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Große Pause
Sie hockte in einer Ecke in der Schulcafeteria, ganz allein, weil ihre beste Freundin krank war und sie auf die anderen im Moment einfach keine Lust hatte. Scheiß Freistunde.
Es schellte, und sie konnte durch die offene Tür sehen wie sich die Pausenhalle mit Schülern füllte. Eine lärmende Menge, in die auch sie gleich wieder eintauchen würde. Seufzend erhob sie sich, nahm ihren Rucksack und ging. Als sie schon die halbe Halle durchquert hatte, legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie drehte sich um und lächelte, als sie sah, wer es war.
Mathis drückte ihr blitzschnell einen Kuss auf den Mund. Er wusste, dass ihr „so was“ vor allen Leuten immer unangenehm war.
„Na Süße.“
„Naaa …“
Sie grinste ihn schief an, und dann gingen sie Hand in Hand nach draußen. Es war für diese Tageszeit schon sehr warm. Die Sonne schien und nicht ein Wölkchen wanderte über den blauen Sommerhimmel. Sie schlenderten zu seinen Freunden, die auf ein paar Bänken in der hintersten Ecke des Pausenhofes saßen. Am Anfang hatte sie immer Angst gehabt, von ihnen nicht akzeptiert zu werden, denn sie waren alle mindestens zwei oder drei Jahre älter als sie. Und sie hatte auch Angst gehabt, dass er es nicht ernst mit ihr meinte. Doch inzwischen wusste sie es besser.
„Pia und Mathis! Halloooo!“
Das war Mathis’ bester Freund. Die beiden kannten sich seit Ewigkeiten.
Pia und Mathis gesellten sich zu ihm, und während die beiden Jungen sich über Leute unterhielten, die Pia nicht kannte, ließ sie ihren Blick schweifen - und entdeckte sie.
Simon und Rosa. Ein Herz und eine Seele. Eng umschlungen standen sie da, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, lachten und redeten und sahen so schrecklich glücklich aus.
Es gab Pia einen Stich ins Herz. Es war als würde ihr ein glühender Dolch in den Bauch gestoßen, immer und immer wieder. Es war als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Es ließ den riesigen Kloß in ihrer Kehle noch größer werden. Es brachte sie fast zum Weinen. Und es ließ sie vor Wut kochen.
Wie sie das hasste. Sie wollte doch zufrieden sein, mit Mathis. Sie konnte doch auch zufrieden sein, er war nett, er war verliebt in sie, und sie doch auch in ihn. Da gab es ja wohl keinen Zweifel, so jemanden wie ihn musste man lieben. Er war doch perfekt. Er sah gut aus, war aufmerksam, und man konnte sich stundenlang mit ihm unterhalten. Und trotzdem, jedes Mal wenn sie Simon und Rosa zusammen sah, wurde ihr schlecht vor Eifersucht und …sie wusste nicht, was da noch war. Allein Simons Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen, und wenn sie seinen Namen hörte, zuckte sie zusammen als hätte sich jemand von hinten angeschlichen und „Buh“ geschrien. Und das machte sie wütend. So entsetzlich wütend, auf sich selbst. Dass ein Junge, mit dem sie kaum ein Wort gewechselt hatte, eine solche Wirkung auf sie hatte. Obwohl sie doch mit Mathis zusammen war.
„Hey, Pia! Hast du zugehört?“
Mathis sah sie fragend an.
„Ähm, nein, ’tschuldigung, was ist denn?“
„Ich hab gefragt, ob du nachher mit uns ins Kino willst.“
Inklusive Simon und Rosa, wahrscheinlich.
„Nein, hab eigentlich keine Lust auf Kino, und Zeit hab ich auch keine, ich muss noch lernen, wir schreiben morgen Chemie.“
Mathis sah sie erstaunt an.
„Chemie? Aber das kannst du doch, und das Kino fängt auch erst um fünf an.“
Pia spürte plötzlich, wie die Gemeinheit in ihr aufstieg, ein kleiner, dummer, unvernünftiger Teufel.
„Soll ich die Arbeit verhauen, weil du unbedingt ins Kino willst? Geh doch ohne mich! Und außerdem kannst du nicht verlangen, dass ich immer alles mitmache, selbst wenn ich da überhaupt keine Lust drauf habe!“
Der Pia-Vulkan war explodiert.
„Verlang ich doch auch gar nicht …“
Wie er sie ansah …wie ein waidwundes Reh! Sie hasste diesen Blick. Ein weiterer Punkt auf der Liste von Dingen, die sie wütend machten. Und sie wusste, dass das ungerecht war. Auch das machte sie wütend.
Sie drehte sich um und stapfte mit Tränen in den Augen davon.
„Pia!“
Sie sah sich nicht mehr um. Sie hatte ihn wieder verletzt, obwohl er doch nichts getan hatte. Aber konnte er sich nicht einmal wehren? Konnte er nicht einmal sagen, wie ungerecht und gemein sie manchmal war? Wie zickig?
Jetzt gab sie ihm auch noch die Schuld an ihrem Verhalten.
Sie verstand sich selbst nicht mehr. Was war da nur los?