten Flammen. Es geht um ihre Stellung in der Gesellschaft, um ihren Platz in der Rangordnung.
Konzentriert nährt man sich dem Ende. Es gilt das Fleisch nicht anbrennen zu lassen, doch gleichtzeitig die Flammen am lodern zu halten. Der Nachbar zückt bereits die Grillzange, nährt sich dem duftenden Fleisch, um es seinem Stamm vorzuwerfen. Panik macht sich breit in den Reihen der anderen Griller. Sie werden nicht die Ersten sein, nicht die Spitze der Rangliste. Ein Jahr lang, bis zum Beginn der nächsten Grillsaison, werden sie verachtet werden. Der Schweiß rinnt nun den stählernen Bierbauch hinunter, die Anspannung ist unerträglich. Immer näher kommt der benachbarte Konkurrent seinem Fleisch, die Grillzange senkt sich, berührt die kostbare Nahrung und ein Aufschrei geht durch die Reihen der Griller.
Sekundenlang wird überlegt - das Fleisch, oder die Ehre? In Gedanken wird das Feuer zurückgelassen, der stählerne Körper schwingt sich elegant über den Zaun, der den übermütigen Nachbarn bisher vor dem eigenen Zorn schützte und die Angelegenheit wird von Mann zu Mann geregelt.
Doch die Angst ist zu groß. Was, wenn sich ein anderer Konkurrent während der eigenen Abwesenheit Fleisch, Weib und Kinder aneignet?
Hektisch wird die eigenen Grillzange vom Tisch gerissen und das noch halb rohe Fleisch auf die Teller befördert.
Ein tiefes Grollen aus den tiefsten Tiefen der Kehle ordert den Stamm zu Tisch und lächelnd wird auf dem noch zähen Fleisch herumgekaut. Noch immer beobachtet Mann die Konkurrenz. Auch dort wird gelächelt und gekaut. Und gekaut. Und gekaut.
Nur nicht zeigen, dass es nicht zum Alphagriller gereicht hat. Man wollte sowieso nicht am Wettbewerb teilnehmen. Nur schön grillen. Ganz gemütlich...

 

Hallo AglaiaFei.
Leider kann ich nicht viel zu deiner Geschichte sagen, mich haben nur zwei Sachen gestört. Du fängst mE recht witzig an und ich hatte mich schon auf eine Ausweitung des "Grill-Konfliktes" bzw. desse Eskalation gefreut und dann auf einmal Ende. Warum das? Ich fand das du bis zum vorletzen Absatz eine unterhaltsame und durchaus lesenswerte Geschichte geschrieben hast, die das "Ritual" des deutschen Grillers aufs Korn nimmt. Deswegen war ich um so mehr enttäuscht. Es wirkt ein wenig, als ob du keine Lust oder keine Ideen mehr hattest weiterzuschreiben. Fand ich persönlich recht schade. Deswegen mein Tipp, bau die Geschichte weiter aus, überspitz die Situation noch mehr und mach ne lesenswerte Satire raus. So wie es im Moment da steht wirkt es mehr wie eine nicht zu Ende gedachte Idee.

Saludo, Gam.

 

Hi Gam!
Danke für deine Kritik! Ich hab mir das ganze nochmal unter dem Aspekt durchgelesen und fand, dass du völlig recht hat. Es wirkte wirklich abgehackt. Ich habe daraufhin noch weitergeschrieben und dabei sind zwei mögliche Enden herausgekommen. Eines davon habe ich jetzt mal angefügt, das andere schien mir nicht so ganz passend. Es würde mich sehr interessieren, ob du die Geschichte jetzt besser findest und was ich noch besser machen könnte! Oder vielleicht findest du das Ende ja auch nicht gut und stellst dir etwas ganz anderes vor. Würde mich sehr über weitere Meinungen freuen!
Liebe Grüße
Aglaia

 

Hi nochmal.
Könntest du vielleicht die Geschichte mit dem neuen Ende nochmal seperat direkt hier posten und die alte so stehen lassen wie sie stand?! Ich habe leider die alte nicht gespeichert und ehrlich gesagt fällt es mir dann schwer, einen direkten Vergleich zu ziehen. Wäre dir sehr dankbar.

Gruß, Gam.

 

Hallo Aglaia,
mir gefällt Deine abgeänderte Geschichte jetzt viel besser als vorher. Sie hätte auch gut in Humor gepasst.
Eine Sache ist mir beim Lesen noch aufgefallen:
Zitat: Hektisch wird die eigenen Grillzange.....
Bei eigenen ist das n zuviel.
Auf jeden Fall hat es Spass gemacht, Deine Geschichte zu lesen.

Gruss
Blanca

 

Sehr interessante und gut geschriebene Beobachtung.

Gerade die soziale Funktion des Grillens beim Menschenmännchen ist wunderbar herausgearbeitet und sehr anschaulich geschildert. Ein Aspekt, der vielleicht noch fehlt, ist aber der animalisierende Effekt, den das Grillen auch auf die Weibchen ausübt. Man denke nur an die Art und Weise, wie sich die sonst sehr graziösen und eleganten Tiere plötzlich in fleischlüsternde Raubaffen verwandeln. Auch wenn sich die Nahrungsaufnahme beim Menschenweibchen natürlich doch noch deutlich weniger aggressiv vollzieht als bei den Männchen.

Ansonsten: Wann erscheint der Artikel in Science Weekly?

Gruß,
Björn

 

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