Guter Rat kann teuer werden - Kruschinsky und die Maulwürfe (kurze Version)
Hätte ich gewusst, was auf mich zukommen würde, als mein Nachbar Horst Kruschinsky mich um Rat fragte, ich hätte sicherlich den Mund gehalten.
Er trat mit seinem obligatorischen roten Overall an den Gartenzaun, der Demarkationslinie zwischen meinem Chaos und seiner perfekten Welt, die derzeit von kleinen Erdhügeln durchsetzt war, und fragte: „Sag mal, weißt du, wie man am besten Maulwürfe vertreibt?“ Alle einschlägigen Methoden waren bereits ausprobiert; nichts hatte geholfen.
Der Versuchung, endlich einmal mein Wissen bei Universalgenie Horst an den Mann zu bringen, konnte ich nicht widerstehen.
Ich erinnerte mich an eine Methode, die mein Vater einmal meinem Cousin geraten hatte: Eine Mischung aus Unkraut-Ex und Schwefel, in einer Papiertüte zusammengerollt, in die Gänge der Tiere stopfen und anzünden. Der beißende Qualm würde sich unterirdisch ausbreiten und alle Maulwürfe vertreiben. Horst war begeistert und machte sich sofort auf den Weg, die Zutaten für die Qualmbomben zu besorgen.
Am nächsten Tag betrat Kruschinsky kurz nach Mittag seinen Garten. Er war mit einer Batterie von Papiertüten beladen, alle fein säuberlich zusammengerollt, unten spitz zulaufend und oben mit einer kleinen Lunte versehen. Mit grimmiger Entschlossenheit kniete er vor dem ersten Maulwurfshügel nieder, grub den Gang frei und stopfte eine Tüte hinein.
Nachdem er eine halbe Stunde später sämtliche Hügel so behandelt hatte, betrachtete er zufrieden sein Werk und fingerte in einer seiner Brusttaschen nach Streichhölzern.
Während ich ihm zusah, beschlich mich das Gefühl nahenden Unheils. Hatte ich ihm eigentlich gesagt, dass mein Cousin nur zwei und nicht ein Dutzend oder mehr Rauchbomben gebraucht hatte?
„Na, Horst“, rief ich über den Zaun, bevor er die erste Tüte anzünden konnte. „Jetzt geht’s den Maulwürfen wohl an den Kragen, was?“
„Ja! Jetzt mache ich ihnen den Garaus.“ Ein diabolisches Grinsen huschte über sein Gesicht. „Deine Methode wird ein voller Erfolg werden. Ich habe sie übrigens noch ein wenig verfeinert.“
Ich schreckte auf. Das war Horst Kruschinsky: Eine Idee konnte noch so gut sein - er fand auf jeden Fall noch eine verbesserungswürdige Kleinigkeit. Mir wurde langsam klar, dass dies nur in einer Katastrophe enden konnte.
„Ich habe die Tüten so verklebt, dass der Qualm auf keinen Fall nach oben dringen kann. Es bleibt ihm nur die Möglichkeit, nach unten in die Gänge zu ziehen.“
‚Oh, oh’, dachte ich. ‚Wenn das nur gut geht.’ Und laut sagte ich: „Vielleicht solltest du die Tüten über eine Lunte zünden. Das Gemisch brennt ziemlich schnell ab.“
„Vielleicht hast du recht“, überlegte Horst. „Ich hab noch ein paar Böllerschnüre im Keller. Die müssten eigentlich reichen.“
Nach einer Weile kam er mit der Rolle Zündschnur zurück. Er verband die Tüten damit und rollte das letzte Ende bis zur Terrasse aus.
„Jetzt kann gar nichts mehr schiefgehen!“ rief er mir zu, aber meine Ahnungen gingen in eine andere Richtung. Hätte ich doch bloß nichts gesagt! Langsam trat ich vom Zaun zurück.
Kruschinsky riss ein Streichholz an und senkte es der Zündschnur entgegen. Eine schwarze Spur im Rasen hinterlassend fraß sich eine grelle Flamme auf die Maulwurfshügel zu. Kurz darauf stiegen die ersten Rauchfähnchen aus den Hügeln auf. Es schien geklappt zu haben. Unwillkürlich atmete ich auf - doch zu früh.
Als die Zündschnur den letzten Hügel erreicht hatte, erscholl eine kleine Explosion. Und dann noch eine, und wieder eine. Sämtliche Tüten explodierten nacheinander und entließen ihre beißende Dämpfe schlagartig – nach oben. Schnell breitete sich der Qualm über Kruschinskys Grundstück aus. Horst verschwand in gelbweißen Nebelschwaden und ich hörte ihn nur noch husten und verzweifelt nach Luft ringen.
Mit letzter Kraft rettete er sich ins Haus und schlug die Terrassentür hinter sich zu. Leider zu spät. Der plötzlich drehende Wind hatte bereits einen Großteil des Qualms hinein getrieben, so dass Horst, seine Frau Gisela und Tochter Anja schließlich zur Vordertür hinaus zum Auto flüchteten und das Weite suchten. Die Vertreibung war gelungen. Das Haus der Kruschinskys war unbewohnbar.
Als Folge dieses von mir verschuldeten und von Horst perfekt inszenierten Dramas sprach er ein halbes Jahr lang kein Wort mehr mit mir. Seine Renovierungskosten waren etwa so hoch wie meine Ausgaben für den Anwalt, der die Schadensersatzklage abzuwenden hatte, und den Spezialisten, der die hämisch grinsenden Maulwürfe aus meinem Garten vertreiben musste.
Und das nächste Mal, sollte es eines geben, halte ich meinen Mund.