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Gustav Mahler, neunte Sinfonie: Rondo-Burleske (Allegro assai; sehr trotzig)

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21.08.2002
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Gustav Mahler, neunte Sinfonie: Rondo-Burleske (Allegro assai; sehr trotzig)

(Eine Collage - Hier)

h - cis - g

Here Come(i)s (g)Everybody

Ich fühle luft von anderen planeten.
Mir blassen durch das dunkel die gesichter
Die freundlich eben noch sich zu mir drehten.

Kunst. Es lebe die Provokation? Es lebe die Kunst - mittels Provokation! Wie? Fragt mich nicht! Kann Kunst noch leben? Gibt es noch Provokation?

Viele stahlen sich vor Schluß dieses Stückes lachend aus dem Bund, viele zischten und pfiffen, viele applaudierten. Schließlich kam Herr S. selber und schüttelte den 15 Mitwirkenden gerührt die Hand. In einer Loge stand bleich und mit verkniffenen Lippen der Herr Hofoperndirector Gustav Mahler, der das hohe Protectorat über entartete Musik schon seit längerer Zeit führt. Festzustellen wäre nur das eine: Herr S. ereignet sich in Wien. In der Hauptstadt ewiger und unvergeßlicher Musik. Tuts niemandem mehr weh, daß gerade hier die pöbelhaftesten Manieren, Lärm zu machen, heimisch geworden sind? Er macht wilde, ungepflegte Demokratengeräusche, die kein vornehmer Mensch mit Musik verwechseln kann. Aber der Spuk wird vorübergehen; er hat keine Zukunft, kennt keine Vergangenheit, er erfreut sich nur einer sehr äußerlichen und armseligen Gegenwart.

Das Publikum: unerschütterlich. Gewohnt an dissonante Töne. Was kann sie noch aus der Ruhe bringen? Ruhe? Stille? Nichts! Höret, o Höret, Cein Einziger Ton!
Das Waterloo des Sacre: Vergangenheit! Schönbergs Atonalitäten: Harmlos! CagE´s Stille: beruhigend!
Hat denn diese musiC Eine zukunft?

Ich löse mich in tönen, kreisend, webend,
Ungründigen danks und unbenamten lobes
Dem großen atem wunschlos mich ergebend.

Warum atonal? Wieso kein Verharren auf dem süßen Klang der Harmonie? Die Kunst trotzte! Wem? Ihrer selbst! Kunstware! Ein hoch auf die tECHnische Reproduzierbarkeit - man kauft und verkauft: so Wares!

Haveth Childers Everywhere

Kunst als Protest - wogegen? Selbstverständlichkeit, Alltagsdenken, Normalitäten - Protest gegen Gesellschaft. Sich selbst leugnen - Ianus!

In einem meer kristallnen glanzes schwimme -
Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer
Ich bin ein dröhnen nur der heiligen Stimme.

Frage! Stellt euch die Frage, immer wieder! scHwimm, sChwimme, nicht nur trEiben! Passivitäten sind unerwünscht - Handle! (Chimpden Earwicker).

Und alles wird anders?!

Ich fühle luft von anderen planeten

H Cis gE

******************

Anmerkungen: der dritte Satz Mahlers Neunter ist wohl eines der revolutionärsten Orchesterstücke das zur Jahrhundertwende geschrieben wurde - dieser Text soll als Hommage auf eben erwähntes Meisterwerk verstanden werden. Die von Mahler angewandte Technik wurde auch in meinem Text verwendet: eine Zitatcollage.

 

danke für deine kritik!

man muss den dritten satz nicht kennen, um diesen text zu verstehen, allerdings wäre es kein nachteil - hier ein paar hilfestellungen:
mahlers rondoburleske beginnt mit einem dreitönigen, markanten trompetensignal, entlehnt aus dem dritten satz seiner fünften sinfonie (leicht abgeändert) - klingend h cis g; ebenso beginnt mein text: h cis g und leitet ähnlich wie bei mahler mit zwei zitaten ein (auch mahlers rondo burleske erwidert das zitat [dreitöniges trompetensignal] mit einem weiteren zitat, ebenfalls aus der fünften, diesmal zweiter satz) - das h cis g wandelt sich in H Cis gE - mutiert in die berühmte chiffree von joyce aus Finegans Wake: h.c.e. = Humphrey Chimpden Earwicker, Here Comes Everybody, Haveth Childers Everywhere, Howarth Castle and Environs, ... diese chiffree findet sich mehrere male im textverlauf wieder: Höret, o Höret, Cein Einziger Ton! oder (Eine Collage - Hier); das zweite zitat entstammt aus stefans george Entrückung, ein gedicht, dass sich im letzten satz des zweiten streichquartetts in fis moll von arnold schönberg wiederfindet - alle zitierten werke, die joyce ballade, das schönberg werk und schließlich mahlers dritter satz repräsentieren stellvertetend für mich das neue in kunst, das neue und provozierende, in den zwischenteilen wird immer wieder daruf bezug genommen:
kunst - provokation (tradition - innovation) - und das warum! weiters findet sich noch ein zeitungsausschnitt im text wieder (über die uraufführung des zitierten schönbergs werkes - streichquartett in fis-moll), der das neue und provokative element der angeführten werke gut vorführt - für uns zum teil nicht mehr nachvollziehbar - deswegen immer wieder auch die fragen nach der zukunft der kunst - kann eine kunst, die nicht mehr die kraft besitzt, wachzurütteln überhaupt noch bestehen in einem zeitalter der selbstverständlichkeit?

 

Hallo linjus,

da hast Du ja eine Menge in Deinen Text hinein komponiert. Alle Achtung! Zur Provokation als Element der Kunst möchte ich hinzufügen: Provokation ohne Inhalt, bzw. als alleiniger Inhalt wird es schwer haben, dauerhaft zu wirken.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo - und danke für eure Kommentare!

Was das Thema Provoation anbelangt - Provokation als alleiniger Inhalt hat es natürlich schwer dauerhaft zu bestehen bzw. zu wirken, was heute deutlich spürbar wird bzw. schon ist - Grund dafür mag wohl sein, dass die Gebiete der Kunst so in etwa zur Gänze abgesteckt sind: in der Musik etwa abgesteckt richtung Dissonanz, abgesteckt richtung Nicht-Klang, abgesteckt richtung Viel-Klang, abgesteckt richtung Zufall, abgesteckt richtung Elektronik, etc... Es scheint nichts mehr zu geben, was uns noch überraschen könnte. Die Moderne ist wohl der größte Feind der Moderne, das Streben nach Neuem widerstrebt irgendwann einmal dem Streben nach Neuem.

Provokation ohne Inhalt ist in meinen Augen nicht existent, Provokation steht meist für Inhalt - nicht direkt, meist indirekt. Vielleicht ist Provokation hierfür auch das falsche Wort, da oft Provokation nicht Produkt der Künstler ist, sondern im Rezipienten entsteht -
- nun ja, man könnte endlos drüber streiten und doch hat keiner Recht!

Also, danke nochmals!
Gruß L.
(*grus-el*)

 

Hallo linjus,

streiten wär`auch wenig hilfreich. Aber es ist schon interessant, was Du da über das `Abgestecktsein der Kunst´ anmerkst. Und "Recht" hast Du auch: Es brauch immer zwei Personen für eine Provokation.

Viel Erfolg,

tschüß... Woltochinon

 

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